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Coronabedingte Hotel-Stornierung – Kostenteilung Buchungskosten

OLG Köln – Az.: 1 U 9/21 – Urteil vom 14.05.2021

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. Oktober 2020 – 86 O 21/20 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.230,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Juni 2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und zweiter Instanz tragen die Klägerin 84% und die Beklagte 16%.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

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Gründe:

I.

1. Die Klägerin ist die deutsche Vertriebsgesellschaft eines taiwanesischen Fitness Konzerns. Die Beklagte führt einen Hotelbetrieb. Anlässlich der im April 2020 geplanten Messe A in B bat die Klägerin die Beklagte am 11. April 2019 um ein Angebot für eine Gruppenreservierung in einem ihrer B Hotels. Sie wünschte sich bessere Stornierungskonditionen als bei einem anderen Hotel. Nach längerem E-Mail-Verkehr bestätigte die Beklagte der Klägerin am 11. Oktober 2019 folgende Stornierungsbedingungen:

„Wie soeben telefonisch besprochen habe ich nochmal Rücksprache gehalten bezüglich einer Stornostaffel. Ich konnte ausnahmsweise für Ihre Gruppe noch eine Staffel für 3 Zimmer pro Nacht bis 02.03.2020 einbauen. Anbei der angepasste Vertrag.“

Die Klägerin reservierte hierauf für den Zeitraum vom 1. April bis 3. April 2020 jeweils 15 Komfort-Doppelzimmer zum Preis von EUR 447,00 je Zimmer und Nacht einschließlich Frühstück sowie eine Komfort-Suite zum Preis von EUR 683,00 je Nacht einschließlich Frühstück für die Zeit vom 1. April bis 4. April 2020. Die Zimmer waren für Mitarbeiter des Konzerns aus Taiwan bestimmt, die an der A teilnehmen wollten. Nach der getroffenen Vereinbarung konnten alle Zimmer kostenfrei bis zum 2. Januar 2020 storniert werden. Bis zu drei Zimmer konnten bis zum 2. März 2020 frei storniert werden. Spätere Stornierungen lösten eine Service-Gebühr in Höhe von 90% des ursprünglichen Zimmerpreises aus. Für die weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlagen verwiesen. Auf Anforderung der Beklagten leistete die Klägerin eine Vorauszahlung in Höhe von EUR 22.847,00. Dies entsprach dem vollen Preis.

Ende Februar 2020 wurde die Messe A wegen der sich weltweit ausbreitenden Pandemie SARS-CoV-2 abgesagt. Die Klägerin stornierte am 2. März 2020 alle bei der Beklagten gebuchten Zimmer. Mitte März 2020 gab die EU-Kommission eine Empfehlung an die EU-Länder, eine Einreise aus Drittländern für 30 Tage zu beschränken. Mit Wirkung ab 19. März 2020 verbot die Stadt B den Betrieb von Hotels oder sonstigen Beherbergungsstätten. Kurz darauf erließ das Land Nordrhein-Westfalen die CoronaSchVO. Nach § 8 der VO durften Hotels keine Touristen mehr beherbergen. Das Verbot der Stadt B wurde Anfang April wieder aufgehoben, wobei der genaue Zeitpunkt streitig ist. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Rückerstattung der geleisteten Vorauszahlung in voller Höhe. Die Beklagte verweigerte dies. Sie bot der Klägerin an, statt der vorgesehenen Rückerstattung von 10%, den vollen Betrag einzubehalten und ihr für die Reservierung des Ausweichtermins der A im Oktober 2020 einen Rabatt in Höhe von 20% zu gewähren. Dies lehnte die Klägerin ab. Am 25. Mai 2020 überwies die Beklagte der Klägerin von der geleisteten Vorauszahlung in Höhe von EUR 22.847,00 in Anwendung der vereinbarten Stornierungsbedingungen einen Betrag in Höhe von EUR 9.193,10 zurück.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung der restlichen Vorauszahlung. Sie hat behauptet, es gebe eine Verknüpfung zwischen der Höhe der Hotelzimmerpreise der Beklagten und der Messe. Dies habe die Beklagte zum einen mit ihren Buchungsbedingungen und zum anderen mit ihrer Ermäßigung des Zimmerpreises nach Absage der Messe gezeigt. Mit der Absage der Messe sei daher der Grund für den hohen Preis der Stornierungsgebühr weggefallen. Unabhängig davon sei der Beklagten wegen der verschiedenen Betriebsuntersagungen eine Vermietung nicht möglich gewesen. Die taiwanesischen Mitarbeiter der Klägerin hätten deswegen nicht im Hotel der Beklagten übernachten dürfen. Die Allgemeinverfügung der Stadt B sei erst mit Wirkung zum 4. April 2020 aufgehoben worden. Zudem wäre die Reise nicht mehr geschäftlich, sondern lediglich zu touristischen Zwecken erfolgt. Sie sei daher von der Stornozahlung befreit. Zudem blieben der Beklagten bei einer Stornierung mehr Aufwendungen als 10% des Buchungspreises erspart. Die Gebühr sei daher unangemessen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von EUR 13.653,90 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die zwischen den Parteien vereinbarten Hotelpreise entsprächen den üblichen Marktpreisen zu Zeiten hoher Auslastung des Hotels. Die Durchführung der Messe sei nicht Gegenstand des Beherbergungsvertrages gewesen. Die Regelung zur Stornierungsmöglichkeit sei überdies nicht unangemessen. Sie sei auch bei anderen Hotels üblich. Ferner handele es sich um eine individuelle Vereinbarung zwischen den Parteien. Eine Beherbergung der Mitarbeiter der Klägerin sei zudem möglich gewesen. Die Allgemeinverfügung der Stadt sei bereits mit Wirkung zum 1. April 2020 aufgehoben worden. Bei der Reise der Klägerin handele es sich auch nicht um eine solche zu touristischen Zwecken. Die Stornierung der Klägerin sei allein aufgrund der Absage der Messe erfolgt.

2. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Erstattung der restlichen Vorauszahlung stehe der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die Klägerin sei nicht wegen Unmöglichkeit der Leistung von ihrer Pflicht zur Gegenleistung frei geworden. Es könne dahinstehen, ob der Beklagten die Erbringung der Leistung in dem von der Klägerin gebuchten Zeitraum infolge der verschiedenen Betriebsuntersagungen unmöglich gewesen sei. Denn als diese Mitte März 2020 in Kraft traten, habe die Klägerin die Zimmer bei der Beklagten bereits storniert gehabt. Im Zeitpunkt der Stornierung am 2. März 2020 habe es jedoch keine Untersagungen für den Hotelbetrieb der Beklagten gegeben. Auf spätere Ereignisse, die sich auf die Leistungspflicht der Beklagten auswirken könnten, komme es daher nicht mehr an. Die Leistung sei der Beklagten am 2. März 2020 auch nicht wegen der Absage der Messe unmöglich gewesen. Die Durchführung der Messe habe nicht zur Leistungspflicht der Beklagten gehört. Ein Anspruch der Klägerin auf vollständige Rückzahlung folge auch nicht aus Rücktritt. Die Vereinbarung der Stornierungsgebühr von 90% der Vorauszahlung sei nicht unwirksam. Die Klausel sei keine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern eine Individualabrede. Sie sei nicht von der Beklagten gestellt, sondern zwischen den Parteien ausgehandelt worden. Ein darüber hinaus bestehendes Rücktrittsrecht der Klägerin ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage. Es könne offenbleiben, ob die Durchführung der Messe Geschäftsgrundlage gewesen sei. Die Absage der Messe falle entsprechend § 537 BGB allein in den Risikobereich der Klägerin. Eine andere Beurteilung sei auch nicht wegen des besonderen Umstands geboten, dass die Messe wegen der sich ausbreitenden Pandemie abgesagt wurde. Im Zeitpunkt der Stornierung sei für die Klägerin nicht absehbar gewesen, dass dies auch Auswirkungen auf den Beherbergungsvertrag haben würde. Die Stornierung sei einzig aus dem Grund erfolgt, dass die Messe abgesagt wurde. Nachträglich eintretende Umstände seien indes unbeachtlich.

3. Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, ihr stehe ein Rückzahlungsanspruch wegen Unmöglichkeit der Leistungserbringung beziehungsweise wegen Störung der Geschäftsgrundlage zu. Schon die Absage der Messe habe dazu geführt, dass der Beklagten die Leistungserbringung unmöglich geworden sei. Die Durchführung der Messe sei Vertragsinhalt jedenfalls aber Geschäftsgrundlage geworden und nicht lediglich unbeachtliches Motiv der Klägerin geblieben. Der Beklagten sei nicht nur ausdrücklich mitgeteilt worden, dass die Anmietung aus Anlass der Messe erfolge; diese habe ihrerseits spezielle AGB für Messezeiten verwendet und ihre Preise danach kalkuliert. Spätestens aber sei Unmöglichkeit eingetreten mit den behördlich angeordneten Beherbergungsverboten. Die Allgemeinverfügung der Stadt B vom 19. März 2020, die jeglichen Hotelbetrieb untersage, sei erst zum 4. April 2020 wieder aufgehoben worden. Zudem seien nach § 8 der zum Vertragszeitpunkt geltenden Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-COV-2 (CoronaSchVO) des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2020 Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken untersagt gewesen. Lediglich um solche aber hätte es sich für die Klägerin zum Vertragszeitpunkt noch handeln können, nachdem mit der Absage der A der geschäftliche Zweck für die Reise entfallen sei. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass der Vertrag zum Zeitpunkt des Erlasses der Beherbergungsverbote bereits storniert gewesen sei, weil der Beklagten eine Weitervermietung nicht mehr möglich gewesen sei und deshalb auch kein Anspruch auf die Stornogebühr bestehen könne. Die Beklagte sei schließlich auch nicht vertraglich berechtigt, nach der Stornierung 90% des Preises einzubehalten. Bei der entsprechenden Klausel handele es sich um eine unzulässige Allgemeine Geschäftsbedingung. Eine Individualabrede sei lediglich über die Stornostaffel nicht aber über die Höhe der Gebühr erfolgt, die den üblichen Regelungen der Beklagten entspreche. Eine Stornogebühr von 90% aber benachteilige die Klägerin unangemessen, weil diese auch anfalle, wenn der Beklagten eine Vermietung untersagt sei. Die Beklagte hätte die stornierte Leistung im Streitfall auch nicht erbringen können. Es sei unangemessen, wenn sie gleichwohl eine Stornogebühr verlangen könne. Die Stornogebühr solle der Beklagten den Ausfall ersetzen, der entstehe, wenn sie aufgrund kurzfristiger Stornierung nicht oder nur zu schlechteren Konditionen neu vermieten könne. Für sie sei kein Raum, wenn eine Vermietung rechtlich oder tatsächlich unmöglich sei. Jedenfalls aber sei es nach Absage der Messe A nicht mehr gerechtfertigt, für die Berechnung der Stornogebühr die vereinbarten messebedingt besonders hohen Zimmerkosten zugrunde zu legen. Allenfalls lasse sich auf die nach Absage der Messe deutlich gesunkenen Zimmerpreise abstellen, die das Landgericht hätte schätzen müssen. Zumindest aber müsse sich die Beklagte ersparte Aufwendungen anrechnen lassen, die höher als 10% des Buchungspreises lägen. Dies ergebe sich schon mit Blick auf ersparte Reinigungs- und Wäschekosten.

Coronabedingte Hotel-Stornierung - Kostenteilung Buchungskosten
(Symbolfoto: Von David Tadevosian/Shutterstock.com)

Die Klägerin beantragt, die Beklagte und Berufungsbeklagte unter Abänderung des am 29. Oktober 2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az. 86 O 21/20, zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von EUR 13.653,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, der von der Klägerin verfolgte Anspruch ergebe sich weder aus Unmöglichkeit noch aus Störung der Geschäftsgrundlage. Die Messe A sei kein Vertragsbestandteil des Beherbergungsvertrages zwischen den Parteien geworden, so dass deren Absage nicht zur Unmöglichkeit der Leistungserbringung durch die Beklagte geführt habe. Soweit Ende März behördliche Beherbergungsverbote ergangen seien, sei dies ohne Bedeutung, weil das Vertragsverhältnis zu diesem Zeitpunkt durch die vorherige Stornierung bereits beendet gewesen sei. Es habe für die Mitarbeiter der Klägerin ohnehin kein Beherbergungsverbot bestanden, da dieses nur Beherbergungen zu touristischen Zwecken erfasst habe, während die Buchung der Klägerin allein zu geschäftlichen Zwecken erfolgt sei. Nur weil der mit der Geschäftsreise verfolgte Zweck weggefallen sei, werde diese nicht zu einer privaten Reise, zumal die Klägerin neben der Messeteilnahme auch ein „Sales-Meeting“ geplant habe, das hätte stattfinden können. Die von den Parteien getroffene Stornierungsregelung sei überdies wirksam. Die Klägerin könne sich auch nicht auf der Störung der Geschäftsgrundlage berufen. Dass die Messe abgesagt worden sei, liege allein in der Risikosphäre der Klägerin. Die subsidiär anzuwendenden Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage seien im Rückgewährschuldverhältnis schließlich auch nicht anwendbar.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten über die bereits vorgerichtlich erfolgte Rückzahlung in Höhe von EUR 9.193,10 hinaus weitere EUR 2.230,40 beanspruchen. Dies entspricht einer hälftigen Teilung der Buchungskosten, die auf einer Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) beruht. Weitergehende Rückzahlungsansprüche der Klägerin bestehen nicht. Diese folgen entgegen der Auffassung der Berufung insbesondere weder aus einem vertraglichen Stornierungsrecht noch aus einer Unmöglichkeit der Leistungserbringung für die Beklagte.

1. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf ein vertragliches Stornierungsrecht, in dessen Rechtsfolge sie gemäß § 346 BGB Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlung verlangen könne.

a) Die Parteien haben vertraglich ein Stornierungsrecht vereinbart, das der Klägerin ermöglichte, von dem Beherbergungsvertrag ganz oder teilweise zurückzutreten. Dieses Stornierungsrecht war zeitlich unbeschränkt, abhängig von Zeitpunkt der Stornierung aber mit der Zahlung einer als „service fee“ bezeichneten Stornierungsgebühr verknüpft. Die Stornierungsbedingungen erlaubten der Klägerin die kostenfreie Stornierung sämtlicher Zimmer bis zum 2. Januar 2020, danach die kostenfreie Stornierung von bis zu drei Zimmern bis zum 2. März 2020 und sahen im Übrigen die Leistung einer Stornierungsgebühr von 90% des Buchungspreises vor. Auf dieser Grundlage konnte sich die Klägerin mithin zwar vom Vertrag lösen, wobei sich die für die Rückabwicklung geltenden Regeln grundsätzlich nach § 346 BGB richten und die Klägerin mithin die Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlung verlangen könnte. Dem Anspruch auf vollständige Rückzahlung der Vorauszahlung steht indes die vertraglich vereinbarte Stornierungsgebühr entgegen. Diese hat die Beklagte ausgehend vom Zeitpunkt der Stornierung am 2. März 2020 mit EUR 13.653,90 berechnet und sodann der Klägerin den Differenzbetrag zur geleisteten Vorauszahlung von EUR 22.847,00 in Höhe von EUR 9.193,10 erstattet. Die Stornierungsgebühr hat sie dabei – ohne dass die Berufung Einwände gegen die Berechnungsweise erhoben hätte – berechnet, indem sie von einer kostenfreien Stornierung der Suite sowie zweier Doppelzimmer ausgegangen ist und sodann von den verbleibenden 13 Doppelzimmern 90% eines Zimmerpreises ohne Frühstück von 389,00 EUR (vgl. Anlage K 1) angesetzt hat ((389,00 EUR x 3 Nächte x 13 Zimmer) hiervon 90% = 13.653,90 EUR).

b) Hiergegen kann die Klägerin auch nicht einwenden, die vorgenannte Stornierungsklausel sei als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam. Dabei kann sogar offen bleiben, ob sie eine Individualvereinbarung oder eine Allgemeine Geschäftsbedingung ist. Selbst in letzterem Fall hätte die Berufung keinen Erfolg.

aa) Dass die Klausel die Möglichkeit einer Stornierung ab einem bestimmten Zeitpunkt mit der Zahlung einer Gebühr von 90% des Buchungspreises verknüpft, stellt auch unter Berücksichtigung der Wertungen der gemäß § 310 BGB nicht unmittelbar anwendbaren § 308 Nr. 7, § 309 Nr. 5 BGB keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin im Sinne von § 307 BGB dar. Bei der Angemessenheitsprüfung ist der gesamte Vertragsinhalt einzubeziehen (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1992 – VIII ARZ 5/92, NJW 93, 532; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 307 Rn. 13; jeweils mwN). Dabei ist bei sachlich zusammenhängenden Regelungen, die in einem Wechselverhältnis stehen, eine Kompensation von Vor- und Nachteilen zulässig (BGH, Urteil vom 29. November 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 307 Rn. 14). Ausgangspunkt für die Prüfung, ob die Stornierungsgebühr unangemessen hoch ist, ist der Betrag, der andernfalls geschuldet wäre (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1984 – VII ZR 256/83, MDR 85, 486; vom 29. Mai 1991 – IV ZR 187/90, NJW 1991, 2763; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 308 Rn. 41). Im Streitfall ist zu beachten, dass der Klägerin grundsätzlich von Gesetzes wegen kein Recht zustand, sich einseitig und grundlos von dem geschlossenen Vertrag zu lösen. Ohne die vertraglich vereinbarte Berechtigung, den Vertrag stornieren zu können, bliebe die Klägerin – vorbehaltlich spezieller gesetzlicher Lösungstatbestände – vielmehr nach dem Grundsatz pacta sunt servanda zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, auch wenn sie die Leistung nicht in Anspruch nimmt. Wenn die Beklagte in dieser Situation der Klägerin vertraglich ein gesetzlich nicht vorgesehenes Stornierungsrecht einräumt, verbessert sie die Rechtsposition der Klägerin unter Verschlechterung ihrer eigenen. Dies gilt auch, soweit die Klägerin verpflichtet ist, ab einem gewissen Zeitpunkt eine Stornierungsgebühr in Höhe von 90% zu bezahlen. Es bleibt auch dann dabei, dass die Rechtsposition der Klägerin im Vergleich zur gesetzlichen Regellage verbessert ist. Eine unangemessene Benachteiligung liegt mithin nicht vor.

bb) Aus den vorgenannten Gründen führt auch der weitere Einwand der Berufung nicht zum Erfolg, dass sich die Beklagte ersparte Aufwendungen anrechnen lassen müsse oder die Stornierungsgebühr nicht von dem vertraglichen vereinbarten Preis, sondern von dem im Leistungszeitpunkt am Markt erzielbaren Preis zu berechnen sei. Die Berufung verkennt, dass die Klägerin eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung des Buchungspreises eingegangen ist, von der sie sich – vorbehaltlich gesetzlicher Sondertatbestände – grundsätzlich nicht lösen kann. Auf nachträgliche Preisveränderungen oder ersparte Aufwendungen kommt es nicht an. Auch insoweit gilt der Grundsatz pacta sunt servanda.

cc) Aber auch wenn man die Stornierungsgebühr für eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin halten würde, hätte die Berufung allein aus diesem Grund keine Aussicht auf Erfolg. In diesem Fall wäre nämlich nicht nur die Stornierungsgebühr unwirksam, sondern die gesamte Klausel, mit der der Klägerin eine Stornierungsmöglichkeit eingeräumt wird. Die Unwirksamkeit einer AGB-Regelung betrifft grundsätzlich die Klausel im Ganzen und nicht lediglich den gegen das Klauselverbot verstoßenden Teil (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 306 Rn. 5, mwN). Eine Aufteilung der Klausel in ein wirksames Stornierungsrecht und eine unwirksame Gebührenklausel kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die Beklagte hat der Klägerin eine gesetzlich nicht vorgesehene Lösungsmöglichkeit eingeräumt, die unter bestimmten Bedingungen mit der Zahlung einer Gebühr verknüpft ist. Die Zahlung der Gebühr ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Stornierungsmöglichkeit. Die Klausel ist insoweit unteilbar und wäre deshalb im Ganzen unwirksam. Dies wiederum hätte zur Folge, dass die Klägerin – vorbehaltlich gesetzlicher Lösungstatbestände – am 2. März 2020 nicht von dem Vertrag hätte zurücktreten können und der Beklagten folglich zur Zahlung des gesamten Buchungspreises verpflichtet geblieben wäre.

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2. Ebenfalls ohne Erfolg stützt die Klägerin ihr Rückzahlungsbegehren auf §§ 346, 326 Abs. 1, Abs. 4 BGB. Weder die Absage der Messe A noch der Erlass von behördlichen Beherbergungsverboten begründeten für die Beklagte im Streitfall eine Unmöglichkeit (§ 275 BGB) ihrer Leistungserbringung, aufgrund derer die Klägerin ihrerseits gemäß § 326 Abs. 1 BGB von der Gegenleistungspflicht befreit worden wäre und die geleistete Anzahlung gemäß § 326 Abs. 4 BGB zurückverlangen könnte.

a) Objektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Leistung von niemanden, weder vom Schuldner noch von einem Dritten, erbracht werden kann (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 275 Rn. 13), wobei unter Leistung im genannten Sinne nicht nur die Leistungshandlung, sondern auch der Leistungserfolg gemeint ist; Unmöglichkeit liegt daher auch vor, wenn die Leistungshandlung weiterhin möglich ist, sie aber den Leistungserfolg nicht mehr herbeiführen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 – III ZR 87/10, BGHZ 188, 71, Rn. 10; vom 22. Oktober 2015 – VII ZR 58/14, NZM 2016, 408, Rn. 14 f; MünchKomm-BGB/Ernst, 8. Aufl., § 275 Rn. 36; BeckOGK/Riehm, Stand: 15. Oktober 2020, § 275 Rn. 83; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 275 Rn. 18). Hiervon abzugrenzen sind die Fälle der Störung des Verwendungszwecks, in welchen der Leistungserfolg noch herbeigeführt werden kann, der Gläubiger an ihm aber kein Interesse mehr hat; da der Gläubiger das Verwendungsrisiko trägt, sind diese Fälle nicht von Unmöglichkeit erfasst, es bestehen für den Gläubiger allenfalls Rechts aus Störung der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 1979 – V ZR 80/77, BGHZ 74, 370; Palandt/Grüneberg, aaO). Ob der Leistungserfolg oder die Modalität der Ausführung vorrangiger Inhalt der Leistungspflicht ist, muss durch Auslegung ermittelt werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 – VII ZR 58/14, NZM 2016, 408, Rn. 15; BeckOGK/Riehm, Stand: 15. Oktober 2020, § 275 Rn. 83).

b) Gemessen hieran begründen weder die Absage der Messe A noch später ergangene behördliche Beherbergungsverbote im Streitfall eine Unmöglichkeit der von der Beklagten geschuldeten Beherbergungsleistung.

aa) Die Absage der Messe A begründet keinen Rückzahlungsanspruch der Klägerin aus § 326 Abs. 4, Abs. 1 i.V.m. § 346 BGB. Durch die Absage der A ist der Klägerin die Erbringung ihrer Leistung nicht objektiv oder subjektiv unmöglich geworden. Die Beklagte hat die vertragliche Pflicht zur Überlassung der angemieteten Hotelzimmer sowie der Bereitstellung eines Frühstücks übernommen. Die Möglichkeit zur Erbringung dieser Leistungen ist durch die Absage der Messe A nicht berührt worden. Dies wäre nur dann abweichend zu beurteilen, wenn die Durchführung der Messe A zum Vertragsinhalt geworden wäre und die Buchung gleichsam nur unter der Voraussetzung der Durchführung der Messe A Wirksamkeit erlangen sollte. Eine Überlassung der Hotelzimmer zum Besuch der A wäre der Beklagten in diesem Fall nach deren Absage unmöglich. Dass die Beklagte in diesem Sinne das Risiko der Durchführung der Messe A übernommen hätte, ist indes nicht ersichtlich. Im auf den Beherbergungsvertrag im Wesentlichen anwendbaren Mietrecht (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., vor § 535 Rn. 36) schuldet der Vermieter lediglich die Gebrauchsgewährung; der Mieter trägt, wenn ihm der Gebrauch gewährt wird, demgegenüber nach § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB im Grundsatz uneingeschränkt das Verwendungsrisiko (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1996 – XII ZR 55/95, NJW 1997, 193; vom 21. September 2005 – XII ZR 66/03, NJW 2006, 899; vom 17. März 2010 – XII ZR 108/08, NJW-RR 2010, 1016, Rn. 17; Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., § 537 Rn. 1; jeweils mwN). Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte als Vermieterin abweichend davon das Verwendungsrisiko in Form der Durchführung der Messe A übernommen hätte. Dass die Klägerin der Beklagten vor der Buchung mitgeteilt hat, die Zimmer aus Anlass der A anzumieten, macht die Durchführung der A nicht zum Vertragsinhalt. Damit hat die Klägerin lediglich einseitig ihr Motiv für die Anmietung kundgetan. Eine Einstandspflicht der Beklagten für die Durchführung der Messe folgt hieraus nicht. Diese ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte für Buchungen während Messezeiten höhere Preise und eine 100%ige Vorauszahlung verlangt. Diese Vertrags- und Preisgestaltung folgt den Gesetzmäßigkeiten des Marktes, nach denen Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Zu Messezeiten herrscht üblicherweise eine höhere Nachfrage geschäftlich reisender Personen, die sich in höheren Preisen niederschlägt. Nur darauf reagiert die Beklagte mit ihrer Vertrags- und Preisgestaltung, ohne deshalb die Durchführung der Messe zum Vertragsinhalt machen zu wollen, zumal sie darauf keinerlei Einfluss hat.

bb) Der Klägerin steht auch kein Rückzahlungsanspruch aus § 326 Abs. 4, Abs. 1 i.V.m. § 346 BGB wegen der Anordnung behördlicher Beherbergungsverbote zu. Dabei bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob solche Beherbergungsverbote zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte die Beherbergungsleistung hätte erbringen sollen, bestanden haben und die Unmöglichkeit der Leistungserbringung begründet hätten. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Primärleistungspflicht der Klägerin bereits aufgrund des zuvor erklärten Rücktritts vom Vertrag erloschen. Eine durch ein behördliches Beherbergungsverbot begründete Unmöglichkeit konnte sich deshalb nicht mehr auf die Zahlungspflichten auswirken. Bereits die von der Klägerin am 2. März 2020 nach Absage der Messe A erklärte Stornierung des Vertrages hat die beiderseitigen Primäransprüche zum Erlöschen gebracht hat. Das von ihr damit ausgeübte vertragliche Rücktrittsrecht ist ein Gestaltungsrecht, das den Vertrag in ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet (BGH, Urteil vom 28. November 2007 – VIII ZR 16/07, BGHZ 174, 290; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., Einf. v. § 346 Rn. 2, 3). Durch den Rücktritt erlöschen die beiderseitige Erfüllungsansprüche und die mit dem Erfüllungsanspruch zusammenhängenden sekundären Ansprüche (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2008 – VIII ZR 258/07, BGHZ 178, 227, Rn. 32; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., Einf. v. § 346 Rn. 3). Im Zeitpunkt des Beherbergungsverbots traf die Beklagte mithin keine Beherbergungsverpflichtung mehr, die ihr hätte unmöglich werden können.

3. Der Klägerin steht allerdings über die bereits vorgerichtlich erfolgte Rückzahlung in Höhe von EUR 9.193,10 hinaus ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von weiteren EUR 2.230,40 aus §§ 346, 313 Abs. 1, Abs. 4 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage zu. Mit der pandemiebedingten Absage der Messe A ist der Klägerin ein unverändertes Festhalten am Vertrag einschließlich des mit der Ausübung des vertraglichen Stornierungsrechtes entstandenen Rückabwicklungsschuldverhältnisses aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls unzumutbar geworden. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, dass die Beklagte ohne die Stornierung wegen des späteren Beherbergungsverbotes nicht in der Lage gewesen wäre, die von ihr geschuldete Leistung zu erbringen. Da sowohl die Absage der Messe A als auch die späteren behördlichen Beherbergungsverbote mit der Corona-Pandemie auf derselben tatsächlichen Grundlage beruhen, erscheint es unbillig, die Kostentragung von dem zufälligen Umstand abhängig zu machen, dass die Klägerin den Vertrag bereits storniert hatte, bevor die Leistung für die Beklagte unmöglich werden konnte. Das durch die Corona-Pandemie verwirklichte Risiko der Absage der Messe A geht über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Nachfragers deutlich hinaus und steht vielmehr in gleichem Maß außerhalb des Risikobereichs von Anbieter und Nachfrager. Die Maßnahmen zur Verlangsamung des Pandemiegeschehens durch Kontaktreduzierung, die letztlich auch Grundlage für die Absage der Messe A waren, dienen dem Gemeinwohl, das weder speziell durch das Verhalten der Klägerin, noch der Beklagten gefährdet wurde (vgl. LG Mönchengladbach, Urteil vom 2. November 2020 – 12 O 154/20, n.v.). Es ist der Klägerin daher auch nicht zuzumuten, dieses Risiko alleine zu tragen.

a) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann nach § 313 BGB die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsabschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien sich aufbaut (BGH, Urteil vom 27. September 1991 – V ZR 191/90, ZIP 1991, 1600; vom 15. November 2000 – VIII ZR 324/99, NJW 2001, 1204; vom 1. Februar 2012 – VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718, Rn. 26). In der Literatur wird insoweit zwischen „großer Geschäftsgrundlage“ und „kleiner Geschäftsgrundlage“ unterschieden. Unter ersterer versteht man die Erwartung, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern, dass die Sozialexistenz nicht erschüttert werde; von der „kleinen“ Geschäftsgrundlage spricht man dagegen in allen übrigen Fällen, wenn es also „nur“ um die den jeweiligen Vertrag betreffenden Umstände geht: die Größe des erst noch zu vermessenden Grundstücks als Vertragsgegenstand, eine schleichende Geldentwertung bei langfristiger Verpflichtung, etc. (MünchKomm-BGB/Finkenauer, 8. Aufl. § 313 Rn. 17; BeckOK-BGB/Lorenz, Stand: 1. Februar 2021, § 313 Rn. 7; jeweils mwN). Einigkeit besteht, dass auch die „große Geschäftsgrundlage“ von § 313 BGB erfasst ist (OLG Dresden, Urteil vom 24. Februar 2021 – 5 U 1782/20, n.v.; OLG München, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 32 U 6358/20, NZM 2021, 226; MünchKomm-BGB/Finkenauer, aaO; BeckOK-BGB/Lorenz, aaO; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 313 Rn. 5; jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. November 1989 – VII ZR 60/89, BGHZ 109, 224).

b) Gemessen hieran ist mit der Corona-Pandemie im Vertragsverhältnis der Parteien eine Störung der „großen Geschäftsgrundlage“ eingetreten. Zur Geschäftsgrundlage der Parteien als Anbieter und Nachfrager von Beherbergungsleistungen gehörte danach die Vorstellung, dass es nicht zu einer weltweiten Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens kommen würde, so dass das Auftreten der Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragsabwicklung vorgestellten Umstände bedeutet und damit das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage verwirklicht (vgl. auch OLG Dresden, Urteil vom 24. Februar 2021 – 5 U 1782/20, n.v., sowie Beschluss vom 15. Februar 2021 – 5 U 1782/20, NZM 2021, 231; OLG München, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 32 U 6358/20, NZM 2021, 226; LG Mönchengladbach, Urteil vom 2. November 2020 – 12 O 154/20, n.v.; LG Heidelberg, Urteil vom 30. Juli 2020 – 5 O 66/20, ZMR 2021, 44 jeweils mwN). Es liegt insoweit eine Systemkrise vor, weil durch sie das allgemeine soziale und wirtschaftliche Gefüge nachhaltig erschüttert wird (OLG Dresden, Urteil vom 24. Februar 2021, aaO; Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017, 1021; Häublein/Müller NZM 2020, 481, 486 f.; jeweils mwN). Für eine solche Annahme spricht auch der Inhalt des mit Wirkung vom 31. Dezember 2020 neu geschaffenen Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB für gewerbliche Miet- und Pachtverhältnisse (vgl. OLG Dresden, aaO).

c) Diese Krise hat sich auch bei der Klägerin verwirklicht und damit die vorgenannte Geschäftsgrundlage nach Vertragsschluss schwerwiegend zu Lasten der Klägerin verändert, ohne dass ihr ein unverändertes Festhalten am Vertrag zumutbar wäre. Die Auflösung (oder Anpassung) eines Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage muss zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Folgen unabweislich erscheinen (BGH, Urteil vom 26. September 1996 – I ZR 265/95, BGHZ 133, 321: vom 1. Februar 2012 – VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718, Rn. 30; Palandt/Grüneberg, BGB, § 313 Rn. 24; jeweils mwN). Dabei kommt der vertraglichen Risikoverteilung besondere Bedeutung zu. § 313 BGB ist nicht anwendbar, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirklicht, das eine Partei zu tragen hat. Durch Umstände, die in den Risikobereich einer Vertragspartei fallen, wird die Geschäftsgrundlage des Vertrages grundsätzlich nicht berührt (BGH, Urteil vom 6. April 1995 – IX ZR 61/94, BGHZ 129, 253). Nicht zur Geschäftsgrundlage gehören daher Störungsereignisse, in denen sich Risiken verwirklichen, die eine Partei übernommen hat oder die zu ihrem allgemeinen Vertragsrisiko gehören (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1992 – VIII ZR 91/91, NJW 91, 1478).

Gemessen daran ist im Streitfall der Klägerin ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar. Zwar fällt das Risiko, dass der Anlass der Reise, für den sie die Hotelzimmer gebucht hat, wegfällt und sie deshalb keine Verwendung mehr für die Hotelzimmer hat, als bloße Störung des Verwendungszwecks grundsätzlich in ihren Risikobereich. Dies berücksichtigt aber nicht hinreichend, dass sich im Streitfall mit einer weltweiten Pandemie ein außergewöhnliches Risiko verwirklicht hat, das nicht mehr eindeutig in den Risikobereich einer Partei fällt (so für den Bereich der Gewerberaummiete etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 19. März 2021 – 2 U 143/20; OLG Dresden, Urteil vom 24. Februar 2021, 5 U 1782/20; LG Mönchengladbach, Urteil vom 02. November 2020 – 12 O 154/20; LG München I, Urteil vom 12. Februar 2021 – 31 O 11516/20; vgl. auch Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 313 Rn. 37a; Zehelein, NZM 20, 390ff; Häublein/Müller, NZM 20, 481ff). Insoweit ist der Risikobereich der Klägerin überschritten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Durchführung der Messe ihrerseits in ihre Preisgestaltung aufgenommen hat. Zwar ist die Vermietbarkeit der Zimmer nicht von der Durchführung der Messe abhängig, diese bestimmt jedoch den Preis. Die mit der Klägerin vereinbarten Preise konnte die Beklagte am Markt nur verlangen, weil die zu diesem Zeitpunkt stattfindende Messe A eine entsprechende Nachfrage mit sich brachte. Schon nach Absage der Messe konnte die Klägerin die messebedingten Zimmerpreise nicht mehr erzielen. Damit hatte sich der Markt grundlegend verändert, ohne dass dies für eine Partei vorhersehbar oder beherrschbar gewesen wäre. Diese Situation ist nicht mehr dem Risikobereich einer Partei zuzuordnen. Vielmehr spricht dies für eine Risikoteilung. Dafür spricht schließlich maßgeblich, dass die Beklagte ohne die Stornierung ihre Leistungspflicht wegen später ergangener behördlicher Beherbergungsverbotes ohnehin nicht hätte erfüllen können. Sie hätte dann den gesamten Gegenleistungsanspruch verloren. Dass der Beklagten aufgrund der von der Klägerin zuvor erklärten Stornierung ein Anspruch von 90% des Zimmerpreises verbleiben sollte, erscheint vor diesem Hintergrund rein zufällig und ist allein dem Umstand geschuldet, dass die Klägerin vor Eintritt der Unmöglichkeit von dem Vertrag zurückgetreten ist. Dieses zufällige Ergebnis ist der Klägerin nicht zumutbar: die Folgen der Pandemie sind nicht mehr einseitig dem Risikobereich einer Partei zuzurechnen, zumal Absage der Messe und Stornierung der Buchung einerseits und Beherbergungsverbot andererseits auf demselben Grund, nämlich der Pandemie, beruhen.

d) Bei dieser Sachlage erscheint eine hälftige Teilung des Risikos und mithin eine hälftige Teilung der Buchungskosten sachgerecht (vgl. Häublein/Müller NZM 2020, 481, 490; Ekkenga/Schirrmacher NZM 2020, 410, 414; Zehelein NZM 2020, 390, 399; im Ergebnis ebenso Weller/Thomale, BB 2020, 962, 965). Bei einer Störung der Geschäftsgrundlage ist grundsätzlich der Inhalt des Vertrags den veränderten Umständen anzupassen. Da keine Partei eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt hat und auch keine Gründe für eine anderweitige Aufteilung ersichtlich sind, erscheint es angemessen, das von keiner Partei zu tragende Pandemierisiko auf beide Parteien je zur Hälfte zu verteilen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1989 – VII ZR 60/89, NJW 90, 572; OLG Dresden, Urteil vom 24. Februar 2021, 5 U 1782/20; Zehelein, NZM 20, 390, 399). Die im Rückgewährschuldverhältnis vereinbarte Stornierungsgebühr von 90% des Zimmerpreises wird dem nicht gerecht. Sie verfolgt im ungestörten Vertragsverhältnis das Ziel, dem Hotelier einen möglichen Ausfall zu ersetzen, den er erleidet, weil ihm nach einer kurzfristigen Stornierung eine Neuvermietung nicht oder nur zu schlechteren Konditionen möglich ist. Im Streitfall hat die Corona-Pandemie aber die gesamte Marktsituation derart gestört, dass dem Hotelier eine Weitervermietung aus anderen Gründen als einer bloßen Stornierung weitgehend unmöglich war und mithin die Funktion der Stornierungsgebühr nicht eingreift. Sie führt im Gegenteil zu dem zufälligen Ergebnis, dass die Beklagte 90% des Zimmerpreises erhielte, obwohl sie ohne die Stornierung ihre eigene Leistungspflicht nicht hätte erfüllen können. Da allerdings auch die Beklagte das Pandemierisiko nicht alleine trägt, ist das Rückgewährschuldverhältnis einschließlich der Stornierungsgebühren wie dargelegt anzupassen.

e) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht einer Anwendung der Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage schließlich nicht entgegen, dass der ursprünglich geschlossene Beherbergungsvertrag nach der seitens der Klägerin erklärten Stornierung in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden ist. Selbst für vollständig erfüllte Verträge ist die Berücksichtigung einer Störung der Geschäftsgrundlage nicht von vornherein ausnahmslos ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 1. Juni 1979 – V ZR 80/77, BGHZ 74, 370; vom 24. November 1995 – V ZR 164/94, BGHZ 131, 209). Auch insoweit kann eine Anpassung in Ausnahmefällen in Betracht kommen, wenn ein Festhalten am bisherigen Vertragsinhalt trotz beiderseitiger Erfüllung unzumutbar ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 313 Rn. 24 mwN). Das gilt auch und erst recht im Rückgewährschuldverhältnis, in dem der Leistungsaustausch noch nicht abgeschlossen ist. Maßgeblich ist daher, ob die Parteien für das nach vertraglicher Stornierung eintretende Rückgewährschuldverhältnis und die in diesem zum Tragen kommende vertraglich vereinbarte Stornogebühr eine andere vertragliche Regelung gewählt hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Messe A aufgrund einer weltweiten Pandemie abgesagt wurde, die in der Folge auch zu Beherbergungsverboten führte, die die Leistungserfüllung schließlich unmöglich gemacht hätten. Dies ist nach Auffassung des Senats aus den dargelegten Gründen der Fall und führt zu der vorstehend dargestellten Anpassung.

4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO i.V.m § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

III.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da nicht über streitige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu entscheiden war. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung der Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage. Dass diese auch in Fällen anwendbar sind, welche die Literatur der „großen Geschäftsgrundlage“ zuordnet (MünchKomm-BGB/Finkenauer, 8. Aufl. § 313 Rn. 17; BeckOK-BGB/Lorenz, Stand: 1. Februar 2021, § 313 Rn. 7; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 313 Rn. 5; jeweils mwN), ist auch in der Rechtsprechung einhellig anerkannt (OLG Dresden, Urteil vom 24. Februar 2021 – 5 U 1782/20, n.v.; OLG München, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 32 U 6358/20, NZM 2021, 226; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. November 1989 – VII ZR 60/89, BGHZ 109, 224).

IV.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO auf EUR 13.653,90 festgesetzt.

 

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