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Corona-Pandemie – Verkürzung der Geltungsdauer des Genesenenstatus rechtswidrig

OVG Lüneburg – Az.: 14 ME 175/22 – Beschluss vom 14.03.2022

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg – 7. Kammer – vom 4. März 2022 wird geändert.

Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h) Alt. 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) bis einschließlich 18. Juni 2022 als genesen gilt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren ebenfalls auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter, im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass ihr Genesenenstatus bis zum 18. Juni 2022 fortbesteht und durch die Änderung des § 2 Nr. 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 (Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung, SchAusnahmV) zum 15. Januar 2022 (BAnz AT 14.01.2022 V1) nicht verkürzt worden ist. Die Antragstellerin wurde am 18. Dezember 2021 positiv auf eine SARS-CoV-2-Infektion getestet, sie ist nicht gegen Covid-19 geimpft.

Mit Beschluss vom 4. März 2022 hat das Verwaltungsgericht Oldenburg den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der wörtlich gestellte Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin einen Nachweis über ihre Genesung i.S.v. § 2 Abs. 5 SchAusnahmV für den Zeitraum vom 18. Dezember 2021 bis zum 18. Juni 2022 auszustellen, unzulässig sei. Für die Ausstellung der begehrten Bestätigung gebe es bereits keine bundes- bzw. landesrechtliche Rechtsgrundlage. Der Genesenennachweis i.S.d. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV sei nur das in verkörperter oder digitaler Form vorliegende, personalisierte Testergebnis als solches.

Corona-Pandemie - Verkürzung der Geltungsdauer des Genesenenstatus rechtswidrig
(Symbolfoto: Mc_Mon/Shutterstock.com)

Daher sei das Begehren der Antragstellerin gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO anhand des in der Antragsschrift zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzziels dahingehend auszulegen, dass die vorläufige Feststellung der Dauer des Genesenenstatus entsprechend des am 13. Januar 2022 von dem Antragsgegner ausgestellten Genesenennachweises bis zum 18. Juni 2022 begehrt sei. Insoweit sei die vorläufige Feststellung im Wege eines Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 VwGO statthaft. Denn in der Hauptsache könne die Antragstellerin ihr Begehren nur mit einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Var. 1 VwGO verfolgen. Insoweit liege ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO zwischen der Antragstellerin als Normadressatin und dem Antragsgegner als Normanwender vor, weil das Gesundheitsamt des Antragsgegners den Nachweis vom 13. Januar 2022 ausgestellt habe und als die im Kreisgebiet für den Vollzug und die Überwachung zuständige Behörde gegenüber der Antragstellerin jedenfalls mit der Antragserwiderung im gerichtlichen Verfahren zum Ausdruck gebracht habe, dass er selbst dem in dem Genesenennachweis ausgewiesenen Gültigkeitszeitraum von maximal sechs Monaten faktisch keine Wirkung (mehr) beimesse, sondern davon ausgehe, dass der für die Antragstellerin ausgestellte Genesenennachweis nach 90 Tagen ablaufe.

Der so verstandene Eilantrag sei jedoch nicht begründet. Vorliegend bestünden hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, weil hier zum einen die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt werde und zum anderen der Sache nach die Gültigkeit einer Rechtsnorm vorübergehend suspendiert werden würde. Es sei daher erforderlich, dass der Antragstellerin durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Für die Antragstellerin bestehe nämlich eine zumutbare und wirksame Möglichkeit, auch ohne die begehrten gerichtlichen Feststellungen die von ihr wegen des vorzeitigen Endes des Genesenenstatus befürchteten beruflichen und privaten Nachteile zu vermeiden, indem sie nämlich einen Impfschutz gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 erlange. Die Antragstellerin befinde sich in einer besonderen Situation, die im konkreten Einzelfall eine gerichtliche Beurteilung der Impfung als zumutbares Alternativverhalten erlaube. Sie gehöre als Zahnärztin nach eigenen Angaben zum Kreis der in § 20a Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 lit. h IfSG genannten Personen und unterliege daher ohnehin der gesetzlich normierten einrichtungsbezogenen Impfpflicht, die bereits ab dem 15. März 2022 gelte. Zwar sei insoweit der Genesenenstatus dem Impfstatus gleichgestellt, so dass die Antragstellerin im Falle der begehrten sechsmonatigen (Fort-)Dauer des Genesenenstatus bis zum 18. Juni 2022 keinen Impfschutz nachweisen müsse, um ihrem Beruf nachzugehen. Gleichwohl werde die Verpflichtung zum Nachweis des Impfschutzes nach Ablauf des Genesenenstatus in jedem Fall wieder aufleben, so dass die Antragstellerin sich ohnehin impfen lassen müsse. Die Antragstellerin könne sich daher im Einklang mit den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission ab dem 18. März 2022 impfen lassen, und könnte mit einer Impfung unmittelbar am 18. März 2022 die Nachteile eines ausgelaufenen Impfstatus vermeiden.

Im Übrigen stehe ein fehlender Genesenenstatus insbesondere der von der Antragstellerin vorgetragenen beabsichtigten Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen nicht entgegen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO sei der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Zu diesem Zeitpunkt gelte die Niedersächsische Verordnung über Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 und dessen Varianten vom 23. Februar 2022 (Niedersächsische Corona-Verordnung; NdsGVBl. 2022, S. 97) in der Fassung vom 4. März 2022. Gemäß § 8 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 dieser Verordnung genüge für den Besuch von Theatern, Kinos u.ä. die Vorlage eines Nachweises über eine negative Testung.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 4. März 2022, Az. 7 B 401/22, aufzuheben und festzustellen, dass sie bis zum 18. Juni 2022 als genesene Person gilt und die Dauer des Genesenenstatus nicht durch die Änderung des § 2 Nr. 5 der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung vom 14. Januar 2022 verkürzt worden ist.

Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zunächst darauf, ob die Beschwerde geeignet ist, die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu erschüttern. Wenn dies der Fall ist, ist von Amts wegen darüber hinaus zu prüfen, ob sich der Beschluss auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens im Ergebnis als richtig erweist oder geändert werden muss (vgl. OVG Berl.-Bbg, Beschl. v. 1.3.2022 – OVG 9 S 5/22 -, juris Rn. 9 m.w.N. und Beschl. v. 24.11.2014 – OVG 9 S 49.13 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Danach ist die angefochtene Entscheidung zu ändern.

1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, schwere und unzumutbare Nachteile für die Antragstellerin seien nicht glaubhaft gemacht, weil für sie als von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht erfasste Person eine zumutbare und wirksame Möglichkeit bestehe, auch ohne die begehrten gerichtlichen Feststellungen die von ihr befürchteten beruflichen und privaten Nachteile zu vermeiden, indem sie sich frühzeitig gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen lasse.

Demgegenüber macht die Beschwerde geltend, dass der Antragstellerin damit die Entscheidungsfreiheit über den Zeitpunkt der Impfung genommen werde. Die Antragstellerin wäre gezwungen, sich aus ihrer Sicht vorzeitig impfen zu lassen. Das Verwaltungsgericht vermische damit Aspekte der Geltungsdauer des Genesenenstatus und der auf die Antragstellerin zutreffenden einrichtungsbezogenen Impflicht.

Hiermit hat die Beschwerde die Begründung des Verwaltungsgerichts erschüttert. Eine Verkürzung der Geltungsdauer des sogenannten Genesenenstatus um drei Monate würde unter Berücksichtigung der damit verbundenen vielfältigen Beschränkungen für Personen, die weder als geimpft noch als genesen gelten sowie der Erfordernisse eines effektiven Rechtsschutzes (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.2008 – 2 BvR 338/08 -, juris Rn. 3) schwere und unzumutbare Nachteile begründen und könnte somit – sofern die weiteren Voraussetzungen vorlägen – eine Vorwegnahme der Hauptsache durchaus rechtfertigen. Daran vermag entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Verfahren auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Antragstellerin nach eigenen Angaben der einrichtungsbezogenen Impfpflicht des § 20a IfSG unterfällt. Richtig ist zwar, dass sich die Antragstellerin, um weiter ihren Beruf als Zahnärztin ausüben zu können, nach Ablauf ihres Genesenenstatus gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h) IfSG der ab dem 15. März 2022 geltenden Impfpflicht gegen Covid-19 unterfällt. Solange sie aber als genesen i.S.d. § 2 Nr. 4 SchAusnahmV gilt, muss sie sich gerade (noch) nicht impfen lassen, um dieser Pflicht nachzukommen (vgl. § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG: „geimpfte oder genesene Personen“). Daher ist die Dauer des Genesenenstatus trotz der einrichtungsbezogenen Impflicht für die Antragstellerin von erheblicher – auch ihre Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) tangierender – Bedeutung. Es unterfällt zudem der durch die Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit der von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG erfassten Personen, zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt während des noch laufenden Genesenenstatus sie sich impfen lassen.

2. Der verwaltungsgerichtliche Beschluss erweist sich auch im Ergebnis nicht aus anderen Gründen in vollem Umfang als richtig.

a) Der Antrag der Antragstellerin ist bei verständiger Würdigung gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt wird, vorläufig festzustellen, dass die Antragstellerin im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h) Alt. 2 IfSG sowie im Sinne der Ge- und Verbotsregelungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung, soweit diese an den sogenannten Genesenenstatus anknüpfen, bis zum 18. Juni 2022 als genesen gilt.

Der Genesenenstatus für sich genommen stellt kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar.

Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO sind die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm ergebenden rechtlichen Beziehungen für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder zu einer Sache zu verstehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.8.2007 – 7 C 13.06 -, juris Rn. 21 m.w.N.). Als Bezugspersonen kommen dabei in Betracht der Normgeber, der Normadressat und (als Vollzugsbehörde) der Normanwender. Da zum einen nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist, und zum anderen Art. 83 GG ebenso grundsätzlich bestimmt, dass die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, d.h. sie verwaltungsmäßig umsetzen, eröffnet sich im Regelfall ein Rechtsverhältnis zwischen Normadressaten und Normanwender, hier somit zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.8.2007 – 7 C 13.06 -, juris Rn. 21 m.w.N.).

Beim Genesenenstatus handelt es sich dem (mittlerweile) allgemeinen Sprachgebrauch nach lediglich um die Eigenschaft einer Person und nicht um ihre rechtliche Beziehung zu einer anderen Person oder Sache. Rechtserhebliche Eigenschaften sind als bloßes Element eines Rechtsverhältnisses nicht feststellungsfähig, lediglich die damit verbundenen Rechte und Pflichten (Pietzcker, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 41. EL Juli 2021, VwGO, § 43 Rn. 14 m.w.N.; Sodan, in: Sodan/Zieckow, VwGO, Stand: 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 31; Möstl, in: BeckOK, VwGO, Stand: 1.10.2021, § 43 Rn. 3). Auch § 2 Nr. 4 („genesene Person“) und Nr. 5 („Genesenennachweis“) SchAusnahmV enthält lediglich Begriffsbestimmungen, die als solche keine Rechte und Pflichten und damit auch kein Rechtsverhältnis der Bürger zu staatlichen Stellen begründen. Solche Begriffsbestimmungen (die zudem noch auf bestimmte Vorgaben einer nachgeordneten Behörde verweisen) entfalten für sich allein noch keine rechtliche Wirkung. Wirkung im Sinne der Begründung von Rechten und Pflichten und damit der Begründung eines Rechtsverhältnisses entfalten § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV nur mittelbar im Zusammenspiel mit bundes- oder landesrechtlichen infektionsschutzrechtlichen Ge- und Verboten (z. B. „2-G“-Regelungen) und den insoweit ebenfalls getroffenen, an § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV anknüpfenden Ausnahmeregelungen (vgl. OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 1.3.2022 – OVG 9 S 5/22 -, juris Rn. 12).

Vorliegend kommen als feststellungsfähige Rechtsverhältnisse daher nur die an den § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV anknüpfenden Rechte und Pflichten in Betracht, wie insbesondere die von der Antragstellerin geltend gemachte Befugnis, gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h) IfSG den Beruf der Zahnärztin weiter ausüben zu dürfen, sich mit mehreren Personen gleichzeitig zu treffen (§ 7a der Niedersächsischen Corona-Verordnung), in Diskotheken, Clubs u.ä. sowie Shisha-Bars zu gehen (§ 12 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und an Veranstaltungen mit mehr als 2.000 Personen teilzunehmen (§§ 10, 11 der Niedersächsischen Corona-Verordnung).

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b) Der so verstandene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Satz 2). Um einem auf eine inzidente Normenkontrolle gerichteten Feststellungsbegehren auch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes Rechnung zu tragen, kann das Gericht dabei – entsprechend des ihm bei der Bestimmung des Inhalts einer einstweiligen Anordnung eröffneten freien Ermessens (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO) – zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG auch vorläufige Feststellungen treffen (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123 Rn. 9).

Ein solcher Antrag auf vorläufige Feststellung durch einstweilige Anordnung ist hier statthaft. In der Hauptsache kann die Antragstellerin ihr Begehren mit einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Var. 1 VwGO verfolgen. Diese Klageart bietet unter anderem die Möglichkeit eines Rechtsschutzes gegen rechtswidrige Normen dergestalt, dass ein Kläger das Fortbestehen des Rechts geltend machen kann, auf dessen Aufhebung oder Einschränkung die nach seiner Auffassung rechtswidrige Norm gerichtet ist (Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 43 Rn. 8a und 8c). Eine solche Interessenlage ist hier gegeben.

Hierfür ist auch der Landkreis richtiger Antragsgegner, weil das streitige Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin als Normadressatin und dem Landkreis als Normanwender besteht, welcher gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD) für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes und der aufgrund des Infektionsschutzgesetzes erlassenen Verordnung zuständig ist. Der Antragsgegner überwacht damit im Rahmen seiner örtlichen Zuständigkeit die Einhaltung der Ge- und Verbote des Infektionsschutzgesetzes (vgl. § 20a Abs. 5 IfSG) sowie der Verordnungen nach § 32 Satz 1 IfSG, insbesondere der Niedersächsischen Corona-Verordnung (vgl. BayVGH, Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 8).

Die Antragstellerin kann ihr Feststellungsbegehren auch nicht mittels einer gegenüber der allgemeinen Feststellungsklage vorrangigen Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es keinen Anspruch auf Ausstellung eines feststellenden Verwaltungsaktes hinsichtlich des Vorliegens des Genesenenstatus und insbesondere dessen Dauer gibt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (UA S. 2 f.).

Die Antragstellerin hat zudem auch ein berechtigtes Interesse (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO) an der Feststellung, dass die sechsmonatige Geltungsdauer ihres Genesenenstatus nicht nach Maßgabe von § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14.01.2022 verkürzt worden ist. Das berechtigte Interesse – als Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzinteresses – schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein. Entscheidend ist, dass die (vorläufige) gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition der Antragstellerin in den genannten Bereichen zu verbessern (st. Rspr., vgl. nur: BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 – 6 B 14.17 -, juris). Das ist hier der Fall.

Die Antragstellerin arbeitet nach ihren Angaben als Zahnärztin und darf gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h) IfSG ihren Beruf ab dem 15. März 2022 nicht mehr ausüben, sofern sie weder geimpft noch genesen ist. Da sie nicht geimpft ist, greift das Tätigkeitsverbot mit Ablauf ihres Genesenenstatus. Des Weiteren können nach derzeit (noch) geltender Rechtslage nur Personen, die als geimpft oder genesen i.S.v. § 2 Nr. 2 und 5 SchAusnahmV gelten, Ausnahmen von den zumindest noch in einigen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens geltenden Beschränkungen durch die derzeit gültige Niedersächsische Corona-Verordnung (für private Treffen, Großveranstaltungen, Diskotheken, Clubs und Shisha-Bars) in Anspruch nehmen. Verstöße hiergegen werden gemäß § 21 der Niedersächsischen Corona-Verordnung als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Der Antragsgegner als Normanwender geht ausweislich seiner Antragserwiderung zudem davon aus, dass die Geltungsdauer des Genesenenstatus durch die Änderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmeV auf 90 Tage verkürzt wurde.

Das berechtigte Interesse entfällt auch nicht im Hinblick auf die zum 20. März 2022 geplante Änderung des § 20a IfSG und der geplanten Einführung des § 22a IfSG (vgl. BT-Drs. 20/958 vom 10.3.2022). Die Änderungen sind noch nicht beschlossen. Vielmehr soll der Gesetzesentwurf erst am 16. März 2022 durch den Bundestag zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen werden. Am 18. März 2022 soll dann der Bundestag über die Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses nach 70-minütiger Debatte abstimmen. Es ist daher noch nicht hinreichend sicher prognostizierbar, mit welchem Inhalt die Änderung des Infektionsschutzgesetzes schließlich verabschiedet werden wird und ob und ggf. welche Übergangsregelung es für „Altfälle“ geben wird.

c) Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Begründetheit des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt voraus, dass ein Antragsteller sowohl das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. seine materielle Anspruchsberechtigung, als auch eines Anordnungsgrundes, d.h. eine besondere Dringlichkeit, glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht regelmäßig nur vorläufige Entscheidungen treffen und einem Antragsteller noch nicht in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erstreiten könnte. Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile des Antragstellers unzumutbar und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären sowie ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, der Antragsteller dort also schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde (vgl. etwa vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.2008 – 2 BvR 338/08 -, juris Rn. 3; Beschl. vom 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 -, juris Rn. 17; BVerwG, B. v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 -, juris Rn. 5, 7; BVerwG, Beschl. v. 10.2.2011 – 7 VR 6.11 -, juris Rn. 6).

aa) Einen Anordnungsgrund unter Berücksichtigung der hier wegen der in der begehrten Feststellung liegenden Vorwegnahme der Hauptsache geltenden hohen Anforderungen hat die Antragstellerin nur teilweise, nämlich hinsichtlich des Genesenenstatus im Sinne von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h IfSG glaubhaft gemacht, nicht jedoch im Sinne der Ge- und Verbotsregelungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung, soweit diese an den Genesenenstatus anknüpfen.

Hinsichtlich des Genesenenstatus im Sinne von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h IfSG ist ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn der nach den Vorgaben des Eufach0000000017s (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Genesenennachwei s.html) anzusetzende 90-Tages-Zeitraum für die Gültigkeit des Genesenennachweises der Antragstellerin wird bereits am 18. März 2022 ablaufen, so dass sie bereits in wenigen Tagen nicht mehr als genesen im Sinne des § 2 Nr. 4 SchAusnahmV gilt und deswegen u.a. den Beschränkungen des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. h IfSG unterliegt und – sofern sie sich nicht impfen lässt – bis auf Weiteres nicht mehr als Zahnärztin in ihrer Praxis tätig werden darf.

Hinsichtlich des Genesenenstatus im Sinne der Ge- und Verbotsregelungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung hat die Antragstellerin jedoch unter Berücksichtigung der dargestellten Maßstäbe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Für eine entsprechende Glaubhaftmachung reicht es nicht aus, – wie hier – lediglich pauschal anzugeben, dass für große Veranstaltungen über 2000 Teilnehmer, für Clubs, Diskotheken und Shisha-Bars noch die 2Gplus-Regelung gelte und dass bei privaten Zusammenkünften noch Beschränkungen für Personen geregelt seien, die weder geimpft noch genesen seien. Die Antragstellerin hätte hier vielmehr zum Beleg der besonderen Eilbedürftigkeit konkret darlegen müssen, inwiefern gerade sie aktuell von diesen Beschränkungen betroffen ist, sie hätte also ausführen und substantiieren müssen, dass und wann sie an Großveranstaltungen teilnehmen bzw. die von Beschränkungen noch betroffenen Einrichtungen aufsuchen möchte usw. Dies ist jedoch nicht erfolgt.

bb) Soweit die Antragstellerin einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, hat sie auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

(1) Der Anordnungsanspruch ergibt sich allerdings nicht schon aus dem der Antragstellerin vom Antragsgegner am 13. Januar 2022 ausgestellten Genesenennachweis. Bei dieser Bescheinigung handelt es sich nämlich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine behördliche Wissenserklärung. Verwaltungsakt ist nach § 1 NdsVwVfG i.V.m. § 35 VwVfG jede Verfügung, Entscheidung oder andere öffentlich-rechtliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Der Genesenennachweis selbst ist lediglich eine Bescheinigung über Tatsachen, an die das Gesetz selbst unmittelbare Rechtsfolgen, nämlich die Ausnahmen von andernfalls geltenden Ge- und Verboten knüpft und durch die damit ein behördliches Wissen kundgetan wird.

Selbst wenn man in dem Genesenennachweis entgegen diesen Ausführungen eine Regelung sehen wollte, bezieht diese sich aber lediglich auf den Genesenenstatus und jedenfalls nicht auf die Dauer dieses Status. Dazu enthält die ausgestellte Bescheinigung lediglich die Information „Diese Bescheinigung gilt bis max. sechs Monate nach dem o.g. Test-/Meldedatum“. Diese ist nicht hinreichend bestimmt.

(2) Der Anordnungsanspruch ergibt sich jedoch aus § 2 Abs. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1).

Der Senat ist nach der gebotenen summarischen Prüfung der Auffassung, dass § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022, der zur Bestimmung der Gültigkeitsdauer eines Genesenennachweises auf die Vorgaben des RKI im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis verweist, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig und damit nichtig ist. Die Unwirksamkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV i.d.F. der Verordnung zur Änderung der COVID-19- Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 (BAnz. AT 14.01.2022 V1) hat zur Folge, dass die ursprüngliche Fassung des § 2 Nr. 5 i.d.F. vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) weiterhin Geltung beansprucht, welche eine Dauer des Genesenenstatus von sechs Monaten ausdrücklich festlegte (vgl. BayVGH, Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 14).

Im Einzelnen:

§ 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 findet in § 28c IfSG, der eine Subdelegation auf das RKI nicht vorsieht, schon keine ausreichende gesetzliche Grundlage. Außerdem ist er aufgrund seines pauschalen Verweises auf den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben wegen eines Verstoßes gegen das Publizitäts- und Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG voraussichtlich verfassungswidrig und damit unwirksam (vgl. BayVGH, Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 15 m.w.N.).

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass ein Normgeber unter engen Voraussetzungen nicht nur auf eigene, sondern auch auf Regelungen anderer Normgeber verweisen darf (BVerwG, Urt. v. 26.3.2015 – 5 C 8.14 -, juris Rn. 25). Selbst die Verweisung auf Regelwerke, die von nichtstaatlichen Normierungsgremien geschaffen wurden, ist nicht generell ausgeschlossen, solange für den Rechtsunterworfenen klar erkennbar ist, welche Vorschriften für ihn im Einzelnen gelten sollen (BVerwG, Urt. v. 27.6.2013 – 3 C 21.12 -, juris Rn. 39). Verweist der staatliche Normgeber auf Regelungen Dritter, darf das nicht in einer Weise geschehen, dass der Bürger schrankenlos einer Normsetzungsgewalt ausgeliefert ist, die ihm gegenüber weder staatlich noch mitgliedschaftlich legitimiert ist. Das widerspräche sowohl dem Rechtsstaatsprinzip, wonach Einschränkungen der Freiheit des Bürgers, soweit sie überhaupt zulässig sind, nur durch oder aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen dürfen, als auch dem Demokratieprinzip, wonach die Ordnung eines nach dem Grundgesetz staatlicher Regelung offenstehenden Lebensbereichs auf eine Willensentschließung der vom Volk bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muss. Nur soweit der Inhalt der von einem anderen Normgeber erlassenen Regelungen im Wesentlichen feststeht, genügt die verweisende Norm den Anforderungen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip ergeben. Für die Beantwortung der Frage, ob diese einer dynamischen Verweisung von Verfassungs wegen gezogenen rechtlichen Grenzen eingehalten wurden, kommt es neben dem Sachbereich und der damit verbundenen Grundrechtsrelevanz wesentlich auf den Umfang der Verweisung an (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2013 – 3 C 21.12 -, juris Rn. 42 f. m.w.N.). Dynamische Verweisungen sind daher grundsätzlich zulässig, wenn der Verweisungsumfang „eng bemessen“ ist. Bei einer begrenzten Bandbreite der zur Überprüfung stehenden Verweisung kann davon ausgegangen werden, dass der verweisende Verordnungsgeber die in Bezug genommenen Regelungen im Blick behält, so dass er auf den vorgegebenen Rahmen sprengende oder von ihm nicht gewünschte Änderungen umgehend reagieren kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.3.2015 – 5 C 8.14 -, juris Rn. 25 und v. 27.6.2013 – 3 C 21.12 -, juris Rn. 44 m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die Verweisung in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 nicht gerecht (vgl. bereits BayVGH, Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 17). Eine so weitgehende Ermächtigung des RKI durch § 2 Nr. 5 SchAusnahmV entspricht nicht mehr den Vorgaben der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 28c IfSG. Danach wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen können, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten nach dem fünften Abschnitt dieses Gesetzes oder von aufgrund der Vorschriften im fünften Abschnitt dieses Gesetzes erlassenen Geboten und Verboten zu regeln. Diese Ermächtigungsgrundlage enthält auch einen Auftrag an den Verordnungsgeber zu regeln, wann bei einer Person von einer Immunisierung auszugehen ist. Insoweit handelt es sich bei § 2 Nr. 5 SchAusnahmV um eine normkonkretisierende Rechtsverordnung. Eine weitere Subdelegation auf eine andere Stelle ist in § 28c Satz 1 IfSG nicht vorgesehen. Will der Ermächtigungsadressat im Wege einer Rechtsverordnung nach Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG die ihm zugewiesene Ermächtigung weiter übertragen, ist das nur möglich, wenn und soweit das gesetzlich vorgesehen ist (vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG; Remmert in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand: 95. EL Juli 2021, Art. 80 Rn. 82 und 123; BayVGH, Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 17).

Die Regelung über die Gültigkeit des Genesenennachweises hat auch eine hohe Grundrechtsrelevanz. Der Genesenenstatus hat maßgebliche Bedeutung nicht nur im Hinblick auf landesrechtliche Regelungen auf der Grundlage von § 32 IfSG, sondern auch im Rahmen der Regelungen der §§ 20a Abs. 2 Nr. 2, 28b und 28c, jeweils i.V.m. §§ 3 bis 6 SchAusnahmV. Von ihm ist abhängig, ob eine Person der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterliegt und ob und inwieweit sie bundesrechtlichen und landesrechtlichen Zugangsbeschränkungen unterworfen ist. Indem der Verordnungsgeber das Robert Koch-Institut jedoch pauschal zu einer Entscheidung lediglich „unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft“ ermächtigt, dürfte er dieser Grundrechtsrelevanz nicht hinreichend gerecht geworden sein. Insoweit mangelt es zudem an Vorgaben zu genauen Abwägungs- und Entscheidungskriterien, die die Entscheidung über die Gültigkeitsdauer des Genesenennachweises leiten sollen (BayVGH, Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 15 m.w.N.).

An der vorläufigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV n.F. ändert auch der Umstand nichts, dass das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde, für deren Erfolg es möglicherweise (auch) auf die Gültigkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 ankommt, nicht als offensichtlich begründet angesehen hat, sondern im Eilverfahren nach § 32 BVerfGG eine Folgenabwägung vorgenommen hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.2.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris Rn. 14). Zum einen ist die Frage der Wirksamkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV i.d.F. der Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 von der Frage zu unterscheiden, ob durch den Verweis in § 20a Abs. 2 Nr. 2 IfSG auf § 2 Nummer 5 der COVID-19-SchutzmaßnahmenAusnahmenverordnung die Verfassungsmäßigkeit von § 20a IfSG in Frage gestellt sein könnte. Denn die Unwirksamkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV hat möglicherweise nicht zwingend die Verfassungswidrigkeit des § 20a Abs. 2 Nr. 2 IfSG zur Folge (vgl. BayVGH Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 19 m.w.N.). Zum anderen muss bedacht werden, dass der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung des Vollzugs eines formellen Gesetzes nach § 32 BVerfGG nicht mit dem Prüfungsmaßstab im Rahmen des § 123 VwGO zu vergleichen ist (vgl. BayVGH Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 19 m.w.N.). Soweit nämlich im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf des Genesenenstatus mit der einstweiligen Feststellung eine – zumindest tatsächliche – Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist, wäre dies jedenfalls zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.4.2013 – 10 C 9.12 -, juris Rn. 22). Das gilt deswegen auch im Hinblick auf die mit der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat (§ 28c Satz 2 IfSG) verbundene hohe Legitimationswirkung einer Verordnung nach § 28c Satz 1 IfSG (vgl. BayVGH Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 19 m.w.N.).

Die Unwirksamkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV i.d.F. der Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 (BAnz. AT 14.01.2022 V1) hat zur Folge, dass die ursprüngliche Fassung des § 2 Nr. 5 i.d.F. vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) weiterhin Geltung beansprucht, welche eine Dauer des Genesenenstatus von sechs Monaten ausdrücklich festlegte. Denn zum einen handelte es sich bei der Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 um eine reine Änderungsverordnung, die keine ausdrückliche Aufhebung der Vorgängerregelung vorsieht. Zum anderen kann ein entsprechender Wille des Bundesverordnungsgebers, im Falle der Nichtigkeit der Neuregelung solle keine Regelung des Genesenennachweises gelten, nicht angenommen werden, denn dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die personale Reichweite der bewehrten Schutzverordnungen der Länder (vgl. BayVGH Beschl. v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536 -, BeckRS 2022, 3330 Rn. 20 m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wobei im Hinblick auf die tatsächliche Vorwegnahme der Hauptsache eine Reduzierung des Auffangstreitwerts nicht angebracht erscheint.

 

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