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Darlehen vom Dienstherren für die Rechtsverteidigung in einem Ermittlungsverfahren

VERWALTUNGSGERICHT MAINZ

Az.: 7 L 738/01.MZ

BESCHLUSS vom 02.10.2001


In dem Verwaltungsrechtsstreit w e g e n Beamtenrechts (Rückforderung) hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der Beratung vom 02. Oktober 2001, beschlossen:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 26. Juni 2001 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 20.000,– DM festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26. Juni 2001, durch den der Antragsgegner unter Anordnung des Sofortvollzugs die Rücknahme der mit Bescheid vom 16. April 1997 zugestandenen Rechtsschutzgewährung verfügt hat, hat Erfolg.

Der angefochtene Bescheid ist aufgrund der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage rechtswidrig, so dass kein überwiegendes öffentliches Interesse an dessen Vollziehung anerkannt werden kann.

Mit dem Bescheid vom 26. Juni 2001 hat der Antragsgegner den Bescheid vom 16. April 1997, durch den dem Antragsteller zur Bestreitung der Kosten der Rechtsverteidigung im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren (Staatsanwaltschaft X) ein zinslos zurückzuzahlendes Darlehen gewährt wurde, zurückgenommen. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß §§ 1 Abs. 1 LVwVfG/48 Abs. 1 VwVfG ein (unanfechtbarer) Verwaltungsakt zurückgenommen werden kann, liegen jedoch nicht vor. Es fehlt bereits daran, dass der zurückzunehmende Bescheid – hier der Bescheid vom 16. April 1997 – rechtswidrig ist. Maßgeblich sind insoweit allein die tatsächlichen und rechtlichen Umstände im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides, um dessen Rücknahme es geht (vgl. hierzu Kopp, Kommentar. zum VwVfG, 7. Auflage, § 48/33 ff.).

Der Bescheid vom 16. April 1997 ist im Einklang mit den die Fürsorgepflicht (§ 87 LBG) konkretisierenden Bestimmungen der Verwaltungsvorschrift über den Rechtsschutz für Landesbedienstete vom 21. Februar 1991 (MinBl. S. 98) ergangen (zur Bindungswirkung dieser Verwaltungsvorschriften vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Juni 2000 – 2 A 10283/00 – in NVwZ – RR 01 S. 115 -). Im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 16. April 1997 lagen die Voraussetzungen der Nr. 1 VV offensichtlich vor: Es steht außer Frage, dass der dem Antragsteller gemachte Tatvorwurf – Bestechlichkeit (§ 332 StGB) befindet sich im 30. Abschnitt des StGB, „Straftaten im Amt“ – ein Verhalten zum Gegenstand hat, dass mit seiner dienstlichen Tätigkeit als Polizeibeamter im Zusammenhang steht.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liegen auch die Voraussetzungen der Nr. 1.3 Satz 1 VV vor, dass nämlich an einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung ein dienstliches Interesse bestand. Der Antragsgegner hat unter Berücksichtigung der Angaben des Antragstellers in seinem Antrag vom 26. März 1997 auf Rechtsschutzgewährung ein solches dienstliches Interesse zu Recht angenommen. Zwar lagen nicht die Voraussetzungen der Regelvermutung der Nr. 1.3 a Satz 2 VV vor, weil der dem Antragsteller gemachte Tatvorwurf nicht im Zusammenhang mit der Wahrnehmung hoheitlicher Vollzugs- oder Vollstreckungsaufgaben (vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz a.a.O.) stand. Andererseits lagen aber auch nicht die Voraussetzungen vor, unter denen nach der ständigen Verwaltungspraxis rheinland-pfälzischer Polizeibehörden ein dienstliches Interesse an einer Rechtsverteidigung zu verneinen ist, nämlich dann, wenn Straftaten nach dem 30. Abschnitt des StGB in Rede stehen u n d wenn die Behörde das Ermittlungsverfahren selbst eingeleitet hat (vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz a.a.O.). An der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es.

Unter Zugrundelegung der Angaben des Antragstellers in seinem Antrag vom 26. März 1997 konnte auch nicht von einem die Rechtsschutzgewährung gemäß Nr. 1.3 Satz 2 VV ausschließendem „offenkundigen schweren Verschulden“ ausgegangen werden. Vielmehr war danach in der Tat von der keineswegs fernliegenden Möglichkeit, dass der Antragsteller Opfer eines Rachekomplotts aus dem Rotlichtmilieu geworden war, auszugehen.. Von daher lagen auch nicht die Voraussetzungen vor, unter denen die Versagung des Rechtsschutzes durch den Dienstherrn sich auch dann als rechtmäßig darstellt, wenn der Ausgang des Strafverfahrens nicht absehbar ist und wenn der Dienstherr das Ermittlungsverfahren selbst eingeleitet hat (vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz a.a.O.). Hinsichtlich des Ablaufs des Strafverfahrens war vielmehr durchaus die Annahme berechtigt, dass im Ermittlungs- oder spätestens im gerichtlichen Strafverfahren sich die Unschuld des Antragstellers erweisen werde, auch wenn insoweit in Anbetracht der Schwierigkeit der Beweisaufnahme eine absolut sichere Einschätzung des Ausgangs des Verfahrens naturgemäß nicht möglich war. Wie bereits dargelegt, fehlt es jedenfalls auch daran, dass der Dienstherr das Strafverfahren selbst eingeleitet hat.

Lagen demnach im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 16. April 1997 die Voraussetzungen vor, unter denen nach der Verwaltungsvorschrift Rechtsschutz zu gewähren ist und stellt sich der Bescheid vom 16. April 1997 mithin als rechtmäßig dar, ist für eine Rücknahme dieses Bescheides gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG kein Raum. Es gibt daher – derzeit – auch keine Rechtsgrundlage für das auf § 49 a VwVfG gestützte Erstattungsverlangen des Antragsgegners. Der Antragsgegner ist auch nicht berechtigt, die offenbar zum Teil noch nicht beglichene Kostenrechnung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers für das gerichtliche Strafverfahren (erster Instanz) zu verweigern. Insoweit sei zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner die zunächst nur für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren zugesagte Rechtsschutzgewährung später auf das strafgerichtliche Verfahren erweitert hat (Schreiben an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 13. September 2000, Bl. 102 der Verwaltungsakten).

Soweit der Antragsgegner demgegenüber im anfochtenen Bescheid insbesondere unter Hinweis auf den Inhalt des Beschlusses der Strafkammer über die Anordnung der Untersuchungshaft vom 11. Mai 2001 geltend macht, der Antragsteller habe unter Verstoß gegen die Wahrheitspflicht in seinem Antrag vom 26. März 1997 die Tatvorwürfe bestritten und nur deshalb sei auch ein dienstliches Interesse an der Rechtsverteidigung angenommen worden, verkennt der Antragsgegner, dass der Antragsteller – auch in Ansehung des inzwischen ergangenen Urteils der Strafkammer des Landgerichts vom 30.08.2001 – nicht als Tatvorwürfe Überführter behandelt werden kann, nachdem dieses Urteil nicht rechtskräftig geworden ist. Bis zur Rechtskraft des Urteils hat auch der Antragsgegner unter Berücksichtigung des Rechtsstaatsgebotes davon auszugehen, dass der Antragssteller unschuldig ist.

Sollte es tatsächlich zu einer – rechtskräftigen – Verurteilung des Antragstellers kommen, besteht ohnehin gemäß Nr. 2 VV die Pflicht des Antragstellers zur Rückzahlung des Darlehens. Wenn die VV nur in diesem (und den anderen in Nr. 2 VV genannten Fällen) die Rückzahlungsverpflichtung entstehen lässt, bedeutet dies gleichzeitig, dass vor einer – rechtskräftigen – Verurteilung des Beamten kein Raum für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheids und ein Rückzahlungsbegehren wegen angeblich unrichtiger Angaben zur Berechtigung des Tatvorwurfs besteht. Vielmehr geht auch die Verwaltungsvorschrift offensichtlich davon aus, dass die endgültige Klärung der Berechtigung des Tatvorwurfs im strafgerichtlichen Ermittlungs- oder Strafverfahren erfolgt und es sich von daher verbietet, bereits vor dem – rechtskräftigen – Abschluss des Strafverfahrens rechtliche Konsequenzen bezüglich der erfolgten Rechtsschutzgewährung zu ziehen, soweit es sich um die Frage nach der Berechtigung des Tatverdachts handelt. Die VV nimmt damit ersichtlich in Kauf, dass auch in solchen Fällen eine Rechtsschutzgewährung erfolgen kann, in denen sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beamten – entgegen den Erwartungen des Dienstherrn – im Strafverfahren herausstellt. Der für diesen Fall vorgesehene Rückzahlungsanspruch stellt sich insoweit gegenüber den Möglichkeiten nach § 48 Abs. 1/49 a VwVfG als speziellere Regelung dar, so dass nur dann eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides rechtlich möglich ist, wenn der zugrundeliegende Verwaltungsakt durch unrichtige Angaben des Beamten, die sich nicht auf den Tatvorwurf beziehen, erwirkt worden ist (vgl. hierzu den vom Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall).

Dem Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 13 Abs. 2, 20 Abs. 3 GKG (= die Hälfte des Rückforderungsbetrages).

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