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Corona-Pandemie – Schließung von Einzelhandelsbetrieben in Hochinzidenzkommunen

OVG Lüneburg – Az.: 13 MN 121/21 – Beschluss vom 22.03.2021

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

A. Der sinngemäß gestellte Antrag (vgl. Schriftsatz der Antragstellerinnen vom 12.3.2021, S. 2), § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 12. März 2021 (Nds. GVBl. S. 120), im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit danach Einzelhandelsgeschäfte für den Kundenverkehr und Besuche geschlossen sind, hat keinen Erfolg.

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 – 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

I. Der Antrag ist zulässig

Insbesondere sind die Antragstellerinnen antragsbefugt. Sie können geltend machen, durch § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 (Nds. GVBl S. 55), soweit durch diese Bestimmung Einzelhandelsgeschäfte in Hochinzidenzkommunen für den Kundenverkehr und Besuche geschlossen sind, möglicherweise in ihrem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG verletzt zu sein (vgl. zu dieser Qualifizierung des Eingriffs: Senatsbeschl. v. 16.4.2020 – 13 MN 77/20 -, juris Rn. 29); auch eine Verletzung in ihrem dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG korrespondierenden Grundrecht ist nicht gänzlich ausgeschlossen. Eine darüber hinaus gehende Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG geschützten Rechtsposition dürfte hingegen nicht vorliegen. Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier durch die verordnete Beschränkung betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. – juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 – juris Rn. 79 m.w.N.).

II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 – BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 – 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 – 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 – 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Die hiernach bestehenden Voraussetzungen für eine vorläufige Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung sind nicht erfüllt. Der Senat vermag den Erfolg eines möglichen Normenkontrollantrags derzeit nicht verlässlich abzuschätzen (1.). Die danach gebotene Folgenabwägung führt aber nicht dazu, dass die von den Antragstellerinnen geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen (2.).

1. Derzeit ist offen, ob § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021, soweit danach Einzelhandelsgeschäfte in Hochinzidenzkommunen für den Kundenverkehr und Besuche geschlossen sind, in einem Hauptsacheverfahren für unwirksam zu erklären ist.

a. Der Senat geht zwar davon aus, dass diese Verordnungsregelung auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage beruht (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 11.11.2020

– 13 MN 485/20 -, juris Rn. 13 ff. m.w.N.).

b. Für den Senat besteht auch kein Anlass, an der formellen Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelung zu zweifeln (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 11.11.2020

– 13 MN 485/20 -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.). Insbesondere wurden die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 6. März 2021, zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 7. März 2021 und zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 12. März 2021 wirksam verkündet.

Nach Art. 45 Abs. 1 Satz 2 NV sind Verordnungen von der Stelle, die sie erlässt, auszufertigen und vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung im Gesetz- und Verordnungsblatt zu verkünden. Von der Möglichkeit einer anderweitigen gesetzlichen Regelung hat der niedersächsische Landesgesetzgeber mit § 1 Abs. 4 des Niedersächsischen Gesetzes über Verordnungen und Zuständigkeiten (NVOZustG) vom 22. Oktober 2014 (Nds. GVBl. S. 291), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Verordnungen und Zuständigkeiten vom 17. Februar 2021 (Nds. GVBl. S. 65), Gebrauch gemacht. Nach dieser Bestimmung können Verordnungen über Gebote oder Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, die aufgrund des § 32 IfSG erlassen werden, anstelle der Verkündung im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt auf der Internetseite www.niedersachsen.de/

verkuendung verkündet werden (Satz 1, sog. Eilverkündung). Gleiches gilt für die Verkündung anderer Verordnungen, wenn Gefahr im Verzug ist (Satz 2). Eine zusätzliche Verkündung im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt ist unverzüglich nachzuholen (Satz 3). In dieser nachzuholenden Verkündung ist auf den Tag der vorangegangenen Eilverkündung hinzuweisen (Satz 4). Im Fall einer Eilverkündung steht die Bereitstellung der Verordnung in elektronischer Form auf der Internetseite der Ausgabe des Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatts gleich (Satz 5).

Die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 6. März 2021 und zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 7. März 2021 und vom 12. März 2021 sind seit dem 6. März 2021 (https://www.niedersachsen.de/download/166101/Nds._Corona-Quarantaene-AendVO_vom_06.03.2021_S._1-17.pdf, Stand: 6.3.2021), seit dem 7. März 2021 (https://www.niedersachsen.de/download/166110/VO_zur_Aend._der_Nds._Corona-Quarantaene-AendVO_vom_07.03.2021_S._1-7.pdf, Stand: 7.3.2021) und seit dem 12. März 2021 (https://www.niedersachsen.de/download/Verordnung_zur_Aenderung_der_Niedersaechsischen_Corona_Verordnung_vom_12._

März_S._1-5.pdf, Stand: 12.3.2021) über die Internetseite www.niedersachsen.de/verkuendung abrufbar. Auch wenn auf dieser Internetseite selbst der Text der Änderungsverordnungen nicht bekannt gegeben worden ist, dürfte den Anforderungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 NVOZustG an eine Verkündung „auf der Internetseite www.niedersachsen.de/verkuendung“ noch Genüge getan sein. Zum einen deutet § 1 Abs. 4 Satz 5 NVOZustG, der die „Bereitstellung der Verordnung in elektronischer Form auf der Internetseite“ genügen lasst, darauf hin, dass der Verordnungstext nicht unmittelbar auf der Internetseite www.niedersachsen.de/verkuendung erkennbar sein muss. Zum anderen wird durch den Aufruf dieser Internetseite und der dort ohne Weiteres erkennbaren Links auf die genannten weiteren Internetseiten des Antragsgegners die für eine Verkündung notwendige Möglichkeit der Kenntnisnahme des Verordnungstexts durch die potenziell Rechtsunterworfenen eröffnet (vgl. zu diesen Anforderungen an eine Verkündung von Rechtsvorschriften: BVerfG, Beschl. v. 2.4.1963 – 2 BvL 22/60 -, BVerfGE 16, 6, 17 – juris Rn. 37 f.; BVerwG, Urt. v. 10.10.2019 – BVerwG 4 CN 6.18 -, juris Rn. 13 m.w.N.).

Ob die nach § 1 Abs. 4 Satz 3 NVOZustG erforderliche „zusätzliche Verkündung im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt … unverzüglich“ nachgeholt worden ist, bedarf in diesem Verfahren keiner Entscheidung. Hieran bestehen zwar Zweifel, denn die Änderungsverordnungen vom 6. und 7. März 2021 sind nicht in dem auf die Ersatzverkündung nächstfolgenden Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 9/2021 vom 8. März 2021 abgedruckt, sondern erst in der Nr. 10 vom 10. März 2021, dort S. 93 und 110, ohne dass ein nachvollziehbarer Grund für diese Verzögerung vom Antragsgegner geltend gemacht worden oder sonst für den Senat erkennbar ist. § 1 Abs. 4 Satz 3 NVOZustG ist aber eine bloße Ordnungsvorschrift, deren mangelnde Beachtung durch den Verordnungsgeber die Wirksamkeit der Eilverkündung nicht berührt. Die Eilverkündung ist mit der Bereitstellung der Verordnung auf der Internetseite www.niedersachsen.de/verkuendung bewirkt. Denn bereits diese Bereitstellung steht gemäß § 1 Abs. 4 Satz 5 NVOZustG der Ausgabe des Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatts nach § 1 Abs. 3 NVOZustG gleich, mit der eine Verordnung wirksam verkündet ist. Die zusätzliche Verkündung im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt nach § 1 Abs. 4 Satz 3 NVOZustG soll ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs hingegen nur „die vom Internet unabhängige dauerhafte Verfügbarkeit und Archivierung der Verordnungen“ gewährleisten (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Verordnungen und Zuständigkeiten, LT-Drs. 18/8445, S. 3). Für die Wirksamkeit der Eilverkündung ist sie hingegen ohne Belang (vgl. zur ähnlichen Vorschrift in Art. 115a Abs. 3 Satz 2 GG: Robbers, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 115a Rn. 21; Grote, in: v. Mangoldt/Klein/

Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 115a Rn. 64, sowie in § 1 Abs. 2 des Gesetzes über vereinfachte Verkündungen und Bekanntgaben: Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 7/2405, S. 5 f.).

Gleiches gilt für die neuerliche Änderung durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 12. März 2021 (Nds. GVBl. S. 120).

c. Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit ergeben sich auch nicht mit Blick auf die Bestimmtheit der Verordnungsregelung (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: VerfGH B-Stadt, Beschl. v. 20.5.2020 – 81 A/20 -, juris Rn. 18; Senatsbeschl. v. 29.4.2020 – 13 MN 120/20 -, juris Rn. 18 m.w.N.). Denn der Inhalt der derzeit geltenden Regelungen ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Verordnungstextes. Nach § 10 Abs. 1b Satz 1 Halbsatz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung sind „alle Verkaufsstellen des Einzelhandels“ für den „Kundenverkehr und Besuche“ geschlossen. Ausgehend von dem zugrunde zu legenden Begriffsverständnis des „Einzelhandels“ (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 4.3.2021 – 13 MN 82/21 -, V.n.b. Umdruck S. 4 f.) erfasst diese grundsätzliche Schließungsanordnung auch Textil- und Sportgeschäfte.

Von dieser Schließungsanordnung ausgenommen sind

Corona-Pandemie - Schließung von Einzelhandelsbetrieben in Hochinzidenzkommunen
(Symbolfoto: Von DimaBerlin/Shutterstock.com)

– nach § 10 Abs. 1b Satz 3 Halbsätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung „die Beratung und der Verkauf von jeglicher Ware … nach vorheriger Terminvereinbarung und unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 2 Abs. 2 Satz 1, wobei sich in den Geschäftsräumen nur eine Kundin oder ein Kunde mit jeweils einer Begleitperson je 40 Quadratmeter Verkaufsfläche aufhalten darf“. Mangels konkreter Vorgaben des Verordnungsgebers im Text oder auch nur in der Begründung der Verordnung (vgl. insbesondere Nds. GVBl. 2021, S. 102 und 106), welche Anforderungen an eine „vorherige Terminvereinbarung“ zu stellen sind, genügt neben der schriftlichen, fernmündlichen oder elektronischen Terminvereinbarung auch jede andere jedenfalls vor dem Betreten der Verkaufsstelle ausdrücklich oder konkludent getroffene Vereinbarung, die dem Kunden einen Termin für den Besuch des jeweiligen Geschäfts gewährt. Die Festlegung eines konkreten Besuchszeitraums ist dabei nicht gefordert. Die Flächenbegrenzung bezieht sich auf die Gesamtheit des besuchenden Kunden und dessen etwaiger einer Begleitperson, so dass auch für den gemeinsamen Besuch von zwei Personen nur eine Verkaufsfläche von 40 Quadratmetern zur Verfügung stehen muss. Die Flächenbegrenzungsregeln des § 10 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gelten gemäß der in § 10 Abs. 1b Satz 3 Halbsatz 3 getroffenen Anordnung nicht.

– nach § 10 Abs. 1b Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung „die Auslieferung jeglicher Waren auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume oder innerhalb der Geschäftsräume …, jeweils unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 2 Abs. 2 Satz 1; für die Übergabe der Ware darf sich in den Geschäftsräumen nur eine Kundin oder ein Kunde mit jeweils einer Begleitperson je 40 Quadratmeter Verkaufsfläche aufhalten“.

– nach § 10 Abs. 1b Satz 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung „nach vorheriger Terminvereinbarung mit einer Kundin oder einem Kunden und jeweils einer Begleitperson die Durchführung von Bemusterungsterminen zur Vorbereitung des Innen- und Außenausbaus und Terminen zur Anprobe individuell hergestellter oder geänderter Kleidung“ (bei vorgefertigter Ware nicht relevant).

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Die Ausnahme nach § 10 Abs. 1b Satz 3 Halbsätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gilt gemäß deren § 18a Abs. 3 Nr. 5 nicht in einer Hochinzidenzkommune im Sinne des § 18a Abs. 1 der Verordnung. Anstelle der weitergehenden Ausnahme nach § 10 Abs. 1b Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung tritt gemäß deren § 18a Abs. 3 Nr. 5 in einer Hochinzidenzkommune die weitgehend inhaltsgleiche Ausnahme nach § 10 Abs. 1b Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021, die nur die Übergabe und Abholung bestellter Waren in den Geschäftsräumen nicht gestattet („Zulässig ist auch die Auslieferung jeglicher Waren auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 2 Abs. 2 Satz 1.“). Die Ausnahmenach § 10 Abs. 1b Satz 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gilt mangels abweichender Regelung in § 18a Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch in einer Hochinzidenzkommune.

d. Der Senat geht unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt mit eingehender Begründung und weiteren Nachweisen etwa den Senatsbeschl. v. 5.1.2021 – 13 MN 582/20 -, Umdruck S. 4 ff.; v. 30.11.2020 – 13 MN 519/20 -, juris Rn. 26 ff.) und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens (vgl. hierzu die Angaben im täglichen Situationsbericht des Robert Koch-Instituts unter www.rki.de/

DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html und des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/) auch weiterhin davon aus, dass die materielle Rechtmäßigkeit der Niedersächsischen Corona-Verordnung im Hinblick auf das „Ob“ eines staatlichen Handelns keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt ist. Auch sind die in § 10 Abs. 1, 1b und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen mit Blick auf den Adressatenkreis dieser Regelungen und die Art der gewählten Schutzmaßnahme nicht zu beanstanden (vgl. hierzu im Einzelnen und mit näherer Begründung etwa die Senatsbeschlüsse

– v. 6.11.2020 – 13 MN 433/20 – (zur Schließung von Fitnessstudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 6.11.2020 – 13 MN 411/20 – und v. 5.1.2021 – 13 MN 582/20 – (zur Schließung von Gastronomiebetrieben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 9.11.2020 – 13 MN 472/20 – (zur Schließung von Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 10.11.2020 – 13 MN 412/20 – (zur Schließung von Kosmetikstudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

–  v. 10.11.2020 – 13 MN 479/20 – (zur Schließung von Tattoostudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 11.11.2020 – 13 MN 485/20 – (zur Schließung von Prostitutionsstätten nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 11.11.2020 – 13 MN 436/20 – (zu der gegenüber gewerblichen oder privaten Vermietern einer Ferienwohnung oder eines Ferienhauses in § 10 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung getroffenen Untersagung, Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken zu unterbreiten und das Übernachten zu touristischen Zwecken zu gestatten),

– v. 20.11.2020 – 13 MN 516/20 – (zur Schließung von Sportanlagen für den Freizeit- und Amateursport nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 20.1.2021 – 13 MN 10/21 -; v. 11.3.2021 – 13 MN 70/21 -(zur Schließung von Baumärkten nach § 10 Abs. 1b Satz 1 Nr. 20 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 21.1.2021 – 13 MN 14/21 – (zur Schließung von Gastronomiebetrieben und Spielhallen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und

-v. 15.2.2021 – 13 MN 44/21 – (zur Schließung von Friseurbetrieben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung)

–  v. 15.3.2021 – 13 MN 103/21 – zur Schließung von Geschäften des Textileinzelhandels außerhalb von Hochinzidenzkommunen nach § 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Corona-Verordnung)

alle veröffentlicht in juris oder der kostenfrei zugänglichen Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz unter www.rechtsprechung.niedersachsen.de).

e. Derzeit ist für den Senat aber nicht verlässlich festzustellen, ob die in diesem Verfahren streitgegenständliche grundsätzliche (vgl. zu den Ausnahmen oben II.1.c.) Schließung von Einzelhandelsgeschäften in Hochinzidenzkommunen für den Kundenverkehr und Besuche nach § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG objektiv notwendig ist.

(1) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber weiterhin die legitimen Ziele (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 6.11.2020 – 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden. Zur Vorbeugung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage sollen die Kontakte in der Bevölkerung drastisch reduziert werden, um das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nachverfolgbare Größenordnungen zu senken (vgl. hierzu auch die Angaben in der Begründung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und ihrer Änderungsverordnungen, Nds. GVBl. 2020, 411 ff., 457, 491 f. und 2021, 6 ff., 28 f., 58 und 101 f.).

Diese Zielrichtung wahrt die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. Senatsbeschl. v. 23.12.2020 – 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61). Unerheblich ist dabei, dass der Verordnungsgeber fehlerhaft annimmt, mit der Niedersächsischen Corona-Verordnung habe er noch keine „umfassenden“ Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG, sondern nur „breit angelegte“ Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28a Abs. 3 Satz 6 IfSG ergriffen (vgl. die Begründung zur Änderungsverordnung v. 6.3.2021, Nds. GVBl. S. 101: „Richtschnur ist dabei das IfSG, wobei das Land Niedersachsen nach wie vor keine umfassenden Schutzmaßnahmen ergreift, die nach § 28 a Abs. 3 Satz 5 IfSG bei einer Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner innerhalb von sieben Tagen wie gegenwärtig in Niedersachsen vorgesehen sind, sondern beschränkt sich weiterhin darauf, breit angelegte Schutzmaßnahmen vorzusehen, die nach Satz 6 der genannten Vorschrift bei einer Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner innerhalb von sieben Tagen zu ergreifen sind. Die Maßnahmen erfassen zwar eine Vielzahl von Lebensbereichen, schränken sie jedoch nicht umfassend ein. Beispielhaft sei genannt, dass die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht umfassend gilt, keine nächtlichen Ausgangssperren vorgesehen sind, die Sportausübung mit abgestuften Einschränkungen möglich bleibt, keine Untersagung des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit erfolgt ist, lediglich die Durchführung touristischer Bus-, Schiffs- und Kutschfahrten und nicht jegliche privaten Reisen untersagt wird, Beherbergungen u. a. im Rahmen von Dienst- oder Geschäftsreisen erlaubt sind, in der Gastronomie der Außer-Haus-Verkauf und der Betrieb in bestimmten Einrichtungen zulässig bleibt, nicht sämtliche Betriebe und Gewerbe geschlossen zu halten sind und auch der Betrieb von Einrichtungen der außerschulischen Bildung nicht umfänglich untersagt ist.“). Abgesehen davon, dass dieses Vorgehen die Pflicht zum Handeln nach § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG („sind“) nicht beachtete, liegen „umfassende Schutzmaßnahmen“ nicht erst dann vor, wenn alle in § 28a Abs. 1 IfSG beispielhaft genannten Schutzmaßnahmen oder gar alle Lebensbereiche vollständig erfassende und jedwedes Handeln berührende staatliche Maßnahmen ergriffen worden sind. In Abgrenzung zu den „breit angelegten“ Schutzmaßnahmen liegen „umfassende Schutzmaßnahmen“ vielmehr schon dann vor, wenn sie zu „schwerwiegenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens“ führen (so ausdrücklich Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BT-Drs. 19/23944, S. 13 und 34 betreffend die zunächst vorgesehene Unterscheidung zwischen „schwerwiegenden Schutzmaßnahmen“ und „stark einschränkenden Schutzmaßnahmen“, die durch die nun in § 28a Abs. 3 IfSG Gesetz gewordenen Begrifflichkeiten aber nur redaktionell klargestellt werden sollte, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 19/24334, S. 24 und 73). Diese Schwelle überschreiten die in § 10 Abs. 1, 1b und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen unter Berücksichtigung ihrer flächendeckenden Anordnung, der mit ihnen verbundenen erheblichen Eingriffe in die Grundrechte der Betriebsinhaber und der massiven negativen Auswirkungen für die potenziellen Kunden und auch die Allgemeinheit nach dem Dafürhalten des Senats ohne jeden Zweifel (vgl. hierzu bereits den Senatsbeschl. v. 15.2.2021 – 13 MN 44/21 -, juris Rn. 22 ff.).

Ob darüber hinaus für die Gesamtheit der in der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Schutzmaßnahmen die konkrete Erreichung einer 7-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) von 50

oder gar 35 legitim ist, erscheint zweifelhaft (vgl. Senatsbeschl. v. 20.1.2021 – 13 MN 10/21 -, juris Rn. 20 ff. (zur 50er Inzidenz) und v. 15.2.2021 – 13 MN 44/21 -, juris Rn. 25 ff. (zur 35er Inzidenz)), bedarf in diesem Verfahren aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn abgesehen davon, dass derzeit eine landesweite Erreichung dieser Inzidenzen in Niedersachsen (Stand: 22.3.2021: 96,7; vgl. www.niedersachsen.de/ Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/) nicht absehbar ist, ist die hier streitgegenständliche Betriebsschließung nach den Verordnungsbestimmungen mit keiner dieser Inzidenzen unmittelbar verknüpft, sondern unter Berücksichtigung auch aller weiteren für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände angeordnet worden (siehe unten I.1.e.(3)(b)).

(2) Im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele ist auch die Eignung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung gegeben. Denn angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege steht für den Senat außer Zweifel, dass Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen – vor allem in geschlossenen Räumen – geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (vgl. Senatsbeschl. v. 18.11.2020 – 13 MN 448/20 -, juris Rn. 81; v. 11.6.2020 – 13 MN 192/20 -, juris Rn. 52). Allerdings wird durch die unterschiedliche Behandlung der Einzelhandelsgeschäfte in den Hochinzidenzkommunen einerseits und den übrigen Landkreisen und kreisfreien Städten andererseits dem „Einkaufstourismus“ Vorschub geleistet und die Maßnahme in ihrer Effektivität gemindert, wenn auch nicht aufgehoben.

(3) Zweifelhaft ist aber, ob der Verordnungsgeber die grundsätzliche Schließung von Einzelhandelsgeschäften für den Kundenverkehr und Besuche in Hochinzidenzkommunen nach § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021für erforderlich halten darf.

(a) Es ist bei summarischer Prüfung nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass mildere, in ihrer Wirkung aber ähnlich effektive Mittel im Hinblick auf das tätigkeitsbezogene Infektionsgeschehen zur Verfügung stehen.

Dies ergibt sich aber nicht schon aus jedweder fehlenden infektiologischen Relevanz des Geschehens in Geschäften des Einzelhandels. Esfehlt vielmehr auch nach einem Jahr der Pandemie immer noch an belastbaren Erkenntnissen zur konkreten infektiologischen Relevanz einzelner Betriebsarten. Ausweislich des Berichts zum „Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland“ konnte das RKI in einer „Quellensuche“ (Datenstand: 11.8.2020) von insgesamt 202.225 übermittelten Fällen nur 55.141 Fälle bestimmten Ausbruchsgeschehen zuordnen und feststellen, in welchen von 30 unterschiedlichen, verschiedenste Lebensbereiche erfassenden Infektionsumfeldern sich diese ereignet haben (vgl. RKI, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, in: Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?

__blob=publicationFile). Diese nur eingeschränkte Erkenntnis bestätigt der Tägliche Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 9. März 2021 (dort S. 12; veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-09-de.pdf?__blob=publicationFile). Danach kann nur etwa ein Sechstel der insgesamt gemeldeten COVID-19 Fälle einem Ausbruch zugeordnet werden. Für eine weit überwiegende Mehrheit der Fälle fehlen Informationen zur Infektionsquelle.Dabei ist zu beachten, dass Clustersituationen in anonymen Menschengruppen viel schwerer für das Gesundheitsamt erfassbar sind als in nicht-anonymen Menschengruppen. Auch das vom RKI entwickelte Konzept „ControlCOVID – Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021“ (dort insbesondere das Intensitätsstufenkonzept und die Toolbox zum Stufenkonzept, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/Stufenplan.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 18.2.2021) schätzt die Infektionsrelevanz des Geschehens im Einzelhandel nicht als derart gering ein, dass ungeachtet der gebildeten Leitindikatoren (7-Tage-Inzidenz und Inanspruchnahme der IST-Kapazitäten) eine Öffnung vorgeschlagen wird (a.A. offenbar OVG Saarland, Beschl. v. 9.3.2021 – 2 B 58/21 -, juris Rn. 31 f. im Hinblick auf die „Corona-Lage“ im Saarland).

Der Senat erachtet es aber nicht für ausgeschlossen, dass gegenüber der grundsätzlichen (vgl. zu den Ausnahmen oben II.1.c.) Schließung von Geschäften des Einzelhandels in Hochinzidenzkommunen für den Kundenverkehr und Besuche nach § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 in ihrer Eingriffswirkung für den Betriebsinhaber mildere, im Hinblick auf die Verhinderung der Virusverbreitung aber ähnlich effektive Mittel zur Verfügung stehen können. Dabei stellt der Senat nicht in Abrede, dass die angeordnete Schließung von Geschäften des Einzelhandels in Hochinzidenzkommunen in ihrer Eingriffsintensität durch die verbliebenen Ausnahmen etwas gemildert ist. Die Ausnahmen von der grundsätzlichen Schließungsanordnung nach § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 (Verkauf im Fernabsatz zur Abholung sowie Anprobe- und Bemusterungstermine) ändern deren Charakter als teilweises Betriebsverbot aber nur unwesentlich. Im Hinblick auf die andernorts in Deutschland bereits getestete und im Ausland praktizierte Möglichkeit des Einsatzes von Schnelltests vor Betreten eines Einzelhandelsgeschäfts bestehen Zweifel an der Erforderlichkeit eines vollständigen Betretungsverbots. Die Ermittlung, ob auf diesem Wege auch in einer Hochinzidenzkommune ein vergleichbarer Schutz vor einer Weiterverbreitung des Virus gewährleistet werden kann, ist von Amts wegen in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes aber derzeit nicht zu leisten.

(b) Ebenso ist bei summarischer Prüfung nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass mildere, in ihrer Wirkung aber ähnlich effektive Mittel im Hinblick auf das gebietsbezogene Infektionsgeschehen ergriffen werden können.

Dabei stellt der Senat nicht in Abrede, dass der Verordnungsgeber die Erforderlichkeit der hier zu beurteilenden Verordnungsregelung – anders als bei den zuvor angeordneten Beherbergungsverboten (vgl. Senatsbeschl. v. 15.10.2020 – 13 MN 371/20 -, juris Rn. 59) und Sperrzeiten im Gastronomiebereich (vgl. Senatsbeschl. v. 29.10.2020

– 13 MN 393/20 -, juris Rn. 57) – nicht nur anhand der 7-Tage-Inzidenz, also der Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen, beurteilt, sondern, wie in dem von der Niedersächsischen Landesregierung erstellten „Handlungskonzept zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens in der COVID 19 Pandemie“ (veröffentlicht unter: www.stk.niedersachsen.de/startseite/presseinformationen/vorsorgliches-handlungskonzept-zur-bekampfung-eines-gegebenenfalls-weiter-ansteigenden-infektionsgeschehens-in-der-covid-19-pandemie-193263.html, Stand: 5.10.2020) und dem von der Niedersächsischen Landesregierung entworfenen „Stufenplan 2.0“ (veröffentlicht unter: www.niedersachsen.de/Coronavirus/stufenplan-fur-niedersachsen-196849.html, Stand: 18.2.2021) vorgesehen, auch alle anderen für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände in seine Bewertung einbezogen hat (vgl. zu dieser Verpflichtung zuletzt: Senatsbeschl. v. 29.10.2020 – 13 MN 393/20 -, juris Rn. 57).

Dies gilt zunächst für die landesweit geltende Schließung von Geschäften des Einzelhandels nach § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Die vom Verordnungsgeber getroffene Bewertung rechtfertigt es weiterhin, diese infektionsschützende Maßnahme grundsätzlich landesweit einheitlich zu ergreifen, insbesondere um einen „Einkaufstourismus“ zwischen Gebieten verschiedener Inzidenzen zu vermeiden. Die Mitte Dezember 2020 bestehende 7-Tage-Inzidenz von mehr als 120 war zwischenzeitlich zwar deutlich gesunken. Landesweit beträgt die 7-Tage-Inzidenz inzwischen aber wieder mehr als 96 und steigt erneut deutlich an. Die Mehrzahl der Landkreise und kreisfreien Städte weist eine 7-Tage-Inzidenz von mehr als 50 auf. Hinzu kommt ein landesweit durchaus diffuses Infektionsgeschehen. Die Ausbruchsgeschehen sind überwiegend keinen bestimmten Ereignissen oder Örtlichkeiten zuzuordnen, die ausschließlicher oder vorrangiger Gegenstand verordneter Schutzmaßnahmen sein könnten. Die örtlichen Gesundheitsämter sind trotz personeller und sachlicher Verstärkung erheblich damit belastet, Infektionsketten nachzuverfolgen. Die Zahl infizierter und erkrankter Menschen, die älter als 60 Jahre sind und die ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, ist deutlich angestiegen. Auch die Sterbefallzahlen und die Auslastung medizinischer und insbesondere intensivmedizinischer Kapazitäten befinden sich weiterhin auf hohem Niveau, wobei der Antragsgegner seine Maßnahmen nicht erst dann treffen darf, wenn diese (nahezu) erschöpft sind (vgl. hierzu im Einzelnen die Angaben des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes unter https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/ und des RKI im täglichen Lagebericht unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/

N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html?nn=13490888).

Dies gilt aber auch für die in diesem Verfahren streitgegenständlichen verschärften Betriebsverbote und -beschränkungen in Hochinzidenzkommunen, wie sie § 18a der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorsieht. Auch insoweit ist die bloße 7-Tage-Inzidenz ersichtlich nicht das Maß aller Dinge. Vielmehr gilt die ausnahmsweise Verschärfung gemäß § 18a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung erst dann, wenn an drei aufeinanderfolgenden Tagen (Dreitagesabschnitt) in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung mehr als 100 Fälle je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen beträgt, diese Überschreitung nach Einschätzung der örtlich zuständigen Behörden von Dauer ist und die örtlich zuständigen Behörden den betreffenden Landkreis oder die betreffende kreisfreie Stadt mit Wirkung ab dem zweiten Werktag nach dem Dreitagesabschnitt zur Hochinzidenzkommune erklären. Im Rahmen der danach gebotenen Einschätzung und auch der Erklärung zur Hochinzidenzkommune sind neben der schlichten Inzidenz auch alle anderen für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände zu berücksichtigen. Dass der Verordnungsgeber selbst bei Festlegung der Hochinzidenzkommunen in den Übergangsfällen nach § 18a Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hiervon abweichend vorgegangen wäre, vermag der Senat derzeit nicht festzustellen.

Zweifelhaft erscheint aber, ob der Antragsgegner die nun bereits mehrere Monate verordneten Betriebsverbote und -beschränkungen noch für erforderlich erachten darf. Auch wenn insoweit eine abschließende Sachaufklärung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes von Amts wegen nicht geboten ist und daher eine abschließende Bewertung dieser Frage derzeit nicht erfolgen kann, erscheint es bei summarischer Prüfung nicht schlechthin abwegig, dass dem Verordnungsgeber mildere, zur Erreichung aller verfolgten legitimen Ziele aber durchaus ähnlich effektive Mittel im Hinblick auf das gesamte gebietsbezogene Infektionsgeschehen zur Verfügung stehen könnten.

Dies betrifft in erster Linie Maßnahmen, die ein noch aktiveres Handeln staatlicher Stellen bei der Pandemiebekämpfung erfordern, etwa

– die Intensivierung der Erforschung von Infektionsumfeldern, um die Zielgenauigkeit von Schutzmaßnahmen zu erhöhen,

– die Effektivierung der Kontaktnachverfolgung, sowohl durch Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes als auch durch Verbesserung technischer Instrumente (vgl. hierzu bereits den Senatsbeschl. v. 20.1.2021 – 13 MN 10/21 -, juris Rn. 37),

– die Erarbeitung und auch praktische Umsetzung einer landesweiten Teststrategie (vgl. hierzu die immer noch vagen Angaben unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/Testung/hinweise-zur-testung-auf-corona-198156.html, Stand: 10.3.2021: „Die so ergänzte nationale Teststrategie soll bis Anfang April schrittweise umgesetzt werden. … Die niedersächsische Teststrategie wird aktuell überarbeitet und mit allen beteiligten Akteurinnen und Akteuren abgestimmt. Aktuell werden intensive Gespräche mit den zuständigen Kammern und Verbänden geführt. Erste Vereinbarungen wurden unterzeichnet.“),

(4) Die danach bestehenden Zweifel an der Erforderlichkeit setzen sich bei der Beurteilung der Angemessenheit der grundsätzlichen (vgl. zu den Ausnahmen oben II.1.c.) Schließung von Einzelhandelsgeschäften für den Kundenverkehr und Besuche nach

§ 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 fort.

Die Betriebsverbote und -beschränkungen in § 10 Abs. 1, 1b und 2 sowie in § 18a der Niedersächsischen Corona-Verordnung greifen tief, während der seit März 2020 bestehenden Corona-Pandemie wiederholt und nun bereits über einen nicht unerheblichen Zeitraum in die Berufsausübungsfreiheit der Betriebsinhaber ein und machen ihnen die Berufsausübung teilweise unmöglich, erschweren sie aber jedenfalls und dies nach einer Phase, in der sie erhebliche Arbeitskraft und finanzielle Mittel in die Umsetzung von infektionsschutzrechtlichen Hygienekonzepten investiert haben. Hinzu kommt mit zunehmender Dauer der Betriebsverbote und -beschränkungen eine Verfestigung des zwangsläufig geänderten Konsum- und Nutzungsverhaltens der Kunden, das auch bei Aufhebung der Betriebsverbote und -beschränkungen zu fortdauernden Beeinträchtigungen der betroffenen Betriebe führen wird. Angesichts dieser immer gewichtiger werdenden Nachteile für die betroffenen Betriebsinhaber, aber auch für die in den geschlossenen Betrieben Beschäftigten und die gesamte Volkswirtschaft ist für den Senat derzeit offen und bei summarischer Prüfung auch nicht abschließend zu klären, ob die Betriebsverbote und -beschränkungen in Gänze noch angemessen und allein mit Blick auf die gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines weiteren Anstiegs der Zahl von Ansteckungen und Erkrankungen für die zwar hochwertigen, aber verfassungsrechtlich nicht absolut geschützten Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener sowie einer Überlastung des Gesundheitswesens auch weiterhin hinzunehmen sind.

b. Ebenso ist offen, ob die streitgegenständliche grundsätzliche (vgl. zu den Ausnahmen oben II.1.c.) Schließung der Geschäfte des Einzelhandels in Hochinzidenzkommunen für den Kundenverkehr und Besuche nach § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltende Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 – juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 – juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 – juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 – juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 – juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG B-Stadt-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020 – OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 – 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 – 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 – 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).

Dies zugrunde gelegt, vermag der Senat im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nur einen Verstoß der Verordnungsregelungen gegen das Willkürverbot zu verneinen. Die in § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 angeordnete grundsätzliche Schließung von Einzelhandelsgeschäften in Hochinzidenzkommunen für den Kundenverkehr und Besuche beruhen auf der jedenfalls nicht schlichtweg sachfremden Erwägung, dass ein ganz erheblicher Teil der für das Infektionsgeschehen relevanten sozialen Kontakte von vorneherein verhindert werden muss und dass diese Verhinderung neben den ganz erheblichen Beschränkungen von Kontakten im privaten Bereich am gemeinwohlverträglichsten durch Verbote und Beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport, Unterhaltung und körpernaher Dienstleistungen sowie ausgewählter Einzelhandelsbranchen erreicht werden kann. Ausgenommen sind grundrechtlich besonders geschützte Bereiche wie die Religionsausübung und öffentliche Versammlungen.

Bei summarischer Prüfung drängt sich dem Senat nicht auf, dass die vom Verordnungsgeber vorgenommene Differenzierung zwischen

– einerseits den Betriebsverboten und -beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport, Unterhaltung und körpernaher Dienstleistungen gemäß § 10 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und in grundsätzlich allen Verkaufsstellen des Einzelhandels gemäß § 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Corona-Verordnung und

– andererseits den hiervon ausgenommenen Verkaufsstellen für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und mit Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs gemäß der „Positivliste“ in § 10 Abs. 1b Satz 1 letzter Halbsatz und der ergänzenden Regelungen in § 10 Abs. 1b Sätze 2 ff. der Niedersächsischen Corona-Verordnung

unter Berücksichtigung des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeiten und aller sonstigen relevanten Belange willkürlich sein könnte (vgl. zur Differenzierung zwischen Möbelhäusern und Lebensmitteleinzelhandelsfachgeschäften: Senatsbeschl. v. 26.2.2021 – 13 MN 63/21 -, juris Rn. 42). Zudem muss es dem Antragsgegner möglich sein, die Öffnungen unter Beachtung der Infektionslage Schritt für Schritt sowie erforderlichenfalls versuchsweise und damit nahezu zwangsläufig ungleich vorzunehmen (vgl. Senatsbeschl. v. 14.5.2020 – 13 MN 156/20 -, juris Rn. 37). Die danach an den Inzidenzzahlen orientierte stufenweise erfolgte Öffnung bzw. das erneute Schließen der Einzelhandelsbetriebe ist unter diesem Gesichtspunkt nicht von vornherein als willkürlich anzusehen.

Die danach gegebene schlichte Beachtung des Willkürverbots ist angesichts des Umfangs der angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen, der damit verbundenen erheblichen Eingriffe in Grundrechte insbesondere der Betriebsinhaber und der zuletzt nicht immer vollständig nachzuvollziehenden Zuordnung bestimmter Einzelhandelsbereiche zu den unbeschränkt zugelassenen Verkaufsstellen für Güter des täglichen Bedarfs (vgl. etwa Nr. 19 des § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021) aber nicht ausreichend, um eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes verneinen zu können. Die vielmehr erforderliche Beurteilung, ob der Verordnungsgeber mit der getroffenen Auswahl von zu schließenden oder zu beschränkenden Betrieben unter Berücksichtigung des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeiten und aller sonstigen relevanten Belange eine auf hinreichenden Sachgründen beruhende und angemessene Differenzierung tatsächlich erreicht hat, ist schon angesichts der Vielzahl und Vielgestaltigkeit von Fallkonstellationen in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu leisten. Sie muss vielmehr an dieser Stelle offenbleiben.

Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung sich nicht daraus ergeben kann, dass andere Länder von den niedersächsischen Anordnungen abweichende Schutzmaßnahmen getroffen haben. Voraussetzung für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen sind. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden; der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen Zuständigkeitsbereich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1, 73 – juris Rn. 151 m.w.N.). Ein Land verletzt daher den Gleichheitssatz nicht deshalb, weil ein anderes Land den gleichen Sachverhalt anders behandelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.5.2008 – 1 BvR 645/08 -, juris Rn. 22 m.w.N.).

2. Die wegen der danach offenen Erfolgsaussichten gebotene Folgenabwägung führt dazu, dass die von den Antragstellerinnen geltend gemachten Gründe für die vorläufige Außervollzugsetzung und auch die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe derzeit nicht überwiegen.

Würde der Senat die grundsätzliche Schließung von Geschäften des Einzelhandels für den Kundenverkehr und Besuche in Hochinzidenzkommunen nach § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 vollständig (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 – 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) außer Vollzug setzen, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnte die Antragstellerinnen zwar vorübergehend die mit der Schutzmaßnahme verbundene Beschränkung des Kundenverkehres und der Besuche ihrer Geschäfte vermeiden. Ein nicht unerheblicher Baustein der komplexen derzeitigen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde aber in seiner Wirkung deutlich reduziert (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschl. v. 1.5.2020 – 1 BvQ 42/20 -, juris Rn. 10), und dies in einem Zeitpunkt eines weiterhin ernst zu nehmenden Infektionsgeschehens. Die Möglichkeit, eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 – juris Rn. 119 m.w.N.), noch effektiver als bisher zu verhindern, bliebe hingegen zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt.

Würde hingegen die grundsätzliche Schließung von Geschäften des Einzelhandels für den Kundenverkehr und Besuche in Hochinzidenzkommunen nach § 18a Abs. 3 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Verbindung mit § 10 Abs. 1b dieser Verordnung in der bis zum 6. März 2021 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wären die Antragstellerinnen vorübergehend zu Unrecht zur Befolgung der – für den Fall der Nichtbefolgung bußgeldbewehrten – Schutzmaßnahme verpflichtet und müssten sich auf die verbliebenen Ausnahmen (vgl. dazu oben II.1.c.) von der grundsätzlichen Schließungsanordnung beschränken. Dies erscheint aber auch derzeit noch hinnehmbar, zumal staatliche Hilfen zur Verfügung stehen, die die wirtschaftlichen Schäden der Antragstellerinnen wenigstens zu einem Teil kompensieren. Ohne diese Beschränkungen könnte sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung zahlreicher weiterer Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen auch nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen noch weiter erhöhen (vgl. zu dieser Gewichtung: BVerfG, Beschl. v 7.4.2020 – 1 BvR 755/20 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 28.4.2020 – 1 BvR 899/20 -, juris Rn. 12 f.).

In diese Folgenabwägung wird auch eingestellt, dass die Verordnung gemäß ihres § 20 Abs. 1 zeitlich befristet wurde. Damit ist sichergestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden muss. Hierbei hat der Antragsgegner – auch außerhalb der Konferenzen der Bundeskanzlerin mit dem Regierungschefinnen und -chefs der Länder bei jeder weiteren Fortschreibung der Verordnung – hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren relevanten Schließung zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus, zu die Gefahrenbewertung objektiv beeinflussenden Varianten des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, die Betriebsverbote und -beschränkungen unter – notwendigenfalls strengen – Auflagen und gegebenenfalls nur versuchsweise wieder zu lockern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 -, juris Rn. 16).

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG. Es entspricht der ständigen Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich für jede Antragstellerin den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. – juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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