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Corona-Pandemie – Untersagung Golf – Ausnahmeregelung

Auslegung Ausnahme für Sport unter freiem Himmel

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg – Az.: 11 S 24/21 – Beschluss vom 05.03.2021

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist nach eigenem Vorbringen Eigentümerin der „………..“ mit 30 separaten Golfbahnen auf einer Fläche von rund 130 ha. Die 30 Golfbahnen der Golfanlagen Groß Kienitz seien verteilt auf 4 Golfplätze mit 3 mal 9-Loch und einmal 3-Loch. Die einzelnen Golfbahnen seien zwischen 113 m und 522 m lang. Wegen der Möglichkeit umherfliegender falsch getroffener Golfbälle hätten die einzelnen Bahnen Abstände von 25m bis 140m voneinander. Die Golfer würden die Golfanlage von einem der drei Parkplätze aus betreten und sich von ihren Autos direkt zu den jeweiligen ersten Abschlägen begeben, um dann in 45 bis 120 min. 3- oder 9-Loch-Runden zu spielen. Das Hygienekonzept der Antragstellerin sehe eine Reservierung nur für 2 Personen je Startzeit vor, der zeitliche Abstand zwischen den Startzeiten betrage 10 Minuten.

Nachdem der Landkreis die Antragstellerin darauf hingewiesen hatte, dass auf den gesamten Golfanlagen nur allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Haushalts gespielt werden dürfe, da die gesamten Golfanlagen als eine Sportanlage zu sehen seien, beantragte die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht Potsdam erfolglos, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass auf jeder ihrer 30 separaten Golfbahnen Individualsport unter freiem Himmel allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Haushalts erlaubt sei, soweit keine Nutzung von Umkleiden und anderen Aufenthaltsräumen oder Gemeinschaftseinrichtungen erfolge. Das Verwaltungsgericht vertritt in seinem Beschluss vom 3. Februar 2021 – VG 6 L 82/21 – unter anderem die Auffassung, dass der Begriff der Sportanlage in § 12 der 5. SARS-CoV-EindV nicht jeweils einzelne Golfbahnen, sondern den oder die Golfplätze der Antragstellerin insgesamt erfasse. Das folge aus der in den Verordnungstext aufgenommenen Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 der Sportanlagenlärmschutzverordnung i.V.m. dem Anlagenbegriff des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG. Der so bestimmte Anlagenbegriff erlaube es nicht, auf die einzelnen Golfbahnen abzustellen. Die Frage, ob Individualsport wenn schon nicht auf den einzelnen Golfbahnen, dann jedenfalls auf den einzelnen Golfplätzen der Antragstellerin erlaubt sein könnte, sei nicht streitgegenständlich. Ebenfalls sei nicht zu klären, ob die erkennbar beabsichtigte Ausdehnung des Sportanlagenbegriffs auf mehrere Hektar große Golfplätze pandemisch überhaupt einen Sinn mache und möglicherweise sich als unverhältnismäßig darstelle. Denn dies sei in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO zu klären, für das das Verwaltungsgericht nicht zuständig sei.

Die Antragstellerin hat daraufhin bei dem Oberverwaltungsgericht einen auf die Feststellung der Unwirksamkeit von § 12 Abs. 1 der 6. SARS-CoV-EindV gerichteten Normenkontrollantrag gestellt, und gleichzeitig – hier streitgegenständlich – beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO festzustellen dass,

§ 12 Abs. 1 der 6. SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg gegenüber der Antragstellerin bis zum Abschluss des Verfahrens nur in der Weise anwendbar ist, dass es ihr unter Beibehaltung des bisherigen Hygienekonzeptes (maximal 2 Personen in 10 Minuten Startzeit hintereinander an jedem ersten Abschlag) ab sofort wieder möglich ist, den Golfsport auf ihren Golfanlagen zuzulassen.

Zur Begründung macht die Antragstellerin zusammengefasst geltend, § 12 Abs. 1 der 6. SARS-CoV-EindV sei materiell rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG. Im Sinne des Infektionsschutzes müsse die Vorschrift aus Sicht der Antragstellerin als Betreiberin einer Golfsportanlage im Freien die Ausübung des Golfsports nach dem von ihr praktizierten und überwachten Hygienekonzept mit mehr als 2 Personen pro Golfsportanlage ermöglichen. Sie habe auch Anspruch auf eine vorläufige Regelung, da ihr fortlaufend weiterer wirtschaftlicher Schaden entstehe, der bezogen auf die Zielsetzung des wirksamen Infektionsschutzes völlig unnötig sei.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.

Zwar entscheidet das Oberverwaltungsgericht gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 Bbg VwGG im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von anderen (nicht von Nr. 1 erfassten) im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften und damit auch über die angegriffenen Vorschrift des § 12 Abs. 1 der 6. SARS-CoV-2-EindV.

Auch ist die Antragstellerin gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, da das in § 12 Abs. 1 der 6. SARS-CoV-2-EindV geregelte Verbot des Sportbetriebs sie jedenfalls in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit, gegebenenfalls auch in ihrem von der Eigentumsgarantie erfassten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) verletzen kann.

Auslegung Ausnahme für Sport unter freiem Himmel
(Symbolfoto: Von Daxiao Productions/Shutterstock.com)

Das Antragsbegehren der Antragstellerin ist im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO jedoch nicht erfüllbar. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Gegenstand einer solchen einstweiligen Anordnung ist aufgrund ihrer Akzessorietät zu dem auf Feststellung der Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Norm gerichteten Normenkontrollverfahren in der Hauptsache jedoch lediglich die vorläufige Außervollzugsetzung dieser Norm. Dies kann auch für Teile einer Norm gelten, wenn diese abtrennbare Regelungen enthalten. Eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist jedoch ebenso wenig wie das Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO darauf gerichtet, eine bestimmte Auslegung der in Bezug genommenen Norm gerichtlich festzustellen. Darüber hinaus wirkt eine vorläufige Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm für und gegen jedermann und beschränkt sich nicht auf die Gewährung von Individualrechtsschutz.

Dem entspricht das Begehren der Antragstellerin nicht. Zum einen hat die Antragstellerin nicht die vorläufige Außervollzugsetzung des § 12 Abs. 1 der 6. SARS-CoV-2-EindV oder klar umrissener abtrennbarer Teilregelungen dieser Norm begehrt. Zum anderen ist das Begehren ausdrücklich auf die Feststellung gerichtet, dass § 12 Abs. 1 der 6. SARS-CoV-2-EindV lediglich „gegenüber der Antragstellerin“ in einer bestimmten Weise anwendbar sei.

III.

Der auf den Golfplätzen der Antragstellerin – nach ihrem Hygienekonzept von maximal zwei Spielern gemeinsam – ausgeübte Golfsport ist kein Mannschafts-, sondern ein unter freiem Himmel ausgeübter Individualsport. Mit Blick darauf weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass § 12 Abs. 2 Nr. 1 der 6. SARS-CoV-2-EindV vom Verbot des § 12 Abs. 1 der 6. SARS-CoV-2-EindV ausdrücklich eine Ausnahme regelt für „den Individualsport auf Sportanlagen unter freiem Himmel allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Haushalts, soweit keine Nutzung von Umkleiden und anderen Aufenthaltsräumen oder Gemeinschaftseinrichtungen erfolgt.“ Dem Wortlaut dieser Ausnahmeregelung, die der Wahrung der Verhältnismäßigkeit des umfassenden Verbots des § 12 Abs. 1 der 6. SARS-CoV-2-EindV dient, ist nicht zu entnehmen, dass in derart zulässiger Weise ausgeübter Individualsport auf jeder Sportanlage im Freien jeweils nur von einer Einzelperson oder zulässigen Kleingruppe gleichzeitig ausgeübt werden darf. Auch der Begründung zu § 12 der 6. SARS-CoV-2-EindV, die sich nur zu § 12 Abs. 1 der 6. SARS-CoV-2-EindV verhält (Allg. Begründung, GVBl. II Nr. 16 v. 12. Februar 2021, S. 29), ist hierfür nichts zu entnehmen. Angesichts der Besonderheiten von Sportanlagen im Freien, die regelmäßig eine erhebliche Größe aufweisen und hinreichend Platz für eine parallele Ausübung von Individualsport durch mehrere Einzelpersonen oder zulässige Kleingruppen bieten, dürfte ein derartig enges Verständnis dieser Ausnahme auch weder geboten sein noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Wert des Interesses des Antragstellers an vorläufigem Rechtsschutz gegen die weitgehende, für ihn einer Untersagung gleichkommende Beschränkung des Sportbetriebs auf seiner Golfanlage sich mangels konkreter Angaben zum erzielbaren Gewinn bis zum 7. März 2021 an dem in Nr. 54.2.1. des Streitwertkatalogs 2013 für gewerberechtliche Untersagungsverfahren angenommenen Wert von 15.000 EUR orientiert, der im Hinblick auf die hier begrenzte Dauer der Maßnahme zu halbieren ist (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 8. April 2020 – 3 EN 245/20 –, juris Rn. 57).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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