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Creativ Directorin als leitende Angestellte? Anhörung des Betriebsrats bei Kündigung?

Arbeitsgericht Frankfurt am Main

Az.: 18 Ca 1186/02

Verkündet am 09.07.2002


In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am MainKammer 18 auf die mündliche Verhandlung vom09.07.2002für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 31.01.2002 aufgelöst worden ist.

2. Der Auflösungsantrag wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 23.008,14 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wehrt sich gegen die Kündigung der Beklagten vom 31.1.2002, die Beklagte begehrt die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin ist 41 Jahr alt, ledig und seit dem 1.5.2001 als Creativ Directorin beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin liegt bei EUR 7.669,38. Die Beklagte betreibt eine Werbeagentur.

Außer der Klägerin ist im Betrieb der Beklagten bereits seit August 2000 ein weiterer Creativ Director, ein 48 Jahre alter Mitarbeiter, der verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig ist, beschäftigt. Insgesamt sind im Betrieb der Beklagten ca. 100 Mitarbeiter beschäftigt und ein 5-köpfiger Betriebsrat gebildet.

Die Klägerin war als Creativ Directorin für ihren Bereich allein verantwortlich und hatte 10 Mitarbeiter im Team. Dabei leitete sie die Kundenmeetings und die Auftragsbearbeitung. In den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird die Klägerin als „Leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes“ bezeichnet. Wegen des Inhalts und der Gestaltung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung wird auf das Schreiben der Beklagten vom 1.2.2001 als Anlage zur Klageschrift (Bl. 8 f d.A.) Bezug genommen. Weiterhin ist für das Arbeitsverhältnis maßgeblich eine Broschüre mit dem Titel „Wir bei B“ vom Januar 2001. Wegen der Gestaltung und des Inhalts dieser Broschüre wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 10 ff d.A.) Bezug genommen. Weiterhin existiert ein Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten N vom 2.5.2001 in dem er der Klägerin mitteilt, dass die Agentur der Klägerin „freie Hand“ bei der Gestaltung des Teams gebe. Im Hinblick auf Personalentscheidungen ist folgendes ausgeführt:

„Personalentscheidungen treffen wir beide gemeinsam im Rahmen des uns vorgegebenen Budgets. Das Budget orientiert sich an unseren Income-Zahlen und wird für und mit common sense zwischen Beratung und Creation verteilt.“

Wegen der Gestaltung und des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage zum klägerischen Schriftsatz vom 8.5.2002 (Bl. 53 f d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31.1.2002 zum 31.7.2002 gekündigt. Hierzu hat die Personalleiterin der Beklagten mit der Klägerin vereinbart, dass das Kündigungsschreiben am 31.1.2002 gegen 18.00 Uhr bei ihr zu Hause übergeben werden sollte. Mit einer solchen Vorgehensweise war die Klägerin ursprünglich einverstanden.

Es ist weiterhin zwischen den Parteien unstreitig, dass der im Betrieb gebildete Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung nicht gemäß § 102 Abs. l BetrVG angehört worden ist.

Die Klägerin stellt den Zugang der Kündigung am 31.1.2002 in Abrede. Sie behauptet hierzu, dass zwischen 17.45 Uhr und 18.30 Uhr niemand bei ihr geklingelt habe. Siebehauptet weiter, dass sie sich danach schlafen gelegt habe. Insgesamt folgert die Klägerin daraus, dass die Kündigungsfrist des Arbeitsvertrages nicht eingehalten worden sei.

Weiterhin ist die Klägerin der Ansicht, dass die Kündigung bereits wegen der fehlenden Betriebsratsanhörung unwirksam sei.

Die Klägerin behauptet hierzu, sie sei zu keiner Zeit berechtigt gewesen, Einstellungen und Entlassungen für die Beklagte eigenständig vorzunehmen. Diese seien eben nur nach Rücksprache und mit Genehmigung des Geschäftsführers erfolgt. Dies sei auch bei ihrem Kollegen, dem weiteren Creativ Director des Unternehmens, so.

Weiterhin hält die Klägerin die ausgesprochene Kündigung für sozialwidrig.

Sie behauptet hierzu, ihr Arbeitsplatz als Creativ Directorin sei nicht weggefallen. Das reduzierte Auftragsvolumen sei durch hinzugewonnene Aufträge ausgeglichen worden.

Jedenfalls habe sich aber ihr Arbeitsvolumen nicht geändert. Sie selbst habe, so behauptet die Klägerin, alleine in der Regel 46 Stunden in der Woche gearbeitet und arbeiten müssen.

Die Klägerin beantragt,festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 31.1.2002 zum 31.7.2002 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen,hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer in das Ermessen desGerichts gestellten Abfindung zum 31.7.2002 aufzulösen.

Die Klägerin beantragt,den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Die Beklagte geht von einem Zugang der Kündigung am 31.1.2002 gegen 18.00 Uhr aus. Die Beklagte behauptet hierzu, dass die Personalleiterin den Brief an diesem Tag um diese Uhrzeit in den Briefkasten eingeworfen habe, nachdem die Klägerin zum vereinbarten Zeitpunkt weder die Haustür geöffnet noch sich am Telefon gemeldet habe.

Die Beklagte hält die ausgesprochene Kündigung als betriebsbedingte Kündigung für wirksam.Sie behauptet hierzu, sie habe am 17.12.2001 die unternehmerische Entscheidung getroffen, ab dem 1.2.2002 nur noch einen Creativ Director zu beschäftigen, wodurch der Arbeitsplatz der Klägerin ersatzlos weggefallen sei. Eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz sei nicht möglich. Die Einsparung eines Creativ Directors sei deshalb realisierbar, da die Arbeitsaufgaben der Klägerin insofern auf den Geschäftsführer Creation sowie den verbleibenden anderen Creativ Director verteilt würden, und zwar soweit es die Kunden- und Personalverantwortung betreffe.

Diese Arbeitsaufgaben könnten sowohl der Geschäftsführer Creation als auch der verbleibende Creativ Director ohne Änderung der täglichen Arbeitszeit miterfüllen.

Die so vorgenommene Umstrukturierung sei deshalb notwendig, so behauptet die Beklagte, weil ein auftragsstarker Kunde der Beklagten mit Beginn 2002 sein Auftragsvolumen um 20 % reduziert habe. Auch bei weiteren Kunden habe es Auftragseinsparungen gegeben. Die Beklagte behauptet weiter, dass von einer Umsatzreduzierung im Bereich der Klägerin von etwa EUR 830.000,00 auszugehen sei.

Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass eine Betriebsratsanhörung vor Ausspruch der Kündigung entbehrlich gewesen sei. Die Klägerin sei nämlich als Leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen.

Hierzu behauptet die Beklagte, dass die Klägerin berechtigt gewesen sei, selbständig und eigenverantwortlich Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Diese Berechtigung ergebe sich bereits aus der konkreten Stellung der Klägerin als Creativ Directorin.

Die Beklagte behauptet weiter, die Klägerin habe diese Rechte auch tatsächlich ausgeübt, denn sie habe zwei Mitarbeiter ohne Rücksprache mit der Geschäftsführung eingestellt und einem Mitarbeiter gekündigt. Außerdem habe sie an den letzten Wahlen des Betriebsrats nicht teilgenommen.

Hinsichtlich des Auflösungsantrags ist die Beklagte der Ansicht, dass das tatsächliche Vorbringen der Klägerin zum Zugang der Kündigung bereits die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertige. Hierzu behauptet die Beklagte, dass das tatsächliche Vorbringen der Klägerin in diesem Zusammenhang bewusst wahrheitswidrig sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klage ist begründet, weil sich die Kündigung der Beklagten vom 31.1.2002 als unwirksam erweist. Diese Kündigung ist unwirksam, weil die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung gegen die betriebsverfassungsrechtliche Anhörungspflicht aus § 102 Abs. l BetrVG verstoßen hat. Gemäß § 102 Abs. l Satz 2 BetrVG ist nämlich eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass vor Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte ein betriebsverfassungsrechtliches Anhörungsverfahren gemäß § 102 Abs. l BetrVG nicht stattgefunden hat. Es bestand aber im vorliegenden Fall eine Anhörungspflicht, insbesondere ist diese nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin Leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen ist. Die Klägerin ist nämlich keine Leitende Angestellte im Sinne des BetrVG.

Dabei ergibt sich die Eigenschaft der Klägerin als Leitende Angestellte im Betrieb der Beklagten nicht aus der Bezeichnung durch die Beklagte im Schreiben vom 1.2.2001. Auch wenn die Beklagte in diesem Schreiben darauf Bezug nimmt, dass die Klägerin in ihrer Position Leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sei, so ist dies für den Ausgang des Rechtsstreits nicht bindend. Als Organisationsvorschrift des BetrVG gehört nämlich die gesetzliche Begriffsbestimmung zum zwingenden Recht (Richard!, BetrVG § 5 Rdnr. 232; FKIIG, § 5 Rdnr. 133). Somit können weder durch Tarifvertrag noch Betriebsvereinbarung noch Arbeitsvertrag oder sonstige Abmachungen andere als die gesetzlichen Voraussetzungen für den Begriff des Leitenden Angestellten festgelegt werden. Gleichwohl getroffene abweichende Vereinbarungen sind nichtig, d.h. von Anfang an unwirksam (B AG vom 5.3.1974, AP Nr. l zu § 5 BetrVG 1972; B AG vom 19.8.1975, AP Nr. l zu § 105 BetrVG 1972).

Auch soweit die Beklagte behauptet hat, dass die Klägerin selbständig Einstellungen und Entlassungen vorgenommen hätte, begründet dies nicht die Eigenschaft der Klägerin als Leitende Angestellte. Insbesondere sind damit noch nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. l erfüllt.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. l BetrVG ist Leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern befugt ist. Diese Doppelbefugnis darf nicht bloß für den Einzelfall oder sporadisch auftauchende Situationen gegeben sein (Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 5 Rdnr. 38; Deubler/Kittner/Klebe, § 5 Rdnr. 200). Das Merkmal der Selbständigkeit bedeutet eben, dass der Angestellte hinsichtlich seiner Befugnis nicht von Dritten abhängig sein darf. Die eigenverantwortliche Entscheidung, wie sie von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. l BetrVG gefordert wird, liegt eben nicht mehr vor, wenn sie intern an gewisse Beteiligungs-Formalia gebunden wird. Die Befugnis zur eigenverantwortlichen Einstellung oder Entlassung muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen, im Innen- und Außenverhältnis bestehen und eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern betreffen. Die Personalbefugnis des Angestellten braucht allerdings nicht gegenüber allen Arbeitnehmern des Betriebes bzw. der Betriebsabteilung bestehen. Ausreichend kann vielmehr auch eine Personalkompetenz gegenüber einem qualitativ bedeutsamen Personenkreis sein. Entscheidend für den Inhalt seiner Personalkompetenz ist deshalb, welche Bedeutung die Tätigkeit der Mitarbeiter, die er einstellt oder entlässt, für das Unternehmen hat. Die Voraussetzungen sowohl des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. l BetrVG als auch § 14 Abs. 2 Satz l KSchG können deshalb auch erfüllt sein, wenn sich die personellen Entscheidungskompetenzen des Angestellten zumindest auf eine abgeschlossene Gruppe beziehen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerische Erfolge, wesentlich ist (BAG vom 27.9.2001, DB 2002, S. 1163,1164 f).

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Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist aber davon auszugehen, dass die Klägerin keine selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. l BetrVG gehabt hat. Die Beklagte hat nämlich in diesem Zusammenhang nur dargelegt, dass die Klägerin 4 Einstellungen vorgenommen haben könnte, sowie ein Kündigungsschreiben unterzeichnet habe. Weiterhin hat die Beklagte, insbesondere in der Kammerverhandlung vom 9.7.2002, darauf Bezug genommen, dass die Tätigkeit eines Creativ Directors wesentlich für Entwicklung und Bestand des Unternehmens ist.

Auch wenn man dieses tatsächliche Vorbringen der Beklagten, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung eines Creativ Directors für das Unternehmen bzw. den Betrieb zugrunde legt, ergibt sich aus diesem tatsächlichen Vorbringen aber nur, dass die Klägerin innerhalb ihrer Gruppe von 10 Mitarbeitern 4 Einstellungen bzw. eine Entlassung vorgenommen haben könnte. Auch wenn man nun zugunsten der Beklagten unterstellt, dass in diesem Zusammenhang die Klägerin die wesentliche Entscheidungsträgerin gewesen sein könnte, so ist aus diesem Vorbringen schon im Ansatz nicht erkennbar, um welche Personengruppen bzw. Mitarbeiterqualifikationen es sich bei den Einstellungen bzw. Entlassungen gehandelt haben könnte. Hinzu kommt noch, dass die Beklagte ein Kündigungsschreiben zu den Akten gereicht hat, aus dem hervorgeht, dass die Klägerin im Außenverhältnis nur zusammen mit dem Geschäftsführer Herrn N kündigungsrelevant gehandelt hat. Des Weiteren ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin eine Mitarbeitergruppe von 10 Arbeitnehmern zu leiten hatte. Da die Beklagte bezogen auf diese 10 Mitarbeiter die Einzelnen Qualifikationsmerkmale bzw. -Stufen nicht im Einzelnen dargelegt hat kann die Kammer die wesentlichen Aufgabenstellungen, deren Bedeutung für Bestand und Entwicklung des Unternehmens nur insoweit erkennen, als es der Creativ Bereich einer Werbeagentur ist. Quantitativ betrachtet; hat die Klägerin eine verhältnismäßig kleine Arbeitsgruppe geleitet. Es ist nämlich zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte im Betrieb in Frankfurt ca. 100 Mitarbeiter beschäftigt, so dass sich die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis der Klägerin ausschließlich auf 1/10 dieser Beschäftigungszahl beziehen würde. Da die Beklagte nicht dargelegt hat, zu welchem Zeitpunkt die 4 Einstellungen bzw. Entlassungen vorgenommen worden sein könnten, welche Aufträge mit welcher Bedeutung von diesen neu eingestellten Mitarbeitern abgearbeitet werden sollten, welchen Auftragsumfang die Klägerin mit den vorgenommenen Einstellungen abzuarbeiten hatte, kann die Kammer nur ersehen, dass es sich um eine vergleichsweise geringe Anzahl von Arbeitnehmern im Betrieb der Beklagten gehandelt hat, die Kammer kann aber nicht ersehen, dass sich die Personalkompetenz der Klägerin auf einen qualitativ bedeutsamen Personenkreis bezogen haben könnte.

Dies macht aber die Rechtsprechung des BAG im zutreffenden Ansatzpunkt zur Voraussetzung der Leitenden Angestellteneigenschaft im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. l BetrVG.

Die Klägerin ist aber auch eine Leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG.

Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist Leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung eines Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besonderer Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst. Dabei muss dem Leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener, erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfugung stehen, d.h. er muss weitgehend weisungsfrei und selbstbestimmt im Rahmen seines Tätigkeitsbereichs agieren können und Kraft seiner Leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben (BAG vom 25.10.2001, 2 AZR 358/00). Es muss sich um einen beachtlichen Teilbereich unternehmerischer Gesamtaufgaben handeln (BAG vom 29.1.1980, l ABR 45/79).

Bezogen auf diese rechtlichen Voraussetzungen ist der Tatsachenvortrag der Beklagten ebenfalls nicht ausreichend. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang nämlich nur dargelegt, dass die Klägerin bezogen auf eine Mitarbeitergruppe von 10 Arbeitnehmern Einstellungs- bzw. Entlassungsbefugnis gehabt haben könnte. Unternehmerische Funktionen und deren Ausübung machen einen Angestellten nur dann zum Leitenden Angestellten, wenn er Aufgaben von einer gewissen Breite und Bedeutung für das Unternehmen wahrnimmt und seine Einwirkungsmöglichkeiten für die Entwicklung von Bedeutung sind. Auch wenn man nun zugunsten der Beklagten unterstellt, insbesondere dabei das tatsächliche Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 9.7.2002 würdigt, dass der Creativ Bereich, der unternehmensentscheidende Bereich in einer Werbeagentur ist, so geht aus diesem tatsächlichen Vorbringen nicht der maßgebliche Einfluss auf die Unternehmensführung durch die Klägerin hervor.

Die Klägerin konnte in diesem für die Beklagte so wichtigem Bereich eben nur ein Team zusammenstellen, hatte die vorgegebenen Aufträge zu bearbeiten und die Projekte zu erfüllen. Damit bezog sich ihre Leitungsbefugnis auf einen Bereich bei der Beklagten, der wohlmöglich in sich abgegrenzt war, aber von den unternehmerischen Vorgaben, insbesondere des Geschäftsführers Creation und des weiteren Geschäftsführers abhängig bzw. vorstrukturiert war. Eine solche Situation begründet aber bei einem Leiter einer 10-köpfigen Mitarbeitergruppe, auch und gerade in einem Betrieb mit ca. 100 Arbeitnehmern, nicht dessen Eigenschaft als leitende Angestellter.

Der Auflösungsantrag der Beklagten ist zurückzuweisen.

Der Auflösungsantrag der Beklagten ist zurückzuweisen, weil er unzulässig ist.

Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. l Satz 2 KSchG bedarf gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG abweichend von dieser Regelung keiner Begründung, wenn die betroffene Arbeitnehmerin Leitende Angestellte im Sinne des § 14 KSchG wäre. Das Gericht hätte daher bei einer sozialwidrigen Kündigung dem Auflösungsantrag des Arbeitgebers selbst dann stattgeben müssen, wenn nach seiner Überzeugung keinerlei Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den beiden Parteien vorliegt. Entscheidend ist aber, daß § 14 KSchG ebenfalls auf das Erfordernis einer sozialwidrigen Kündigung und deren Unwirksamkeit Bezug nimmt (Erfurter Kommentar-Ascheid, § 14 KSchG Rdnr. 17; KR-Rost, § 14 KSchG Rdnr. 37 f). Der Arbeitgeber kann aber eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG in Verbindung mit §’14 KSchG nur verlangen, wenn die Kündigung sozialwidrig ist (Erfurter Kommentar-Ascheid, § 9 KSchG Rdnr. 18). Ist die Kündigung dagegen allein aus anderen Gründen unwirksam, kann er einen Auflösungsantrag nicht stellen (BAG vom 30.1 1.1989, AP Nr. 53 zu § 102 BetrVG; BAG vom 9.10.1979, EZA § 9 Nr. 9; BAG vom 29.1.1981, AP Nr. 6 zu § 9 KSchG; Stahl hacke/Preis/Vossen, Rdnr. 1193, Fußnote 158).

Die Lösungsmöglichkeit des § 9 KSchG bedeutet für den Arbeitgeber eine Vergünstigung, die nur dann in Betracht kommt, wenn eine Kündigung „nur“ sozialwidrig und nicht auch aus anderen Gründen nichtig ist. Dabei reicht es aus, wenn die Kündigung bezogen auf einen Kündigungssachverhalt allein an der Sozialwidrigkeit scheitert. Ob die Kündigung wegen anderer Sachverhalte auch aus anderen Gründen rechtswidrig wäre, ist in einem solchen Fall unerheblich (BAG vom 21.9.2000, DB 2001, S. 48 f).

Da die wie vorstehend dargelegt, die Kündigung sich wegen fehlender Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. l Satz 2 BetrVG als unwirksam erwiesen hat, die Kammer etwaige Sozialwidrigkeitsgründe nicht in den Blick zu nehmen hatte, ist der Auflösungsantrag gemäß § 14 Abs. 2 KSchG in Verbindung mit § 9 Abs. l Satz 2 KSchG unzulässig, damit zurückzuweisen. Im vorliegenden Fall ist nämlich die Kündigung nicht sozialwidrig, sondern gemäß § 102 Abs. l Satz 2 BetrVG unwirksam. In einem solchen Fall billigt allerdings das BAG nach der vorstehend zitierten, zutreffenden Rechtsprechung dem Arbeitgeber die Vergünstigung eines Auflösungsantrags nicht zu.

Es kann deshalb dahinstehen, ob die Klägerin Leitende Angestellte im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG wäre, wobei die Kammer darauf hinweist, dass diese Leitende Angestellteneigenschaft sich nach den gleichen Kriterien beurteilt hätte, die für die Leitende Angestellteneigenschaft gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. l BetrVG gegolten hätte. Gleichfalls kommt es auf die hilfsweise von der Beklagten dargelegten Auflösungsgründe nicht an, weil der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses unzulässig ist.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage im § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. l ZPO, da die Beklagte im vollem Umfang unterlegen ist.

Der Wert des Streitgegenstandes ist im Urteil festzusetzen, § 61 Abs. l ArbGG. Er bestimmt sich im vorliegenden Fall für den Bestandsrechtsstreit gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG auf drei Bruttomonatsgehälter der Klägerin in Höhe von jeweils EUR 7.669,38.

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