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Corona-Pandemie – Schließung von Bordellen rechtmäßig

Oberverwaltungsgericht für NRW – Az.: 13 B 800/20.NE – Beschluss 25.06.2020

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller betreibt ein Bordell in W. Er begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung von § 10 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 10. Juni 2020 (GV. NRW. S. 382a), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (GV. NRW. S. 446).

§ 10 Abs. 1 CoronaSchVO lautet wie folgt: Der Betrieb der folgenden Einrichtungen und Begegnungsstätten sowie die folgenden Angebote sind untersagt:

1. Clubs, Diskotheken und ähnliche Einrichtungen,

2. sexuelle Dienstleistungen in und außerhalb von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen.

Der Antragsteller hat am 28. Mai 2020 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Corona-Pandemie - Schließung von Bordellen rechtmäßig
Symbolfoto: Von Oriole Gin/Shutterstock.com

Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Er betreibe ein Bordell mit drei Zimmern, in denen, je nach Jahreszeit, ein bis fünf selbstständig tätige Frauen Sexdienstleistungen anböten. Zu den Hauptzeiten am Wochenende besuchten täglich drei bis zehn Besucher seinen Betrieb. In der Bar, die der Kontaktaufnahme zwischen Kunden und Prostituierten diene, seien eine gut funktionierende Lüftungsanlage installiert und große Fenster vorhanden, die gekippt werden könnten. Das Verbot sei unverhältnismäßig, weil das Infektionsgeschehen die Untersagung von sexuellen Dienstleistungen nicht mehr rechtfertige. Dies werde schon dadurch belegt, dass in den letzten Wochen Massendemonstrationen stattgefunden hätten, bei denen die Teilnehmer weder einen Mindestabstand eingehalten noch eine Mund-Nase-Bedeckung getragen hätten. Überdies werde durch die Untersagungsanordnung seine Existenz bedroht. Sie verstoße auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Betrieb von Clubs, Diskotheken und ähnlichen Einrichtungen sei untersagt, weil es dort typischerweise zu Menschenansammlungen komme, die zu einer schnelleren Verbreitung des Virus führten. Das sei in Bordellen anders. Die Kunden suchten keinen Kontakt zu anderen Gästen. Sexuelle Dienstleistungen seien stattdessen mit den körpernahen Dienstleistungen, wie etwa Massagen, vergleichbar. Die für diese Betriebe normierten Hygiene- und Schutzmaßnahmen könnten auch in Bordellen eingehalten werden. Unverständlich sei, dass – anders als in Niedersachsen – auch die Erbringung von sexuellen Dienstleistung in privaten Räumlichkeiten untersagt sei. Ebenso sei nicht einzusehen, dass Saunen öffnen dürften, obwohl die Atemfrequenz beim Saunagang um ein Vielfaches höher sei als bei der Inanspruchnahme oder Erbringung einer sexuellen Dienstleistung und das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während des Saunierens nicht realistisch sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug von § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO bis zu einer Entscheidung über einen noch zu erhebenden Normenkontrollantrag auszusetzen, soweit danach das Angebot von sexuellen Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen untersagt ist.

Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Regelung und beantragt, den Antrag abzulehnen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Bei sachdienlicher Auslegung ist davon auszugehen, dass der Antragsteller sich als Bordellbetreiber gegen das in § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO unter anderem geregelte Verbot, sexuelle Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen anzubieten, wendet. Der so verstandene Antrag ist gemäß § 47 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Es ist möglich, dass der Antragsteller durch die angegriffene Regelung in seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt ist.

Der Antrag ist aber unbegründet, weil die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist (§ 47 Abs. 6 VwGO). Der – noch zu erhebende – Normenkontrollantrag in der Hauptsache bliebe voraussichtlich ohne Erfolg, weil sich das Verbot, sexuelle Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen anzubieten, bei einer wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweist (1.). Auch unter Berücksichtigung etwaig verbleibender Unsicherheiten bei der rechtlichen Bewertung erscheint eine Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Norm nicht dringend geboten (2.).

Vgl. zu den Entscheidungsmaßstäben BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 6. April 2019 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 32, und vom 26. August 2019 – 4 B 1019/19.NE -, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 – 2 MN 379/19 -, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.

1. Rechtsgrundlage für § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO ist § 32 Sätze 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG in der Fassung vom 27. März 2020 (BGBl. I 587). Nach § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können gemäß § 32 Satz 2 IfSG die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Satz 1 der Vorschrift durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.

a. § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO findet in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris,

vgl. ferner Senatsbeschlüsse vom 15. April 2020 – 13 B 440/20.NE -, juris, Rn. 46 ff., und vom 16. April 2020 – 13 B 452/20.NE -, juris, Rn. 33 ff., und – 13 B 471/20.NE -, juris, Rn. 34 ff., auf den er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, entschieden, dass die Verordnungsermächtigung hinsichtlich der Regelungen der Coronaschutzverordnung voraussichtlich den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt (juris, Rn. 37 ff.), etwaige verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes jedenfalls im vorliegenden Pandemiefall nicht durchgreifen (juris, Rn. 50 ff.) und ein Verstoß gegen das Zitiergebot voraussichtlich nicht vorliegt (juris, Rn. 62 ff.).

b. An der formellen Rechtmäßigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO bestehen keine Bedenken. Das Verbot, sexuelle Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen anzubieten, erweist sich voraussichtlich auch als materiell rechtmäßig.

aa. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die durch Rechtsverordnung normierte streitgegenständliche Regelung nach §§ 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG liegen voraussichtlich vor.

Vgl. zu Betriebsuntersagungen nach der Coronaschutzverordnung z. B. Senatsbeschlüsse vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, vom 15. April 2020 – 13 B 440/20.NE -, und vom 24. April 2020 – 13 B 520/20.NE -, sowie vom 6. Mai 2020 – 13 B 583/20.NE, jeweils juris.

Für die Anordnung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen ist es nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine übertragbare Krankheit aufgetreten ist, deren Weiterverbreitung verhindert werden soll. Das ist vorliegend der Fall. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19 wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. Weltweit haben sich in derzeit 216 Ländern mehr als 9,1 Millionen Menschen mit dem zugrunde liegenden Krankheitserreger SARS-CoV-2 infiziert und sind mehr als 473.000 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung gestorben.

Vgl. WHO, Coronavirus disease (COVID-19) outbreak situation, abrufbar unter: https://www.who.int/ emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019, Stand: 24. Juni 2020.

Im Bundesgebiet sind zwischenzeitlich über 191.000 infizierte und mehr als 8.900 gestorbene Personen registriert. In Nordrhein-Westfalen beläuft sich die Zahl der registrierten Infizierten auf über 41.000 Menschen, über 1.600 Menschen sind im Zusammenhang mit COVID-19 verstorben.

Vgl. Robert Koch-Institut, COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 24. Juni 2020.

 

Die streitige Regelung stellt auch eine Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar. Der Vorschrift liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als (offene) Generalklausel ausgestaltet. Der Begriff der Schutzmaßnahme ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde bzw. über den Verweis in § 32 Satz 1 IfSG dem Verordnungsgeber ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Maßnahmen, das durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 -, juris, Rn. 24; Senatsbeschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 44; Bay. VGH, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 CS 20.611 -, juris, Rn. 11; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 2. April 2020 – 3 MB 8/20 -, juris, Rn. 35; Nds. OVG, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 27.

Eine Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG kann daher auch die Untersagung von sexuellen Dienstleistungen sein.

Vgl. zur Betriebsuntersagung für u. a. Bordelle Nds. OVG, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 16 ff., 27, und vom 9. Juni 2020 – 13 MN 211/20 -, juris, Rn. 18 ff., 29; Saarl. OVG, Beschluss vom 3. Juni 2020 – 2 B 201/20 -, juris, Rn. 11.

bb. Es spricht weiter Überwiegendes dafür, dass der Verordnungsgeber auf der Rechtsfolgenseite von dem ihm zukommenden Verordnungsermessen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht hat, soweit er sexuelle Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen untersagt hat.

(1) Das gilt zunächst für den durch die Regelung betroffenen Adressatenkreis. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt, begrenzt § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG den Handlungsrahmen der Behörde nicht dahin, dass allein Schutzmaßnahmen gegenüber den festgestellten Personen in Betracht kommen. Vorrangige Adressaten sind zwar die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG benannten Personengruppen. Bei ihnen steht fest oder besteht der Verdacht, dass sie Träger von Krankheitserregern sind, die bei Menschen eine Infektion oder eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 bis Nr. 3 IfSG verursachen können. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als „Störer“ anzusehen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können aber auch die Allgemeinheit und (sonstige) Dritte („Nichtstörer“) Adressat von Maßnahmen sein, wenn ein Tätigwerden allein gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern eine effektive Gefahrenabwehr nicht gewährleistet, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 -, juris, Rn. 26, unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; Senatsbeschlüsse vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 70, sowie vom 15. April 2020 – 13 B 440/20.NE -, juris, Rn. 82 ff.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 23. März 2020 – OVG 11 S 12/20 -, juris, Rn. 8; Nds. OVG, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 24.

So verhält es sich hier schon deshalb, weil aus tatsächlichen Gründen vielfach gar nicht klar ist, ob eine Person „Störer“ oder „Nichtstörer“ ist. Nach aktuellem Erkenntnisstand kann nämlich eine Übertragung des Virus durch eine infizierte Person schon bis zu drei Tage vor Symptombeginn oder auch bei einem asymptomatischen Verlauf der Erkrankung, den der Betroffene selbst gar nicht wahrgenommen hat, stattfinden. Es reicht mithin nicht aus, im Zusammenhang mit bevölkerungsbezogenen Maßnahmen, die darauf abzielen, infektionsrelevante soziale Kontakte zu unterbinden oder zumindest zu beschränken, allein „Störer“ in die Pflicht zu nehmen.

Vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 30 f.; Rixen, Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise – Die (Neu-)Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, in: NJW 2020, 1097 (1101).

(2) Auch Art und Umfang der hier in Rede stehenden Untersagung ist nicht erkennbar ermessensfehlerhaft. Die angegriffene Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO genügt voraussichtlich dem in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zum Ausdruck kommenden Gebot strikter Verhältnismäßigkeit.

Das Verbot für die Erbringung sexueller Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen dient dem legitimen Zweck, die Weiterverbreitung des Virus zu verhindern. Der Verordnungsgeber darf noch immer davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet, die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leib und Gesundheit der Bevölkerung weiterhin gebietet.

Vgl. zu dieser Schutzpflicht BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. -, juris, Rn. 69, m. w. N.

Auch wenn sich das Infektionsgeschehen aufgrund der ergriffenen Maßnahmen in letzter Zeit verlangsamt hat und insbesondere die Anzahl der festgestellten Neuinfektionen rückläufig ist, besteht die Gefahr der Verbreitung der Infektion und daran anknüpfend einer Überlastung des Gesundheitswesens mit gravierenden Folgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung fort. Nach den maßgeblichen Feststellungen des Robert Koch-Instituts handelt es sich immer noch um eine sehr dynamische Situation. Die Gefährdung für die Bevölkerung wird deshalb nach wie vor als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch. Dabei variiert die Gefährdung von Region zu Region. Die Belastung für das Gesundheitswesen hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen wie Isolierung, Quarantäne und physischer Distanzierung ab. Sie ist aktuell in weiten Teilen Deutschlands gering, kann aber örtlich hoch sein.

Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Aktualisierter Stand für Deutschland, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html, Stand: 24. Juni 2020.

Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber die seit dem sogenannten Shutdown zugelassenen Lockerungen schrittweise und unter Beachtung der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens vollzieht, um die errungenen Erfolge – mit nicht absehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen – nicht wieder zu verspielen.

Vgl. dazu die Pressemitteilung der Landesregierung vom 6. Mai 2020, Ministerpräsident Armin Laschet stellt Nordrhein-Westfalen-Plan vor, abrufbar unter: https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/ministerpraesident-armin-laschet-stellt-nordrhein-westfalen-plan -vor.

Dabei ist ihm wegen der Fragilität der Lage und wegen der fortbestehenden tatsächlichen Ungewissheiten nach wie vor eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf das gewählte Mittel einzuräumen, soweit und solange sich nicht andere Maßnahmen eindeutig als gleich geeignet und weniger belastend darstellen.

So im Einzelnen z. B. bereits die Senatsbeschlüsse vom 29. April 2020 – 13 B 512/20.NE -, juris, Rn. 44 ff., und vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 71 ff.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 -, juris, Rn. 10; VerfGH Saarl., Beschluss vom 28. April 2020 – Lv 7/20 -, juris, Rn. 32.

Nach dieser Maßgabe dürfte sich die Untersagung von sexuellen Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen als geeignet zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erweisen, die Ansteckungsgefahr trotz der stufenweisen (Wiederer-)Öffnung nahezu aller Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens weiterhin einzudämmen.

Dabei ist ein Mittel bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. April 1997 – 2 BvL 45/92 -, juris, Rn. 61, m. w. N.

Dass der Verordnungsgeber die Grenzen seines Einschätzungsspielraums überschritten haben könnte, ist nicht festzustellen. Die streitgegenständliche Regelung beruht im Wesentlichen auf der Grundannahme, dass sich das Coronavirus nach derzeitigen Erkenntnissen bei direkten persönlichen Kontakten über zum Beispiel Sprechen, Husten oder Niesen im Wege einer Tröpfcheninfektion besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Bei der Übertragung spielen zudem Aerosole, bestehend aus kleinsten Tröpfchenkernen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich z. B. in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können, eine Rolle. Die dadurch entstehenden Ansteckungsgefahren sind zwar noch nicht abschließend untersucht. Das Robert Koch-Institut geht unter Berücksichtigung der bisher vorliegenden Studien aber davon aus, dass SARS-CoV-2-Viren über Aerosole auch im gesellschaftlichen Umgang übertragen werden können. Schließlich sind nach gegenwärtigen Erkenntnissen auch Schmierinfektionen durch das Berühren derselben Gegenstände nicht auszuschließen, die zu neuen Infektionsketten führen können.

Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief. html#doc13776792bodyText1, Stand: 12. Juni 2020, und Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, Welchen Vorteil bringt Abstand halten bzw. die Beschränkung sozialer Kontakte?, abrufbar unter: https://www.rki.de/Shared Docs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 15. Juni 2020, sowie Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, Welche Rolle spielen Aerosole bei der Übertragung von SARS-CoV-2?, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/ FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 12. Juni 2020; siehe in diesem Zusammenhang auch Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 2020 – 13 B 616/20.NE -, juris, Rn. 63 ff., zum Betriebsverbot von Schwimmhallen, und vom 10. Juni 2020 – 13 B 617/20.NE -, juris, Rn. 63 ff., zum Breiten- und Freizeitsport, sowie vom 12. Juni 2020 – 13 B 779/20.NE -, juris, Rn. 80 f., zum Schulbetrieb.

Die Richtigkeit der Annahme, dass eine Reduzierung wechselnder (unmittelbarer) persönlicher Kontakte und die Einhaltung bestimmter Abstände zu anderen Personen die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamt und die Infektionsdynamik verzögert, stützt sich auf einschlägige fachwissenschaftliche Erkenntnisse.

Vgl. noch einmal Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, Welchen Vorteil bringt Abstand halten bzw. die Beschränkung sozialer Kontakte?, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 15. Juni 2020, und Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, Wenn die Reproduktionszahl R bereits am 22. März unter 1 lag, warum brauchte man dann noch Kontaktbeschränkungen?, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 22. April 2020.

Für die Tragfähigkeit dieser Einschätzung spricht zudem, dass es in Nordrhein-Westfalen zwischenzeitlich zu einem deutlichen Rückgang der registrierten Neuinfektionen gekommen ist, auch wenn lokale Ausbruchsgeschehen die Zahl der Neuinfektionen – wie die Situation im Kreis Gütersloh zeigt – innerhalb kürzester Zeit wieder ansteigen lassen können.

Vgl. Robert Koch-Institut, Aktueller Lage-/Situationsbericht des RKI zu COVID-19, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html? nn=13490888, Stand: 24. Juni 2002; zur Entwicklung der Zahlen z. B. WDR, Aktuelle Daten zur Corona-Krise in NRW, abrufbar unter: https://www1.wdr.de/ nachrichten/themen/coronavirus/corona-daten-nrw-100.html.

Die Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO, wonach sexuelle Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen untersagt sind, dürfte auch erforderlich sein. Zwar hat der Verordnungsgeber die ursprünglich restriktiven Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung infektiologischer, volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aspekte zum Teil aufgehoben und gelockert, die Kontaktbeschränkungen und Abstandsgebote bleiben aber weiterhin ein wichtiger Grundbaustein der bevölkerungsbezogenen antiepidemischen Maßnahmen. Die streitige Untersagung ist insoweit Teil eines Gesamtkonzepts des Verordnungsgebers zur fortwährenden Beschränkung infektionsbegünstigender sozialer und persönlicher Kontakte. Dieses Konzept umfasst aus seiner – nicht zu beanstandenden Sicht – die gegenwärtig notwendige Untersagung für das Prostitutionsgewerbe in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen, weil damit bei zulässiger generalisierender Betrachtung eine erhöhte Infektionsgefahr einhergeht. Diese beruht auf dem mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen notwendigerweise herzustellenden engsten Körperkontakt mit häufig wechselnden Partnern. Neben der danach möglichen Weiterverbreitung des Virus durch Tröpfen- und Schmierinfektionen birgt eine bei sexuellen Aktivitäten gesteigerte Atemaktivität der Beteiligten die Gefahr, dass vermehrt virushaltige Aerosole in die Umgebungsluft des typischerweise geschlossenen Raums abgegeben werden.

Vgl. dazu im Einzelnen Nds. OVG, Beschlüsse vom 29. Mai 2020 – 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 36, und vom 9. Juni 2020 – 13 MN 211/20 -, juris, Rn. 39; Saarl. OVG, Beschluss vom 3. Juni 2020 – 2 B 201/20 -, juris, Rn. 13; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4. Juni 2020 – 1 S 1629/20 -, Abdruck S. 11.

Durchgreifende Bedenken gegen die (fortbestehende) Notwendigkeit des in § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO niedergelegten Verbots sexueller Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen sind nicht ersichtlich. Dies gilt schon deshalb, weil Untersuchungen – wie bereits erwähnt – zeigen, dass ein hoher Anteil von Übertragungen asymptomatisch bzw. präsymptomatisch und unbemerkt erfolgt, sodass diese durch eine Verhaltensänderung des Betroffenen (wie eine Selbstquarantäne) nicht verhindert werden können.

Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Viruslast bei und Übertragung durch asymptomatische/präsymptomatische Infizierte, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_ Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792body Text23, Stand: 12. Juni 2020, und Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, Welchen Vorteil bringt Abstand halten bzw. die Beschränkung sozialer Kontakte?, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/ gesamt.html, Stand: 15. Juni 2020.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber in der gegenwärtigen Situation seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat, weil er anderen Regelungsmodellen nicht den Vorzug gegeben hat. Soweit der Antragsteller darauf hinweist, dass in seinem Bordell die für körpernahe Dienstleistungen in der Anlage zur CoronaSchVO vorgesehenen Hygiene- und Infektionsschutzstandards eingehalten werden könnten, stellen diese keine gleich geeigneten Maßnahmen dar. Eine Umsetzung dieser Standards dürfte schon daran scheitern, dass die dort vorgesehene Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während der Erbringung der sexuellen Dienstleistung lebensfremd erscheint. Überdies ist die Beachtung der Vorgaben im Vollzug der sexuellen Dienstleistung kaum kontrollierbar.

Vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 29. Mai 2020 – 13 MN 185/20, juris, Rn. 36, 43, und vom 9. Juni 2020 – 13 MN 211/20 -, juris, Rn. 41; Saarl. OVG, Beschluss vom 3. Juni 2020 – 2 B 201/20 -, juris, Rn. 14.

Darüber hinaus dürfte es unrealistisch sein, die Pflicht zur Erhebung von Kundenkontaktdaten und Aufenthaltszeiträumen (vgl. § 2a CoronaSchVO),

vgl. zur Kontaktdatenerhebung den Senatsbeschluss vom 23. Juni 2020 – 13 B 695/13.NE -, bisher nur als Pressemitteilung abrufbar unter: https://www.ovg.nrw .de/behoerde/presse/pressemitteilungen/index.php. mit Blick auf die üblicherweise eingeforderte Diskretion im Prostitutionsgewerbe zuverlässig umzusetzen.

Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9. Juni 2020 – 13 MN 211/20 -, juris, Rn. 41; Saarl. OVG, Beschluss vom 3. Juni 2020 – 2 B 201/20 -, juris, Rn. 14; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4. Juni 2020 – 1 S 1629/20 -, Abdruck S. 12.

Schließlich ist die streitgegenständliche Regelung unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen derzeit auch noch angemessen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es das einzig objektiv richtige angemessene Abwägungsergebnis nicht gibt. Dies gilt schon deshalb, weil der Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers eine von zahlreichen Unbekannten gekennzeichnete und stetig fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnislage zu Grunde liegt, Folgen von bereits erfolgten Lockerungen der Schutzmaßnahmen erst mit Zeitverzögerungen ersichtlich werden und die einzelnen Schutzmaßnahmen ohnehin nicht isoliert betrachtet werden können, sondern Teil eines Gesamtpakts zur Reduzierung der Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus sind. Lockerungen an einer Stelle können deswegen Beschränkungen an anderer Stelle zur Folge haben und umgekehrt. Hinzu tritt, dass der Verordnungsgeber bei seiner Entscheidung neben dem infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrad des jeweils zu regelnden Lebensbereichs auch alle sonstigen relevanten Belange etwa medizinischer, psychologischer, sozialer oder wirtschaftlicher Art zu bewerten und gewichten hat.

Ausgehend hiervon steht der beabsichtigte Verordnungszweck nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Die Maßnahme führt zwar unverkennbar zu Grundrechtseinschränkungen von erheblicher Intensität, wobei in erster Linie das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Betreiber der Einrichtungen wie auch der dort tätigen Anbieter sexueller Dienstleistungen betroffen ist. Diese Rechte gelten jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten hier im Ergebnis gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurück. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass negative finanzielle Folgen in den letzten Monaten zumindest teilweise durch Hilfen des Antragsgegners und des Bundes aufgefangen wurden und einzelne Unterstützungsmaßnahmen auch aktuell noch zur Verfügung gestellt werden. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass Bordellbetreiber, die – wie der Antragsteller – über eine Gaststättenkonzession verfügen, die Umsatzeinbußen durch den nunmehr wieder möglichen Barbetrieb zumindest abmildern können. Hinzu kommt, dass die Verordnung in ihrer zeitlichen Geltung nach wie vor eng befristet ist und aktuell bis zum 1. Juli 2020 gilt. Schließlich kann der Senat gegenwärtig auch nicht feststellen, dass die Gesamtdauer der fortbestehenden Untersagung inzwischen ein solches zeitliches Ausmaß erreicht hat, dass ein weiteres Zurücktreten der wirtschaftlichen Interessen der Betroffenen allein deshalb nicht mehr gerechtfertigt wäre.

Vgl. zur Abwägung auch Nds. OVG, Beschluss vom 9. Juni 2020 – 13 MN 211/20 -, juris, Rn. 49; Saarl. OVG, Beschluss vom 3. Juni 2020 – 2 B 201/20 -, juris, Rn. 17 f.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4. Juni 2020 – 1 S 1629/20 -, Abdruck S. 9 ff.

Die Regelung führt auch nicht deshalb zu einem unangemessenen Grundrechtseingriff, weil die Erbringung sexueller Dienstleistungen auch außerhalb von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen untersagt ist. Ob sich dies als verhältnismäßig erweist, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Klärung. Der Antragsteller wird durch diese weitere Einschränkung nicht in seinen Rechten beeinträchtigt, weil sich seine berufliche Tätigkeit bislang darauf beschränkt, Räumlichkeiten für selbstständig tätige Prostituierte zur Verfügung zu stellen.

cc. Die vom Antragsteller darüber hinaus geltend gemachte Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes lässt sich ebenfalls nicht feststellen.

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierende Regelungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind.

St. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. März 2015 – 1 BvR 2880/11 -, juris, Rn. 38 f., m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6.15 -, juris, Rn. 76.

Davon ausgehend stellt es keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar, dass neben dem in § 10 Abs. 1 Nr. 1 CoronaSchVO ausgesprochenen Betriebsverbot für Clubs, Diskotheken und ähnliche Einrichtungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO auch sexuelle Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen verboten sind. In diesen Regelungen ist keine ungerechtfertigte Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte zu erkennen. Die Untersagungen rechtfertigen sich nämlich für beide Fallgruppen aus dem erhöhten Infektionsrisiko, das ihnen innewohnt. Dass dieses Gefährdungspotenzial an unterschiedliche Lebenssachverhalte anknüpft, nämlich im Falle des § 10 Abs. 1 Nr. 1 CoronaSchVO an den Umstand, dass in Clubs, Diskotheken und ähnlichen Einrichtungen regelmäßig viele Menschen, in zumeist schlecht belüfteten Räumen, dicht gedrängt beieinander stehen, sitzen oder tanzen, wohingegen das Risikopotenzial bei der Erbringung sexueller Dienstleistung in den sehr engen körperlichen Kontakten mit häufig wechselnden Partnern liegt, ist nicht maßgeblich.

Ebenso liegt voraussichtlich keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu den in § 12 Abs. 2 CoronaSchVO angesprochenen körpernahen Dienstleistungen vor, die unter Beachtung der in der Anlage zur CoronaSchVO niedergelegten Hygiene- und Infektionsschutzstandards erbracht werden dürfen. Die Ungleichbehandlung dürfte sachlich gerechtfertigt und angemessen sein. Bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen dürfte typischerweise ein deutlich höheres Infektionsrisiko bestehen als bei der Inanspruchnahme von z. B. Friseur-, Fußpflege-, Kosmetik-

oder Massageleistungen, weil diese regelmäßig über einen punktuellen körperlichen Kontakt hinausgehen und der Sinn und Zweck sexueller Dienstleistungen gerade auf das Herstellen des sehr engen körperlichen Kontakts gerichtet ist. Zudem gehen diese – wie dargelegt – typischerweise mit einer erhöhten Atemfrequenz und daher einem erhöhten Aerosolausstoß einher. Schließlich dürfte die Möglichkeit der Nachverfolgbarkeit von Infektionsgefahren bei täglich mehrfach wechselnden Kunden, die sexuelle Dienstleistungen in einer Prostitutionsstätte, einem Bordell oder ähnlichen Einrichtungen in Anspruch nehmen, deutlich geringer sein als bei Kunden, die andere körpernahe Dienstleistungen nutzen.

Vgl. dazu VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 4. Juni 2020 – 1 S 1629/20 -, Abdruck S. 12.

Etwas anderes ergibt sich, entgegen der Annahme des Antragstellers, auch nicht aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 10 L 589/20 -, juris, zur Coronaschutzverordnung vom 8. Mai 2020 (GV. NRW. S. 340a), wonach die Erbringung einer sogenannten „Tantra-Massage“ eine mit den in § 12 Abs. 2 CoronaSchVO geregelten körpernahen Dienstleistungen vergleichbare Leistung darstelle. Das Gericht hat offen gelassen, ob es sich bei der „Tantra-Massage“ überhaupt um eine sexuelle Dienstleistung im Sinne des Prostitutionsschutzgesetzes handelt (juris, Rn. 21), ebenso offen gelassen OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2020 – 13 B 1282/19 -, juris, Rn. 106, und klargestellt, dass sich die Unterscheidung jedenfalls mit dem unterschiedlichen Infektionsrisiko von „Tantra-Massagen“ und der Erbringung sexueller Dienstleitungen in Bordellen begründen lasse (juris, Rn. 29). Durchgreifende Bedenken gegen diese Differenzierung bestehen unter Berücksichtigung des Antragsvorbringens nicht.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers stellt es auch keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, dass die Erbringung sexueller Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen weiterhin verboten ist, wohingegen der Saunabetrieb unter Berücksichtigung eines anlagebezogenen Infektionsschutz- und Zugangskonzepts (vgl. §§ 2b, 10 Abs. 3 CoronaSchVO i. V. m. Ziffer VIII Nr. 1 der Anlage zur CoronaSchVO) wieder erlaubt ist. Neben den üblichen Abstandsgeboten müssen nach Ziffer VIII Nr. 8 Satz 1 der Anlage zur CoronaSchVO Saunen, vorbehaltlich der Ausnahmeregelung in Satz 2 für Personengruppen gemäß § 1 Abs. 2 CoronaSchVO, mit einer Temperatur von mindestens 80 Grad betrieben werden. Es spricht einiges dafür, dass das Virus bei diesen heißen Temperaturen abgetötet wird und dessen Verbreitung daher unter Beachtung weiterer Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen eher unwahrscheinlich ist.

Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung ließe sich schließlich auch nicht feststellen, sofern andere Bundesländer von den nordrhein-westfälischen Anordnungen abweichende Schutzmaßnahmen getroffen haben. Voraussetzung für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen sind. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden; der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen Zuständigkeitsbereich. Ein Land verletzt daher den Gleichheitssatz nicht deshalb, weil ein anderes Land den gleichen Sachverhalt anders behandelt.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83 u. a. -, juris Rn. 151, und vom 8. Mai 2008 – 1 BvR 645/08 -, juris, Rn. 22, jeweils m. w. N.;

vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 46.

Insbesondere ist es zulässig, dass verschiedene Bundesländer unterschiedliche Öffnungskonzepte verfolgen, solange die Setzung ihrer Prioritäten nicht willkürlich erscheint. Das ist hier noch nicht der Fall.

2. Der Erlass einer normbezogenen einstweiligen Anordnung erscheint auch unter Berücksichtigung etwaig verbleibender Unsicherheiten bei der rechtlichen Bewertung des aus § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO folgenden Verbots, sexuelle Dienstleistungen in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen anzubieten, nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Die mit dem weiteren Vollzug der Regelung einhergehende Beschränkung ist angesichts ihrer kurzen Geltungsdauer sowie der dargelegten Erfolgsaussichten des – noch zu erhebenden – Normenkontrollantrags, insbesondere unter Beachtung der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommenen Abwägung der betroffenen Rechtsgüter, zumutbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da die angegriffene Regelung mit Ablauf des 1. Juli 2020 außer Kraft tritt, zielt der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 63 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 

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