Kammergericht Berlin
Az: 8 U 121/08
Urteil vom 01.12.2008
In dem Rechtsstreit hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2008 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. Mai 2008 verkündete Urteil der Zivilprozessabteilung 4 des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Dachterrasse auf dem Quergebäude des Hauses … in zu nutzen.
Die Kosten der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
Die gemäß § 265 Abs. 1 ZPO zulässige Feststellungsklage der Klägerin ist begründet.
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Dachterrasse auf dem Quergebäude des Hauses … in zu nutzen.
Entgegen der vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung hat die Beklagte gegen die Klägerin keinen vertraglichen Anspruch auf Nutzung der Dachterrasse. Die Dachterrasse ist ausweislich der unter § 1 des Mietvertrages vom 18. Januar 1996 getroffenen Vereinbarung nicht Mietgegenstand, denn sie ist bei der Beschreibung des Mietgegenstandes nicht mitaufgeführt. Die Dachterrasse ist auch nicht über Ziffer 13.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen Vertragsgegenstand geworden. Gemäß Ziffer 13.2 ist der Mieter berechtigt, vorhandene Gemeinschaftseinrichtungen, wie Aufzug, Waschküche, Trockenräume, Fahrradkeller usw. mitzubenutzen. Zwar ist die Aufzählung der Gemeinschaftseinrichtungen in Ziffer 13.2 nicht abschließend, die Dachterrasse ist aber nicht als Gemeinschaftseinrichtung zu bewerten, weil sie jedenfalls bislang unstreitig nicht allen Mietern des Hauses … in , sondern über Jahre ausschließlich den Bewohnern des Quergebäudes zur Nutzung zur Verfügung stand. Die übrigen Mieter waren von der Nutzung ausgeschlossen, weil ihnen ein Schlüssel nicht zur Verfügung stand. Zudem handelt es sich bei Dachterrassen, die anders als Aufzüge, Waschküchen, Trockenräumen und Fahrradkeller, im allgemeinen nicht von allen Mietern genutzt werden, eben nicht um Flächen, die typischer Weise als Gemeinschaftseinrichtung eingeordnet werden.
Dem Amtsgericht kann auch nicht gefolgt werden, soweit es in der angefochtenen Entscheidung ausführt, dass die Dachterrasse der Beklagten deshalb vertraglich zur Nutzung überlassen worden sei, weil sie unbestritten vorgetragen habe, dass ihr bei Mietvertragsabschluss vermieterseits mitgeteilt worden sei, dass die Terrasse als Gemeinschaftseinrichtung zur Verfügung stehe. Die Klägerin hat diese Behauptung in der Berufungsbegründung bestritten. Sie ist mit diesem Bestreiten nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Nachdem das Amtsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2008 auf die Entscheidung des Senates (GE 2007, 291), wonach eine Gestattung frei widerruflich ist, hingewiesen hat, konnte die Klägerin davon ausgehen, dass das Amtsgericht jedenfalls nicht von einer vertraglich vereinbarten Nutzung ausgeht und hatte daher auch keine Veranlassung die behauptete Vereinbarung zu bestreiten. Zwar will das Amtsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils einen Hinweis erteilt haben, dass der Hinweis vom 13. Februar 2008 nur alternativ erteilt worden sei. Dieser Hinweis wird aber von der Klägerin bestritten. Er ergibt sich nicht aus den Akten und insbesondere auch nicht aus den Protokollen zur mündlichen Verhandlung. Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten, wie auch etwaige Hinweise gemäß § 139 ZPO, kann gemäß § 165 Satz 1 ZPO nur durch das Protokoll bewiesen werden (Zöller, ZPO, 26. Auflage, § 314, Rdnr. 4). Es ist daher davon auszugehen, dass ein entsprechender Hinweis nicht erteilt worden ist. Da die Beklagte trotz des Bestreitens der Klägerin für die behauptete Vereinbarung keinen Beweis angetreten hat, ist gemäß § 125 BGB von der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Mietvertrages auszugehen (Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Auflage, § 125, Rdnr. 15). Dieser führt aber, wie dargelegt, die Dachterrasse nicht als Vertragsgegenstand auf.
Dass die Nutzung der Dachterrasse vertraglich vereinbart worden sei, ergibt sich im Übrigen auch nicht aus den von der Beklagten zu den Akten gereichten Schreiben der Hausverwaltung vom 2. Februar 2007, 25. September 1996, 18. Juli 1997 und 21. Juni 2006. Aus diesen Schreiben ergibt sich lediglich, dass verschiedene Mieter des Hauses zur Nutzung der Dachterrasse berechtigt waren. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage die Nutzung erfolgte und dass es sich bei der Dachterrasse um eine Gemeinschaftseinrichtung im Sinne von Ziffer 13.2 der allgemeinen Vertragsbedingungen handelte, lässt sich diesen Schreiben nicht entnehmen.
Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin die Nutzung der Dachterrasse durch die Beklagte gestattet hat, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein. Die Klägerin hat diese Gestattung der Nutzung unstreitig im Oktober 2006 gegenüber der Beklagten widerrufen.
Hierzu war sie auch berechtigt. Fehlt es – wie hier – an einer vertraglichen Regelung der Nutzung einer Fläche, so ist die Gestattung – egal ob diese – wie hier – ausdrücklich oder stillschweigend durch bloße Duldung erteilt worden ist – frei widerruflich (KG, WuM 2007, 68; Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 4. Auflage, § 535, Rdnr. 26; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, III B, Rdnr. 1225; LG Wuppertal, WuM 1996, 267). Dem Widerruf der Gestattung steht auch nicht § 242 BGB entgegen. Nach dem Vortrag der Klägerin will diese die Dachterrasse künftig gewerbsmäßig nutzen und den Bewohnern des Hauses nur noch gegen Zahlung eines Entgeltes zur Verfügung stellen. Hierbei handelt es sich um ein berechtigtes Interesse der Klägerin. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Beweggrund nur vorgeschoben sei, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich nichts Gegenteiliges aus dem von der Beklagten eingereichten Schreiben der Hausverwaltung vom 2. Februar 2007. Der Umstand, dass die Dachterrasse 2007 vorübergehend für bautechnische Untersuchungen geräumt werden musste, schließt nicht aus, dass die Klägerin eine wirtschaftliche Verwertung der Dachterrasse beabsichtigt.
Die erkennende Einzelrichterin hat keine Veranlassung gesehen, den Rechtsstreit dem Berufungsgericht zur Entscheidung über die Übernahme vorzulegen, da weder sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben haben (§ 526 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO), noch die Parteien dies übereinstimmend beantragt haben (§ 526 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO).
Der Senat weicht entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht von der Entscheidung des OLG Karlsruhe (WuM 1983, 166) ab. Nach der Entscheidung des OLG Karlsruhe wird der bisherige Vertrag in der Regel nur ergänzt, wenn ein Vermieter einer Wohnung seinem Mieter später eine auf dem Hausgrundstück gelegene Garage vermietet und zwar selbst dann, wenn dies erst nach Jahren geschieht und eine ausdrückliche Einbeziehung in den bisherigen Mietvertrag nicht erfolgt. Der von dem OLG Karlsruhe entschiedene Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden ganz grundsätzlich. Vorliegend haben die Parteien weder im ursprünglichen Mietvertrag noch später einen Vertrag über die Nutzung der Dachterrasse geschlossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.
Der Senat weicht, wie bereits dargestellt, nicht von der Entscheidung des OLG Karlsruhe (WuM 1983, 166) ab.
Ebenso wenig weicht er von der Entscheidung des Amtsgerichtes Hamburg (WuM 2008, 332) ab, wonach ein Abstellraum dadurch Gegenstand eines Mietvertrages werden soll, dass der Vermieter dem Mieter den einzigen Schlüssel aushändigt und die Nutzung über einen mehrjährigen Zeitraum zulässt. Vorliegend geht es nicht um die ausschließliche Nutzung eines Raumes durch einen Mieter, sondern um die Nutzung einer Fläche durch mehrere Mieter. Außerdem ist der Klägerin erst am 21. Juni 2006 ein Schlüssel ausgehändigt worden. Bereits am 19. Oktober 2006, also knapp vier Monate später, ist sie bereits wieder zur Räumung aufgefordert worden. Von einer mehrjährigen Schlüsselüberlassung kann daher keine Rede sein.