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Dachgeschosswohnung – Nutzungsuntersagung – Bebauungsplanänderung

VG Neustadt

Az: 4 K 909/06.NW

Urteil vom 21.09.2006


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Nutzungsuntersagung hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2006 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagungsverfügung samt Zwangsgeldandrohung des Beklagten.

Die Klägerin ist seit 2003 Eigentümerin des mit einem am 14. Januar 1994 genehmigten Reihenendhaus bebauten Grundstücks Flur-Nr…, …weg, in …. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des am 1. April 1993 nach erneuter Ausfertigung in Kraft getretenen Bebauungsplans „Im …“ der Ortsgemeinde …, der es als Teil eines allgemeinen Wohngebiets ausweist. Nach der Ziffer A 1.3. der textlichen Festsetzungen dürfen die Einzelhäuser im allgemeinen Wohngebiet nicht mehr als zwei Wohnungen je Haus enthalten.

In den 1994 genehmigten Bauplänen hatten die Voreigentümer der Klägerin, ihre Eltern, eine Wohnung im Erdgeschoss sowie eine weitere Wohnung im Ober- und Dachgeschoss vorgesehen. Die Räume im Dachgeschoss waren in der Grundrisszeichnung ausgewiesen als „Studio, Kind 2, WC, Dusche, Gast, Abstellraum und Flur“. Bei der ebenfalls in die Bauunterlagen einbezogenen Wohnflächenberechnung waren Ober- und Dachgeschoss zu einer Wohnung zusammengefasst. Die Baugenehmigung enthielt unter Ziffer H 04 den Hinweis, dass die zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans einzuhalten seien.

Nach Fertigstellung des Wohngebäudes im Jahre 1994 vermieteten die Eltern der Klägerin in der Folgezeit das Dachgeschoss an Dritte als selbstständige Wohneinheit. Nachdem der Beklagte im Jahre 2001 dies in Erfahrung gebracht hatte, versuchten die Eltern der Klägerin sowie diese, der das Eigentum an dem Grundstück Flur-Nr… inzwischen übertragen worden war, unter Einschaltung der Verbandsgemeindeverwaltung … eine nachträgliche Legalisierung der Dachgeschosswohnung als selbstständige Wohneinheit durch eine Änderung des Bebauungsplans oder die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Zwei-Wohnungs-Klausel zu erreichen, was aber scheiterte.

Nach mit Schreiben vom 3. November 2003 erfolgter Anhörung erließ der Beklagte am 13. April 2004 gegenüber der Klägerin eine Ordnungsverfügung, mit der er dieser in Ziffer 1 mit sofortiger Wirkung die Eigen- und Fremdnutzung des Dachgeschosses als selbstständige dritte Wohneinheit untersagte. In Ziffer 2 drohte der Beklagte der Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 3000 € an. Zugleich wurde in Ziffer 3 die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 angeordnet.

Der Beklagte erließ unter diesem Datum auch gegenüber den Eigentümern der östlich angrenzenden Reihenhäuser …weg, die ebenfalls selbstständige Wohnungen im Dachgeschoss eingebaut hatten, inhaltsgleiche und für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsverfügungen. Ferner gab der Beklagte mit weiterer Verfügung vom 13. April 2004 den Mietern der Dachgeschosswohnung des Anwesens …weg auf, die gegenüber der Klägerin getroffene Nutzungsuntersagungsverfügung zu dulden.

Nachdem das erkennende Gericht in einem vom Sachverhalt her gleich gelagerten Fall im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren entschieden hatte, dass die Duldungsverfügung gegenüber den Mietern einer illegal genutzten Wohnung offensichtlich rechtswidrig sei, weil die Nutzungsuntersagung unmittelbar gegenüber den Mietern ausgesprochen werden müsse (s. Beschluss der Kammer vom 23. Juli 2004 – 4 L 1750/04.NW -), hob der Beklagte die Duldungsverfügung vom 13. April 2004 gegenüber den Mietern der Klägerin wieder auf und untersagte diesen am 9. März 2005 mit sofortiger Wirkung die widerrechtliche Benutzung der Dachgeschossräume zu Wohnzwecken und gab ihnen die Räumung der Wohnräume im Dachgeschoss auf. Dem kamen die Mieter in der Folgezeit nach.

Die Klägerin erhob am 29. April 2004 gegen den an sie gerichteten Bescheid vom 13. April 2004 Widerspruch, den der Kreisrechtsausschuss des Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2006, der Klägerin zugestellt am 8. Mai 2006, zurückwies.

Mit weiterem Bescheid vom 22. September 2005 erteilte der Beklagte den Eltern der Klägerin eine Genehmigung für die Nutzung des Dachgeschosses als Büro für Freiberufler. Diese Nutzung wurde zum 31. Mai 2006 wieder aufgegeben.

Gegen die Ordnungsverfügung vom 13. April 2004 hat die Klägerin am 8. Juni 2006 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Dachgeschosswohnung sei vom Beklagten im Jahre 1994 genehmigt worden, so dass bereits keine formelle Illegalität vorliege. Im Übrigen sei die Nutzungsuntersagungsverfügung ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig, da der Beklagte nicht gleichmäßig gegen Verstöße gegen den Bebauungsplan einschreite.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 13. April 2004 sowie den Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er führt aus, die Nutzung des Dachgeschosses als selbstständige Wohnung sei nicht von der Baugenehmigung aus dem Jahre 1994 gedeckt. Die Klägerin habe auch keinen Befreiungsanspruch in Bezug auf die Zwei-Wohnungs-Klausel. Die Verfügung stehe auch mit dem Gleichheitssatz in Einklang. Er, der Beklagte, habe sämtliche Hinweise auf Verstöße gegen die Zwei-Wohnungs-Klausel in dem Baugebiet „Im …“ aufgegriffen und verfolge konsequent gleichartige Baurechtsverstöße in einem bestimmten, nach sachgerechten Gesichtspunkten abgegrenzten Gebiet. Baurechtsverstöße, die mit der Zwei-Wohnungs-Klausel nichts zu tun hätten, könnten mit den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der hier zu beurteilenden Nutzungsuntersagung nicht in Verbindung gebracht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Schriftsätze, der Verwaltungsakten und der Niederschrift vom 21. September 2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage kann in der Sache keinen Erfolg haben. Der Bescheid vom 13. April 2004 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2006 sind rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten
(§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Beklagte hat der Klägerin in Ziffer 1 des Bescheids vom 13. April 2004 „die Ei-gen- und Fremdnutzung“ der Dachgeschossräume in dem Anwesen …weg 9 in … als selbstständige dritte Wohneinheit mit sofortiger Wirkung untersagt. Zwar enthält eine so formulierte Verfügung gegenüber dem Eigentümer nach der Rechtsprechung der Kammer grundsätzlich das Verbot der Fremdnutzung durch die derzeitigen Mieter, das Verbot der Selbstnutzung der Wohnungen durch den Eigentümer im Anschluss an die Räumung der Wohnungen durch die Mieter sowie das Verbot, die nach Aufgabe der Nutzung durch die Mieter freiwerdenden Wohnungen nicht mehr durch Dritte zu Wohnzwecken nutzen zu lassen (s. Beschluss vom 23. Juli 2004 – 4 L 1673/04.NW -, juris). Dabei ist das an den Eigentümer gerichtete Nutzungsverbot durch den in der betreffenden Wohnung lebenden Mieter regelmäßig rechtswidrig, da es nicht geeignet ist, die rechtswidrige Wohnnutzung durch den Mieter zu beenden und damit den Zweck zu erfüllen, den die Bauaufsichtsbehörde mit ihr verbunden hat (Beschluss der Kammer vom 23. Juli 2004, a. a. O. m. w. N.; s. ebenso OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. Juni 2006 – 1 B 10586/06.OVG -).

Da es zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ziffer 1 des Bescheids vom 13. April 2004 hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Rechtsgrundlage aber auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2006 ankommt, weil es sich bei einer Nutzungsuntersagung um einen sog. Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. VGH Baden-Württemberg, GewArch 2003, 496, 497), beschränkt sich der Regelungsgehalt der streitgegenständlichen Verfügung infolge des Umstands, dass die Mieter nach Erlass des Bescheids aus der Dachgeschosswohnung ausgezogen sind, auf das an die Klägerin gerichtete Verbot, die Räume im Dachgeschoss selbst als eigenständige Wohnung zu nutzen sowie die nach Aufgabe der Nutzung durch die Mieter freigewordene Wohnung im Dachgeschoss nicht erneut an Dritte zu vermieten.

Rechtsgrundlage für den Erlass des hier verfügten präventiven Nutzungsverbots ist die Vorschrift des § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO (vgl. Schmidt in: Jeromin/Schmidt/Lang, Kommentar zur LBauO Rheinland-Pfalz, 2005, § 59 Rdnr. 21; VG Neustadt, Beschluss vom 11. Mai 2000 – 4 L 558/00.NW – juris). Danach haben die Bauaufsichtsbehörden u. a. bei der Nutzung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die bau-rechtlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden; sie haben zu diesem Zweck nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind hier gegeben.

Eine Nutzung der in der Verfügung genannten Räume im Dachgeschoss des Wohngebäudes …weg 9 in … als selbstständige Wohnungseinheit durch die Klägerin oder Dritte wäre formell illegal, da es an der gemäß §§ 66, 62 Abs. 2 Nr. 5 a LBauO hierfür erforderlichen Baugenehmigung fehlt. Entgegen der Behauptung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin erlaubt die der Klägerin erteilte Baugenehmigung vom 14. Januar 1994 eine selbstständige Wohnnutzung im Dachgeschoss nicht. Denn in den der Baugenehmigung zugrunde liegenden Bauplänen und Wohnflächenberechnungen wird das Erdgeschoss als „Wohnung 1″ und das Obergeschoss und das Dachgeschoss zusammen als „Wohnung 2″ bezeichnet. Aus der Grundrisszeichnung ergibt sich im Übrigen mit hinreichender Deutlichkeit, dass es sich bei den Räumen im Dachgeschoss nicht um eine eigenständige Wohnung handelte. Denn die Räume waren ausgewiesen als „Studio, Kind 2, WC, Dusche, Gast, Abstellraum und Flur“, also als Annex zu der Wohnung im Obergeschoss. Schließlich ergab sich aus dem Hinweis H 04 in der Baugenehmigung eindeutig, dass die zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans einzuhalten seien.

War somit die Nutzung des Dachgeschosses des Anwesens …weg 9 in … als selbst-ständige Wohneinheit nicht von der Baugenehmigung vom 14. Januar 1994 umfasst, so liegt formelle Illegalität vor. Nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (BauR 1997, 103 und Beschluss vom 23. Juni 2006 – 1 B 10586/06.OVG -; ebenso Sächs.OVG, SächsVBl. 2001, 248 und OVG Nordrhein-Westfalen, BRS 60 Nr. 165; aA VGH Baden-Württemberg, VBlBW 2004, 181, 185, wonach mit Rücksicht auf Art. 14 GG stets die materielle Baurechtswidrigkeit zu prüfen ist), der die Kammer folgt (s. z.B. Urteil vom 14. Juli 2005 – 4 K 1053/05.NW -), kann die Nutzung einer baulichen Anlage regelmäßig bereits dann untersagt werden, wenn sie nicht genehmigt ist. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die ungenehmigte Nutzung auch gegen materiell-rechtliche Vorschriften verstößt. Da nach § 81 Satz 1 LBauO eine Nutzungsuntersagung aber nur ergehen darf, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können, ist eine solche Anordnung nur erlaubt, wenn nicht offensichtlich eine beantragte Nutzungsgenehmigung erlassen werden muss (OVG Rheinland-Pfalz a. a. O.; Sächs. OVG, BRS 58 Nr. 203; OVG Nordrhein-Westfalen, BRS 60 Nr. 165). Damit wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Vorschrift Rechnung getragen, der im Übrigen im Rahmen der Ermessenentscheidung ebenso zu berücksichtigen ist wie sonstige Umstände, die im Einzelfall eine Nutzungsuntersagung nur bei formeller Illegalität verbieten können (z.B. langjährige Duldung, Vertrauensschutzgesichtspunkte).

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Nach Auffassung der Kammer ist die Nutzung des Dachgeschosses des o. g. Anwesens als selbstständige dritte Wohneinheit durch die Klägerin oder potentielle Mieter aber nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Denn sie widerspricht der Ziffer A 1.3. der textlichen Festsetzungen des hier maßgeblichen Bebauungsplans „Im …“ der Ortsgemeinde …, der bei Einzelhäusern im allgemeinen Wohngebiet als Obergrenze zwei Wohnungen festsetzt. Soweit die Klägerin die Notwendigkeit der Zwei-Wohnungs-Klausel im Geltungsbereich des Bebauungsplans bestreitet und darauf verweist, durch die Zulassung von Räumen für Freiberufler in den von der Zwei-Wohnungs-Klausel erfassten Gebäuden werde der angebliche Zweck dieser Klausel, eine Verdichtung der Wohnbebauung zu verhindern, gerade nicht erreicht, ist darauf hinzuweisen, dass dies für die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Nutzungsuntersagungsverfügung ohne Bedeutung ist. Zunächst gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bebauungsplan durch die tatsächliche Entwicklung des Baugebiets hinsichtlich der Zwei-Wohnungs-Klausel funktionslos geworden sein könnte. Ferner wären eventuelle Abwägungsfehler – die hier im Mittelpunkt stehende Festsetzung der Zwei-Wohnungs-Klausel durch den Gemeinderat bedarf der vorherigen Abwägung und kommt somit als potentieller Abwägungsfehler in Betracht – hier unbeachtlich. Denn ebenso wie im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO sind im Rahmen der Inzidentprüfung eines Bebauungsplans durch das Verwaltungsgericht die Fristen zur Rüge von Abwägungsfehlern zu beachten sind (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 16. Mai 2003 – 2 B 23.98 –, juris; VG Neustadt, Urteil vom 1. Dezember 2005 – 4 K 1388/05.NW -, juris). Diese wären hier aber seit längerer Zeit versäumt.

Für den Erlass eines präventiven Nutzungsverbots bestand vorliegend auch hinreichend Anlass, denn die Klägerin hat sich in der Vergangenheit nicht an die gesetzlichen Vorschriften gehalten und möchte auch in Zukunft das Dachgeschoss als selbstständige Wohnung nutzen oder durch Dritte nutzen lassen. Der Beklagte muss daher nicht zuwarten, bis der gesetzeswidrige Zustand wieder eingetreten ist.

Die Ermessensentscheidung des Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin einwendet, der Beklagte verstoße in ihrem Fall gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs.1 GG, weil er gegen vergleichbare Bauvorhaben in der näheren Umgebung nicht einschreite, so kann dem nicht gefolgt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Nutzungsuntersagungsverfügung ebenso wie eine Beseitigungsanordnung von dem Betroffenen nicht allein mit dem Argument abgewehrt werden kann, die Behörde gehe gegen Baurechtsverstöße in vergleichbaren anderen Fällen nicht vor; denn Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (BVerwGE 92, 153). Dieser Grundsatz entbindet die Bauaufsichtsbehörde indes nicht von der Verpflichtung, ihre bauordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich auch am Gleichheitssatz auszurichten. Aus Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich die Forderung ableiten, das eingeräumte Ermessen in gleich gelagerten Fällen gleichmäßig, d.h. nicht ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos auszuüben (Vgl. BVerwG, BRS 60 Nr.163). Daraus folgt jedoch nicht, dass die Behörde verpflichtet wäre, gleichsam schlagartig gegen alle illegalen Vorhaben vorzugehen, da dieses ihre Verwaltungskraft übersteigen würde. Die Bauaufsichtbehörde darf sich – etwa in Ermangelung ausreichender personeller oder sachlicher Mittel – auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (BVerwG, BauR 1999, 734; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. November 2003 – 1 A 10353/03.OVG – ). Der Vorwurf der Willkür ist ihr erst dann zu machen, wenn sie ohne Konzept und ohne sachlichen Grund allein Maßnahmen gegen einen Betroffenen ergreift (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Februar 1993 – 8 A 11479/91.OVG – ; BVerwG, BRS 57 Nr. 248). Eine Selbstbindung der Behörde tritt aber noch nicht ein, wenn die Bauaufsichtsbehörde in einigen wenigen Fällen baurechtswidrige Zustände duldet. Ein Sanierungskonzept ist nur in besonderen Fallkonstellationen erforderlich, die dadurch gekennzeichnet sind, dass auf engem Raum eine Vielzahl von illegalen baulichen Anlagen vorhanden ist und die Behörde sich schlüssig werden muss, ob diese Anlagen nachträglich etwa durch den Erlass oder die Änderung eines Bebauungsplanes legalisiert werden können oder ob und in welcher Reihenfolge hiergegen vorgegangen werden soll (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Juni 2003 – 1 E 10690/03.OVG – und Beschluss vom 5. Oktober 2005 – 8 A 11129/05.OVG – . Bestehen aber konkrete Anhaltspunkte dafür, dass in dem betreffenden Gemarkungsbereich bezüglich der Baurechtsmäßigkeit vorhandener Bauten insgesamt eine problematische Situation gegeben ist, muss die Bauaufsichtsbehörde ein planvolles Eingriffs-, Heilungs- und Sanierungskonzept hinsichtlich aller im betreffenden Gebiet vorhandenen unzulässigen baulichen Anlagen erarbeiten. Kommt sie dem nicht nach, muss ihr Vorgehen gegen ein einzelnes Vorhaben als systemlos und willkürlich erscheinen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Dezember 1999 – 1 A 10091/98.OVG -). Ein sachlicher Grund liegt dagegen vor, wenn sich die Bauaufsichtsbehörde für ihr differenziertes Vorgehen auf die Auswahl eines „Musterfalles“ beruft (BVerwG, NVwZ-RR 1992, 360). Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, eine allgemeingültige zeitliche Grenze für ein unter-schiedliches Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände ergebe sich aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz nicht. Danach muss eine „temporäre Ungleichbehandlung“ bei Ordnungsverfügungen über einen Zeitraum von 10 Jahren nicht gegen Art. 3 Abs.1 GG verstoßen (BVerwG, BRS 58 Nr. 209).

In Anwendung dieser Grundsätze liegt hier kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der Kammer ist aus mehreren Verfahren bekannt (s. etwa die Verfahren 4 K 1097/05.NW; 4 L 200/06.NW; 4 K 907/06.NW), dass der Beklagte im näheren Umfeld des Anwesens der Klägerin seit 2004 gegen sämtliche Eigentümer vorgeht, die sich nicht an die Zwei-Wohnungs-Klausel des Bebauungsplans „Im …“ gehalten haben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zu den Gerichtsakten gereichten Liste über vermeintliche Baurechtsverstöße im Geltungsbereich des Bebauungsplans. Soweit in den Jahren zuvor vereinzelt Befreiungen erteilt worden sind, führt dies nicht zu einem Ermessensfehler. Maßgebend ist allein die heutige Verfahrenspraxis des Beklagten, die darauf ausgerichtet ist, rechtmäßige Zustände herzustellen. Auch soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung moniert hat, es lägen weitere Baurechtsverstöße im Bebauungsplangebiet wie z.B. die Nichteinhaltung der Grund- oder Geschossflächenzahl vor, kann dies ihrer Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zunächst gleichmäßig gegen Verstöße gegen die Zwei-Wohnungs-Klausel vorgeht und sich erst anschließend anderen Baurechtsverstößen zuwendet.

Ohne Relevanz für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ziffer 1 des Bescheids vom 13. April 2004 ist der weitere Einwand der Klägerin, die Nutzungsuntersagungsverfügung sei unverhältnismäßig, weil als milderes Mittel ein Nutzungsverbot auch erst nach Ablauf des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Mietverhältnisses hätte ausgesprochen werden können. Der Frage, ob Mietern, die im Besitz eines unbefristeten Mietvertrages sind, die Nutzung einer nach öffentlichem Recht nicht legalisierten Wohnung mit sofortiger Wirkung untersagt werden kann oder ob diesen eine angemessene Räumungsfrist einzuräumen ist (näher dazu s. VG Neustadt, Beschluss vom 23. Juli 2004 – 4 L 1750/04.NW -), kommt im vorliegenden Verfahren indessen keine Bedeutung zu. Denn diese Frage ist allein im Verhältnis zwischen Bauaufsichtsbehörde und Mietern zu beantworten.

Die in Ziffer 2 des Bescheids vom 14. März 2004 verfügte Zwangsmittelandrohung ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 66 i. V. m. § 64 LVwVG. Die Zwangsgeldandrohung ist inhaltlich hinreichend bestimmt. Eine gesonderte Fristbestimmung in Ziffer 2 des Bescheids war entbehrlich, da eine solche in Bezug auf den Inhalt der Verfügung gemäß § 66 Abs.1 Satz 3 Halbsatz 2 LVwVG nicht bestimmt zu werden braucht (erforderlich ist eine Fristsetzung, wenn eine Nutzungsuntersagung mit einer Räumungsanordnung verbunden wird) und im Übrigen eine Frist bereits in der Ziffer 1 der Verfügung enthalten ist. Dem Fristsetzungserfordernis ist auch dann Genüge getan, wenn die Frist nicht als vollstreckungsrechtliche Frist, sondern als materiell-rechtliche Frist als Teil der Grundverfügung formuliert ist (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 26.09.1996 – 4 UE 434/95 -; ebenso Brühl, JuS 1997, 926, 929).

Auch ist die Androhung eines Zwangsgeldes der Höhe nach nicht zu beanstanden. Nach § 64 Abs. 2 Satz 2 LVwVG beträgt dessen Höhe mindestens 5 € und höchstens 5.000 €. Die vorgesehene Zwangsgeldobergrenze stellt einen Höchstsatz dar, der nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur unter besonderen Voraussetzungen und in der Regel erst nach Wiederholung des Zwangsmittels auszuschöpfen ist. Bei der in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellten Bemessung der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist danach in erster Linie auf die Wichtigkeit des ordnungsbehördlichen Zwecks abzustellen und die wirtschaftliche Lage des Pflichtigen zu berücksichtigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, AS 22, 327). Hiernach ist die Androhung eines Betrages in Höhe von 3.000 € nicht ermessensfehlerhaft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO.

Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.

 

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