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Kündigung (fristlose): bei versuchten bzw. vollendetem Datenmissbrauch

Arbeitsgericht Hannover

Az.: 10 Ca 250/01

Verkündet am 10.01.2002


In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht in Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 10.01.2002 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 2 6.419,27 festgesetzt.

Tatbestand:

Streitgegenstand der am 06.04.2001 erhobenen Klage ist ein Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 28.02.2001 hinaus unverändert fortbesteht (bei Unwirksamkeit des zwischen den Parteien am 26./27.02.2001 vereinbarten Aufhebungsvertrages).

Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 09./28.09.1993 beschäftigt (ab 01.11.1993), davor aufgrund drei aufeinander folgender befristeter Anstellungsverträge seit 04.05.1992. Der Kläger ist am 26.11.1957 geboren und aufgrund der genannten Verträge bei der Beklagten als Lagerist in deren Niederlassung Hannover (Regionversorgungslager) beschäftigt.

Die Parteien vereinbarten am 26./27.02.2001 eine Ausscheidungsvereinbarung, wonach der Kläger unter Abwicklung des Anstellungsverhältnisses mit sofortiger Wirkung (zum 28.02.2001) im gegenseitigen Einvernehmen ausschied (Ziff. 1 der Ausscheidungsvereinbarung – Bl. 13 d.A.). Auf den weiteren Inhalt dieser Vereinbarung wird Bezug genommen.

Der Kläger hat seine die Vereinbarung begründende Willenserklärung mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.03.2001 wegen angeblich widerrechtlicher Drohung der Beklagten mit einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung angefochten (B1. 14/17 d.A. – Anfechtung gemäß § 123 BGB).

Die Beklagte hat mit Antwortschreiben vom 07.03.2001 (B1. 18 d.A.) dazu Stellung genommen und den aus ihrer Sicht maßgeblichen Sachverhalt geschildert, der zu der Aufhebungsvereinbarung führte. Sie wirft darin (und im Rechtsstreit – s. B1. 39 d.A.) dem Kläger vor, er habe entgegen der Arbeitsordnung (Ziffer VIII. 7. – B1. 30, 43 d.A.) das Internet zu privaten Zwecken genutzt, arbeitsvertragswidrig fremde Dateien mit sexuell anstößigem Inhalt heruntergeladen, dadurch die Gefährdung der internen Netze der Beklagten in Kauf genommen und diese vermehrt weiter verwendet, schließlich habe er sich fremde User ID und fremde Passwörter zueigen gemacht und sie genutzt (s. Ziffer 9 a) bis c) des Schriftsatzes der Beklagten vom 10.07.2001, S. 11 – B1. 39 d.A.).

Bei dem Vorwurf (Ziffer 9 b) handelt es sich um den Vorgang, wonach auf dem Drucker der Sekretärin (Frau des Vorgesetzten des Klägers, des Lagerleiters eine pornographische Darstellung ausgedruckt wurde, von der die Beklagte annimmt, dass sie auf Veranlassung des Klägers von dessen Arbeitsplatz aus gesteuert auf den Drucker der Zeugin übermittelt wurde.

Der weitere Vorwurf (Ziffer 9 c) hat die Vertragspflichtverletzung zum Inhalt, wonach der Kläger missbräuchlich die User ID und den Code des Vorgesetzten für eigene, private Zwecke genutzt habe, indem er versuchte, Dateien zu öffnen und sie auszudrucken, zu denen nur der Zeuge als Vorgesetzter zugriffsberechtigt war.

Die Beklagte hörte den Kläger zu den Verdachtsgründen und zu den Vorwürfen in einem Gespräch am 15.02.2001 an. An diesem Gespräch nahmen teil für die Beklagte die Herren und im sowie die Betriebsratsmitglieder (darunter der Vorsitzende des Betriebsrats). Neben dem Kläger wurden die weiteren Mitarbeiter (s.B1. 90 d.A.) gehört, die die Beklagte ebenfalls verdächtigte. Die Gespräche wurden als Einzelgespräche geführt. Die Beklagte fertigte darüber das Protokoll vom 16.02.2001, das allerdings dem Kläger nicht vorgelegt wurde, und von dessen Inhalt und Existenz er erstmals im Rechtsstreit Kenntnis erlangte. Das Protokoll ist unterzeichnet von den genannten Herren (s. B1. 90/92 d.A.).

Die Beklagte beruft sich im Rechtsstreit auch auf den Inhalt des Protokolls, was das Gespräch vom 15.02.2001 anlangt. Das Gespräch, dessen Verlauf und Inhalt (wie im Protokoll vom 16.02.2001 u.a. festgehalten) stellt sie unter den Zeugenbeweis (Vernehmung der genannten Gesprächsteilnehmer als Zeugen, die Herren und so die Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 10.01.2002).

Im Protokoll ist festgehalten, dass der Kläger angeblich zugegeben habe, den User und das Passwort des Vorgesetztenbenutzt zu haben. Es heißt dort (S. 2 – B1. 91 d.A.): „ H. wurde als Letzter zum Einzelgespräch gebeten. H. gab zu, den User und das Passwort von H. benutzt zu haben. Den User, so sagte er, hätte er in einer Lagos-Maske gesehen. Auf die Frage, woher er denn das entsprechende Passwort wusste, antwortete er, dass er aufgrund einer Information, die er über das RZ, Herrn zu seinem eigenen Passwort bekommen hatte, dass einige Passwörter noch gemäß der Datum 2000-Umstellung strukturiert seien, dies ausprobiert hätte. Dies hätte er dann mehrmals versucht.

Auf Nachfragen bestätigte H. dann, dass er aus reiner Neugierde versucht habe, Daten zu öffnen und diese ausdrucken wollte. Auf Befragen, ob er auch den User von Frau benutzt hätte, konnte er sich nicht erinnern. Er würde nur seinen User kennen und den User von Frau. Er gab auch zu, dass er um 18.30 Uhr H. über die Schulter geschaut habe, als er am PC einen Druckertreiber installiert hatte.

Auf nochmaliges Nachfragen, ob er gezielt Daten abfragen wollte, verneint er dies energisch und beteuert, aus reiner Neugierde den User und das Passwort des H. genutzt zu haben. Er sei sehr erschüttert gewesen, als er feststellte, dass seine Versuche etwas auszudrucken, fehlschlugen und daher habe er sich dann sofort

wieder abgemeldet. „

Der Kläger widerspricht (s. Schriftsatz vom 02.08.2001, S. 13 – B1. 110 d.A.) und trägt vor, er habe nicht zugegeben, den User und das Passwort von Herrn benutzt zu haben, sondern er habe lediglich erklärt, „dass er einmal die User-ID benutzt hat, um das System hochzufahren, was mit seiner eigenen User-ID nicht ging“.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 10.01.2002 hat der Kläger auf Frage des Gerichts zugestanden, dass ihm die User-ID und der Code des Zeugen weder bekannt noch von dem zuständigen EDV-Verwalter genannt worden war. Er habe nur mittelbar aufgrund eines dienstlichen Vorgangs (EDV) Hinweise von Herrn erhalten, die die Schlussfolgerung zuließen, auf welche Weise er User-ID und Code des Zeugen entschlüsseln könne. Das habe er auch getan, wie gesagt, um in einem Fall das System hochfahren zu können.

Der Kläger trägt zur Begründung vor, er sei widerrechtlich durch Drohung mit einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung zum Abschluss dieser Ausscheidungsvereinbarung gezwungen worden. Die Vorwürfe seien seiner Person gegenüber nicht berechtigt, er sei für diese Vorgänge nicht verantwortlich. Auch seien die Vorwürfe nicht so schwerwiegend, dass die Beklagte mit einer fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung habe drohen können.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die „Ausscheidensvereinbarung“ vom 26.02./27.02.2001 zum 28.02.2001 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, sie habe damals aufgrund der sorgfältig und zügig erfolgten Ermittlungen den konkreten und dringenden Verdacht hegen können, dass der Kläger Urheber dieser Machenschaften sei (Ausdruck einer pornographischen Darstellung auf dem Drucker der Sekretärin des Vorgesetzten), und dass er widerrechtlich User-ID und Code des Zeugen nutze, also ohne Zugriffsberechtigung auf fremde Daten des Vorgesetzten zugreife. Das Herrunterladen pornographischer Bilder stelle darüber hinaus (unerlaubte private Nutzung des Internet) einen schwerwiegenden Eingriff dar.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und die Anlagen, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Auch wird Bezug genommen auf die Erklärungen der Parteien in der Güteverhandlung und in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist wirksam aufgrund der Ausscheidungsvereinbarung vom 26./27.02.2001 zum 28.02.2001 ausgeschieden (§§ 145 ff., 305 BGB). Seine Anfechtungserklärung vom 01.03.2001 ist ohne Erfolg. Die Beklagte war berechtigt, wegen der geschilderten Vorkommnisse eine außerordentliche und fristlose Kündigung für den Fall anzudrohen, dass der Kläger nicht einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag ausscheiden sollte.

1.

Es mag zugunsten des Klägers unterstellt werden (s. die anders lautende Sachdarstellung der Beklagten), dass die Beklagte in dem Gespräch am 16.02., zuletzt in dem Abschlussgespräch am 27.02.2001 mit einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses dem Kläger gegenüber drohte, falls er die angebotene und vorformulierte Ausscheidungsvereinbarung nicht unterzeichnen sollte, also nicht der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustimmen sollte. Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist nur dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Hat der drohende Arbeitgeber an der Erreichung des verfolgten Zwecks (Eigenkündigung oder einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses) kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung mit einer Kündigung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, so ist die Drohung widerrechtlich. Das ist dann der Fall, wenn ein verständiger Arbeitgeber die Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Die Drohung ist nicht widerrechtlich, wenn sich ein verständiger Arbeitgeber auf dringende Verdachtsgründe stützen kann, die den Schluss auf eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung zulassen und die an sich zu einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung berechtigen können (s. BAG, 21.03.96, DB 96, 1879, 12.08.99, DB 99, 2574; aus dem Schrifttum z.B. Strick, NZA 2000, 695 ff., hier maßgeblich 698 f).

Dem Arbeitgeber steht bei der Beurteilung der Tatsachenlage ein Beurteilungsspielraum zu (ebenso dem Tatsachengericht). Von einem verständigen Arbeitgeber kann nicht generell verlangt werden, dass er bei seiner Abwägung die Beurteilung des Tatsachengerichts „trifft“. Nur wenn unter verständiger Abwägung aller Umstände des Einzelfalls der Arbeitgeber davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zu einer Eigenkündigung oder zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu veranlassen (BAG, 12.08.99, ebenda, unter Hinweis auf BAG, 09.03.95, BB 96, 434).

Im Anfechtungsprozess ist der anfechtende Arbeitnehmer dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass sämtliche Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes vorliegen. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die die angedrohte Kündigung als widerrechtlich erscheinen ließen. Dies bedeutet, dass der Kläger selbst die genannten Vorwürfe (Ziff. 9 a bis c) im Rechtsstreit widerlegen muss, also aus seiner Sicht einen Sachverhalt substantiiert und unter Beweisantritt anfuhrt, der ausschließt, dass der Kläger als Verantwortlicher für diese Vertragspflichtverletzungen in Betracht kommt (Kausalität und Verschulden). Der Kläger muss sich im Anfechtungsprozess entlasten, er kann nicht erwarten, dass gewissermaßen in einem fiktiven Kündigungsschutzprozess die Beklagte die angedrohte Kündigung (Kündigungsgründe) in vollem Umfang beweist (Kausalität, verhaltensbedingte Pflichtverletzungen, Verschulden des Klägers). Das entspricht der Auffassung des BAG (Urteil vom 12.08.99, ebenda DB 99, 2574, unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung des BAG und auf das Schrifttum).

2.

Datenmissbrauch wird in der Regel als eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung angesehen, die die außerordentliche und fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt (s. die Übersicht bei Kammerer, Personalakte und Abmahnung, 3. Aufl. 2001, Anm. 428, 429, 464 und 465, jeweils mit Nachweisen, s. z.B. ArbG Braunschweig, 22.01.99, RDV 99, 274 – fristlose Kündigung des Leiters eines Kindergartens wegen Speicherns von Kinderpornographie aus dem Internet; ArbG Berlin, 27.03.80, BB 80, 1105 – Datenmissbrauch durch unbefugtes Eindringen in Dateien, Verdachtskündigung; LAG Schleswig-Holstein, 15.11.89, DB 90, 635 – unbefugter Zugriff einer Sekretärin auf im Informationssystem gespeicherte Daten ihres Chefs; BAG, 25.11.91 – 7 AZR 463/79 – unveröff., Kündigung wegen unerlaubten Zugriffs auf das EDV-System ohne vorherige Abmahnung; LAG Baden-Württemberg, 11.01.94, RDV 95, 81 – außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung bei unbefugtem Eindringen in Dateien des Arbeitgebers; LAG Chemnitz, 14.07.99, RDV 2000, 177 – fristlose Kündigung des Arbeitnehmers wegen unbefugten Kopierens gespeicherter Daten des Arbeitgebers auf einem privaten Datenträger; VG Frankfurt a.M., 28.08.2000, RDV 2000, 279 – außerordentliche Verdachtskündigung bei unbefugtem Ausspähen von Daten).

a)

Es mag zugunsten des Klägers dahinstehen, ob der Vorwurf Ziff. 9 a) (unbefugte Nutzung des Internets) den Kläger trifft. Das wäre auf jeden Fall (rechtliche Beurteilung) der Fall, wenn es sich dabei um Dateien pornographischen Inhalts handelte, die der Arbeitnehmer unter Nutzung der Betriebsmittel des Arbeitgebers für sich nutzt und herunterlädt (s. Kammerer, a.a.O.). Dasselbe gilt für den Vorwurf Ziff. 9 b), wonach der Kläger die – Mitarbeiterin (Sekretärin seines Vorgesetzten) sexuell belästigt haben soll (s. §§ 2, 4 BeschSchG, dazu ausführlich Kammerer, a.a.O., Anm. 468 ff; aus der Rechtsprechung, Verdachtskündigung betreffend, neuerdings BAG, 08.06.2000, DB 2000, 2127). Auch hier mag zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er als beschuldigte und verdächtigte Person insoweit nicht in Betracht kommt. Dass es sich eindeutig um eine pornographische Darstellung handelte, die (angeblich) auf dem Drucker der Mitarbeiterin ausgedruckt worden sein soll, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer durch Urkundenbeweis (Augenscheinsobjekt) unter Beweis gestellt. Auch hier mag zugunsten des Klägers dieser Vorwurf außer Betracht bleiben.

b)

Der weitere Vorwurf Ziff. 9 c) (unbefugte Nutzung des User ID und des Codes des Vorgesetzten und versuchter Datenmissbrauch) rechtfertigt eine außerordentliche und fristlose Verdachtskündigung ohne vorherige Abmahnung. Dabei mag zugunsten des Klägers sein Sachvortrag zugrunde gelegt werden (s. B1. 110 d.A.), wonach er User ID und Code des Zeugen = zwar genutzt haben soll, aber nur für „dienstliche Zwecke“, nämlich das Hochfahren des Systems, was in einem Fall aufgrund einer Blockade mit dem User ID und dem Code des Klägers selbst nicht gelungen sein soll.

Der Kläger hat (spätestens in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer durch ergänzende Angaben) zugestanden, dass er sich widerrechtlich in den Besitz des User ID und des Codes des Vorgesetztenerbrachte. Aufgrund eines anderen Vorgangs erhielt er von dem zuständigen EDV-Sachbearbeiter den Hinweis, wie sich User ID und Code zusammensetzen, und auf welche Weise er den User ID und das Code entschlüsseln konnte. Diese Funktionsweise war ihm erläutert worden, er nutzte diese Kenntnisse, um User ID und Code des Vorgesetzten zu entschlüsseln. Schon das zielgerichtete Vorgehen stellt eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung dar, weil der Kläger keinesfalls berechtigt ist, fremde User ID und Codes zu entschlüsseln, um sie latent für irgendeinen späteren Zweck gebrauchen zu können. Der Kläger hat nämlich dieses entschlüsselte User ID und den Code des Zeugen für sich aufbewahrt und, wie er selbst zugestanden hat, in einem Fall genutzt, nämlich um das System auf diese Weise hochzufahren.

Die weitere Vertragspflichtverletzung liegt aber darin, dass der Kläger diesen entschlüsselten User ID und den Code für sich behalten hat, um ihn auch weiterhin bei anderer passender Gelegenheit für eigene Zwecke nutzen zu können. Die Beklagte wirft ihm insoweit vor, dass dies gerade geschehen sei, weil der Kläger nachweislich im Zusammenhang mit den Vorgängen, die in dem Gespräch am 15.02.2001 erörtert worden waren, widerrechtlich versucht habe, mit User ID und Code des Zeugen _ dessen Dateien zu öffnen und sogar eine Datei auszudrucken (s. Parteivorbringen der Beklagten, Bezugnahme auf das Protokoll vom 16.02.2001 – Bl. 91 d.A.). Selbst wenn das nicht nachzuweisen wäre, und selbst wenn der Kläger entsprechend der ihm im Anfechtungsprozess obliegenden Darlegungs- und Beweislast den entsprechenden Beweisantritt (in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 10.01.2002) angeboten hätte (gegenbeweislich Zeugnis der im Protokoll aufgeführten Gesprächsteilnehmer), besteht die Vertragspflichtverletzung darin, dass der Kläger die Entschlüsselung des User ID und des Codes des Zeugen ihm gegenüber nicht offenbarte, also keine Auskunft über diese Tatsache gab und dadurch verhinderte, dass die Beklagte auf eine Änderung von User ID und Code des Zeugen hinwirken konnte. Der Kläger ist, wenn auch als nachgeordneter Arbeitnehmer, aufgrund vorangegangenen Tuns verpflichtet, die Entschlüsselung von User ID und Code bekanntzugeben, zumindest gegenüber dem System-Administrator (EDV-Sachbearbeiter) der durch seine unfreiwilligen technischen Hinweise die Voraussetzungen für die Entschlüsselung von User ID und Code geschaffen hatte. Der Kläger war schon aufgrund der arbeitsvertraglichen Rücksichtspflicht (§ 242 BGB) verpflichtet, den Arbeitgeber umfassend über alle datenschutzrechtlich relevanten Vorkommnisse zu unterrichten und möglichen Verstößen schon im Ansatz entgegenzutreten (s. VG Frankfurt a.M., a.a.O., S. 280 re. Sp.).

Der Kläger hat diese Pflicht nicht beachtet, sondern im Gegenteil den entschlüsselten Code und User ID für sich behalten, um offenbar jederzeit und bei passender Gelegenheit ihn nutzen zu können. Schon dadurch hat er sich dem Verdacht ausgesetzt, dass die von der Beklagten substantiiert geschilderten Vorkommnisse auf ihn als Urheber zurückzuführen waren (sexuelle Belästigung, unbefugter Datenzugriff auf Dateien des Zeugen). Dem Kläger ist entsprechend der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht gelungen, sich zu entlasten, also eine andere Kausalkette schlüssig darzulegen, die zweifelsfrei belegt, dass er als Urheber nicht in Betracht kommt.

3.

Die Beklagte konnte aufgrund der Erkenntnisse und ihrer Recherchen, insbesondere aufgrund der Angaben des Klägers selbst in dem Gespräch am 15.02.2001 davon ausgehen, dass gegen den Kläger ein dringender und unabweisbarer Verdacht bestand, Urheber dieser Machenschaften zu sein. Deshalb erweist sich die Drohung mit einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung für den Fall, dass der Kläger nicht einvernehmlich ausscheiden sollte, nicht als widerrechtlich.

Die Klage war deshalb abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 II ArbGG, 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 61 1, 12 VII ArbGG.

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