OLG Frankfurt – Az.: 1 WF 102/20 -Beschluss vom 08.07.2020
I. Die Beschwerde der Mutter, Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Langen (Hessen) vom 22.5.2020 (Geschäftsnummer 64 F 56/18 UG) – Nichtabhilfebeschluss vom 15.6.2020 – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin zu tragen.
III. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Mutter und Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 22.5.2020, mit dem ihr wegen Zuwiderhandlungen gegen eine Regelung des Umgangs ein Ordnungsgeld auferlegt worden war. Es besteht gemeinsame elterliche Sorge der Eltern.
Mit Beschluss vom 15.8.2018 hatte das Familiengericht Langen den Umgang des Vaters und Antragstellers mit dem gemeinsamen Kind der Beteiligten A, geboren am XX.XX.2010, geregelt. U.a. wurden zu Ziffer 1. der regelmäßige Wochenendumgang und zu Ziffern 4. und 5. der Ferienumgang geregelt. Zu Ziffer 8. wurden die Eltern darauf hingewiesen, dass das Gericht bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die sich aus dem Beschluss ergebenden Verpflichtungen gegenüber den Beteiligten Ordnungsgeld bis zu 25.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angeordnet werden kann. Verspreche die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, so könne das Gericht Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anordnen.
Der Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Vaters am 31.10.2018 und dem Verfahrensbevollmächtigten der Mutter am 1.11.2018 zugestellt. Mitte März 2020 kam es zu einem Konflikt zwischen den Eltern in Bezug auf den Umgang. Mit Nachricht vom 27.3.2020 teilte die Mutter dem Vater mit, sie setze den direkten Umgang zwischen Vater und Sohn aus, da sie im Haushalt Risikogruppen habe. Der Vater könne mit A telefonieren und ihn auf dem Balkon sehen. Man könne gern schon Nachholtermine vereinbaren. Mit im Haus, jedoch nicht in derselben Wohnung, wohnen die Großeltern des Kindes, die Eltern der Mutter. Mit E-Mail vom 4.4.2020 teilte die Mutter dem Vater wiederholend mit, sie werde den persönlichen Umgang bis zum 20.4. aussetzen. Mit Datum vom 8.4.2020 stellte der Vater sodann den Antrag, gegen die Mutter ein angemessenes Ordnungsgeld zu verhängen.
Er trägt vor, die Mutter habe eine eigene Vorerkrankung nicht substantiiert dargelegt; die Großeltern lebten mit ihr und dem Kind nicht in derselben Wohnung. Der Vater ist der Ansicht, auch in den Zeiten der Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Coronavirus habe der Umgang stattzufinden. Das Kind sei gesund und seine, die des Vaters, Familie sei ebenfalls gesund; er selbst achte auf die empfohlene Hand- und Mundhygiene sowie auf die Abstandsregelungen. Er sei bereit, täglich Fieber zu messen. Zudem besitze er einen Garten, wo er mit dem Sohn spielen könne, sodass er nicht darauf angewiesen sei, mit A auf Spielplätze zu gehen. Ohnehin seien die Kontakte, auch der Familie des Vaters, zur Außenwelt sehr stark eingeschränkt, d.h. auf das Notwendigste beschränkt.
Die Kindesmutter wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes.
Sie trägt vor, bereits ab dem 12.3.2020 intensiv mit dem Vater kommuniziert zu haben. Sie selbst leide an einer Lungenvorerkrankung und gehöre damit zur Risikogruppe in Bezug auf eine mögliche Erkrankung mit dem Covid-19-Erreger. Auch ihre Eltern gehörten zum gefährdeten Personenkreis. A lebe letztendlich in einer Mehrgenerationensozialisation. Zudem sei der Vater offenbar der Auffassung, das Tragen eines Mundschutzes sei widersinnig. Aufgrund der Patchworkfamiliensituation beim Vater werde A im Falle eines Umgangs mit einem größeren Personenkreis konfrontiert.
Die Mutter ist der Ansicht, dass sie die Zuwiderhandlung gegen den Umgangsbeschluss nicht zu vertreten habe.
Mit Beschluss vom 22.5.2020 wurde gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 € festgesetzt.
Zur Begründung führt das Amtsgericht u.a. aus, die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 89 FamFG lägen vor. Eine Kindeswohlprüfung finde im Vollstreckungsverfahren nicht statt. Das aufgrund des Infektionsschutzes erlassene Kontaktverbot gelte nicht im Verhältnis von Kindern zu ihrem in einem weiteren Haushalt lebenden Elternteil, sodass Kinder weiterhin ein Recht auf Umgang mit dem nichtbetreuenden Elternteil hätten. Sofern die Bedenken der Mutter in der ersten Zeit der Unsicherheit wegen der Verbreitung des Coronavirus möglicherweise noch nachvollziehbar gewesen seien, gelte dies jedoch nicht für die Verweigerung bis zum Tag des Beschlusses. Schließlich sei es Sache der Kindesmutter gewesen, ein entsprechendes Abänderungsverfahren oder Aussetzungsverfahren anzustreben.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Mutter mit ihrer sofortigen Beschwerde.
Sie trägt vor, es habe zwar zwischen dem 18.3.2020 und dem 26.5.2020 kein persönlicher Umgang stattgefunden, jedoch sei es nicht zu einem kompletten Umgangsausschluss gekommen. Zudem sei A aufgrund der Tatsache, dass er Kontaktperson für Risikoverwandte sei, vom Unterricht befreit gewesen und sei letztlich aktuell immer noch befreit. Gleichwohl habe sie sich entschlossen, A wieder in die Schule gehen zu lassen, zugleich habe sie auch den persönlichen Umgang As zum Vater wieder zugelassen. Er sei am 27.5.2020 nachmittags, am 1.6.2020 von 12.00 bis 18.30 Uhr und sodann vom 5. bis zum 8.6.2020 bei seinem Vater gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Familiengericht die Nichtumsetzung des Umgangsrechts zu Anfang hingenommen habe, später jedoch nicht mehr. Dies sei vom Gericht wenig konkretisiert worden.
Zu ihrer Exkulpierung trägt die Mutter weiter vor, der Vater habe ihr gegenüber in Telefonaten die Coronaproblematik banalisiert. Der Vater habe ihren Bedenken nicht ausreichend Rechnung getragen. Mit ein wenig Verständnis und Kooperationsbereitschaft wäre das Problem nach Auffassung der Mutter nicht entstanden. Sie habe ihm immer wieder angeboten, dass er den gemeinsamen Sohn sehen könne. Sie selbst gehöre zu einer Risikogruppe und A wohne in einem Mehrgenerationenhaus, denn mit im Haus wohnten ihre Eltern. Schließlich teilt die Mutter zur Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes mit, dass sie aufgrund der Corona-Pandemie seit Februar 2020 mit stark rückläufigen Einnahmen zu kämpfen und mittlerweile Leistungen nach dem ALG II beantragt habe.
II.
Die gemäß §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Mutter und Antragsgegnerin ist nicht begründet.
1. Die formellen Voraussetzungen für die Verhängung von Ordnungsgeld sind erfüllt. Es liegt ein hinreichend konkretisierter, vollstreckbarer Umgangstitel vor, der einen Hinweis auf die Folgen der Zuwiderhandlung gegen die Umgangsregelung enthält. Zudem wurde der Titel der Mutter über ihren Verfahrensbevollmächtigtem zugestellt (§§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 2 FamFG).
2. Die nach § 89 Abs. 1 FamFG vorausgesetzten Zuwiderhandlungen gegen die gerichtliche Umgangsregelung liegen ebenfalls vor, nachdem die Mutter unstreitig dem Vater ab dem 19.3.2020 bis jedenfalls zum 26.5.2020 einen persönlichen Kontakt mit dem gemeinsamen Sohn nicht gewährt hat.
3. Entgegen der Auffassung der Mutter und in Übereinstimmung mit der Auffassung des Familiengerichts hat die Mutter die Zuwiderhandlungen gegen die Umgangsregelung aus dem Beschluss des Familiengerichts Langen vom 15.8.2018 auch zu vertreten.
Nach § 89 Abs. 4 S. 1 FamFG unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsmittels, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Dabei hat er die Umstände, die den Grund für das Scheitern der Umgangskontakte darstellen, im Einzelnen darzulegen (vgl. BGH vom 30.9.2015 – XII ZB 635/14 = FamRZ 2015, 2147, Rn. 27). Hier hat sich die Mutter darauf berufen, dass der persönliche Umgang so, wie im Beschluss vom 15.8.2018 geregelt, wegen der Kontaktbeschränkungen und der Gefahr der Verbreitung des Coronavirus nicht habe stattfinden können. Sie führt an, sie selbst gehöre zu einer Risikogruppe und A wohne zusammen mit den Großeltern in einem Mehrgenerationenhaus.
Diese Einlassung der Mutter und die vorgetragenen Umstände führen jedoch nicht dazu, dass auf Seiten der Mutter von einem fehlenden Vertreten müssen hinsichtlich der ausgefallenen Umgangskontakte auszugehen wäre. Denn der umgangsverpflichtete Elternteil ist ohne Einverständnis des umgangsberechtigten Elternteils grundsätzlich nicht befugt, über die Ausgestaltung und das Stattfinden des Umgangsrechts zu disponieren. Der Umstand, dass die Mutter sich aus gesundheitlichen Gründen – irrtümlicher Weise – berechtigt gefühlt hat, aus einem ihrer Auffassung nach wichtigen Grund die Umgangsregelung abzuändern, lässt ihr Verschulden nicht entfallen, denn im Rahmen des § 89 Abs. 4 FamFG und nach dem anzuwendenden Verschuldensmaßstab reicht auch Fahrlässigkeit (Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684 Rn. 545).
a) Festzuhalten ist, dass die Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Coronavirus vom Grundsatz her nicht dazu führen und von Beginn an auch nicht geführt haben, dass Umgangskontakte von Elternteilen mit ihren Kindern nicht mehr stattfinden können bzw. konnten. So hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz darauf hingewiesen, dass grundsätzlich das Umgangsrecht aufgrund der Corona-Pandemie und der entsprechenden Schutzvorkehrungen nicht auszuschließen sei (www.bmjv.de/DE/themen/fokusthemen/corona). Vielmehr beziehe sich die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, nicht auf die Kernfamilie, auch wenn die Eltern in verschiedenen Haushalten lebten. Somit steht dem Umgang zwischen Vater und Kind insbesondere kein gesetzliches Verbot entgegen, und es ergibt sich auch aus den wegen der Corona-Pandemie ergangenen Verordnungen auf Landesebene kein Kontaktverbot, welches auch den Kontakt zwischen umgangsberechtigtem Elternteil und Kind berühren würde. Denn der Umgang zwischen dem nichtbetreuenden Elternteil und dem Kind gehört zum absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte und unterfällt damit einem Ausnahmetatbestand (OLG Braunschweig vom 20.5.2020 – 1 UF 51/20, Rn. 20; OLG Schleswig vom 25.5.2020 – 10 WF 77/20, Rn. 21 ff; Rake, FamRZ 2020, 650, 651; Mainz-Kwasniok, NZFam 2020, 318).
b) Auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ergibt sich vorliegend keine Situation, die dazu führen würde, dass auf Seiten der Mutter wegen der verweigerten Umgangskontakte nicht von einem Vertreten müssen auszugehen wäre. Die insoweit denkbaren Situationen, z.B. die Situation einer behördlich verhängten Quarantäne über den Haushalt, in dem das Kind oder in dem der umgangsberechtigte Elternteil leben oder auch eine nachgewiesene Infektion entweder des Kindes oder des umgangsberechtigten Elternteils mit dem Covid-19-Virus liegen nicht vor. Nur vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass auch Covid-19-typische Symptome weder bei dem Vater noch bei dem Kind vorlagen.
c) Sofern die Mutter wegen ihrer eigenen Vorerkrankung bzw. des Alters der im Haus, jedoch nicht in der gleichen Wohnung lebenden Großeltern des Kindes, eine freiwillige Quarantäne einhält und im Zuge dessen den nicht betreuenden Elternteil, hier den Vater, von Umgangskontakten fernhält, reicht dies für eine Entlastung im Sinne von § 89 Abs. 4 FamFG ebenfalls nicht aus. Dies folgt bereits daraus, dass im Fall von gemeinsamer elterlicher Sorge eine Entscheidung, das Kind – ebenfalls – einer freiwilligen Quarantäne zu unterstellen, von den Eltern gemeinsam, im Rahmen ihrer Sorgerechtsbefugnisse, zu treffen ist, denn bei einer solchen Entscheidung handelt es sich um eine Entscheidung über eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind gemäß §§ 1687 Abs. 2 S. 1, 1628 BGB (Rake, a.a.O., S. 653).
4. Die vom Senat vorzunehmende Ermessensübung führt somit dazu, dass vorliegend, wie auch vom Familiengericht angenommen, zur effektiven Durchsetzung der gerichtlichen Umgangsregelung ein Ordnungsgeld zu verhängen war. Um der Entfremdung des Kindes vom Elternteil vorzubeugen, ist es grundsätzlich geboten, eine gerichtliche Umgangsregelung auch durchzusetzen.
5. Auch eine Einstellung der Vollstreckung im Sinne von § 93 FamFG Ziff. 4 kam vorliegend nicht in Betracht, denn die Mutter hat den – gangbaren – Weg einer Einleitung oder Anregung eines Abänderungsverfahrens im Sinne von § 1696 BGB, auch ggf. im Wege der einstweiligen Anordnung, nicht beschritten.
6. Die Auswahl des Ordnungsmittels und dessen Höhe stehen im Ermessen des Familiengerichts. Anhaltspunkte dafür, dass das Familiengericht, auch mit Blick auf die derzeit schwierige Einkommenssituation der Mutter, zu der im Beschwerdeverfahren noch weiter vorgetragen wurde, das Ordnungsgeld erheblich zu hoch angesetzt haben sollte, bestehen vor dem Hintergrund des erheblichen Ausmaßes der Zuwiderhandlung, nämlich der Umgangsverweigerung über einen längeren Zeitraum, nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 84 FamFG. Mit Blick auf das Unterliegen der Beschwerdeführerin war von dem Grundsatz, dass derjenige die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat, der mit der Beschwerde unterlegen war, keine Ausnahme zu machen.
Die Entscheidung hinsichtlich der Verfahrenskostenhilfe beruht auf §§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO. Erfolgsaussichten bestanden für die Beschwerde der Antragsgegnerin nicht.