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Corona-Schutzverordnung – Betriebsschließung Diskothek ein Mietmangel?

LG Krefeld  – Az.: 2 O 546/20 – Urteil vom 30.06.2021

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Gewerbeimmobilie B Straße 74 in B, bestehend aus der in der nachfolgenden Grundrissskizze dargestellten Gebäude- und Außenfläche, diese bestehend aus Bereich 1, insoweit im Einzelnen bestehend aus einer Tanz-/Bistrofläche, zwei WC-Anlagen, einem Lager, zwei Büroräumen, einer Außenfläche sowie einem Imbisslokal einschließlich einem Kühlraum und einem WC, sowie bestehend aus Bereich 2 und Bereich 3, insoweit im Einzelnen bestehend aus zwei Tanz-/Bistroflächen, einer WC-Anlage und einem Lager, zu räumen und an die Kläger herauszugeben.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in der Hauptsache in Höhe von 70.000,00 € und wegen der Kosten in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheit für die Hauptsachevollstreckung erhöht sich ab Januar 2022 zum 3. Werktag eines jeden Monats um 11.000,00 €.

Die Parteien sind verbunden durch zwei Mietverträge über die Gewerbeimmobilie B Straße 74 in B. Die klagenden Vermieter begehren von den Beklagten die Räumung des Mietobjekts.

Die Gewerbeimmobilie B Straße 74 in B besteht aus drei Bereichen. Mit Mietvertrag vom 24.10.2019, ergänzt durch Nachträge vom 27.02.2020 und 20./28.07.2020, vermieteten die Kläger der Beklagten zu 1) zum 01.12.2019 den Bereich 1 des Objekts zum Betrieb eines Tanzbistros und eines Imbisses. Weil der Imbiss wegen anderweitiger Belegung zum vereinbarten Zeitpunkt nicht übergeben werden konnte, war der monatliche Mietzins zunächst gemindert. Ab Juli 2020 schuldete die Beklagte einen Bruttomietzins von 5.568,00 € monatlich. Mit Mietvertrag vom 29./31.07.2019, ergänzt durch Nachträge vom 15.08.2019, 13.11.2019 und 27.02.2020, vermieteten die Kläger der Beklagten zu 1) die Bereiche 2 und 3 des Objekts zum Betrieb eines Tanzbistros. Ab Juli 2020 betrug die vereinbarte Bruttomiete 5.104,00 € monatlich. Durch die beiden Mietverträge konnte die Beklagte zu 1) die gesamte Gewerbeimmobilie B Straße 74 in B zum Betrieb eines Tanzlokals (Diskothek) nebst Imbiss nutzen. Wegen des Inhalts der Mietverträge sowie der Nachtragsvereinbarungen wird auf die mit der Klage überreichten Vertragsurkunden verwiesen.

Der Beklagte zu 2), der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ist, trat mit Schuldbeitrittsurkunde vom 24.10.2019 (Anlage K7) bzw. 15.08.2019 (Anlage K20) den Mietverträgen bei und übernahm die Haftung für die Erfüllung der Verträge und für alle sich aus der Nichterfüllung der Verträge ergebenden Ansprüche als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 2) unterzeichnete auch die jeweiligen Nachtragsverträge als persönlich Mithaftender.

Unter dem 25.09.2020, 09.12.2020, 25.02.2021 und 12.04.2021 kündigten die Kläger beide Mietverträge jeweils wegen Zahlungsverzugs. Wegen der – ohne Berücksichtigung von Minderungen und Vertragsanpassungen gemäß § 313 BGB unstreitigen – Zahlungsrückstände zu den Kündigungszeitpunkten vom 25.09.2020 und 09.12.2020 wird verwiesen auf die Klageschrift. Über die in der Klageschrift berücksichtigten Zahlungen hinaus leistete die Beklagte zu 1) am 24.09.2020 in zwei Teilbeträgen insgesamt 9.695,00 € mit dem Verwendungszweck „Abschlag Miete“. Eine weitere Zahlung in Höhe von 4.000,00 € vom 26.05.2020 diente nicht der Tilgung des laufenden Mietzinses. Von Oktober 2020 bis April 2021 leisteten die Beklagten keinerlei Zahlungen.

Ab dem 16.03.2020 war aufgrund der Einschränkungen der Corona Pandemie der Betrieb eines Tanzlokals (Diskothekenbetrieb) in dem Objekt durchgängig untersagt. Streitig ist zwischen den Parteien, inwieweit ein Imbissbetrieb möglich war bzw. gewesen wäre und inwieweit die Beklagte zu 1) die Räumlichkeiten für Livestream-Übertragungen genutzt hat bzw. hätte nutzen können.

Die Kläger behaupten: Der Mietzins sei nicht gemindert gewesen. Zwar gebe es keine ausdrückliche baurechtliche Genehmigung der Nutzung des Außenbereichs (Außenterrasse) des Objekts; solches sei in früheren Zeiten bei der Genehmigungserteilung nicht besonders beachtet worden. Die Nutzung sei aber immer zulässig gewesen und die Außenterrasse sei dementsprechend seit Jahrzehnten gastronomisch genutzt worden; eine Nutzungsuntersagung habe es seitens der Stadt B nie gegeben, auch gegenüber der Beklagten zu 1) nicht.

Es sei zwar richtig, dass die Lüftungsanlage nicht fertiggestellt worden sei, dies betreffe aber nur den Austritt der Entlüftungsleitungen durch die Dachhaut. Beeinträchtigungen im Bereich des Imbisses bzw. der Tanzflächen gebe es nicht, die verbrauchte Luft werde in den von den eigentlichen Mieträumen getrennten Speicher entlüftet. Abgesehen davon hätten sie die Lüftungsanlage fertigstellen wollen. Die Handwerker hätten zu diesem Zwecke mehrfach versucht, telefonischen Kontakt zur Beklagten zu 1) aufzunehmen, die sich aber nicht zurückgemeldet habe.

Die Kläger beantragen, die Gewerbeimmobilie B Straße 74 in B, bestehend aus der in der im Tenor wiedergegebenen Grundrissskizze dargestellten Gebäude- und Außenfläche, diese bestehend aus Bereich 1, insoweit im Einzelnen bestehend aus einer Tanz-/Bistrofläche, zwei WC-Anlagen, einem Lager, zwei Büroräumen, einer Außenfläche sowie einem Imbisslokal einschließlich einem Kühlraum und einem WC, sowie bestehend aus Bereich 2 und Bereich 3, insoweit im Einzelnen bestehend aus zwei Tanz-/Bistroflächen, einer WC-Anlage und einem Lager, zu räumen und an die Kläger herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten: Aufgrund der Corona-bedingten Untersagung des Diskothekenbetriebs habe die Beklagte zu 1) versucht, den Außenbereich gastronomisch zu nutzen. Dies sei ihr von der Stadt B am 25.09.2020 wegen fehlender Baugenehmigung untersagt worden; sie sei aufgefordert worden, die Nutzung sofort zu unterlassen.

Nach den gesetzlichen Vorgaben (§ 17 Abs. 2 Versammlungsstättenverordnung NRW) müsse der Bereich 1 mit seiner Gesamtfläche von 430 m² zwingend mittels einer Lüftungsanlage entlüftet werden. Der Defekt der Lüftungsanlage hätte auch unabhängig von der Corona Pandemie den Geschäftsbetrieb unterbunden. Zwar könne wegen des pandemiebedingten Nichtbetriebs zu konkreten Gebrauchsbeeinträchtigungen nichts vorgetragen werden, allerdings werde der Betrieb eines Tanzbistros ohne Lüftungsanlage insoweit in Mitleidenschaft gezogen, als dass ein erträgliches Raumklima (auch unter dem Gesichtspunkt der Alkoholkonzentration in der Luft) nicht gewährleistet werden könne. Dies betreffe Luftfeuchtigkeit, Lufttemperatur, Schadstoffbelastung und Sauerstoffkonzentration.

Die Beklagte zu 1) habe wegen der Corona-bedingten Schließung des Tanzbetriebes in den Bereichen 2 und 3 keinerlei Umsatz mehr erzielen können, im Bereich 1 lediglich geringe Umsätze aus dem aufrechterhaltenen Imbissbetrieb. Diese hätten durchschnittlich 1600 € im Monat betragen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Corona-Schutzverordnung - Betriebsschließung Diskothek ein Mietmangel?
(Symbolfoto: Von LightField Studios/Shutterstock.com)

Den Klägern steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner der eingeklagte Räumungsanspruch gemäß § 546 Abs. 1 BGB zu. Die Kläger haben die beiden Mietverträge der Parteien über das Objekt B Straße 74 in B spätestens durch die fristlose Kündigung vom 12.04.2021 mit sofortiger Wirkung beendet. Den Räumungsanspruch hat wegen seines Schuldbeitritts auch der Beklagte zu 2) zu erfüllen.

1.

Die Kläger konnten die Mietverträge wegen Zahlungsverzugs gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a Alt. 2 BGB kündigen. Spätestens zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung vom 12.04.2021 befand sich die Beklagte zu 1) für zwei aufeinanderfolgende Termine mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete in Verzug. Nicht unerheblich ist der Rückstand im Sinne dieser Bestimmung dann, wenn er eine Monatsmiete plus einen Cent übersteigt. Ein solcher Rückstand bestand, da die Beklagten ab Oktober 2020, also auch in den Monaten März und April 2021 keinerlei Mietzahlungen geleistet haben.

2.

An der Erfüllung des genannten Kündigungstatbestandes ändert eine eventuelle Minderung der Miete wegen Mangelhaftigkeit des Mietobjekts nichts. Als Mangel kommen hierbei die pandemiebedingte Nichtnutzbarkeit des Gesamtobjekts, das angebliche Nutzungsverbot für die Außenterrasse des Bereichs 1 sowie die fehlende Fertigstellung der Lüftungsanlage in Bereich 1 in Betracht. In Bezug auf die beiden letzteren Mängel kann, ohne dass es einen Unterschied im Ergebnis machen würde, zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die ausschließlich für den Bereich 1 vorgebrachten Mängel sich auch auf die Nutzbarkeit der Bereiche 2 und 3 auswirkten, weil beide Verträge entgegen der formellen Trennung wegen der einheitlichen Nutzung ggf. einen einheitlichen Mietvertrag bildeten.

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a.

Ein Minderungsrecht wegen der pandemiebedingten Betriebsschließung – die unstreitig und gerichtsbekannt auch noch im März und April 2021 durch die Corona-Schutzverordnung NRW angeordnet war – steht den Beklagten nicht zu (s. zum Ganzen auch Streyl in Schmidt, Covid-19, 3. Aufl., § 3 Rn. 57ff.).

Ein Mangel der Mietsache liegt dann vor, wenn deren „Ist-Beschaffenheit“ von der „Soll-Beschaffenheit“ abweicht. Es sind allein die Vertragsparteien, die durch die Festlegung des dem Mieter jeweils geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauchs bestimmen, welchen Soll-Zustand die vermietete Sache aufweisen muss. Ist keine ausdrückliche Regelung zum Soll-Zustand getroffen, muss anhand der üblichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. was der Mieter aufgrund des Vertrages vom Vermieter verlangen kann (vgl. BGH NJW 2014, 685 m.w.N.). Zu dem vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus auch die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen, also auch Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen; um eine Ausuferung des Fehlerbegriffs zu vermeiden, führen solche außerhalb der Mietsache selbst liegenden Umstände allerdings nur dann zu einem Mangel der Mietsache, wenn sie deren Gebrauchstauglichkeit unmittelbar beeinträchtigen; bloß mittelbar wirkende Umstände sind kein Mangel (vgl. BGH NZM 2013, 52 m.w.N.).

Die körperliche Beschaffenheit des streitgegenständlichen Mietobjekts ist durch die Corona-bedingten Betriebsuntersagungen nicht einmal vorübergehend gestört gewesen; die Gebäudlichkeiten waren – wie vor der Pandemie – prinzipiell zum Betrieb eines Tanzlokals (Diskothek) mit Imbiss geeignet. Auch ist es den Klägern als Vermieter weder tatsächlich noch rechtlich verwehrt gewesen, der Beklagten als Mieterin die Mietsache zu überlassen bzw. zu belassen. Der Beklagten zu 1) war es allerdings öffentlich-rechtlich auf Grund der landesrechtlichen Corona-Schutzverordnung untersagt, die Räumlichkeiten dem vertraglichen Zweck entsprechend als Tanzlokal (Diskothek) zu nutzen. Das ist eine Störung des Vertragszwecks, die nur dann einen Mangel darstellt, wenn die Verwirklichung des Vertragszwecks – jedenfalls soweit es die hier in Rede stehende pandemiebedingte Betriebsuntersagung betrifft – zum Leistungserfolg des Vermieters gehört. Das ist nicht der Fall, die pandemiebedingte Betriebsuntersagung gehört vielmehr zu dem gem. § 537 BGB dem Mieter zugewiesenen Verwendungsrisiko.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zur Mangelhaftigkeit eines Mietobjekts (vgl. nur BGH NJW 2011, 3151 Rn. 8; BGH 1981, 2405) gefährden öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Mietobjekts entgegenstehen, den vom Vermieter geschuldeten Leistungserfolg nur dann, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Pächters ihre Ursache haben; Letzteres betrifft ausschließlich das Verwendungsrisiko des Mieters. Ein Teil der Literatur (vgl. Harke in: BeckOGK, Stand 01.04.2021, § 537 Rn. 9ff.; Gerlach/Manzke ZMR 2020, 552) weist in Präzisierung dieser Rechtsprechung das Mietzinsrisiko sowohl für individuelle als auch für allgemeine Nutzungshindernisses dem Mieter zu, der Vermieter habe lediglich das Mietzinsrisiko für sachbezogene Hindernisse zu tragen. Ein anderer Teil der Literatur (Lehmann-Richter in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl., § 537 Rn. 26; im Ergebnis ebenso Sentek/Ludley NZM 2020, 406 und wohl auch Leo/Götz NZM 2020, 403) möchte insbesondere das Risiko für allgemeine Hindernisse anders verteilen und verneint ein persönliches Hindernis des Mieters i.S.v. § 537 BGB, wenn die konkret vereinbarte Nutzung – wie vorliegend – für jedermann unmöglich ist.

Die unterschiedlichen Ansätze beruhen auf einer unterschiedlichen Bestimmung des vom Vermieter geschuldeten Leistungserfolgs. Dessen Bestimmung ist deshalb essentiell. Es handelt sich eine Frage der Vertragsauslegung. Sind konkrete Absprachen hierzu nicht vorhanden, kommt es maßgeblich darauf an, was für die Vermieterleistung vertragstypisch ist.

Der Vermieter will und soll dem Mieter die beabsichtigte Nutzung ermöglichen. Bei der Gewerbemiete bedeutet das i. d. R. die Möglichkeit, dort einen Geschäftsbetrieb zu führen. Der Vermieter schuldet aber nicht die Überlassung des Betriebs selbst, sondern nur die Überlassung der dazu notwendigen Räume. (Gewerberaum-) Miete ist ein Rechtsgeschäft, das eine körperliche Sache als Vertragsgegenstand hat, nicht eine Gesamtheit von materiellen und immateriellen Sachen. Das hat auch Auswirkungen auf Rechtshindernisse wie die hier in Rede stehenden Betriebsuntersagungen. Nur rechtliche Umstände, die die körperliche Beschaffenheit der Mietsache betreffen oder Einfluss auf sie haben, gehören zum Leistungserfolg des Vermieters.

Soweit die Parteien einen Nutzungszweck vereinbaren, verspricht der Vermieter nicht die Verwirklichung dieses Zwecks. Aus seiner Sicht hat eine Nutzungszweckvereinbarung vielmehr zunächst beschränkende Funktion dahingehend, dass der Mieter die Mietsache ausschließlich im Rahmen dieses Zwecks nutzen darf. Er verspricht weitergehend nur, das Seine zur Verwirklichung des Nutzungszwecks beizutragen. Dieser Beitrag beschränkt sich aber darin, eine hierfür körperlich geeignete Sache zur Verfügung zu stellen. Alles andere betrifft eine erfolgreiche Nutzung des Mieters und damit sein Verwendungsrisiko.

Das vorliegende Verbot von Tanzveranstaltungen fällt deshalb in das Verwendungsrisiko der Beklagten, weil hierfür die baulichen Gegebenheiten des Mietobjekts unerheblich sind, es vielmehr allein auf die Art der Nutzung und den dort stattfindenden Publikumsverkehr ankommt. Daran ändert sich nicht deshalb etwas, weil die Betriebsuntersagung voraussetzt, dass das Mietobjekt in einem von der Corona-Schutzverordnung liegenden Gebiet liegt. Auch wenn damit eine gewisse Lageabhängigkeit gegeben und insofern auch die Beschaffenheit des Objekts betroffen ist, steht wertungsmäßig doch die Anknüpfung an die Art der Betriebsführung (mit Publikumsverkehr) im Vordergrund.

Ähnlich hat es der BGH für die Einschränkungen ausgeurteilt, die mit dem Erlass der Nichtraucherschutzgesetze für Gaststätten- und Restaurantbetreiber verbunden waren (vgl. BGH NJW 2011, 3151). Beide Sachlagen sind vergleichbar (so auch Sittner NJW 2020, 1171; dagegen Säcker/Schubert BB 2020, 2567; Hellner NJOZ 2020, 771). Ein Betriebsverbot mag zwar erheblich weiter gehen als die mit den Nichtraucherschutzgesetzen verbundenen Einschränkungen; das öffentliche Recht setzt in beiden Fällen gleichermaßen aber nicht beim Mietobjekt und dessen Gegebenheiten an.

Soweit das Reichsgericht (so etwa RGZ 94, 268; RGZ 89, 203) für kriegsbedingte Betriebsverbote eine Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung – die nach Überlassung einen Mangel darstellt, denn nach Überlassung wird das allgemeine Leistungstörungsrecht durch das mietrechtliche Gewährleistungsrecht verdrängt – angenommen hatte, weil der Vertragszweck nicht zu erreichen war, so entspricht dies zunächst nicht mehr der dargestellten Auffassung des BGH. Zu erklären ist diese Rechtsprechung des Reichsgerichts wohl vor allem damit, dass das Risiko kriegsbedingter Wirtschaftseinschränkungen nicht allein dem Mieter als persönliches Hindernis zugewiesen werden sollte. Das rechtfertigt es aber nicht, das Verwendungsrisiko unter Außerachtlassung des im Wege der Auslegung ermittelten, vom Vermieter geschuldeten Leistungserfolgs vollständig auf diesen zu verlagern.

Eine andere Frage ist es, ob die gewährleistungrechtliche Risikoverteilung, die nach den vorstehenden Darlegungen in den Fällen der Betriebsuntersagung den Mieter trifft (zu Ausnahmen Streyl in Schmidt, Covid-19, 3. Aufl., § 3 Rn. 73), angemessen ist oder ob ein angemessener Ausgleich nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu machen ist; dieses Ausgleichsinstrument stand dem Reichsgericht jedenfalls bei den genannten Entscheidungen nicht zur Verfügung, es ist erst auf Grund der Arbeiten von Oertmann zur Geschäftsgrundlage aus dem Jahr 1921 entwickelt worden (vgl. Finkenauer in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 313 Rn. 23; RGZ 103, 328). Auch aus diesem Grund ist die Rechtsprechung des RG heute nicht mehr tragfähig.

b.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Außenterrasse des Bereichs 1 bauordnungsrechtlich nicht genehmigt war und die Stadt B am 24.09.2020 jeglichen Gastronomiebetrieb auf dieser Terrasse mit sofortiger Wirkung untersagt hat, führt dies im Ansatz nur zu einer geringen Minderung, da eine solche Außenterrasse für den Betrieb eines Tanzlokals von eher untergeordneter Bedeutung ist, dies zumal im Winter bzw. im Frühjahr. Allenfalls kann man zu Gunsten der Beklagten die Minderungsquote anhand des Anteils der Außenterrasse an der Gesamtfläche bestimmen. Diese beträgt 20 % der Mietfläche des Bereichs 1 bzw. 10 % der Gesamtfläche des Objekts. Damit wäre die Miete aus dem Vertrag über Bereich 1 höchstens um 20 % gemindert, die Gesamtmiete aus beiden Verträgen zu höchstens 10%.

c.

Wegen der unstreitig fehlenden Fertigstellung der Lüftungsanlage im Bereich 1 war die Miete nicht gemindert. Denn die Beklagten haben zu konkreten Gebrauchsbeeinträchtigungen nichts vorgetragen. Ohne Gebrauchsbeeinträchtigung besteht ein Minderungsrecht nicht.

Soweit die Beklagten sich darauf berufen, dass durch eine fehlende Lüftungsanlage (Blatt 6 ihres Schriftsatzes vom 02.06.2021: „ohne Lüftungsanlage“) ein erträgliches Raumklima hinsichtlich Luftfeuchtigkeit, Lufttemperatur, Schadstoffbelastung und Sauerstoffkonzentration nicht eintreten könne, kann dies zu ihren Gunsten unterstellt werden, ist aber letztlich unbehilflich, da ein Fall des vollständigen Fehlens einer Lüftungsanlage nicht vorliegt. Die Kläger haben ohne substantiierten Gegenvortrag der Beklagten behauptet, die Lüftungsanlage sei fertiggestellt und betriebsbereit gewesen, sie habe lediglich statt in die Außenluft in den Speicher entlüftet, weil der Durchstich durch die Dachhaut noch nicht durchgeführt worden sei. In Anbetracht dessen hätte es den Beklagten obliegen, konkret dazu vorzutragen, inwieweit die Entlüftung in den Speicherbereich, der nach ebenfalls unbestrittenen Vorbringen der Kläger von dem eigentlichen Mietbereich abgetrennt ist, zu Gebrauchsbeeinträchtigungen oder sonstigen Nachteilen führen kann.

Letztlich kann aber auch bezüglich dieses Mangels zugunsten der Beklagten eine Minderung von 20 % oder gar 30 % auf die Gesamtmiete für alle Bereiche unterstellt werden, ohne dass sich etwas an der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung ändert.

d.

Im Fall der Minderung ist für die Bestimmung des kündigungsrelevanten Rückstands auf die vereinbarte und nicht auf die geminderte Miete abzustellen (vgl. BGH NZM 2018, 28 Rn. 19; Schwab NZM 2019, 37). Das entspricht nach den Angaben zur vereinbarten Miete in der Klageschrift einem Gesamtmietzins für alle Bereiche von 5.568,00 € + 5.104,00 € = 10.676,00 €. Ein kündigungsrelevanter Mietrückstand im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a Alt. 2 BGB entsteht damit bei einem Betrag von 10.676,01 €. Wenn man nach den vorstehenden Darlegungen ein Minderungsrecht von 10 % wegen der fehlenden Gebrauchsmöglichkeit der Außenterrasse unterstellt, schuldeten sie eine monatliche Gesamtmiete von 9.608,40 €, insgesamt für die Monate März und April 2021 also 19.216,80 €. Das übersteigt den für eine Kündigung erforderlichen Rückstand um gut 9.000,00 €.

Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten von einer Minderung von 40 % unterstellt (weil man der fehlerhaften Lüftung entgegen den vorstehenden Darlegungen eine Gebrauchsbeeinträchtigung zuschreibt und hierfür eine zusätzliche Minderung von 30 % ansetzt), ändert sich nichts. In diesem Fall würden die Beklagten nämlich eine monatliche Miete von 6405,60 € schulden, insgesamt für die Monate März und April 2021 also 12.811,20 €. Das übersteigt den für eine Kündigung erforderlichen Rückstand immer noch um gut 2.000,00 €.

3.

Zusätzlich zur Minderung war die Mietzahlungspflicht der Beklagten im genannten Zeitraum nicht weitergehend durch ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 320 BGB eingeschränkt. Ein Mieter ist im Fall der Mangelhaftigkeit grundsätzlich berechtigt, gemäß § 320 BGB neben der Minderung einen Teil der Miete zurückzuhalten (vgl. BGH NJW 2015, 3087). Doch haben die Beklagten diese Einrede nicht, wie notwendig, spätestens im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht. Zwar brauchten sie die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht ausdrücklich zu erheben; erforderlich wäre aber gewesen, dass der Wille, die eigene Leistung im Hinblick auf das Ausbleiben der Gegenleistung zurückzuhalten, eindeutig erkennbar ist (vgl. BGH NJW 2008, 2254). Daran fehlt es hier. Denn die Beklagten berufen sich ausschließlich darauf, dass die eingeklagte Mietforderung wegen der Lüftungsanlage und der Nutzungsuntersagung für die Außenterrasse gemindert bzw. pandemiebedingt nicht geschuldet ist (s. den ähnlichen Fall in BGH NJW 2008, 2254). Der Einredecharakter des § 320 BGB macht es aber notwendig, jedenfalls hilfsweise das Bestehen einer Forderung zu unterstellen, an der das Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann.

Abgesehen davon unterliegt das Zurückbehaltungsrecht einer zeitlichen und betragsmäßigen Begrenzung, wobei für die konkrete Grenzziehung die Umstände des jeweiligen Einzelfalles unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben maßgeblich sind (vgl. BGH NJW 2015, 3087). Die Obergrenze des Zurückbehaltungsrechts liegt bei drei, maximal vier ungeminderten Monatsmieten (vgl. BGH NJW 2015 3087; Hinz ZMR 2016. 264; Beyer, jurisPR- Mietrecht 15/2019 Anmerkung 4). Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, sie dürften einen Betrag in Höhe von drei ungeminderten Monatsmieten zurückhalten, also ca. 30.000,00 €, so wäre das Zurückbehaltungsrecht im hier für die Entstehung des Kündigungsrecht relevanten Monat März 2021 aufgebraucht gewesen, denn nach den unstreitigen Ausführungen der Klägerin in der Klageschrift bestand bis einschließlich Dezember 2020 ein Zahlungsrückstand von 30.762,00 € abzüglich einer nicht in der Klageschrift berücksichtigten Zahlung von 9.695,00 €. Für Januar und Februar kamen noch Rückstände von zweimal 10.676,00 € hinzu. Insgesamt betrug der Rückstand in Bezug auf die ungeminderte Miete also 42.419,00 €. Auch nach Berücksichtigung einer zehnprozentigen Minderung für die Außenterrasse hätten die Beklagten demnach deutlich mehr als die höchstzulässigen 30.000,00 € zurückgehalten, wodurch eine weitere Zurückhaltung in den Monaten März und April ausscheidet.

4.

Schließlich änderte sich an der Wirksamkeit der Kündigung auch dann nichts, wenn die Beklagte zu 1) sich erfolgreich auf eine Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB in Form der Herabsetzung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage aufgrund der durch die Corona Pandemie bedingten Betriebsschließung berufen könnte.

a.

Eine Herabsetzung der Miete gem. § 313 BGB hat schon deshalb keine Auswirkungen auf das Kündigungsrecht der Kläger, weil die Beklagten dies nicht unverzüglich nach Ausspruch der Kündigung verlangt haben.

Gemäß § 313 Abs. 1 BGB besteht im Fall einer Störung der Geschäftsgrundlage lediglich ein Anpassungsanspruch. Solange die Beklagte zu 1) als Mieterin diesen Anpassungsanspruch nicht geltend macht, ist die Miete in voller Höhe fällig; wegen der kalendermäßigen Fälligkeit trat mit Fälligkeit auch Verzug ein.

Zwar kann der Anpassungsanspruch auch einredeweise geltend gemacht werden (vgl. dazu BGH NJW 2010,1663) und es wird hinsichtlich der Verjährungseinrede vielfach vertreten, dass bereits deren Bestehen den Verzug entfallen lässt (offen lassend jedoch BGH BJW 1988, 1778). Die Einrede gem. §. § 313 BGB auch dem Umfang nach davon ab, inwieweit der Mieter als Schuldner sie geltend macht. Es wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht vereinbar, wenn der Vermieter bei Ausspruch der Kündigung über das Bestehen des Kündigungsrechts keine Klarheit hätte.

Diese Klarheit besteht zwar auch in anderen Fällen nicht ausnahmslos. Wo dem Vermieter allerdings zugemutet wird, dass eine eigentlich wirksame Kündigung nachträglich unwirksam wird, ist dies an enge Voraussetzungen gebunden. Soweit der Mieter rückwirkend auf den kündigungsrelevanten Mietrückstand einwirken kann, hat er dies unverzüglich nach Kündigungsausspruch zu tun, wie der Fall der Aufrechnung zeigt (§ 543 Abs. 2 S. 3 BGB). Die Schonfristzahlung gem. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB hat hingegen keine Rückwirkung; die Regelung gilt im Übrigen nur für die Wohnraummiete. Wenn § 543 Abs. 2 S. 3 BGB die rückwirkende Kraft einer Aufrechnung beschränkt, so muss dies erst Recht für das Anpassungsrecht gemäß § 313 BGB gelten. Das Bedürfnis des Vermieters, zeitnah Rechtssicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung zu erlangen, spricht für eine Gleichbehandlung. Der Mieter kann (und muss) deshalb dem Mietanspruch und damit der Kündigung das Vertragsanpassungsrecht nach dem Rechtsgedanken des § 543 Abs. 2 S. 3 BGB unverzüglich nach Ausspruch der Kündigung entgegenhalten, indem er sich auf ein bestimmtes Anpassungsrecht beruft (vgl. Streyl in Schmidt, Covid-19, 3. Aufl., § 3 Rn. 100a).

b.

Selbst wenn die Beklagte zu 1) sich aber in diesem Sinne unverzüglich auf ein Anpassungsrecht gemäß § 313 BGB berufen hätte, würde ihr das im Ergebnis nicht weiterhelfen. Denn in diesem Falle wäre für die Bemessung des kündigungsrelevanten Rückstands nicht auf die vereinbarte Miete abzustellen, sondern auf die angepasste Miete, die dann quasi die vereinbarte Miete wäre. Anders als bei einer Mietminderung, bei der die Abweichung des tatsächlich Geschuldeten vom vertraglich Vereinbarten nicht auf einem rechtmäßigen Handeln des Vermieters beruht, stellt eine Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB nämlich eine rechtmäßige Änderung der Miethöhe dar und ist somit dem Fall einer Mieterhöhung gemäß § 558 BGB bzw. Mietsenkung gemäß § 560 BGB (wegen verringerter Betriebskosten) vergleichbar. In letzteren Fällen kommt es auf die tatsächlich geschuldete und nicht auf die vereinbarte Miete an (vgl. AG Lübeck NZM 2017, 477; LG Osnabrück WuM 1988, 286 und – eingehend – Schwab, Festschrift Börstinghaus 2020, S. 379).

Wenn man also den kündigungsrelevanten Rückstand nach der angepassten Miete bestimmen und zugunsten der Beklagten ein höchstmögliches Anpassungsrecht gem. § 313 BGB von 50 % unterstellen würde, so wäre ein kündigungsrelevanter Rückstand bei 10.676,00 € – 50 % = 5.338,00 € + 1 Cent entstanden. Selbst eine Minderung von 40 % im März und April 2021 hätte aber immer noch eine Zahlungspflicht von 6.405,60 € bedeutet.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 7, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 96.048,00 EUR festgesetzt.

 

 

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