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Corona-Pandemie – Verbot von Rehabilitationssport

In allen öffentlichen und privaten Sportanlagen

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: 13 B 127/21.NE – Beschluss vom 26.03.2021

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, dessen Vereinszweck die Ausübung von Sport ist. Er erbringt für Sozialversicherte an sechs Standorten in Nordrhein-Westfalen ärztlich verordneten Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung nach § 64 Abs. 1 Nr. 3 SGB X in Form von Gymnastikkursen. Sein Antrag ist zu seinen Gunsten dahin auszulegen, dass er

im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Außervollzugsetzung von § 9 Abs. 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 5. März 2021 (GV. NRW. S. 216), zuletzt geändert durch Art. 1 der Dritten Änderungsverordnung vom 22. März 2021 (GV. NRW. 2021 S. 272a) – Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) – begehrt, soweit darin auch der ärztlich verordnete Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung nach § 64 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Fitnessstudios, Schwimmbädern und ähnlichen Einrichtungen für unzulässig erklärt wird.

Für einen Antrag auf eine eigenständige Feststellung dahin, dass das Anbieten und Durchführen von ärztlich verordnetem Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung nach § 64 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX nicht durch die Coronaschutzverordnung untersagt ist, besteht im Normenkontrollverfahren kein Raum. Der so verstandene Antrag ist gemäß § 47 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW zulässig, aber unbegründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 – 4 B 1019/19.NE -, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 – 2 MN 379/19 -, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.

Das ist nicht der Fall, weil ein in der Hauptsache noch zu stellender Normenkontrollantrag nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht offensichtlich begründet wäre (1.) und die deswegen anzustellende Folgenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfällt (2.).

1. Die mit dem in der Hauptsache gestellten Normenkontrollantrag angegriffene Regelung ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers nicht offensichtlich rechtswidrig.

a. Es bestehen keine offensichtlich durchgreifenden Bedenken dagegen, dass die maßgeblichen Vorschriften in §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG eine hinreichende, dem Parlamentsvorbehalt genügende Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung des Rehabilitationssports auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen darstellen.

Vgl. allgemein zur Ermächtigungsgrundlage: OVG NRW, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – 13 B 1731/20.NE -, juris, Rn. 23 ff.

b. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG sind voraussichtlich eingehalten.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2021 – 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 10 ff.

c. Die angegriffene Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO dürfte – auch soweit sie Rehabilitationssport auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen untersagt – von der Verordnungsermächtigung in §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG gedeckt sein. Der Deutsche Bundestag hat – wie in § 28a Abs. 1 IfSG vorausgesetzt – am 25. März 2020 aufgrund der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus in Deutschland eine epidemische Lage von nationaler Tragweite von unbestimmter Dauer festgestellt, deren Fortbestehen er am 18. November 2020 bestätigt hat.

Vgl. Plenarprotokoll 19/154, S. 19169C und Plenarprotokoll 19/191, S. 24109C.

Der Verordnungsgeber ist ferner bundesrechtlich gemäß § 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG verpflichtet, bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Stand 24. März 2021) liegt die 7-Tage-Inzidenz in Nordrhein-Westfalen bei 111,

vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand 24. März 2021, S. 4, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-24-de.pdf?__blob=publicationFile

und ist damit mehr als doppelt so hoch wie der in der Vorschrift genannten Schwellenwert für die Ergreifung landesweit abgestimmter Maßnahmen. Das angegriffene Verbot des Rehabilitationssports hält sich bei summarischer Prüfung auch im Übrigen an die gesetzlichen Vorgaben aus § 28a IfSG und verstößt voraussichtlich weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (aa) noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (bb.)

aa. Zur Erreichung des durch den Verordnungsgeber gemäß § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG verfolgten Ziels, Leben und Gesundheit und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu schützen, ist die angefochtene Maßnahme bei summarischer Bewertung geeignet (aaa.), erforderlich (bbb.) und angemessen (ccc.). Ebenso wie bei der Beurteilung der Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetz- bzw. im Rahmen der Ermächtigung dem Verordnungsgeber bei der Beurteilung der Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 – 1 BvR 1789/10 -, juris, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6.15 -, juris, Rn. 49.

Dieser ist nicht schon dann überschritten, wenn der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber auch andere Maßnahmen – hier etwa eine stärkere Reglementierung des privaten Lebensbereichs, des Arbeitsplatzes oder des Kita– und Schulbetriebs – hätte ergreifen können, mit denen das angestrebte Ziel ebenso gut oder möglicherweise sogar noch besser erreicht werden könnte.

aaa. Dass Maßnahmen zur Reduzierung von Kontakten grundsätzlich geeignet sind, Infektionsrisiken zu reduzieren, ist angesichts des Hauptübertragungswegs, der respiratorischen Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen oder Niesen entstehen, nicht zweifelhaft.

Das Verbot von Rehabilitationssport auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen trägt zur Kontaktreduzierung bei. Beim Rehabilitationssport kommt eine Gruppe von Personen zum gemeinsamen Sporttreiben – häufig in geschlossenen Räumlichkeiten von Sportanlagen – zusammen. Auch wenn hierbei schon aufgrund der üblichen im Rehabilitationssport geltenden Platzvorgaben die Teilnehmer untereinander einen Mindestabstand von 2,5 Metern einhalten und die sportlichen Aktivitäten nicht in einer solchen Intensität ausgeübt werden, dass es bei den Teilnehmern zu einem erhöhten Aerosolausstoß führt, entstehen hierdurch Infektionsrisiken. Denn typischerweise halten sich die Teilnehmer eines Rehabilitationssportkurses über einen längeren Zeitraum gemeinsam in einem geschlossenen Raum auf, sodass sich eine Ansammlung und Verbreitung von potentiell virushaltigen Tröpfchen und Aerosolen in der Luft trotz Einhaltung von Hygienemaßnahmen nicht gänzlich verhindern lässt.

Vgl. dazu, dass die Übertragung von SARS-CoV-2 auch bei Einhaltung von Mindestabständen möglich ist: Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Welche Rolle spielen Aerosole bei der Übertragung von SARS-CoV-2?, Stand 18. März 2021, abrufbar unter

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html.; sowie

Das in § 9 Abs. 1 CoronaSchVO angeordnete Verbot (auch) des Rehabilitationssports auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen verhindert eine Übertragung des Coronavirus in diesen Lokalitäten. Auf diese Weise beugt es auch einem Eintrag der Infektion in das weitere berufliche und private Umfeld von Teilnehmern und Übungsleiter vor.

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Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Betriebs ist zudem zu berücksichtigen, dass bereits die Öffnung von Sporteinrichtungen – auch solcher, in denen Rehabilitationssport ausgeübt wird – für den Publikumsverkehr zwangsläufig zu weiteren Sozialkontakten führt, indem Menschen sich, um zu den entsprechenden Einrichtungen zu gelangen, in der Öffentlichkeit bewegen und dort etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln aufeinandertreffen. Nicht zuletzt auch dieser Effekt soll nach dem Willen des Verordnungsgebers mit den insgesamt ergriffenen Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung aus den oben beschriebenen Gründen deutlich reduziert werden.

Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 6. November 2020 – 13 B 1657/20.NE -, juris, Rn. 36.

Für die Geeignetheit der Beschränkungen der Sportausübung auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen (mit bestimmten Ausnahmen für solche unter freiem Himmel) zur Eindämmung der Pandemie zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist auch nicht erforderlich, dass es sich bei diesen Aktivitäten um „Treiber der Pandemie“ handelt. Denn der Verordnungsgeber ist in seinen Maßnahmen nicht darauf beschränkt, nur Aktivitäten zu untersagen, die in der Vergangenheit bereits als typische „Treiber der Pandemie“ identifiziert wurden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2021 – 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 40 ff., m. w. N.

Das Infektionsgeschehen ist im Moment dadurch gekennzeichnet, dass es nicht nur durch solche besonderen „Treiber der Pandemie“ aufrechterhalten bzw. verstärkt wird, sondern es findet eine diffuse Ausbreitung von Infektionen in der Bevölkerung statt, ohne dass Infektionsketten eindeutig nachvollziehbar sind (sog. community transmission).

Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand 24. März 2021, S. 1, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-24-de.pdf?__blob=publicationFile.

Im Hinblick darauf ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber bezweckt, die Pandemie durch eine allgemeine Reduzierung von Kontakten einzudämmen.

Vgl. Begründung zur Coronaschutzverordnung vom 5. März 2021, S. 2, abrufbar unter https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210310_begruendung_coronaschvo.pdf.

bbb. Das Verbot dürfte auch erforderlich sein. Dem Verordnungsgeber wird voraussichtlich nicht vorgehalten werden können, sich nicht für ein anderes, den Antragsteller weniger beeinträchtigendes Regelungsmodell entschieden zu haben. Die von ihm aufgeführten Infektionsschutzmaßnahmen stellen zwar mildere Mittel dar, die jedoch nicht ebenso wirksam sind wie das (zeitweise) Verbot. Verbleibende Infektionsrisiken insbesondere beim längeren gemeinsamen Aufenthalt von Übungsleitern und Teilnehmern in geschlossenen Räumen werden durch diese Maßnahmen jedenfalls nicht verhindert.

ccc. Das Verbot dürfte jedenfalls in der gegenwärtigen Situation, in der die 7-Tages-Inzidenz in Nordrhein-Westfalen bei 111 liegt, auch angemessen sein. Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.

St. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15 -, juris, Rn. 265, m. w. N.

Davon ausgehend ist die fragliche Regelung bei vorläufiger Bewertung nicht zu be-anstanden, weil die Schwere der damit verbundenen Grundrechtseingriffe voraussichtlich noch nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Verordnungszweck steht. Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass dem ärztlich verordneten Rehabilitationssport eine besondere Bedeutung für die physische und psychische Gesundheit der Teilnehmer zukommt, die über die normale gesundheitsfördernde Wirkung von Sport hinausgeht. Auch sieht der Senat die für Anbieter solcher Leistungen durch das Verbot hervorgerufenen finanziellen Schwierigkeiten, die bis hin zur Existenznot führen können, wenn die Durchführung solcher Kurse über längere Zeiträume verboten wird. Anders als der Antragssteller meint, ist die Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers allerdings nicht durch den Bundesgesetzgeber bereits zugunsten der Zulässigkeit des Rehabilitationssports vorgegeben. Soweit in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, bei körpernahen Dienstleistungen zur Gesunderhaltung oder Rehabilitation, z. B. bei Physio-, Ergo-und Logotherapien, seien strenge Schutz-und Hygienekonzepte einem Verbot vorzuziehen,

vgl. BT-Drs. Nr. 19/23944, S. 33,

ist hiermit eine Aussage über den Rehabilitationssport in Gruppen gerade nicht verbunden, sondern dies bezieht sich ersichtlich auf Einzelbehandlungen der genannten Dienstleister im Gesundheitswesen. Der Eingriff in die Rechte der Anbieter von Rehabilitationssport und der Personen, die diesen betreiben wollen, ist gemessen an dem damit bezweckten Gesundheitsschutz der Bevölkerung insgesamt (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) angesichts der gravierenden und teils irreversiblen Folgen, die ein erneuter unkontrollierter Anstieg der Zahl von Neuansteckungen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte, voraussichtlich gerechtfertigt. Denn es ist ein erneuter exponentieller Anstieg von Infektionen aufgrund einer nach wie vor stark ausgeprägten Viruszirkulation – auch der Virusvariante B.1.1.7 – zu befürchten. Die Zahl der Übertragungen von COVID-19 steigt seit Mitte Februar stark an. Der Anstieg der Fallzahlen hat sich zuletzt beschleunigt.

Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand 24. März 2021, S. 2, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-24-de.pdf?__blob=publicationFile.

Die Fallzahlen auf den Intensivstationen gehen nicht mehr kontinuierlich zurück, son-dern es ist nach einer Plateauphase bundesweit wieder ein leichter, in Nordrhein-Westfalen sogar ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen.

Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand 24. März 2021, S. 2, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-24-de.pdf?__blob=publicationFile; sowie zu der Anzahl gemeldeter intensivmedizinisch behandelter COVID-19 Fälle in Nordrhein-Westfalen: DIVI-Intensivregister, abrufbar unter

https://www.intensivregister.de/#/aktuelle-lage/zeitreihen.

Intensivmediziner haben in einem Simulationsmodell vor Öffnungsschritten vor An-fang April, die zu einem R-Wert von über 1 führen, gewarnt und rechnen in einem solchen Fall mit einer erneuten Spitzenauslastung der Intensivkapazitäten.

Vgl. DIVI Prognosemodell (Stand 3. März 2021), abrufbar unter

https://www.divi.de/register/divi-prognosemodell.

Da die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung damit kein fernliegen-des Risiko, sondern konkret und alltäglich sind, müssen die Rechte der Anbieter von Rehabilitationssportkursen sowie deren Teilnehmern zum gegenwärtigen Zeitpunkt hinter den Gesundheitsschutz der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurücktreten. Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich die gesundheitliche Situation potentieller Teilnehmer dieser Kurse verschlechtern kann, wenn sie den ärztlich verordneten Rehabilitationssport zwischenzeitlich nicht betreiben können. Nicht von der Hand zu weisen ist aber auch die vom Verordnungsgeber gesehene Gefahr, dass sich gerade Angehörige vulnerabler Gruppen bei einer Teilnahme an Gruppenkursen mit dem SARS-CoV-2-Virus anstecken können.

Vgl. die Begründung der Vorgängerverordnung vom 7. Januar 2021, in der sich der Verordnungsgeber entschieden hatte, Rehabilitationssport nicht mehr zu erlauben, S. 10, abrufbar unter

https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210108_begruendung_coronaschvo.pdf.

Zwar ist – worauf der Antragsteller zu Recht verweist – nicht jede Person, die Rehabilitationssport betreibt, automatisch besonders gefährdet bei einer COVID-19 Erkrankung einen schweren Verlauf zu erleiden. Es liegt aber nahe, dass sich durchschnittlich in einer Rehabilitationssportgruppe mehr in diesem Sinne vulnerable Personen befinden, als in einer dem Bevölkerungsquerschnitt entsprechenden Vergleichsgruppe. Dieser Gefahr würde man auch nicht in gleicher Weise effektiv begegnen, wenn man es der Entscheidung des betreuenden Arztes überließe, aus seiner Sicht besonders gefährdete Personen von der Teilnahme auszuschließen. Auch führt das Verbot des Rehabilitationssports auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen nicht dazu, dass Betroffene keinerlei Zugriff auf Hilfestellungen zur Gesunderhaltung oder Rehabilitation haben. So können gemäß § 12 Abs. 2 Satz 4 CoronaSchVO medizinisch notwendige Leistungen z. B. von Ergo- oder Physiotherapeuten weiterhin in Anspruch genommen werden. Ferner stellt der Verordnungsgeber klar, dass auch Rehabilitationssport auf Sportanlagen im Freien unter den gleichen Maßgaben zulässig ist wie Individualsport.

Vgl. die entsprechende Klarstellung in der Begründung zur Coronaschutzverordnung vom 5. März 2021, S. 13, abrufbar unter

https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210310_begruendung_coronaschvo.pdf.

Corona-Pandemie - Verbot von Rehabilitationssport
(Symbolfoto: Von Alina Rosanova/Shutterstock.com)

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme setzt im Übrigen voraussichtlich jedenfalls nicht offensichtlich voraus, dass sämtliche oder ein weit überwiegender Teil der von den Betreibern erlittenen finanziellen Einbußen durch staatliche Leistungen kompensiert werden.

Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2021 – 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 80 f., m. w. N.

Ein Teil der Einbußen des Antragstellers dürfte aber voraussichtlich durch die Überbrückungshilfe III aufgefangen werden, auch wenn – wie er angegeben hat – noch nicht alle Auszahlungen für vergangene Zeiträume erfolgt sind.

Vgl. https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Redaktion/DE/Artikel/ueberbrueckungshilfe-iii.html.

b. Das grundsätzliche Verbot des Rehabilitationssports auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen verstößt voraussichtlich nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 -, juris, Rn. 40.

Er verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung. Diese bedarf jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Die besonderen Umstände bei der Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie sprechen dafür, den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers nicht zu sehr zu begrenzen. Der Verordnungsgeber befindet in einer komplexen Entscheidungssituation, in der eine Vielzahl von Belangen infektionsschutzrechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art zu berücksichtigen und abzuwägen ist und in der er zwangsläufig nur mit Prognosen dazu arbeiten kann, welchen Einfluss Infektionsschutzmaßnahmen oder die Lockerung solcher Maßnahmen auf die genannten Bereiche haben werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2021 – 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 96 f., m. w. N.

Wenn der Verordnungsgeber Differenzierungen vornimmt, muss er diese auch nicht zwingend allein anhand infektionsschutzrechtlicher Erwägungen vornehmen. Er kann auch die sozialen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Implikationen von Maßnahmen bei seiner Entscheidung berücksichtigen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2021 – 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 89 ff.

In Anwendung dessen drängt sich ein Gleichheitsverstoß des Verordnungsgebers nicht auf. Soweit dieser medizinisch notwendige körpernahe Dienstleistungen in § 12 Abs. 2 Satz 4 CoronaSchVO erlaubt, aber Rehabilitationssport auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen untersagt, kann er sich auf einen hinreichenden sachlichen Grund stützen. Auf notwendige medizinische Dienstleistungen dürften deutlich mehr Personen angewiesen sein als auf Rehabilitationssport. Ferner dürfte dieser – auch wenn Mindestabstände eingehalten werden können – ein höheres Infektionsrisiko bergen als die Inanspruchnahme einer medizinisch notwendigen Dienstleistung. Denn beim Rehabilitationssport treffen nicht nur Dienstleister und Kunde aufeinander, sondern eine ganze Personengruppe. Dass der Verordnungsgeber gerade das Zusammentreffen mehrerer Personen als besonders infektionsträchtig erachtet, zeigt sich auch daran, dass er dies in vielen anderen Bereichen unterbindet oder einschränkt, z. B. durch die allgemeinen Kontaktbeschränkungen in § 2 Abs. 1a CoronaSchVO oder das weitgehende Verbot außerschulischer Bildungsangebote in Präsenz in § 7 CoronaSchVO. Ferner findet der Rehabilitationssport regelmäßig statt und setzt damit immer wieder einen spezifischen Anreiz zu möglicherweise infektionsträchtigen Kontakten. Soweit der Antragsteller auf eine Ungleichbehandlung mit Profisportlern beruft, dürfte die Annahme des Verordnungsgebers, diese sei durch die besondere wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Profisports gerechtfertigt,

vgl. Begründung zur Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) vom 5. März 2021, S. 13, abrufbar unter https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210310_begruendung_coronaschvo.pdf,

voraussichtlich nicht zu beanstanden sein.

Vgl. allgemein dazu, dass der Verordnungsgeber im Rahmen des von ihm verfolgten Regelungskonzepts gesellschaftliche Bedürfnisse und gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der in Betracht kommenden Maßnahmen in seine Entscheidung einfließen lassen darf: OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2020 – 13 B 1787/20.NE -, juris, Rn. 124.

Erfolglos bleibt schließlich auch der Hinweis des Antragstellers darauf, in zwölf der übrigen 15 Bundesländer sei der Rehabilitationssport erlaubt. Unterschiedliche Regelungen im Verhältnis der Länder untereinander verletzen den Gleichheitssatz grundsätzlich nicht, da Art. 3 Abs. 1 GG nur die Gleichbehandlung im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Gesetz- bzw. Verordnungsgebers fordert.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2020 – 13 B 1675/20.NE -, juris, Rn. 68 f. m. w. N.

Auch das Erfordernis eines bundesweit abgestimmten Vorgehens bei einer bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen aus § 28a Abs. 3 Satz 9 IfSG gebietet nicht, dass in allen Bundesländern identische Infektionsschutzmaßnahmen zu treffen sind.

2. Die ergänzend anzustellende Folgenabwägung ergibt, dass die vom Antragsteller dargelegten wirtschaftlichen Einbußen und die gesundheitlichen Nachteile potentieller Teilnehmer an seinen Kursen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen. Angesichts der steigenden Zahl der Neuinfektionen und der vor diesem Hintergrund erneut konkret zu befürchtenden Überlastung der (intensiv)medizinischen Behandlungskapazitäten fallen die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm schwerer ins Gewicht als die Folgen ihres einstweilig weiteren Vollzugs. Soweit der Antragsteller auf seine drohende Insolvenz – auch wegen der nur schleppenden Auszahlung von Hilfen – verweist, ist er jedenfalls nicht verpflichtet bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist bis Ende April 2021 verlängert worden. Die Fristverlängerung soll gerade den Schuldnern zugutekommen, die Anspruch auf Hilfen aus den aufgelegten Coronahilfsprogrammen haben, deren Auszahlung aber noch aussteht.

vgl. die entsprechenden Informationen auf der Homepage der Bundesregierung, abrufbar unter

https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/insolvenzaussetzungsgesetz-1781394.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Der Antrag zielt inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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