Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: 13 B 559/21.NE – Beschluss vom 22.04.2021
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller zu 1. besucht die 8. Klasse der Gesamtschule F. , die Antragstellerin zu 2. die 6. Klasse des T. -Gymnasiums in C. . Sie wenden sich gegen Regelungen in der Coronabetreuungsverordnung zum Ausschluss nicht getesteter Personen von der schulischen Nutzung von öffentlichen Schulen, Ersatzschulen und Ergänzungsschulen.
§ 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 im Bereich der Betreuungsinfrastruktur vom 7. Januar 2021 (GV. NRW. S. 19b), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 16. April 2021 (GV. NRW. S. 410) – Coronabetreuungsverordnung (CoronaBetrVO) – lautet auszugsweise wie folgt:
(1) Zur Verringerung von Infektionsrisiken bezogen auf das SARS-CoV-2-Virus sind die schulische und – nach Zulassung durch den Schulträger – die außerschulische Nutzung von öffentlichen Schulen, Ersatzschulen und Ergänzungsschulen im Sinne des Schulgesetzes NRW sowie erforderliche Tätigkeiten zur Unterhaltung der Schulgebäude nur nach Maßgabe der folgenden Absätze zulässig. Eine darüber hinausgehende Nutzung der Schulgebäude ist unzulässig und das Betreten der Schulgebäude insoweit untersagt.
(2) Als schulische Nutzung gelten insbesondere die
1. mit dem Unterricht, vergleichbaren Schulveranstaltungen und der Betreuung von Schülerinnen und Schülern (z.B. pädagogischer Betreuung nach Absatz 11, Schulbegleitung gemäß § 112 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und § 35a des Achten Buches Sozialgesetzbuch), […]
(2a) An schulischen Nutzungen gemäß Absatz 2 einschließlich der Betreuungsangebote gemäß Absatz 10 und Absatz 11 dürfen nur Personen teilnehmen, die
1. an dem jeweils letzten von der Schule für sie angesetzten Coronaselbsttest nach Absatz 2b mit negativem Ergebnis teilgenommen haben oder
2. zu diesem Zeitpunkt einen Nachweis gemäß § 2 der Corona-Test-und-Quarantäneverordnung vom 8. April 2021 (GV. NRW. S. 356) über eine negative, höchstens 48 Stunden zurückliegende Testung vorgelegt haben.
Nicht getestete und positiv getestete Personen sind durch die Schulleiterin oder den Schulleiter von der schulischen Nutzung auszuschließen. Zusätzlich weist die Schulleiterin oder der Schulleiter Personen mit positivem Ergebnis, bei minderjährigen Schülerinnen und Schülern die Eltern, auf die Pflichten zum Umgang mit einem positiven Coronaselbsttest gemäß § 13 der Corona-Test-und-Quarantäneverordnung vom 8. April 2021 hin.
(2b) Für alle in Präsenz tätigen Personen (Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, sonstiges an der Schule tätiges Personal) werden wöchentlich zwei Coronaselbsttests im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 3 der Corona-Test-und-Quarantäneverordnung vom 8. April 2021 durchgeführt. …
(2e) Die Ergebnisse der nach Absatz 2a durchgeführten Coronaselbsttests oder vorgelegten Testnachweise werden von der Schule erfasst und dokumentiert. Sie werden nicht an Dritte übermittelt und nach 14 Tagen vernichtet.
Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragsteller, im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug von § 1 Abs. 2a Satz 1 und 2 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 im Bereich der Betreuungsinfrastruktur vom 7. Januar 2021 (GV. NRW. S. 19b), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 16. April 2021 (GV. NRW. S. 410) – Coronabetreuungsverordnung (CoronaBetrVO) – vorläufig auszusetzen, hat keinen Erfolg.
Der gemäß § 47 Abs. 6, 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 – 4 B 1019/19.NE -, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 – 2 MN 379/19 -, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.
Das ist hier nicht der Fall, weil ein in der Hauptsache noch zu erhebender Normenkontrollantrag nach im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglicher summarischer Prüfung nicht offensichtlich begründet wäre (A.) und die deswegen anzustellende Folgenabwägung zu Lasten der Antragsteller ausfällt (B.).
A. Die angegriffene Regelung ist nicht offensichtlich rechtswidrig.
I. Es bestehen zunächst keine offensichtlich durchgreifenden Bedenken dagegen, dass die angegriffene Regelung in den § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 28a Abs. 1 Nr. 16, § 33 Nr. 3 IfSG eine hinreichende, dem Parlamentsvorbehalt genügende Ermächtigungsgrundlage findet.
Vgl. insoweit allgemein zur neuen Rechtslage durch Einfügung des § 28a IfSG durch Art. 1 Nr. 17 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397): OVG NRW, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – 13 B 1731/20.NE -, juris, Rn. 23 ff.
Dass der Verordnungsgeber die angefochtene Regelung wegen einer darin angeordneten Testpflicht auf den in der Präambel der Coronabetreuungsverordnung nicht zitierten § 29 IfSG hätte stützen müssen und auch hat stützen wollen, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil die betroffenen Personen keiner Beobachtung im Sinne des § 29 Abs. 1 IfSG unterworfen werden. Im Übrigen begründet die angefochtene Regelung eine Testpflicht auch nur mittelbar, indem sie die schulische Nutzung von einem negativen Coronatest abhängig macht.
Vgl. OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 12. April 2021 – OVG 11 S 48/21 -, juris, Rn.18 f.
§ 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG scheidet als Rechtsgrundlage für die angegriffene Verordnungsbestimmung voraussichtlich auch nicht deshalb von vornherein aus, weil das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht zu den in § 32 Satz 3 IfSG ausdrücklich aufgeführten Grundrechten gehört, die durch auf dieser Grundlage ergangene Rechtsverordnungen eingeschränkt werden dürfen.
Vorausgesetzt die angefochtene Regelung wäre geeignet, einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zu begründen,
vgl. eine Eingriffsqualität der Selbsttests verneinend: Nds. OVG, Beschluss vom 19. April 2021 – 13 MN 192/21 -, juris, Rn. 62; Sächs. OVG, Beschlüsse vom 9. April 2021 – 3 B 114/21 -, juris, Rn. 7, und vom 30. März 2021 – 3 B 83/21 -, juris, Rn. 67,
läge in diesem Umstand wohl kein Verstoß gegen das in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Zitiergebot.
Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG muss das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen, das durch das Gesetz oder auf Grund des Gesetzes eingeschränkt wird. Das Zitiergebot erfüllt eine Warn- und Besinnungsfunktion. Durch die Benennung des Eingriffs im Gesetzeswortlaut soll gesichert werden, dass der Gesetzgeber nur Eingriffe vornimmt, die ihm als solche bewusst sind und über deren Auswirkungen auf die betroffenen Grundrechte er sich Rechenschaft ablegt. Die ausdrückliche Benennung erleichtert es auch, die Notwendigkeit und das Ausmaß des beabsichtigten Grundrechtseingriffs in öffentlicher Debatte zu klären. Diese Warn- und Besinnungsfunktion betrifft nicht nur eine erstmalige Grundrechtseinschränkung, sondern wird bei jeder Veränderung der Eingriffsvoraussetzungen bedeutsam, die zu neuen Grundrechtseinschränkungen führt.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1983 – 1 BvL 46/80 -, juris, Rn. 26, sowie Urteile vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 -, juris, Rn. 88, und vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2835/17 -, juris, Rn. 134; Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL, August 2020, Art. 19, Rn. 40.
Vom Zitiergebot sind auch gesetzliche Regelungen auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG erfasst.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Mai 1956 – 1 BvR 190/55 -, juris, Rn. 9; Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL, August 2020, Art. 19, Rn. 53.
Bei vorläufiger Bewertung spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass die Nichterwähnung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit in § 32 Satz 3 IfSG auf ein im Ergebnis unschädliches Redaktionsversehen zurückzuführen ist.
§ 32 IfSG regelt selbst keine Voraussetzungen, sondern verweist hinsichtlich der durch Rechtsverordnungen zu treffenden Maßnahmen und deren Voraussetzungen auf die §§ 28 bis 31 IfSG. In § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG sind Einschränkungen des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit durch die nach § 28 IfSG möglichen Schutzmaßnahmen ausdrücklich vorgesehen. Die Zitierung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wurde durch das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) eingefügt. Grundlage hierfür waren die Beratungen im Ausschuss für Gesundheit. Ausweislich der Begründung zur Beschlussempfehlung sollte damit dem Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung getragen werden, da nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG auch Testungen beispielsweise im Rahmen des Betretens einer Einrichtung angeordnet werden könnten.
Vgl. Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), Drucksache 19/24334, 16.11.2020, S. 21, 71, abrufbar unter
https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/243/1924334.pdf.
Der Gesetzgeber war sich demnach bewusst, dass Coronatests zur Voraussetzung des Betretens einer Einrichtung gemacht werden und in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingreifen können. Die gleichzeitige Anpassung auch von § 32 Satz 3 IfSG dürfte vor diesem Hintergrund lediglich versehentlich unterblieben sein, da der Ausgangsgesetzentwurf eine Änderung des § 32 IfSG nicht vorsah.
Vgl. Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, Drucksache 19/23944, 03.11.2020, abrufbar unter
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/239/1923944.pdf.
Anhaltspunkte für eine bewusste Entscheidung, gegebenenfalls in die körperliche Unversehrtheit eingreifende Testungen durch Rechtsverordnungen nicht zu ermöglichen, sind demgegenüber nicht ersichtlich. Hiergegen spricht schließlich auch, dass nunmehr die ausdrückliche Zitierung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in § 32 Satz 3 IfSG beabsichtigt ist, ohne dass insoweit erstmals u. a. eine Anordnung von Testpflichten im Verordnungswege ermöglicht werden soll.
Vgl. Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, Drucksache 19/28444, 13.04.2021, S. 6, 16, abrufbar unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/284/1928444.pdf.
II. Die Coronabetreuungsverordnung genügt voraussichtlich auch den an sie zu stellenden formellen Anforderungen. Insbesondere ist sie gemäß § 28a Abs. 5 IfSG mit einer allgemeinen Begründung versehen,
abrufbar unter https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210415_konsolidierte_begruendung_coronabetrvo_ab_11.04.21.pdf,
und zeitlich befristet. Sie tritt mit Ablauf des 9. Mai 2021 außer Kraft (§ 5 Abs. 2 CoronaBetrVO).
III. § 1 Abs. 2a Satz 1 und 2 CoronaBetrVO erweist sich bei summarischer Prüfung auch in materieller Hinsicht als nicht erkennbar rechtswidrig.
1. § 1 Abs. 2a Satz 1 und 2 CoronaBetrVO dürfte voraussichtlich von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt sein.
a) Der Deutsche Bundestag hat am 25. März 2020 aufgrund der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus in Deutschland eine epidemische Lage von nationaler Tragweite von unbestimmter Dauer festgestellt, deren Fortbestehen er am 18. November 2020 und zuletzt am 4. März 2021 bestätigt hat.
Vgl. Plenarprotokoll 19/154, S. 19169C, Plenarprotokoll 19/191, S. 24109C, und Plenarprotokoll 19/215, S. 27052C.
b) Die Anordnung in § 1 Abs. 2a Satz 2 CoronaBetrVO, nicht getestete und positiv getestete Personen von der schulischen Nutzung auszuschließen, stellt voraussichtlich auch eine Schutzmaßnahme, nämlich eine Auflage im Sinne der § 28a Abs. 1 Nr. 16, § 33 Nr. 3 IfSG dar. Nach § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG kann zu den notwendigen Schutzmaßnahmen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite namentlich die Erteilung von Auflagen für die Fortführung von Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 IfSG gehören. Bei Schulen handelt es sich gemäß § 33 Nr. 3 IfSG um solche Gemeinschaftseinrichtungen.
So auch Bay. VGH, Beschluss vom 12. April 2021 – 20 NE 21.926 -, Rn. 13, abrufbar unter https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/20_ne_21.926_anonymisiert_.pdf; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 12. April 2021 – OVG 11 S 48/21 -, juris, Rn. 18; Sächs. OVG, Beschluss vom 19. März 2021 – 3 B 81/21 -, juris, Rn. 43; siehe auch Nds. OVG, Beschluss vom 19. April 2021 – 13 MN 192/21 -, juris, Rn. 44 ff., auf § 28 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz IfSG abstellend.
c) Der von der Verordnungsregelung betroffene Adressatenkreis ist nicht zu beanstanden. Dem § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist nicht zu entnehmen, dass sich Maßnahmen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten nur gegen Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider richten dürfen. Weil bei Menschenansammlungen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können, stellt bereits § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG klar, dass Anordnungen auch gegenüber Veranstaltungen oder sonstigen Zusammenkünften von Menschen sowie gegenüber Gemeinschaftseinrichtungen ergehen können. Schließlich können nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG (sonstige) Dritte („Nichtstörer“) Adressaten von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 -, juris, Rn. 26, unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 28 ff., und vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 70 f., sowie OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 23. März 2020 – OVG 11 S 12/20 -, juris, Rn. 8.
2. Die streitige Regelung hält sich bei summarischer Prüfung auch im Übrigen an die gesetzlichen Vorgaben aus § 28a IfSG. Sie orientiert sich an den Maßstäben des § 28a Abs. 3 IfSG und verstößt voraussichtlich weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (a) noch gegen den Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) (b).
a) Der Verordnungsgeber bezweckt mit der angefochtenen Regelung das legitime Ziel (§ 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG), eine Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus auch bei Fortführung bzw. Wiederaufnahme eines Schulbetriebs mit zumindest auch Präsenzphasen,
vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaBetrVO, wonach das Ministerium für Schule und Bildung das Nähere, insbesondere allgemeine Beschränkungen der Nutzung von Klassen- oder Kursräumen aus Gründen des Infektionsschutzes, insbesondere in Gestalt von Wechselunterricht, regelt,
möglichst zu verhindern und damit zugleich einen Schulbetrieb in zumindest teilweiser Präsenz überhaupt zu ermöglichen.
Vgl. Begründung zur Coronabetreuungsverordnung (CoronaBetrVO) vom 7. Januar 2021, S. 11 f., abrufbar unter
Seiner Auffassung nach stellen regelmäßige Tests der Bevölkerung und damit insbesondere auch der Schülerinnen und Schüler die wichtige dritte Säule – neben den Corona-Schutzimpfungen und der Einhaltung der Corona-Regeln im Alltag – im Kampf gegen das Coronavirus dar.
Vgl. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Corona-Pandemie in Nordrhein-Westfalen, Information zur Teststrategie, abrufbar unter
https://www.mags.nrw/coronavirus-teststrategie.
Die Regelung, die die schulische Nutzung von einem negativen Coronatest abhängig macht, ist zur Erreichung des angestrebten Ziels voraussichtlich geeignet (aa), erforderlich (bb) und angemessen (cc). Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetz- bzw. im Rahmen der Ermächtigung dem Verordnungsgeber für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu.
Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 – 1 BvR 1789/10 -, juris, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6.15 -, juris, Rn. 49.
Diesen haben weder der Bundesgesetzgeber noch der ihm folgende nordrhein-westfälische Verordnungsgeber überschritten.
aa) Die Regelung ist eine geeignete Maßnahme, um die mit dem Präsenzbetrieb in den Schulen einhergehenden Infektionsgefahren zu verringern. Dabei ist davon auszugehen, dass auch Schüler für eine Infektion mit SARS-CoV-2 empfänglich sind und – insbesondere weil sie häufig keine oder nur milde Symptome zeigen –,
vgl. Robert Koch-Institut, SAS-CoV-2 Testkriterien für Schulen während der COVID-19 Pandemie, abrufbar unter
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Teststrategie/Testkriterien-Schulen.pdf?__blob=publicationFile,
das Virus unbemerkt im schulischen und häuslichen Umfeld verbreiten können.
aaa) Auch die für die Testung (in erster Linie) vorgesehenen Coronaselbsttests tragen zur Identifizierung insbesondere erkrankter Schüler bei. Sie sind für diesen Zweck nicht schlichtweg untauglich. Der Senat berücksichtigt dabei, dass die Quantifizierung des Infektionsrisikos, das von einer getesteten symptomlosen Person ausgeht, durchaus schwierig ist und ein negatives Antigentestergebnis nach aktueller Erkenntnislage die Ansteckungsfähigkeit nicht sicher ausschließt.
Vgl. Robert Koch-Institut, Antigentests als ergänzendes Instrument in der Pandemiebekämpfung, Epidemiologisches Bulletin 17/2021, 29. April 2021 (online vorab), S. 5, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/17_21.pdf?__blob=publicationFile.
Jedoch erhöht eine – wie in § 1 Abs. 2a Satz 1 CoronaBetrVO vorgesehene – wiederholte Testung derselben Person nach Angaben des Robert Koch-Instituts die Wahrscheinlichkeit, das diagnostische Fenster eines Antigentests zu treffen, und trägt somit in Abhängigkeit der dadurch verhinderten Übertragungen zur Reduzierung des allgemeinen Infektionsgeschehens bei.
Vgl. ebd., S. 6.
Auch durch die ebenfalls nicht auszuschließende Möglichkeit, dass falsch-positive Testergebnisse zu unnötigen Freistellungen vom Schulbesuch oder zu Schüler psychisch belastenden Quarantäneanordnungen führen können, wird die grundsätzliche Eignung der Selbsttests nicht durchgreifend in Frage gestellt.
bbb) Eine fehlende Eignung von Selbsttests folgt auch nicht aus einer möglicherweise zumindest zu Beginn schwierigen korrekten Anwendung der Tests insbesondere für Grundschüler. Gemäß § 1 Abs. 2b Satz 2 CoronaBetrVO finden die Coronaselbsttests ausschließlich in der Schule unter der Aufsicht schulischen Personals statt. Das Beibringen neuer Kompetenzen und das Beobachten bzw. Überprüfen, ob diese neu erworbenen Kompetenzen richtig anwendet werden, gehört zu den Kernkompetenzen und -aufgaben von Lehrerinnen und Lehrern. Es ist nicht erkennbar und nicht substantiiert vorgetragen, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht dazu in der Lage sein sollten, den Schülerinnen und Schülern die richtige Anwendung von Coronaselbsttests zu vermitteln.
Dies ergibt sich auch nicht aus der Kurzanleitung für den Selbsttest der T1. I. GmbH, welcher nach Angaben des Antragsgegners nunmehr ausschließlich zum Einsatz komme. Darin empfiehlt der Hersteller lediglich, Nasen-Abstrichproben von Personen unter 15 Jahren unter Aufsicht von Erwachsenen durchzuführen. Ein Mindestalter für die Anwender wird hingegen nicht genannt. Es ist auch nicht vorgesehen, dass der Test durch medizinisches Personal durchzuführen oder die Anwendung des Tests durch dieses zu überwachen ist.
Vgl. T1. I. GmbH, CLINITEST Rapid COVID-19 Antigen Self-Test, Kurzanleitung, S. 2, abrufbar unter
https://cdn0.scrvt.com/abe27e3c968b630873d0fca61dca543f/26bcbf3c91281546/f0b0e070a477/Kurzanleitung_DE_CLINITEST_Rapid_Covid-19_Antigen_Self-Test_HOODHOOD05162003171293_BfArM_03MAR2021.pdf.
Ungeachtet dessen stellt der Verordnungsgeber es den Eltern – insbesondere wenn sie Gesundheitsgefahren für ihre Kinder aufgrund der in Schulen durchgeführten Selbsttests befürchten – frei, alternativ einen Nachweis gemäß § 2 der Corona-Test-und -Quarantäneverordnung vom 8. April 2021 (GV. NRW. S. 356) über eine (in ihrem Beisein erfolgte) negative, höchstens 48 Stunden zurückliegende Testung mittels PCR-Tests oder Coronaschnelltests, der durch Leistungserbringer im Sinne der Coronavirus-Testverordnung erfolgt, vorzulegen.
bb) Die in Rede stehenden Schutzmaßnahmen sind auch zur Zielerreichung erforderlich. Mildere, gleich geeignete Mittel sind nicht ersichtlich.
aaa) Der vollständige Verzicht auf Selbsttests wäre nicht gleich geeignet. In einem solchen Fall bestünde lediglich die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer mit offensichtlichen Symptomen von der schulischen Nutzung auszuschließen und von ihnen im Anschluss ein negatives Testergebnis zu verlangen.
bbb) Auch eine Selbsttestung von Schülern zu Hause durch ihre Eltern wäre voraussichtlich nicht gleich wirksam. Unabhängig von etwaigen Manipulationsmöglichkeiten, die sich im häuslichen Bereich ergeben könnten, bietet der in der Schule durchgeführte Test die bessere Gewähr dafür, dass er tatsächlich, regelmäßig und ordnungsgemäß durchgeführt wird.
cc) Die Regelung dürfte voraussichtlich auch angemessen sein. Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.
St. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15 -, juris, Rn. 265, m. w. N.
Hiervon ist angesichts der gegenwärtigen Gefährdungslage auszugehen. Nachdem die 7-Tages-Inzidenz in Nordrhein-Westfalen am 13. Februar 2021 nach dem Abflachen der sog. zweiten Welle bei 55,8 lag und damit ihren Tiefpunkt erreicht hatte, hat sie sich nunmehr verdreifacht und beträgt aktuell (am 22. April 2021) 173,4. Bundesweit lag die 7-Tages-Inzidenz ausweislich der Angaben des Robert Koch-Instituts am 22. April 2021 bei 161,1.
Vgl. Corona-Meldelage des Landeszentrums Gesundheit NRW, abrufbar unter https://www.lzg.nrw.de/inf_schutz/corona_meldelage/index.html, sowie Robert Koch-Institut, COVID-19-Dashboard, abrufbar unter
https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4.
Die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen stellt nach dem Willen des Gesetzgebers – wie § 28a Abs. 3 IfSG klarstellt – eine wesentliche Grundlage zur Einschätzung der Risikolage dar. Zu der hohen 7-Tages-Inzidenz kommt hinzu, dass die Belegungssituation auf den Intensivstationen deutscher Kliniken und auch in Nordrhein-Westfalen bereits jetzt vielfach sehr angespannt ist.
Vgl. Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Veröffentlichung vom 09.04.2021, abrufbar unter
https://www.divi.de/aktuelle-meldungen-intensivmedizin/mehr-patienten-und-weniger-betten-die-zeit-draengt.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass die nach bisherigen Erkenntnissen deutlich ansteckendere besorgniserregende Virusvariante (Variant Of Concern, VOC) der Linie B.1.1.7 (erstmals nachgewiesen in Großbritannien) inzwischen in Deutschland den vorherrschenden COVID-19-Erreger darstellt. Die zunehmende Verbreitung und Dominanz der VOC 1.1.7 vermindert die Wirksamkeit der bislang erprobten Infektionsschutzmaßnahmen erheblich und hat eine deutlich ansteigende Anzahl von Hospitalisierungen und intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten zur Folge.
Vgl. Robert Koch-Institut, RKI-Newsletter zu aktuellen Infektionsschutzthemen vom 20.04.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/SharedDocs/Newsletter/Infektionsschutz/2021/210420-NewsletterInfektionsschutz.html?view=renderNewsletterHtml.
Ausgehend von dieser Pandemielage steht die Schwere der mit der angefochtenen Regelung verbundenen Grundrechtseingriffe voraussichtlich nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Verordnungszweck.
aaa) Insbesondere der in § 1 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2b Satz 1 CoronaBetrVO u. a. zur Anwendung zugelassene Selbsttest im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 3 der Corona-Test-und-Quarantäneverordnung bedingt allenfalls einen nur geringfügigen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit, wenn er nicht in Gestalt eines grundsätzlich möglichen Gurgel- oder Spucktests durchgeführt wird, sondern ein Nasenabstrich zu entnehmen ist. Er ist nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität. Unabhängig hiervon wäre ein Eingriff aber in jedem Fall als ein wesentliches Element der Pandemiebekämpfung in den Schulen zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt.
Die Bedenken der Antragsteller im Hinblick auf mögliche gesundheitliche Risiken durch die Inhaltsstoffe der Selbsttests teilt der Senat nicht. Der hier in Rede stehende Antigen-Test zur Eigenanwendung der T1. I. GmbH hat von dem zuständen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter dem Aktenzeichen 5640-S-004/21 eine befristeten Sonderzulassung gemäß § 11 Abs. 1 MPG erhalten.
Vgl. BfArM, Liste der Antigen-Tests zur Eigenanwendung („Selbsttests“), deren Inverkehrbringen ohne CE-Kennzeichnung vom BfArM nach § 11 Abs. 1 MPG derzeit befristet zugelassen wird (Sonderzulassung des BfArM), abrufbar unter
https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Antigentests/Antigen-Tests_zur_Eigenanwendung.html.
Dabei hatte der Hersteller im Rahmen seiner Antragstellung auf die grundsätzlich befristete Sonderzulassung nachzuweisen, dass sein Selbsttest die einschlägigen Sicherheits- und Leistungsanforderungen, wie z .B. die jeweils anwendbaren technischen Normen, erfüllt.
Vgl. https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Antigentests/Hinweise_zur_Sonderzulassung.html.
bbb) Vor diesem Hintergrund sind auch Beschränkungen des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) durch die fragliche Testpflicht gerechtfertigt. Diese Rechte gelten nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten hier im Ergebnis gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurück.
ccc) Soweit § 1 Abs. 2a Satz 1 und 2 CoronaBetrVO das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berührt, dürfte der Eingriff im Hinblick auf das Ziel, mit den Tests einen Beitrag zur Reduzierung des Infektionsrisikos an Schulen zu leisten, gerechtfertigt sein.
Im Übrigen ist anzumerken, dass § 120 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW i. V. m. § 1 Abs. 2e CoronaBetrVO eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der durch die Teilnahme an den Testungen gewonnenen personenbezogenen Daten der Schülerin oder des Schülers enthält. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW ist die Verarbeitung und Erhebung personenbezogener Daten durch die Schulen und Schulaufsichtsbehörden zulässig, soweit dies zur Erfüllung der ihnen durch Rechtsvorschrift übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Dem Wortlaut ist eine Beschränkung auf schulrechtliche Rechtsvorschriften nicht zu entnehmen. Dass der Gesetzgeber bei der Normierung von § 120 Abs. 1 und 2 SchulG NRW die Erhebung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten nicht im Blick gehabt hätte, weil diese üblicherweise nicht von Schulen verarbeitet würden, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil es sich – etwa im Falle eines krankheitsbedingten Prüfungsrücktritts – bei Angaben zum Gesundheitszustand eines Schülers durchaus um Daten handelt, die typischerweise von Schulen erhoben und auch verarbeitet werden müssen. Schließlich ist zu berücksichtigten, dass es sich bei dem gegebenenfalls nach § 1 Abs. 2a Satz 2 CoronaBetrVO auszusprechenden Ausschluss von der schulischen Nutzung um eine Maßnahme handelt, die sich ausschließlich im schulischen Kontext auswirkt, sodass die in diesem Zusammenhang erhobenen und verarbeiteten personenbezogenen Daten ungeachtet ihres infektionsschutzrechtlichen Hintergrundes die erforderliche Bereichsspezifität aufweisen.
Der Verweis der Antragsteller auf Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), wonach u. a. die Verarbeitung von Gesundheitsdaten untersagt ist, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn Art. 9 Abs. 2 DSGVO enthält insoweit enumerativ aufgeführte Ausnahmeregelungen, von denen im vorliegenden Kontext insbesondere Art. 9 Abs. 2 Buchst. g und i DSGVO einschlägig sein dürften. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sowohl der Schulleiter als auch alle übrigen Lehrkräfte der Schule der Pflicht zur Verschwiegenheit unterliegen (vgl. § 37 BeamtStG, § 3 Abs. 2 TV-L).
ddd) Ferner dürfte schon kein Eingriff in das Recht der Eltern auf Erziehung und Bildung ihrer Kinder in der Schule (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 8 Abs. 1 Satz 2 LV NRW) und das entsprechende Recht ihrer Kinder (Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 8 Abs. 1 Satz 1 LV NRW) darin liegen, dass die schulische Nutzung nur bei Vorlage eines negativen Testergebnisses möglich ist. Diese Rechte begründen lediglich einen Anspruch auf Teilhabe an den vorhandenen öffentlichen Bildungseinrichtungen und -angeboten bzw. auf Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen unter zumutbaren Bedingungen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Februar 2009 – 19 B 524/08 -, juris, Rn. 24 f.
Die Bestimmung der Voraussetzungen für den Zugang zu den Schulen gehört hingegen zum staatlichen Gestaltungsbereich.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2003 – 19 B 407/03 -, juris, Rn. 15; so im Ergebnis auch Sächs. OVG, Beschluss vom 19. März 2021 – 3 B 81/21 -, juris, Rn. 57.
Aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens stellt die Durchführung eines Selbsttests eine zumutbare Voraussetzung für die Teilnahme eines Schülers am Präsenzunterricht dar. Dies dürfte auch unabhängig davon gelten, ob für Schüler, die sich nicht testen lassen, Distanzunterricht angeboten wird oder nicht. Im Übrigen findet an den Schulen derzeit ohnehin überwiegend Wechselunterricht statt,
vgl. Ministerium für Schule und Bildung NRW, Regelungen für Schulen ab dem 19. April 2021 „Wechselunterricht ab dem 19. April 2021“, abrufbar unter https://www.schulministerium.nrw/regelungen-fuer-schulen-ab-dem-19-april-2021,
mit der Folge, dass auch diejenigen Schüler, die sich nicht testen lassen, über die Distanzphasen grundsätzlich an das Unterrichtsgeschehen angebunden bleiben.
Zum rechtlichen Rahmen für Distanzunterricht bei einem durch SARS-CoV-2 verursachten Infektionsgeschehen siehe die Zweite Verordnung zur befristeten Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen gemäß § 52 SchulG vom 2. Oktober 2020 (GV. NRW. S. 975).
Aus der Begründung zur Coronabetreuungsverordnung folgt nichts anderes. Dort wird in Übereinstimmung mit den Vorgaben des nordrhein-westfälischen Schulministeriums lediglich erläutert, dass nicht getestete Schülerinnen und Schüler keinen Anspruch auf ein individuelles Angebot des Distanzunterrichts haben (vgl. § 3 Abs. 5 der vorgenannten Verordnung zum Distanzunterricht vom 2. Oktober 2020). Darüber hinaus besteht schließlich nach § 1 Abs. 2d CoronaBetrVO eine Ausnahme vom Verbot der schulischen Nutzung für nicht getestete Schülerinnen und Schüler, die es ihnen erlaubt, in Präsenz an schulischen Abschlussprüfungen und Berufsabschlussprüfungen teilzunehmen.
eee) Auch eine befürchtete Stigmatisierung von in der Schule positiv getesteten Schülern führt zu keiner anderen Einschätzung. Unabhängig von dem Gewicht dieses Belangs können sich die Antragsteller einer solchen Situation bereits dadurch entziehen, dass sie sich, wie in § 1 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 CoronaBetrVO vorgesehen, außerhalb der Schule testen lassen und den (negativen) Nachweis darüber vorlegen. Es versteht sich von selbst und bedarf keinen weiteren Ausführungen, dass das Interesse von Schülern und Lehrern, im Rahmen der schulischen Nutzung nicht mit positiv getesteten Personen in persönlichen Kontakt zu kommen und sich möglicherweise mit der Coronavirus-Krankheit-2019 anzustecken, deren Interesse, nicht stigmatisiert zu werden, überwiegt.
b) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG dürfte ebenfalls nicht vorliegen. Soweit die angegriffene Vorschrift getestete und ungetestete Schüler ungleich behandelt, besteht dafür ein sachlicher Grund, weil die Verbindung des Präsenzunterrichts mit der Vorlage eines negativen Testergebnisses zur Eindämmung der Pandemie beiträgt. Dass im Rahmen der schulischen Nutzung den daran beteiligten Personen die Testung anders als in sonstigen Bereichen (etwa Betriebe und Behörden) nicht freigestellt ist, dürfte beim gegenwärtigen Stand des Infektionsgeschehens bereits durch die besonderen Bedingungen des präsenten Schulbetriebs und die damit einhergehenden erheblichen Verbreitungsgefahren gerechtfertigt sein. Schließlich dürfte es auch nicht willkürlich sein, dass die Coronaselbsttests gemäß § 1 Abs. 2b Satz 2 CoronaBetrVO für die (gegebenenfalls auch bereits erwachsenen) Schülerinnen und Schüler in der Schule unter der Aufsicht schulischen Personals stattfinden, dies aber für die sonst in Präsenz tätigen Personen (Lehrerinnen und Lehrer, sonstiges an den Schulen tätiges Personal) nicht gilt.
B. Soweit die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach den vorstehenden Erwägungen noch nicht in Gänze beurteilt werden können und insoweit eine ergänzende Folgenabwägung vorzunehmen ist, geht diese zu Lasten der Antragsteller aus. Die von den Antragstellern dargelegte und allenfalls als geringfügig einzustufende Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität und Handlungsfreiheit sowie etwaiger weiterer grundrechtlicher Freiheitsgewährleistungen muss hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten. Angesichts der nach wie vor hohen Zahl der Neuinfektionen und der drohenden Auswirkungen einer nicht ausreichend kontrollierten Entwicklung des Infektionsgeschehens fallen die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm deutlich schwerer ins Gewicht als die Folgen ihres einstweilig weiteren Vollzugs für die Antragsteller. Die angegriffenen Regelungen sind wesentliche Bausteine der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners, die im Falle einer Außervollzugsetzung in ihrer Wirkung erkennbar reduziert würde, mit der Folge der Gefahr zusätzlicher (unentdeckter) Ansteckungen mit dem Virus und der Erkrankungen oder sogar des Todes weiterer Menschen. Sie zielen zudem darauf, zumindest teilweisen Präsenzunterricht unter Pandemiebedingungen überhaupt zu ermöglichen und damit die pandemiebedingten Einschränkungen des Schulbetriebs auch im Interesse der Schülerinnen und Schüler abzumildern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Der Antrag zielt inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).