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Corona-Pandemie – Beherbergungsverbot -Antrags nach § 47 Abs. 6 VwGO

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 20 NE 20.2297 – Beschluss vom 22.10.2020

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin verfolgt im Wege der einstweiligen Anordnung mit ihrem Antrag das Ziel, § 14 Abs. 2 der Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 1. Oktober 2020 (BayMBl. Nr. 562, BayRS 2126-1-11-G) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der 7. BayIfSMV vom 18. Oktober 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 589) (im Folgenden: 7. BayIfSMV) außer Vollzug zu setzen.

Corona-Pandemie – Beherbergungsverbot -Antrags nach § 47 Abs. 6 VwGO
Symbolfoto: Von Beliphotos/Shutterstock.com

Die Antragstellerin ist Inhaberin eines Hotelbetriebs in Bayern. Sie ist der Auffassung, § 14 Abs. 2 7. BayIfSMV verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, weil für den Normadressaten nicht klar zu erkennen sei, welche Person unter das Beherbergungsverbot falle. Die Norm sei außerdem unverhältnismäßig. Einer erhöhten Infektionsgefahr könne die Antragstellerin in ihrem Betrieb durch Anpassung des Hygienekonzepts begegnen. Außerdem sei nicht dargelegt, dass im Zusammenhang mit der Beherbergung ein besonders erhöhtes Infektionsrisiko bestehe. Hierzu verweist sie auf die Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg (B.v. 15.10.2020 – 1 S 3156/20) sowie des OVG Niedersachsen (B.v. 15.10.2020 – 13 MN 371/20). Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2020 wird ergänzend vorgetragen, die belastende Regelungswirkung für die Antragstellerin folge unmittelbar aus § 14 Abs. 2 7. BayIfSMV, der weiter gelte und nicht aus der nach § 14 Abs. 2 Satz 1 7. BayIfSMV erforderlichen „Bekanntmachung“ des Antragsgegners.

Sie beantragt, § 14 Abs. 2 7. BayIfSMV vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Er verweist darauf, dass die „Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege; Corona-Pandemie: Inländische Risikogebiete“ vom 9. Oktober 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 574), auf die § 14 Abs. 2 Satz 1 7. BayIfSMV verweise, mit Ablauf des 16. Oktober 2020 bislang ersatzlos außer Kraft getreten sei (Nr. 1 b) der Änderung der Bekanntmachung vom 13. Oktober 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 575). Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei habe am 16. Oktober 2020 gegenüber der Deutschen Presseagentur das Auslaufen des Beherbergungsverbots und den Verzicht auf eine Verlängerung seitens der Bayerischen Staatsregierung bestätigt. Das Beherbergungsverbot werde weiterhin im „Instrumentenkasten“ für den Kampf gegen die Pandemie erhalten bleiben, entfalte aber keine nachteilige Wirkung zulasten der Antragstellerin. Die Betriebsbeschränkung bestehe nicht mehr, weshalb der Antrag mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig sei. Im Übrigen genüge die Vorschrift den Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen und verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auch sei in der Norm selbst ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, der in der möglichen Bekanntmachung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 7. BayIfSMV nur für außerbayerische Risikogebiete liege, nicht angelegt. Diese gelte für Risikogebiete innerhalb Deutschlands.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist bereits unzulässig, weil der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

1.

Der Antrag ist statthaft, weil er sich gegen die Gültigkeit einer im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift richtet, § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO. Dies gilt sowohl für § 14 Abs. 2 7. BayIfSMV als auch für die „Bekanntmachung des Bayerischen Staatministeriums für Gesundheit und Pflege; Corona-Pandemie: Inländische Risikogebiete“.

Der Eintritt der vollziehbaren Regelungswirkung des § 14 Abs. 2 Satz 2 7. BayIfSMV ist konstitutiv abhängig von der Existenz der als „Bekanntmachung“ nach § 14 Abs. 2 Satz 1 7. BayIfSMV bezeichneten Bewertung inländischer Risikogebiete, ihrer Aufnahme in eine Liste und deren Veröffentlichung. Wegen der damit verbundenen unmittelbaren Außenwirkung unterliegen die untrennbar verwobenen Regelungswerke vollständiger Rechtskontrolle durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Wege der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO, woraus sich gleichzeitig die Statthaftigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ergibt.

Dabei bedarf im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keiner Entscheidung, ob die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums, auf die § 14 Abs. 2 Satz 1 7. BayIfSMV verweist, als Rechtsverordnung nach § 32 Satz 1 IfSG oder als Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren ist.

Durch die Bezeichnung als „Bekanntmachung“ hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zum Ausdruck gebracht, gerade nicht in der Form einer Rechtsverordnung handeln zu wollen, die zu ihrer Wirksamkeit den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügen müsste. Andererseits soll die Bekanntmachung unmittelbar Außenwirkung entfalten und das Beherbergungsverbot für Personen aus den dort gelisteten inländischen Risikogebieten auslösen. Dabei folgt die Listung nicht einem Automatismus, etwa anhand der Inzidenzien der Infektionen (so noch bei BayVGH, B.v. 28.7.2020 – 20 NE 20.1609 –, BeckRS 2020, 17622 zu § 14 Abs. 2 Satz 1 6. BayIfSMV), sondern setzt eine bewusste Willensentscheidung des Antragsgegners voraus, welche Gebiete in die Liste aufgenommen werden sollen. Kriterien für die Beurteilung, wann ein „erhöhtes Risiko“ im Sinn des § 14 Abs. 2 Satz 1 7. BayIfSMV vorliegt, werden im Text der Rechtsverordnung nicht näher bestimmt; damit nimmt der Willensakt der Aufnahme inländischer Risikogebiete in die Bekanntmachung unmittelbar Einfluss auf das Ob und Wie des Regelungsgehaltes der Norm. Infolgedessen misst sich die Bekanntmachung unmittelbare Außenwirkung in abstrakt-genereller Weise zu und löst die Regelungswirkung des § 14 Abs. 2 Satz 2 7. BayIfSMV aus, was grundsätzlich für ihre Qualifizierung als (Teil einer) Rechtsverordnung nach Art. 80 Abs. 1 GG, § 32 Satz 1 IfSG spricht.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist aber auch für den Fall statthaft, wenn es sich bei der „Bekanntmachung“ um eine allein verwaltungsintern bindende und steuernde Verwaltungsvorschrift handeln sollte, der grundsätzlich keine Außenwirkung zukommt und die grundsätzlich nicht der Rechtskontrolle im Rahmen eines Normenkontroll(eil)verfahrens unterfällt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehören zu den im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften nach der Zweckrichtung der Normenkontrolle und dem danach gebotenen weiten Begriffsverständnis nicht nur Satzungen und Verordnungen, sondern auch solche (abstrakt-generellen) Regelungen der Exekutive, die rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfalten und auf diese Weise dessen subjektiv-öffentlichen Rechte unmittelbar berühren (BVerwG, U.v. 25.11.2004 – 5 CN 1/03 – BVerwGE 122, 264-271 – juris Rn. 24 m.w.N.). Hier ist die als „Bekanntmachung“ bezeichnete Listung inländischer Risikogebiete ihrem Inhalt danach darauf ausgerichtet, im Außenverhältnis in derselben Weise in subjektive Rechte einzugreifen, wie das auch bei sonstigen Rechtsvorschriften (Rechtsverordnungen, Satzungen) im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO der Fall ist.

2.

Die für die Geltung des Beherbergungsverbots nach der Normkonstruktion konstitutiv erforderliche Bekanntmachung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 7. BayIfSMV ist derzeit nicht gegeben, so dass die Antragstellerin durch § 14 Abs. 2 Satz 2 7. BayIfSMV aktuell keine rechtlichen Nachteile erfährt. Da ein derartiger Willensentschluss des Verordnungsgebers nicht vorliegt, folgt aus der Regelung des § 14 Abs. 2 7. BayIfSMV kein schwerer Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO. Der Antragstellerin fehlt daher derzeit das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung, da eine gerichtliche Entscheidung ihre Rechtsstellung nicht verbessern kann (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 47 Rn. 102, 56).

Aus der Möglichkeit, dass der Antragsgegner jederzeit eine Bekanntmachung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 7. BayIfSMV veröffentlichen kann, ergibt sich nichts Anderes. Die besonderen Voraussetzungen, unter welchen die Gewährung vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes ausnahmsweise in Betracht kommt, liegen nicht vor.

Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz ist aus Gründen der Gewaltenteilung nicht vorbeugend konzipiert (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2016 – 2 C 18.15 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 10 CE 19.2234 – juris Rn. 5). Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt ein System nachgängigen – ggf. auch vorläufigen – Rechtsschutzes bereit und geht davon aus, dass dieses zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich ausreicht. Vorbeugende Klagen und erst recht vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz sind daher nur zulässig, wenn ein besonderes schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, weil ein Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz – einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzes – mit für den Rechtsschutzsuchenden unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre, insbesondere die Schaffung irreversibler Fakten droht und dadurch nicht wiedergutzumachenden Nachteile entstehen können (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2016 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 24.1.2017 – juris Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 01/2020, § 123 Rn. 46).

Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Die Antragstellerin muss sich darauf verweisen lassen, für den Fall des „Wiederauflebens“ der Regelungen ggf. erneut gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerin teilweise angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 25. Oktober 2020 außer Kraft tritt (§ 26 der 7. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht erscheint.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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