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Covid-19 – einstweiliger Rechtsschutz gegen Quarantäneanordnung

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 B 101/21 – Beschluss vom 26.07.2021

Die aufschiebende Wirkung eines noch zu erhebenden Widerspruchs des Antragstellers gegen die mündliche Anordnung vom 17. Juli 2021 sowie gegen den Bescheid vom 18. Juli 2021 des Antragsgegners wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Der als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines noch zu erhebenden Widerspruchs auszulegende Antrag des Antragstellers ist zulässig und begründet.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1 Alt. VwGO statthaft. Der noch (zulässig) zu erhebende Widerspruch entfaltet nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung.

Covid-19 - einstweiliger Rechtsschutz gegen Quarantäneanordnung
(Symbolfoto: Mongkolchon Akesin/Shutterstock.com)

Der Antrag ist auch begründet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kann das Gericht in dem vorliegenden Fall des nach § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges die aufschiebende Wirkung des Widerspruches ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist.

Nach diesen Maßstäben überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers. Die angefochtene Verfügung stellt sich als offensichtlich rechtswidrig dar.

Ziffer 1 der streitgegenständlichen Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in der Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 1, 2, § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG. Nach dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29-31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten (Satz 1). Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen (Satz 2). Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden (Satz 3). Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt (Satz 4).

Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG hat die zuständige Behörde anzuordnen, dass Personen, die an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung abgesondert werden. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden.

Aus § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG ergibt sich, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider einer Quarantänemaßnahme nach dieser Vorschrift unterzogen werden dürfen. Diese Adressatenkreise sind in § 2 Nr. 4 bis Nr. 7 IfSG legaldefiniert. Danach ist ein „Krankheitsverdächtiger“ eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen; ein „Ausscheider“ ist eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein. „Ansteckungsverdächtiger“ ist schließlich eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein.

Die Aufnahme von Krankheitserregern im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte. Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Demzufolge ist die Annahme eines Ansteckungsverdachts nicht schon gerechtfertigt, wenn die Aufnahme von Krankheitserregern nicht auszuschließen ist. Andererseits ist auch nicht zu verlangen, dass sich die Annahme geradezu aufdrängt. Erforderlich und ausreichend ist, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr gilt dabei allerdings kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Es ist der allgemeine polizeirechtliche Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, wobei insbesondere auch das Ansteckungsrisiko einer Krankheit und die Schwere des Krankheitsverlaufes in den Blick zu nehmen sind. Ob gemessen daran ein Ansteckungsverdacht im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG zu bejahen ist, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und der verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie anhand der Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betreffenden Person und über deren Empfänglichkeit für die Krankheit (BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 –, BVerwGE 142, 205-219, Rn. 28 ff.).

Mit Blick auf COVID-19 gilt, dass Hauptübertragungsweg für den Erreger SARS-CoV-2 die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel (Aerosole und Tröpfchen) ist. Während insbesondere größere respiratorische Tröpfchen schnell zu Boden sinken, können Aerosole, die unter anderem beim Atmen, Sprechen oder Singen ausgestoßen werden, auch über längere Zeit in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen. Ob und wie schnell die Tröpfchen und Aerosole absinken oder in der Luft schweben bleiben, ist neben der Größe der Partikel von einer Vielzahl weiterer Faktoren, unter anderem der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit, abhängig. Bei längerem Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen kann sich die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als 1,5 m erhöhen, insbesondere dann, wenn eine infektiöse Person besonders viele kleine Partikel (Aerosole) ausstößt und exponierte Personen besonders tief einatmen. Durch die Anreicherung und Verteilung der Aerosole im Raum ist das Einhalten des Mindestabstandes zur Infektionsprävention ggf. nicht mehr ausreichend (vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand: 14. Juli 2021).

Auf dieser Grundlage kann die Kammer nicht feststellen, dass der Antragsteller Ansteckungsverdächtiger im Sinne des § 2 Abs. 7 IfSG ist.

Der Antragsgegner führt in dem angegriffenen Bescheid aus, dass der Antragsteller als Kontaktperson der Kategorie 1 mit engem Kontakt gelte. Er habe gesicherten und langfristigen Kontakt zu einer mit dem SARS-CoV-2 infizierten Person gehabt. Bei der fachlichen Bewertung des Infektionsrisikos werde sich den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zur häuslichen Absonderung angeschlossen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren trägt der Antragsgegner ergänzend vor, dass sich der Antragsteller im Rahmen eines Sanitätseinsatzes am 16. Juli 2021 im xxxxx befunden habe. Dabei habe ein Beschäftigter des xxxxx einen Zusammenbruch erlitten und sei von Kollegen und Kolleginnen sowie durch die alarmierten Rettungssanitäter und den Notarzt behandelt worden. Bei der betreffenden Person handele es sich um einen von mehreren positiv auf das Corona-Virus getesteten Fällen im xxxxx. Am 16. Juli 2021 sei bei mindestens 16 Beschäftigten aus dem xxxxx das Coranavirus in der Delta-Variante festgestellt worden. 22 bestätigte Fälle gebe es zudem bei mittlerweile ermittelten Kontaktpersonen. In diesem Rahmen sei ermittelt worden, dass der Antragsteller direkten körperlichen Kontakt zu einer infizierten Person gehabt habe. Der Antragsteller gelte als Kontaktperson der Kategorie I, auch weil es sich bei dem Ausbruchsgeschehen in dem Kraftwerk um ein diffuses handele und Infektionsketten nicht nachvollzogen werden könnten.

Diese Ausführungen, welche sich schon nicht aus der angegriffenen Anordnung des Antragsgegners ergeben, sondern erstmalig im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgebracht werden, reichen nicht aus, um den Antragssteller nach gegenwärtigem Kenntnisstand als Kontaktperson der Kategorie I im Verständnis der aktuellen Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei Infektionen durch SARS-CoV-2 vom 15. März 2021 anzusehen.

Kontaktpersonen der Kategorie I werden nach dem RKI nach folgenden Kriterien eingestuft (Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei SARS-CoV-2-Infektionen, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html;jsessionid=A63DE44B42BCF93D8EEDC7F99AB17399.internet082?nn=13490888#doc13516162bodyText10, abgerufen am 26. Juli 2021).

3.1.(…) Kontaktpersonen zu einem bestätigten COVID-19-Fall werden bei Vorliegen mindestens einer der folgenden Situationen als enge Kontaktpersonen (mit erhöhtem Infektionsrisiko) definiert:

1. Enger Kontakt (<1,5 m, Nahfeld) länger als 10 Minuten ohne adäquaten Schutz# (adäquater Schutz = Fall und Kontaktperson tragen durchgehend und korrekt MNS [Mund-Nasen-Schutz] oder FFP2-Maske).

2. Gespräch mit dem Fall (Face-to-face-Kontakt, <1,5 m, unabhängig von der Gesprächsdauer) ohne adäquaten Schutz# (adäquater Schutz = Fall und Kontaktperson tragen durchgehend und korrekt MNS [Mund-Nasen-Schutz] oder FFP2-Maske) oder direkter Kontakt (mit respiratorischem Sekret).

3. Gleichzeitiger Aufenthalt von Kontaktperson und Fall im selben Raum mit wahrscheinlich hoher Konzentration infektiöser Aerosole unabhängig vom Abstand für > 10 Minuten, auch wenn durchgehend und korrekt MNS (Mund-Nasen-Schutz) oder FFP2-Maske getragen wurde.

3.1.1. Beispielhafte Konstellationen für enge Kontaktpersonen

  • Personen aus demselben Haushalt
  • Personen mit direktem Kontakt zu Sekreten oder Körperflüssigkeiten, insbesondere zu respiratorischen Sekreten eines Falls, wie z.B. durch Küssen, Anhusten, Anniesen, Kontakt zu Erbrochenem, Mund-zu-Mund Beatmung, etc
  • Personen, die infektiösen Aerosolen im Raum ausgesetzt waren (z.B. Feiern, gemeinsames Singen oder Sporttreiben in Innenräumen ohne adäquate Lüftung). Hier bietet ein MNS/FFP2-Maske (außer im Gesundheitswesen/bei geschultem medizinischen Personal) keinen ausreichenden Schutz vor Übertragung.
  • Personen, die auf einer Flugreise gegenüber einem bestätigten COVID-19-Fall exponiert waren, unabhängig vom Tragen eines MNS/FFP2-Maske:
  • Passagiere, die in derselben Reihe wie der bestätigte COVID-19-Fall oder in den zwei Reihen vor oder hinter diesem gesessen hatten.
  • Crew-Mitglieder oder andere Passagiere, sofern eines der oben genannten anderen Kriterien zutrifft (z.B. längeres Gespräch; o.ä.).
  • In Abhängigkeit von der Verfügbarkeit entsprechender Daten und einer Bewertung durch die Behörden vor Ort wird empfohlen, eine Kontaktpersonennachverfolgung zu initiieren, wenn der Flug innerhalb der letzten 14 Tage stattgefunden hat (maximale Dauer der Inkubationszeit).
  • Optional (nach Ermessen des Gesundheitsamtes, auch im Hinblick auf die Praktikabilität): Personen mit Aufenthalt mit dem bestätigten COVID-19-Fall in einem Raum (auch für eine Dauer < 10 Minuten), oder schwer zu überblickende Kontaktsituation (z.B. Schulklassen, gemeinsames Schulessen, Gruppenveranstaltungen) und unabhängig von der individuellen Risikoermittlung

Anhang 1: Risikobewertung enger Kontaktpersonen

A. Enger Kontakt (<1,5 m, Nahfeld) und B. Gespräch (Face-to-face-Kontakt, <1,5 m, unabhängig von der Gesprächsdauer)

Infektiöses Virus wird vom Fall über Aerosole/Kleinpartikel (hier als „Aerosol(e)“ bezeichnet) und über Tröpfchen ausgestoßen. Die Zahl der ausgestoßenen Partikel steigt von Atmen über Sprechen, zu Schreien bzw. Singen an. Während eines direkten Gesprächs sowie im Nahfeld (etwa 1,5 m) um eine infektiöse Person ist die Partikelkonzentration größer („Atemstrahl“). Es wird vermutet, dass die meisten Übertragungen über das Nahfeld erfolgen. Die Infektionswahrscheinlichkeit im Nahfeld ist niedriger, wenn Fall UND Kontaktperson durchgehend und korrekt eine Maske# (Mund-Nasenschutz [MNS] oder FFP2-Maske) getragen haben.

C. Kontakt unabhängig vom Abstand (hohe Konzentration infektiöser Aerosole im Raum)

Darüber hinaus können Virus-beladene Kleinpartikel bei mangelnder Frischluftzufuhr in Innenräumen anreichern, weil sie über Stunden in der Luft schweben (siehe auch Steckbrief des RKI). In Kleinpartikeln/Aerosolen enthaltene Viren bleiben (unter experimentellen Bedingungen) mit einer Halbwertszeit von etwa einer Stunde vermehrungsfähig. Bei hoher Konzentration infektiöser Viruspartikel im Raum sind auch Personen gefährdet, die sich weit vom Fall entfernt aufhalten („Fernfeld“). Die Aufsättigung der Aerosole mit infektiösen Partikeln hängt von der Tätigkeit der infektiösen Person ab: Atmen<Sprechen<<Schreien/Singen. Eine singende Person stößt pro Sekunde in etwa so viele Partikel aus wie 30 sprechende Personen.

In einer solchen Situation steigt das Risiko an mit

  • der Anzahl der infektiösen Personen im Raum
  • der Anzahl nicht-infektiöser Personen im Raum (raschere Durchmischung des Aerosols)
  • der Infektiosität des Falls (um den Erkrankungsbeginn herum höher als später im Erkrankungsverlauf)
  • der Länge des Aufenthalts der infektiösen Person(en) im Raum
  • der Intensität der Partikelemission
  • der Intensität der Atemaktivität (Atemfrequenz, -tiefe) der exponierten Personen (z.B. beim Sporttreiben)
  • der Enge des Raumes und
  • dem Mangel an Frischluftzufuhr (für Hinweise zum richtigen Lüften siehe z.B.: Umweltbundesamt: Richtig Lüften in Schulen).

Bei gleichem Risiko ist naturgemäß die Anzahl zu erwartender Sekundärfälle größer, wenn sich mehr Personen im Raum aufhalten.

Die Exposition zu im Raum hochkonzentriert schwebenden infektiösen Partikeln kann durch MNS/FFP2-Maske (außer im Gesundheitswesen/bei geschultem medizinischen Personal) nicht sicher gemindert werden, wenn die Aerosole an der Maske vorbei eingeatmet werden.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Antragsgegner bereits die Annahme, der Antragsteller sei als Kontaktperson der Kategorie I einzustufen, nicht ausreichend substantiiert. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es sich bei dem Ausbruchsgeschehen in dem xxxxx um ein diffuses Ausbruchsgeschehen mit der hochansteckenden Deltavariante des Corona-Virus handelt. Zur Einstufung als Kontaktperson der Kategorie I ist vorliegend allerdings nicht ausreichend, wenn der Antragsgegner auf dieses Ausbruchsgeschehen Bezug nimmt. Denn der Antragsteller ist – soweit aus dem Bescheid und dem Vortrag ersichtlich – nicht Beschäftigter in dem xxxxx, sondern wurde als Sanitäter zu einem Notfalleinsatz gerufen. Sein Kontakt zur infizierten Person konnte deshalb ermittelt und einer individuellen Risikobewertung unterzogen werden. Dass es zu einem körperlichen Kontakt zwischen der infizierten Person und dem Antragsteller gekommen ist, wird vom Antragsteller nicht weiter ausgeführt, sondern lediglich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren pauschal vorgetragen. Aus dem vom Antragsgegner übersandten Gesundheitsbogen wird der Kontakt zwischen dem Antragsteller und der infizierten Person vielmehr wie folgt beschrieben: „Schlüssel geholt für Rettungseinsatz“; Kontaktdauer: „(…) Minute“. Dies wird vom Antragsteller ebenso vorgetragen. Danach habe er keinen Kontakt zur infizierten Person gehabt, sondern sich lediglich ca. eine Minute im selben Raum durch ein Hindernis getrennt mit dieser aufgehalten. Er habe den Rest des Einsatzes außerhalb des Gebäudes auf den Notarzt gewartet, um diesen einzuweisen. Vor diesem Hintergrund kann die Kammer schon nicht nachvollziehen, weshalb der Antragsgegner in dem angegriffenen Bescheid von einem engen und längeren Kontakt bzw. nunmehr im Eilverfahren von einem körperlichen Kontakt ausgeht. Die kurze Zeitdauer im selben Raum mit der infizierten Raum kann jedenfalls mangels weiteren Vortrags des Antragsgegners hinsichtlich der Größe des Raumes, der Anzahl der Personen im Raum usw. nicht als alleinige Grundlage für die Annahme einer Kontaktperson der Kategorie I herangezogen werden.

Soweit der Antragsgegner sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren darauf beruft, dass zum Zeitpunkt des Ausbruchsgeschehens die Infektionsketten nicht nachvollzogen werden konnten und deshalb, um eine weitere Ausbreitung einzudämmen, die Anordnung der Quarantäne gegenüber dem Antragsteller als Kontaktperson verhältnismäßig und erforderlich gewesen sei, ist auch dies mangels weiterer Ausführungen des Antragsgegners nicht nachvollziehbar und der angegriffene Bescheid insoweit ermessensfehlerhaft. Es bedarf insoweit weiterer Ausführungen, weshalb vor dem Hintergrund des sehr kurzen Aufenthalts in einem Raum mit einer infizierten Person – ohne körperlichen Kontakt – eine Quarantäneanordnung erforderlich ist. Solche Ausführungen ergeben sich weder aus dem pauschal formulierten Bescheid des Antragsgegners noch aus dem Vorbringen im Eilverfahren.

Da die Absonderungsverpflichtung in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids offensichtlich rechtswidrig ist, ist auch die Verpflichtung zur Beobachtung nach § 29 IfSG unter Ziffer 2 rechtswidrig, da sie in Abhängigkeit zur Absonderung angeordnet worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 iVm § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt.

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