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Corona-Pandemie – Mindestabstand für Sprachschulen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 20 NE 20.1497 – Beschluss vom 07.07.2020

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Eilantrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, § 17 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19. Juni 2020 (vgl. 2126-1-10-G, BayMBl. 2020 Nr. 348, im Folgenden: 6. BayIfSMV), geändert durch Verordnungen vom 24. Juni 2020 (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 362, im Folgenden: Änderungsverordnung v. 24.6.2020) und vom 30. Juni 2020 (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 374, im Folgenden: Änderungsverordnung v. 30.6.2020), sowie dessen Vorgängernorm einstweilen außer Vollzug zu setzen.

2. Die Vorgängernorm zu § 17 der 6. BayIfSMV, § 16 der Fünften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 29. Mai 2020 (vgl. 2126-1-9-G, BayMBl. 2020 Nr. 304, im Folgenden: 5. BayIfSMV), geändert durch Verordnungen vom 12. Juni 2020 (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 334, im Folgenden: Änderungsverordnung v. 12.6.2020) und 16. Juni 2020 (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 338, im Folgenden: Änderungsverordnung v. 16.6.2020), trat nach § 23 Satz 1 der 5. BayIfSMV mit Ablauf des 21. Juni 2020 außer Kraft (vgl. § 1 Nr.10 der Änderungsverordnung v. 12.6.2020) und wurde durch § 17 der 6. BayIfSMV, der gemäß § 24 der 6. BayIfSMV am 22. Juni 2020 in Kraft trat, ersetzt.

3. § 17 der 6. BayIfSMV lautet in der derzeit gültigen Fassung:

㤠17 Ausbildung, Fort- und Weiterbildung; Erwachsenenbildung

(1) Die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung ist nur zulässig, wenn zwischen allen Teilnehmern ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt ist. § 15 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Angebote der Erwachsenenbildung im Sinn des Art. 1 Abs. 1 des Bayerischen Erwachsenenbildungsförderungsgesetzes, der Sprach- und Integrationsförderung, der Familienbildungsstätten, der Jugendarbeit zu Zwecken der Bildungsarbeit nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch, der außerschulischen Umweltbildung und vergleichbare Bildungsangebote sind vorbehaltlich speziellerer Regelungen in dieser Verordnung nur zulässig, wenn zwischen allen Teilnehmern ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt ist. § 15 Satz 2 gilt entsprechend. Der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept auf der Grundlage eines von den Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Gesundheit und Pflege bekannt gemachten Rahmenkonzepts auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.

(3) Unterricht an Musikschulen darf nur erteilt werden, wenn zwischen allen Beteiligten ein Mindestabstand von 1,5 m, bei Blasinstrumenten und Gesang ein Mindestabstand von 2 m gewahrt ist. Dies gilt entsprechend für Musikunterricht außerhalb von Schulen.

(4) § 5 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.“

Corona-Pandemie - Mindestabstand für Sprachschulen
Symbolfoto: Von Halfpoint /Shutterstock.com

Die genannte Bestimmung wird gemäß § 24 der 6. BayIfSMV (i.d.F.d. Änderungsverordnung v. 30.6.2020) mit Ablauf des 19. Juli 2020 außer Kraft treten.

4. Die Antragstellerin, die eine Sprachschule betreibt, beantragt mit Schriftsatz vom 30. Juni 2020, § 17 der 6. BayIfSMV sowie § 16 der 5. BayIfSMV einstweilen außer Vollzug zu setzen. Sie rügt – insbesondere unter Wiedergabe der Entscheidung des Senats vom 27. April 2020 (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 20 NE 20.793 – juris Rn.30 bis 45) – eine Verletzung ihrer Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 GG sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Ihr sei vom 18. März 2020 bis zum 18. Juni 2020 ein Gewinnausfall in Höhe von insgesamt 21.000 Euro entstanden. Dazu kämen Personalkosten in Höhe von 48.000 Euro. Trotz der mit Bescheid vom 14. Mai 2020 gewährten Soforthilfe in Höhe von 26.586 Euro verbleibe ein Schaden in Höhe von 42.414 Euro. Zwar dürfe die Sprachschule seit dem 30. Mai 2020 wieder öffnen. Das Mindestabstandsgebot mache der Antragstellerin aber eine sinnvolle Betätigung unmöglich. In den sechs Räumen der Sprachschule könnten nur noch zwanzig Personen unterrichtet werden, während es zuvor circa 58 bis 60 Personen (wobei zu einem Raum die Angabe fehlt) gewesen seien. Die Kursgebühr von vier Schülern eines Intensivkurses fließe in das Lehrerhonorar der betreffenden Lehrkraft. Für Miete, Versicherung, Werbekosten und sonstige Betriebsausgaben bleibe nahezu nichts übrig. Das Online-Angebot werde kaum angenommen. Da lange nicht festgestanden habe, ab wann wieder Präsenzunterricht möglich sein würde, sei seit Mitte März keine Akquise möglich gewesen, so dass das Unternehmen nun völlig am Boden liege. Die Antragstellerin sei in der wirtschaftlichen Existenz bedroht. § 28 IfSG sei nicht erfüllt, weil dieser voraussetze, dass die betroffenen Personen selbst infiziert worden seien oder im Verdacht stünden, infiziert zu sein. Daran fehle es, weil es in der Sprachschule nicht zu konkreten Infektionsfällen gekommen sei. Der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, da die Ausübung sportlicher Aktivitäten gemäß § 9 Abs. 4, 5 der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung unter wesentlich weniger strengen Voraussetzungen zulässig sei als im Bereich Aus-, Fort-, Weiter- und Erwachsenenbildung. Des Weiteren werde gegen den Vorbehalt des Gesetzes verstoßen, da kein Maßnahmegesetz erlassen worden sei. Schließlich sei gegen das Gebot der Normenklarheit verstoßen worden, weil weder die 5. BayIfSMV noch die 6. BayIfSMV noch die Änderungsverordnungen vom 12. Juni 2020 und vom 16. Juni 2020 Regelungen dazu enthielten, ob und wann die 5. BayIfSMV außer Kraft trete.

5. Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen. Soweit der Eilantrag gegen den außer Kraft getretenen § 16 der 5. BayIfSMV gerichtet sei, sei er unstatthaft und damit unzulässig. Im Übrigen sei der Eilantrag unbegründet. Insbesondere decke § 28 Abs. 1 IfSG auch Schutzmaßnahmen gegenüber Nichtstörern. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht ersichtlich. Der Betrieb und die Nutzung von Sportanlagen gemäß § 9 Abs. 1 der 6. BaylfSMV sei nach wie vor grundsätzlich untersagt, während Bildungseinrichtungen gemäß § 17 Abs. 1 und 2 der 6. BaylfSMV „zulässig“ seien. Für den Betrieb und die Nutzung von Sportanlagen stelle § 9 der 6. BaylfSMV detaillierte Hygieneregeln auf. Die Anforderungen des § 17 der 6. BayIfSMV blieben dahinter zurück. Außerdem bestehe für atypische Fälle die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Einzelfall nach § 17 Abs. 4 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 2 der 6. BaylfSMV. § 28 IfSG sei Rechtsgrundlage für auch auf längere Sicht bestehende Betriebsbeschränkungen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit sei nicht ersichtlich, da sich das Außerkrafttreten der 5. BayIfSMV aus § 1 Nr. 10 der Änderungsverordnung vom 12. Juni 2020 ergebe. Zwar sei die Antragstellerin in ihrer Berufsausübungsfreiheit beschränkt, wobei die Einkommensverluste plausibel seien, der Vortrag der Antragstellerin zu den Personalkosten und den Online-Kursen indes äußerst pauschal. Unternehmern gelinge es oftmals, die Kosten ihrer Arbeitnehmer (Lohnkosten und Sozialabgaben) im Rahmen der Möglichkeit staatlich subventionierter Kurzarbeit abzudecken. Ebenso würden im Sprachbereich anderweitig, zum Beispiel von Volkshochschulen, Online-Kurse angeboten und nachgefragt. Was die Antragstellerin diesbezüglich unternommen habe, erschließe sich aus dem Eilantrag nicht. Die Norm sei mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch verhältnismäßig. Beim Zusammenkommen von vielen Menschen beziehungsweise größeren Gruppen wie bei Unterricht auf begrenztem Raum wäre voraussichtlich mit sogenannten Ausbrüchen zu rechnen. Die Chance, dass unter zwölf oder vierzehn gleichzeitig anwesenden Schülern von Sprachkursen ein Infizierter ist, ist höher als bei kleineren Gruppen, zugleich habe ein Infizierter in einer größeren Gruppe die Möglichkeit, mehrere andere anzustecken. Im Übrigen könnten die Folgen für Anbieter wie die Antragstellerin, durch Inanspruchnahme staatlicher finanzieller Hilfen jedenfalls abgemildert werden.

6. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Der teils zulässige Eilantrag ist in dem Umfang, in dem er zulässig ist, unbegründet.

a) Soweit der Eilantrag sich gegen § 16 der 5. BayIfSMV richtet, ist er mangels Statthaftigkeit unzulässig. Im Übrigen ist er zulässig.

Ein Normenkontrollantrag und ein entsprechender Eilantrag setzen, wie sich aus § 47 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 VwGO ergibt, voraus, dass die angegriffenen Normen noch in Kraft sind. Normen, die bei Einreichung des Antrags außer Kraft getreten sind, entfalteten bereits zu jenem Zeitpunkt keine Rechtswirkungen mehr und können daher kein statthafter Gegenstand eines Normenantrags und eines entsprechenden Eilantrags sein, wobei es in letzterem Fall darüber hinaus stets an der Dringlichkeit fehlt. Die einstweilige Außervollzugsetzung einer ehemaligen Norm kann das gewünschte Rechtsschutzbegehren des jeweiligen Antragstellers nicht erfüllen (vgl. NdsOVG, B.v. 11.5.2018 – 12 MN 40/18 – juris Rn. 14). Zwar kann an der Feststellung einer ehemals bestehenden Unwirksamkeit einer Norm ausnahmsweise dann ein berechtigtes Interesse bestehen, wenn die Norm während des Normenkontrollverfahrens außer Kraft tritt, mit der Folge, dass diese – in der Hauptsache – Verfahrensgegenstand bleibt (vgl. Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 72 m.w.N.). Abgesehen davon, dass auch diese Ausnahme, allein die Zulässigkeit des Hauptsacheverfahrens betrifft (s.o.), liegt ein derartiger Fall nicht vor. Die rechtsanwaltlich vertretene Antragstellerin wendet sich nach dem Zeitpunkt des Außerkrafttretens der Norm gegen § 16 der 5. BayIfSMV. An dem Außerkrafttreten dieser Norm besteht unter dem Gesichtspunkt der Normenklarheit kein Zweifel. § 1 Nr. 10 der von Antragstellerseite selbst zitierten Änderungsverordnung vom 12. Juni 2020 regelte, dass in § 23 Satz 1 der 5. BayIfSMV die „Angabe 14. Juni 2020“ durch die Angabe „21. Juni 2020“ ersetzt wurde, mit der Folge, dass die 5. BayIfSMV mit Ablauf jenes Tages außer Kraft trat (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 334).

b) Soweit der Eilantrag zulässig ist, mithin soweit er sich gegen § 17 der 6. BayIfSMV richtet, ist er unbegründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor.

aa) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a.- juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn – wie hier – die in der Hauptsache angegriffene Norm in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthält oder begründet, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.

Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12).

bb) Nach diesen Maßstäben geht der Senat davon aus, dass der Normenkontrollantrag sich in der Hauptsache voraussichtlich als unbegründet erweisen wird. Die gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung ergibt, dass gegen die angegriffene Norm keine durchgreifenden Bedenken bestehen.

(1) § 17 der 6. BayIfSMV ist insbesondere von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gedeckt. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ermöglicht es auch, Maßnahmen gegen (sonstige) Dritte („Nichtstörer“) zu richten. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG als Generalklausel ausgestaltet, da sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2020 – 20 NE 20.1127 – juris Rn. 35 ff. m.w.N.; speziell zu Nachhilfeeinrichtungen: VGH BW, B.v. 13.5.2020 – 1 S 1281/20 – juris Rn. 17; ebenso bereits BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – juris Rn. 24 u. zu § 34 BSeuchenG a.F.: BT-Drs. 8/2468, S. 28). Dem steht insbesondere auch § 31 IfSG samt dem dort genannten Adressatenkreis nicht entgegen. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ergänzt aus den geschilderten Gründen die speziellen, aber nicht abschließenden Instrumentarien der §§ 29 bis 31 IfSG, um einer infektionsschutzrechtlichen Gefährdungslage in jedem Fall adäquat begegnen zu können (vgl. OVG Berlin-Bbg., B.v. 23.4.2020 – OVG 11 S 25/20 – juris Rn. 10 m.w.N.). Zweifel ergeben sich in diesem Zusammenhang auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Parlamentsvorbehalts, da es im vorliegenden Fall um Modifikationen des Betriebs geht, nicht hingegen um eine Betriebsschließung (vgl. zu Nachhilfeeinrichtungen: VGH BW, B.v. 13.5.2020 – 1 S 1281/20 – juris Rn. 23).

(2) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 32 Satz 1 IfSG für die mit § 17 der 6. BayIfSMV angeordneten Schutzmaßnahmen liegen angesichts der aktuellen Pandemielage weiterhin vor.

Das pandemische Geschehen dauert weiter an. Das Robert-Koch-Institut, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), schätzt in der erneut überarbeiteten Risikobewertung vom 2. Juli 2020 die Lage in Deutschland auch gegenwärtig als sehr dynamisch und ernstzunehmend und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung weiterhin insgesamt (auf einer Skala von “gering“, „mäßig“, „hoch“ bis „sehr hoch“) als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html; vgl. auch den Situationsbericht v. 6.7.2020: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-07-06-de.pdf?__blob=publicationFile). Angesichts des zu befürchtenden exponentiellen Verlaufs des Infektionsgeschehens, einer Vielzahl klinischer Verläufe mit Todesfolge oder schwerwiegenden Gesundheitsschäden und der Tatsache, dass nach wie vor weder ein Impfstoff noch eine spezifische Therapie zur Verfügung stehen, ist die Risikobewertung für die Gesundheit der Bevölkerung als hoch beziehungsweise als sehr hoch jedenfalls nicht offensichtlich unplausibel (vgl. BayVerfGH, E.v. 3.7.2020 – Vf. 34-VII-20 – Rn. 17, abrufbar unter: https://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/media/images/bayverfgh/34-vii-20_e._a._-_4.entscheidung.pdf).

(3) § 17 der 6. BayIfSMV hält gegenwärtig die sich aus der Beschränkung in § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG in Verbindung mit § 32 Satz 1 IfSG auf „notwendige Schutzmaßnahmen“ sowie aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit in inhaltlicher Hinsicht („soweit“) und zeitlicher Hinsicht („solange“) ergebenden strengen Grenzen ein.

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(a) Dies gilt insbesondere in Bezug auf die geltend gemachte Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.

(aa) Der Verordnungsgeber verfolgt mit § 17 der 6. BayIfSMV das – mit Blick auf die Berufsausübungsfreiheit – legitime Ziel weiter, die Bevölkerung vor der Infektion mit dem – über die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehenden Flüssigkeitspartikel (Tröpfchen und Aerosole) übertragbaren (vgl. RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand: 26.6.2020, 1. Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=D66C318969629FE27B7E031ABE3A7B6C.internet082#doc13776792bodyText1) SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines exponentiellen Anstiegs von Ansteckungen und Krankheitsfällen zu vermeiden. Trotz des inzwischen verlangsamten Infektionsgeschehens darf der Verordnungsgeber weiterhin davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie aufgrund der dynamischen Situation nach wie vor eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet (s.o.), die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit der Bevölkerung aus Art. 2 Abs. 2 GG gebietet (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR1021/20 – juris Rn. 8).

(bb) Der in § 17 der 6. BayIfSMV geregelte Mindestabstand, der bei Anbietern wie der Antragstellerin mit begrenzten räumlichen Kapazitäten zu einer Reduzierung der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer führt, ist geeignet, die Infektionsgefahr einzudämmen. Durch das Einhalten eines Abstands von mindestens 1,5 m kann die Exposition gegenüber Tröpfchen sowie in gewissen Umfang auch Aerosolen verringert werden (vgl. RKI, Infektionsschutzmaßnahmen <Stand: 3.7.2020>, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html). Der Mindestabstand reduziert den physischen Kontakt und das damit einhergehende Infektionsrisiko der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie der Lehrkraft.

(cc) Der Verordnungsgeber darf den in § 17. der 6. BayIfSMV geregelten Mindestabstand gegenwärtig voraussichtlich auch für erforderlich halten.

Die Einschätzung des Verordnungsgebers, dass ein regulärer Betrieb von Einrichtungen wie derjenigen der Antragstellerin ein Infektionsrisiko begründet, ist nachvollziehbar. Denn der reguläre Betrieb von Sprachschulen bedeutet in der Praxis, dass eine Lehrkraft und eine Mehrzahl von an den Kursen teilnehmenden Personen für eine erhebliche Verweildauer in geschlossenen, regelmäßig eng begrenzten Räumen zusammentreffen. Dies birgt bei einer realistischen Betrachtung, wie Sprachunterricht in der Gruppe funktioniert, der sich vor allem durch Wortbeiträge auszeichnet, auch das Risiko einer Übertragung über die genannten Flüssigkeitspartikel (s.o.). Nach Auffassung des Robert-Koch-Instituts ist der Mindestabstand – neben der Händehygiene und der Selbstisolierung im Krankheitsfall – die wichtigste und effektivste Maßnahme (vgl. RKI, Infektionsschutzmaßnahmen <Stand: 3.7.2020>, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html)). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin selbst keine milderen Mittel vorgetragen hat. Derartige Mittel sind für den üblichen Sprachunterricht auch nicht anderweitig ersichtlich.

(dd) Der in § 17 der 6. BayIfSMV geregelte Mindestabstand ist voraussichtlich bei Abwägung der gegenläufigen Positionen auch angemessen. Der Verordnungszweck steht nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Betrieb von Einrichtungen wie derjenigen der Antragstellerin von der zunächst im Wege von Allgemeinverfügungen angeordneten Schließung bis hin zu der genannten Vorgängerregelung und nun § 17 der 6. BayIfSMV bereits seit dreieinhalb Monaten nicht unbeschränkt ist und dies mit erheblichen, zum Teil gravierenden Einbußen für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer einhergeht.

Das geltend gemachte Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit gilt indes nicht uneingeschränkt und hat hier im Ergebnis angesichts der drohenden Überforderung des Gesundheitswesens gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zurückzutreten.

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Einrichtungen wie die Sprachschule der Antragstellerin unter den in § 17 der 6. BayIfSMV und bereits der Vorgängernorm geregelten Maßgaben ihren Betrieb wiederaufgenommen haben. Dies konzediert auch die Antragstellerin, die vorträgt, dass ihre Sprachschule seit dem 30. Mai 2020 wieder geöffnet ist.

Weiterhin ist in Rechnung zu stellen, dass Einrichtungen wie die Sprachschule der Antragstellerin zu einem maßgeblichen Anteil ihr Dienstleistungsangebot auf Online-Unterricht umgestellt haben. Dies ist mit relativ geringem Aufwand technisch machbar und auch inhaltlich, wenngleich zweifellos mit Abstrichen, möglich (vgl. zu Nachhilfeeinrichtungen: VGH BW, B.v. 13.5.2020 – 1 S 1281/20 – juris Rn. 25). Dazu ist augenscheinlich auch die Antragstellerin übergegangen. So bewirbt sie das Angebot der Sprachschule laut dem Internetauftritt mit der Formulierung „Präsenzunterricht in kleinen Gruppen oder Online-Unterricht im virtuellen Klassenzimmer“. Unter der Rubrik „Deutschkurse“ werden zuoberst „Onlinekurse“ aufgeführt (vgl. Antragstellerin, Homepage, Stand: 5.7.2020). Zwar trägt die Antragstellerseite insofern vor, dass das Online-Angebot kaum angenommen werde, führt dies jedoch nicht näher aus. Der Online-Unterricht war Anbietern wie der Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt untersagt.

Wenngleich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf Schwierigkeiten bei der Akquise wegen der Unsicherheiten in Bezug auf den Zeitpunkt der Wiedereröffnung verweist, kann nicht ausgeblendet werden, dass andere Anbieter in diesem Bereich den Zeitraum bis dahin genutzt haben, das Portfolio um das Online-Angebot zu erweitern, den künftigen Präsenzunterricht zu organisieren und die Kundinnen und Kunden hierauf einzustellen. Zwar mag die Antragstellerin aufgrund ihrer individuellen Lebenssituation – die sie bis auf das Alter der Kinder nicht erläutert hat – auf Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung stoßen. Die Antragstellerin hat allerdings nicht konkret vorgetragen, sich vergeblich an Schulen beziehungsweise Kinderbetreuungseinrichtungen, einzelne Lehr- und Betreuungskräfte oder die hinsichtlich der Beratungs-, Unterstützungs-, <Not>Betreuungs-, Förder- und Brückenangebote zuständigen Stellen gewendet zu haben. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Angaben diesbezüglich sind äußerst vage geblieben. Im Übrigen ist die Antragstellerin selbst laut dem Internetauftritt unter den Lehrkräften der Sprachschule gar nicht aufgeführt. Zusammenfassend ist folglich zwar anzuerkennen, dass die Umstellung auf das Online-Angebot den Präsenzunterricht nicht vollwertig ersetzen kann. Allerdings können die Einschränkungen hiermit gegenwärtig und konnten auch bereits in der Vergangenheit in Teilen abgefedert werden.

Betroffene Wirtschaftsteilnehmer haben grundsätzlich unternehmerische Instrumente, den Auswirkungen von Beschränkungen teilweise auszuweichen, indem sie verfügbare Einnahmen maximieren und/oder gleichzeitig Ausgaben minimieren. So haben Einrichtungen wie die Sprachschule der Antragstellerin beispielsweise die Möglichkeit, die Preise für den Präsenzunterricht zu erhöhen. Diesen Weg hat auch die Antragstellerin ausweislich ihres Internetauftritts beschritten (vgl. Antragstellerin, Homepage, Stand: 5.7.2020: „sind wir leider gezwungen, die Preise für Präsenzunterricht in der …straße etwas zu erhöhen“).

Sprachkurse für Firmen in München

Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass Einrichtungen wie die Sprachschule der Antragstellerin neben dem Präsenzunterricht gegenwärtig zusätzlich über andere, inhaltlich benachbarte Einnahmen verfügen. So bietet die Sprachschule der Antragstellerin laut dem Internetauftritt neben „Sprachkursen für Firmen in München“ – dies dürfte auch Sprachkurse im Rahmen der beruflichen Aus- Fort- und Weiterbildung im Sinne von § 17 Abs. 1 der 6. BayIfSMV bei Arbeitgebern einschließen, deren räumliche Kapazitäten nicht in dem Umfang begrenzt sind wie die der Antragstellerin – „Bewerbungstrainings“, „Nachhilfe und Abiturvorbereitung“, ein „Überregionales Korrektorat und Lektorat wissenschaftlicher Texte“ sowie ein „Juristisches Fachlektorat“ an (vgl. Antragstellerin, Homepage, Stand: 5.7.2020).

Außerdem besteht die Möglichkeit, finanzielle Hilfsprogramme des Bundes und des Antragsgegners in Anspruch zu nehmen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin vorgetragen hat, mit Bescheid der Landeshauptstadt München vom 14. Mai 2020 bereits eine „Soforthilfe Corona“ in Höhe von 26.586,00 Euro erhalten zu haben.

Den vorgenannten Umständen und Erwägungen entspricht es, dass die Antragstellerin zwar mit dem drohenden Wegfall der Existenzgrundlage argumentiert, dies jedoch nicht konkretisiert und durch Nachweise glaubhaft gemacht hat. Obgleich sie in diesem Zusammenhang erwähnt, dass es die Betriebsausgabenposten wie Miete, Versicherung, Werbekosten, Personalkosten und sonstige Betriebsausgaben gibt, hat sie diese nicht beziffert. In Bezug auf die Personalkosten hat sie nicht offengelegt, ob die Lehrkräfte der Sprachschule als Arbeitnehmer beschäftigt oder freiberuflicher Basis tätig sind. Einrichtungen wie die Sprachschule der Antragstellerin haben gegebenenfalls gemäß § 95 Abs. 3 SGB III die Möglichkeit, den Arbeitsausfall anzuzeigen und Kurzarbeit anzumelden (vgl. SächsOVG, B.v. 29.4.2020 – 3 B 138/20 – juris Rn. 32).

Die Norm des § 17 der 6. BayIfSMV ist zudem zeitlich begrenzt. Ihre Gültigkeit und derzeitige Fassung ist bis zum 19. Juli 2020 befristet. Dass der Antragsgegner in der Vergangenheit seiner Pflicht zu der gebotenen periodisierten Überprüfung der Schutzmaßnahmen im Bereich der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Erwachsenenbildung nicht nachgekommen wäre, ist der Entwicklung von den vorangehenden Allgemeinverfügungen bis hin zu § 17 der 6. BayIfSMV und dessen Vorgängernorm nicht zu entnehmen.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass in § 17 Abs. 4 der 6. BayIfSMV die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 der 6. BayIfSMV vorgesehen ist. Die Norm erlaubt damit abstrakt-generell, dass eine Einzelfallprüfung stattfinden kann, welche Sonderkonstellationen Rechnung trägt.

(b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt voraussichtlich ebenfalls nicht vor.

(aa) Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung; solche bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfG, B.v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18 u.a. – NJW 2019, 3054 <3661> = juris Rn. 94; B.v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 – BVerfGE 130, 240 <253 ff.> = juris Rn. 40 ff.)

Dem Verordnungsgeber ist bei der Bewertung, unter welchen infektionsschutzrechtlichen Anforderungen einzelne aufgrund der Corona-Pandemie vorübergehend geschlossene Lebensbereiche, darunter auch Betriebe, wieder geöffnet werden können, ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der anhand sachlicher Kriterien ausgefüllt werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1307 – juris Rn. 19; B.v. 27.4.2020 – 20 NE 20.793 – juris Rn. 36). Dabei dürfte die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen sein (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1307 – juris Rn. 19 m.w.N.).

Der Verordnungsgeber darf besonders bei Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen, die sich im Zusammenhang mit Differenzierungen ergeben, müssen in Kauf genommen werden, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (vgl. BayVerfGH, E.v. 3.7.3030 – Vf. 34-VII-20 – a.a.O. Rn. 19 m.w.N.; E.v. 15.5.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 12)

(bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist bei summarischer Prüfung bereits nicht ersichtlich, dass mit der Regelung von Einrichtungen wie der Sprachschule der Antragstellerin in Bezug zu der Regelung des Spiel- und Trainingsbetriebs in Profiligen und im DFB-Pokal nach § 9 Abs. 4 der 6. BayIfSMV sowie des Wettkampfbetriebs nach § 9 Abs. 5 der 6. BayIfSMV im Wesentlichen gleiche Sachverhalte ungleich behandelt würden. Es handelt sich um jeweils gänzlich unterschiedliche Lebensbereiche. Die Antragstellerseite hat nicht erläutert, dass und inwieweit die Lebensbereiche vergleichbar sein könnten, insbesondere auch, was mit der „Ausübung sportlicher Aktivitäten gemäß § 9 Abs. 4, 5 der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung“ gemeint ist (vgl. Antragstellerin, Antragsschrift v. 30.6.3030, S. 11). Die Wiedergabe der genannten Entscheidung des Senats, die eine völlig andere Konstellation betraf, namentlich eine Differenzierung innerhalb des Lebensbereichs Einzelhandel, reicht insofern nicht hin.

Eine Behandlung zum Nachteil von Einrichtungen wie der Sprachschule der Antragstellerin ist mit Blick auf die Ausgestaltung der Normen (vgl. § 9 Abs. 4 Nr. 3 a.E. d. 6. BayIfSMV) und der einschlägigen Schutz- und Hygienekonzepte (vgl. StMI, Corona-Pandemie: Rahmenhygienekonzept Sport, Gemeins. Bek. d. StMI u. d. StMGP v. 20.6.2020, Az. H1-5910-1-28 und GZ6a-G8000-2020/122-379, Nrn. 2. u. 5; StMUK, Hygienekonzept für Veranstaltungen der Erwachsenenbildung, Sprach- und Integrationsförderung, Weiterbildung, Familienbildungsstätten, Jugendarbeit und außerschulischen Umweltbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Hygienekonzept für Veranstaltungen der Erwachsenenbildung, Sprach- und Integrationsförderung, Weiterbildung, Familienbildungsstätten, Jugendarbeit und außerschulischen Umweltbildung <Bildung für nachhaltige Entwicklung>, abrufbar unter: https://www.km.bayern.de/ministerium/erwachsenenbildung.html) in der Praxis auch nicht ohne Weiteres ersichtlich. Die Antragstellerseite hat nicht erläutert, was sie mit „wesentlich weniger strengen Voraussetzungen“ meint (vgl. Antragstellerin, Antragsschrift v. 30.6.3030, S. 11).

Sollte die Antragstellerseite speziell die Regelungs- und Verweistechnik auf Konzepte außerhalb des verfügenden Teils der 6. BayIfSMV und deren Ausgestaltung bezüglich des Mindestabstandes gemeint haben, erscheint eine Differenzierung gemessen an den genannten Maßstäben aufgrund bereichsspezifischer Besonderheiten bei summarischer Prüfung sachlich gerechtfertigt (vgl. speziell zum Regelungskonzept hinsichtlich des Mindestabstands: BayVerfGH, E.v. 3.7.3030 – Vf. 34-VII-20 – a.a.O. Rn. 18, 20). Der Verordnungsgeber durfte sich von der Erwägung leiten lassen, dass die Einhaltung eines Mindestabstands im Profisport, im DFB-Pokal und in der Wettkampfsituation, der in besonderem Maße körperliche Anstrengung, Kraft, Schnelligkeit und damit auch Bewegung beinhaltet, regelmäßig nicht sicherzustellen ist.

(ee) Auch wenn man eine Folgenabwägung für angezeigt hält, ergibt sich kein anderes Ergebnis, da diese unter Berücksichtigung der vorgenannten, entsprechend heranzuziehenden Umstände und Erwägungen zu Lasten der Antragstellerin ausgeht (vgl. BayVerfGH, E.v. 3.7.3030 – Vf. 34-VII-20 – a.a.O. Rn. 21).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Norm nach § 24 der 6. BayIfSMV (i.d.F. der Änderungsverordnung v. 30.6.2020 <s.o.>) mit Ablauf des 19. Juli 2020 außer Kraft tritt, zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht erscheint.

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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