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Rechtmäßigkeit der Deaktivierungsgebühr

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Az.: 2 U 40 /00

Urteil vom 21.06.2001

Vorinstanz: LG Itzehoe – Az.: 2 O 250 / 99 – Urteil verkündet am: 19.07.2001


Deaktivierungsgebühr – für Mobilfunkverträge nach BGH unzulässig!!!!!

Deaktivierungsgebühr: Muss man diese trotz des BGH-Urteils noch zahlen?


In dem Rechtsstreit hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2001 f ü r Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 23. August 2000 wird das angefochtene Urteil geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer wird auf 5.000 DM festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist eine Verbraucherschutzeinrichtung nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGB Gesetz. Er verlangt von der Beklagten Unterlassung der Verwendung einer bestimmten Klausel ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Die Beklagte bietet Anschluß und Teilnahme an Mobilfunknetzen an. In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie in den Verträgen mit ihren Kunden zugrunde legt, verwendet sie u. a. folgende Klausel:

„VI. Kostenpflichtige Leistungen

Die Dienstleistungen bemessen sich vorbehaltlich Klausel VII nach der jeweils bei Einreichung des Antrages gültigen Preisliste. Dies gilt auch für folgende Leistungen:

Bereitstellungsgebühr

einmalige Gebühr, die bei Anschluß des Mobiltelefons an das D- bzw. E-Netz fällig wird. Sie wird mit der ersten Rechnung eingezogen.

Grundgebühr

Die nutzungsunabhängige Grundgebühr wird einmal monatlich erhoben und kann auch im voraus verlangt werden.

Telefongebühren

Laufende Gebühren, die durch die Nutzung des Mobiltelefons am D- bzw. E-Netz anfallen. Diese richten sich nach der Preistabelle. Die Telefongebühren werden jeweils im nachhinein eingezogen. Die Gebühren für weitere Dienstleistungen und kostenpflichtige Tatbestände richten sich ebenfalls nach der Gebührentabelle. Bearbeitungsgebühr

Nimmt der Teilnehmer nicht am Lastschrifteinzugsverfahren (Klausel VIII Nr. 2) teil, so hat er aufgrund des erhöhten Verwaltungsaufwandes für jede monatliche Abrechnung eine zusätzliche Gebühr zu entrichten.

Tarifwechselgebühr

Gebühr, die beim Wechsel in einen anderen Tarif aufgrund des erhöhten Verwaltungsaufwandes fällig wird.“

In der genannten Preisliste fand sich bis etwa zum Jahr 2000 folgende Position:

„Bearbeitungsgebühr für Deaktivierung Deaktivierungsgebühr …. 33,93 DM einmalige Gebühr für das Stillegen Ihres Mobilfunkanschlusses.“

In der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2000 vor dem Landgericht hat die Beklagte eine aktuelle Preisliste überreicht, in der in einer Anmerkung zu der Position

„Deaktivierungsgebühr

Stillegen ihres Anschlusses Bearbeitungsgebühr einmalig 33,93 DM“

aufgeführt ist:

„Entfällt, sofern vom Kunden niedrigere Kosten nachgewiesen werden oder die Kündigung des Teilnehmerverhältnisses zu vertreten hat.“

Der Kläger ist der Auffassung, die Klausel verstoße gegen § 10 Nr. 7 b i. V. mit § 11 Nr. 5 AGBG.

Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, die Klausel:

„Bearbeitungsgebühr für Deaktivierung Deaktivierungsgebühr …. inkl. Mehrwertsteuer 33,93 DM einmalige Gebühr für das Stillegen ihres Anschlusses“. sowie inhaltsgleiche Klauseln in den ihren Dienstverträgen über Mobilfunkleistungen zugrunde liegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden sowie sich auf die vorbenannte Klausel bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge zu berufen, soweit es sich nicht um die Verträge mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen oder einem Kaufmann oder Unternehmer handelt, wenn der Vertrag zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört, oder er in seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Verwendung ihrer Klausel verteidigt. Für die Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die erstinstanzlichen Schriftsätze Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Unwirksamkeit der Klausel hat es hauptsächlich aus der Anwendung von § 10 Nr. 7 b AGB Gesetz hergeleitet. Die Unangemessenheit der Gebührenhöhe hat es damit begründet, daß die Beklagte die Zusammensetzung des Betrages entgegen ihrer prozessualen Darlegungslast nicht ausreichend konkret begründet habe. Eine Abweichung vom Urteil des erkennenden Senats vom 15.5.1997 (NJW-RR 1998, 54) hat es damit verneint, daß es sich hier nicht wie in dem damals entschiedenen Fall um Kosten handele, die der Service Provider den Netzbetreibern für die Stillegung geschuldet habe. Für weitere Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und das Rechtsmittel begründet.

Zur Angemessenheit der Gebühr legt sie jetzt eine Liste über den Zeitaufwand des Stillegungsprozesses und dessen Kosten vor und argumentiert im übrigen gegen die Unwirksamkeit ihrer Klausel. Die Einzelheiten finden sich in der Berufungsbegründung vom 25.1.2001 und im Schriftsatz vom 8.6.2001.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das Urteil mit der Berufungserwiderung vom 11.4.2001.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Senat hält die „angefochtene“ Klausel nicht für unwirksam. Allerdings kann sie nicht als kontrollfreie preisbestimmende Klausel von der Inhaltskontrolle nach dem AGBG ausgenommen werden, vielmehr ist sie zu den Bestimmungen zu zählen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, § 8 AGBG. Ähnlich den Preisverzeichnissen der Banken und Kreditkartenunternehmen regelt sie besondere Entstehungsvoraussetzungen für einen Teil des Vergütungsanspruches und enthält möglicherweise eine ungerechtfertigte verdeckte finanzielle Mehrbelastung eines Teils der Kunden (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Henses Rdn. 8 ff und 21 f zu § 8 AGBG).

Die Unwirksamkeit der Klausel ist nicht mit § 11 Nr. 5 AGBG zu begründen. Es handelt sich ersichtlich nicht um die Regelung eines pauschalierten Schadensersatzanspruches, weil es selbst in den Fällen durch vertragswidriges Verhalten des Kunden veranlasster Kündigung nicht um dadurch verursachte Schadenspositionen geht, sondern um Kosten (und möglicherweise Gewinnanteile) für betriebsinterne Maßnahmen, die bei jeder Beendigung eines Mobilfunkvertrages anfallen.

Die Klausel stellt auch keinen direkten Anwendungsfall von § 10 Nr. 7 AGBG dar. Diese Vorschrift soll Ansprüche aus gestörten Vertragsverhältnissen und deren Normierung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regeln (Schmidt in Ulmer/Brandner/Hessen Rdn. 1 zu § 10 Nr. 7 AGBG; Staudinger/Coester Waltjen Rdn. 2 zu § 10 Nr. 7 AGBG; Wolf Rdn: 1 u. 14 zu § 10 Nr. 7 AGBG; möglicherweise aA. MünchKomm-Basedow Rdn. 73 zu § 10 AGBG). Dazu gehören die Stillegungsgebühren aus Anlass jeder Vertragsbeendigung nach Auffassung des Senats nicht . Nach dem Vorbringen der Beklagten, das nur, was den Umfang der Beendigungsarbeiten betrifft, betritten ist, handelt es sich vielmehr um Aufwand, der zu den Gemeinkosten der Beklagten zu zählen ist und für den es im Falle der Beendigung des Vertrages im Gesetz sowenig eine Anspruchsgrundlage gibt wie für den Aufwand eines Bauunternehmers für das Räumen der Baustelle. Derartige Kosten gehen normalerweise in die zu vereinbarende Vergütung für die Gesamtleistung ein (Basedow aa0.).

Sind sie wie im vorliegenden Fall Gegenstand einer besonderen Gebührenklausel, ist zu prüfen, ob die Klausel die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 9 AGBG. Diese Frage verneint der Senat (im Ergebnis ebenso wie iw seiner Entscheidung vom 15.5.1997 aaO.).

Sie läßt sich nicht mit der Argumentation des Bundesgerichtshofs zu den Benachrichtigungsgebühren der Banken (BGH BM 2001, 563) bejahen. Zwar scheint es sich auch im vorliegenden Fall um eine Entgeltregelung zu handeln, die sich nicht auf eine Leistung stützt, die auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbracht wird, sondern die Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten oder für Zwecke des Verwenders abzuwälzen versucht (BGH aa0. S. 564). Dem weiteren Begründungszusammenhang der genannten Entscheidung ist aber zu entnehmen, daß es nur um Leistungen des Verwenders geht, die auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbracht werden und zu denen der Verwender rechtlich verpflichtet ist. Darum geht es im vorliegenden Fall nicht.

Für die Frage der unangemessenen Benachteiligung kann es keine Rolle spielen, mit welcher Art von Kosten die jeweilige „Preisbildung“ gerechtfertigt wird. Entgelt, das einem Netzbetreiber aus Anlaß einer Stillegung geschuldet wird, kann für die Frage der Unangemessenheit einer Preisforderung dafür nicht anders beurteilt werden, als Lohn, den die Beklagte ihren Mitarbeitern „für deren Tätigkeit“ bei der Stillegung schuldet. Beide Kostenfaktoren beruhen auf betriebsorganisatorischen Entscheidungen der Bekfagten und sind unter rechtlichen Aspekten der Preisbildung gleich zu behandeln.

Einziger nach Auffassung des Senats in Betracht zu ziehender Aspekt von „Unangemessenheit“ ist die in Anlehnung an den Sinn des § 10 Nr. 7 AGBG zu formulierende Frage, ob es auch im Rahmen einer normalen Preisstruktur zu verhindern gilt, daß Kunden der Beklagten wegen des Entstehens einer unangemessen hohen Zahlungsverpflichtung davon abgehalten werden, ein ihnen zustehendes Kündigungsrecht auszuüben (Schmidt aa0. Rn. 3). Für die Antwort auf diese Frage ist nicht allein maßgeblich, ob das verlangte Entgelt im Vergleich zu den realen Kosten angemessen ist, sondern außerdem muß die zu kontrollierende Abschreckungsfunktion einigermaßen wahrscheinlich sein. Angesichts der hier in Rede stehenden Summe (33,93 DM) und der übrigen Gebührenstruktur der laufenden Verträge (Ziff. VI AGB der Beklagten) ist ein Einfluß der „Stillegungsgebühr“ auf das Kündigungsverhalten der Kunden nach Auffassung des Senats nicht ausreichend erkennbar. Vergleicht man die Höhe dieser Gebühr mit einzelnen anderen Gebühren für „kostenpflichtige Leistungen“, ergibt sich vor allem keine auffällige Überschreitung des aus der Preisliste erkennbaren Rahmens.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Angesichts der Vielzahl von Mobilfunkverträgen und der Tatsache, dass sich eine einheitliche Rechtsprechung zu deren Klauseln noch nicht herausgebildet hat, mißt der Senat dieser Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 546 Abs.1 Nr. 1 ZPO.

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