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Hündin durch rumstromernden Hund gedeckt – Hündin gestorben – SE-Ansprüche

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERLANDESGERICHT

Az.: 7 U 9/92

Verkündet am 27.05.1993

Vorinstanz: LG Flensburg – Az.: 4 O 191/89


In dem Rechtsstreit hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 1993 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 27. November 1991 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.358 DM nebst 6,6 % Jahreszinsen vom 6. März 1989 bis zum 31. Dezember 1989, 8 % Jahreszinsen vom 1. Januar 1990 bis zum 30. September 1991 und 8,4 % Jahreszinsen seit dem 1. Oktober 1991 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende .Berufung und die Anschlußberufung werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs trägt der Kläger 61 % und trägt der Beklagte 39 %.

Von den Kosten des zweiten Rechtszugs trägt der Kläger 63 % und trägt der Beklagte 37 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert den Kläger im Wert von 3.750 DM und den Beklagten im Wert von 2.230 DM.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise, die Anschlußberufung des Beklagten ist nicht begründet. Der Beklagte haftet auf Schadensersatz nach § 833 Satz l BGB.

Mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Landgericht ist erwiesen, daß es der Schäferhund des Beklagten war, der die Jagdhündin des Klägers gedeckt hat; auf die zutreffende Beweiswürdigung im landgerichtlichen Urteil wird verwiesen (§ 543 Abs. l ZPO). Daß es der Schäferhund des Beklagten war hat zudem die Anhörung der Parteien vor dem Senat bestätigt, der Kläger dazu wörtlich: „Wir hatten keinen anderen Hund rumstromernd im Dorf als den des Beklagten, das war ja immer der Fall; wir haben häufig deshalb bei dem Beklagten angerufen. Meiner Frau ist er fast ins Gesicht gesprungen, als er aus dem Zwinger rauskam. Die Hündin hat auch enorm geschrieen, bevor der Hund rauskam“ der Beklagte wörtlich: „Der Schäferhund ist vom Rücken her sehr schwarz, die Beine sind hell, die untere Hälfte ist heller; man könnte sage, er macht insgesamt einen dunklen Eindruck. Mein Hund lief frei herum.“ Damit sind auch die in der Berufungserwiderung des Beklagten geäußerten Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Ehefrau des Klägers, die den Hund des Beklagten als schwarzen Schäferhund bezeichnet hat, beseitigt, nachdem, der Beklagte bei seiner Anhörung vor dem Senat eingeräumt hat, daß sein Hund nicht braun (so noch seine Erklärung vor dem Landgericht), sondern vom Rücken her schwarz ist und insgesamt einen dunklen Eindruck macht.

Der Deckakt, den der Schäferhund des Beklagten ohne Wissen und Willen des Klägers vollzogen hat, ist Ausfluß der in der Unberechenbarkeit eines Tieres liegenden Tiergefahr (vgl. Palandt, BGB, 52. Aufl., Rdnr, 6 zu § 833). Zwar ist die Jagdhündin des Klägers naturbedingt an den Folgen der Trächtigkeit gestorben, auch ist das Folge eines Risikos, das mit einem Deckakt verbunden ist; daß es aber zu diesem Deckakt mit der Folge eines im Mutterleib verbleibenden Welpen und der dadurch entstandenen Vergiftung der Hündin gekommen ist, beruht allein auf dem vom Kläger nicht gewollten Deckakt durch den Schäferhund des Beklagten. Mithin hat sich bei der Hündin nicht eine Tiergefahr realisiert, für die der Kläger als Halter selbst einzustehen hätte. Daß der Kläger beabsichtigte, die Kundin von einem rassegleichen Hund noch einmal belegen zu lassen, und daß eine Trächtigkeit ein Risiko für die schon ältere Hündin beinhaltete, ist eine hypothetische, zudem nicht gesicherte Annahme, die an der Ursächlichkeit des Deckaktes durch den Schäferhund des Beklagten nichts ändert.

Der Kläger braucht sich bezüglich dieses Deckakts kein Mitverschulden, welches aus der Läufigkeit der Hündin hergeleitet werden könnte, anrechnen zu lassen. Denn die Hündin war im Zeitpunkt des Deckakts in einem Zwinger untergebracht, der durch zwei Türen und Stahlmatten auf dem umzäunten Grundstück des Klägers gegen unbefugtes Eindringen gesichert war. Damit hat der Kläger alles seinerseits Erforderliche getan, um die von seiner Hündin ausgehende Tiergefahr auszuschließen. In jedem Fall ist der Verursachungsbeitrag des Schäferhundes des Beklagten als so überwiegend anzusehen, daß eine Mitverursachung der Hündin des Klägers nicht in Betracht kommt.

Dem Kläger ist auch kein Mitverschulden im Hinblick auf die durch den Deckakt entstandenen Folgen anzulasten. Zwar warf die Hündin den ersten Welpen am 17. Juni, auch ging es nach dem Wurf des zweiten Welpen am 18. Juni mit der Geburt nicht so recht weiter (vgl. Aussage der Ehefrau des Klägers vor dem Landgericht), hat der Haustierarzt des Klägers erst am 21. Juni eine geburtsfördernde Injektion vorgenommen und wurde die Hündin erst am 24. Juni operiert, so daß sie nicht mehr zu retten war. Der Kläger hat aber bei seiner Anhörung vor dem Senat glaubhaft dargetan, daß die Hündin die gesamte Zeit über in Behandlung und Beobachtung des Haustierarztes stand und daß dieser die aus seiner tierärztlichen Sicht nötigen Anweisungen gab, so daß der Kläger dem erfahrenen und die Hündin bestens kennenden Arzt vertraute, der Kläger dazu wörtlich:

„Am 17. Juni war der Tierarzt da; er war fast täglich da, bevor sie warf, auch weil es hier eine Ausnahme war. Der Tierarzt war nach der Geburt da und sah, was los war. Die Hündin hatte schon viermal Welpen gehabt; daß jetzt nur ein Welpe kam, war ja unwahrscheinlich. Die Kundin hatte im Durchschnitt 10 Welpen. Was hat der Tierarzt gesagt? Er sagt ja sonst nicht viel zu uns, ich hatte Vertrauen, er hat die Hündin ja jahrelang betreut. Er sagte, wir müssen mal abwarten. Am Tag danach kam der Tierarzt von selbst, als er durch das Dorf fuhr. Er sagte, hoffentlich ist jetzt alles klar. Es gab keinen Anlaß zur Besorgnis, Der Tierarzt war fast jeden Tag da, er hatte eine große Freude an der Hündin, sie freute sich auch, das Tier lag ihm am Herzen. Er hat sich sehr bemüht. Keiner wußte, kommt da was oder nicht, die Hündin war ja nicht besonders dick, an sich mußte es mit der Geburt zu Ende sein. Als er die Spritze gab, meinte er, wir müßten was machen. Da war es für mich in Ordnung. Er sagte dann später, wenn es jetzt nach der Behandlung dem Hund nicht gut geht, dann muß operiert werden; daran habe ich mich gehalten. Bei der ersten Spritze hatte er gesagt, daß die Hündin sich jetzt aufbauen werde; ich dachte, nun ist alles in Ordnung, die Welpen sind raus.“

Auch wenn der Kläger ein erfahrener Züchter ist und sich mit Geburten bei Hunden auskennt, kann ihm als Mitverschulden nicht angelastet werden, wenn sein Haustierarzt mit geburtsfördernden Injektionen und dem Anraten zur Operation möglicherweise zu lange gewartet hat; er konnte dem Arzt als dem tiermedizinischen Fachmann vertrauen, zumal dieser langjährig praktizierte, die Hündin seit Jahren kannte, er täglich beim Kläger erschien, um nach der Hündin zu sehen, und sich bei ihr in den ersten Tagen nach der Geburt der beiden Welpen keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zeigte.

Soweit der Kläger im ersten Rechtszug vortragen ließ, daß es der Hündin nach der Geburt des zweiten Welpen „in den nächsten Tagen rapide schlechter ging“, hat er bei seiner Anhörung vor dem Senat das glaubhaft dahin erläutert, daß er mit „in den nächsten Tagen“ nicht die Tage unmittelbar nach dem zweiten Wurf gemeint, hat; der Kläger, der bei seiner Anhörung insgesamt keinen redegewandten Eindruck machte, hat dazu ergänzt: „Schlüssig war ich mir nicht, hat sie Fieber, hat sie kein Fieber, die Hündin kommt ja meistens aus ihrem Zwinger auch nicht raus. Keiner wußte kommt da was oder nicht, die Hündin war ja nicht besonders dick, an sich mußte es mit der Geburt zu Ende sein.“

Dem Kläger ist ein mögliches tierärztliches Verschulden nicht zuzurechnen. Eine Zurechnung über § 278 BGB scheitert daran, daß der vom Kläger zugezogene Tierarzt nicht sein Erfüllungsgehilfe war, da dieser nicht in Erfüllung einer gegenüber dem Beklagten als Schädiger bestehenden Verbindlichkeit tätig wurde. Eine Zurechnung über §§ 254, 831 BGB scheitert daran, daß der Tierarzt wegen fehlender Abhängigkeit vom Kläger und fehlender Weisungsgebundenheit nicht Verrichtungsgehilfe ist und zudem der Kläger den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. l Satz 2 BGB dadurch geführt hat, daß er einen langjährig erfahrenen und die Hündin bestens kennenden Tierarzt hinzugezogen hat (siehe oben, Anhörung des Klägers vor dem Senat).

Der mithin vorn Beklagten zu leistende Schadensersatz beläuft sich auf 2.358 DM, und zwar wie folgt:

600,00 DM Beschaffungswert der Hündin + 3.560,00 DM Verlust eines Welpenwurfs + 84,00 DM Kosten Tierarzt Dr. + 342,00 DM Kosten Tierarzt Dr. + 300,00 DM Kosten Gutachter + 300,00 DM Sachschaden + 30,00 DM Kostenpauschale

5.216,00 DM : 2 (unstreitig ist die restliche Schadenshälfte beim Amtsgericht Husum anhängig) = : 2.608,00 DM

250,00 DM außergerichtliche Zahlung 2,353,00 DM.

Der Wert der Hündin ist nur mit ihrem Beschaffungswert von 600 DM (Welpenpreis) und dem Verlust eines Welpenwurfs von 3.560 DM anzusetzen.

Die Aufwendungen, die der Kläger in der Vergangenheit hatte, um aus der Hündin eine qualifizierte Jagd- und Zuchthündin zu machen (nach dem Sachverständigen Dr.)der Jagdgebrauchs- und Zuchtwert der Hündin), gehören nicht zum ersatzfähigen Schaden. Bei der Tötung eines Tieres kann grundsätzlich nur der Wiederbeschaffungswert ersetzt verlangt werden, Kosten für die Unterhaltung und Ausbildung des Tieres können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 20. Aufl., Kap. 4, Rdn. ll) außer es handelt sich um ein noch jüngeres Tier, das noch einen Jagdgebrauchs- und Zuchtwert hat, so daß die Aufwendungen nutzlos geworden sind (sog. frustierte Aufwendungen). Die „getötete“ Hündin des Klägers war jedoch schon so alt, daß sie nur noch einen Wurf bringen sollte, wie der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat erklärt hat; bei einem solchen Tier haben sich die Aufwendungen, die der Kläger hatte, um es zum qualifizierten Zuchttier zu machen, durch den Verkauf der in der Vergangenheit zahlreich geworfenen Welpen in vollem umfang rentiert. Der Verlust eines solchen Tieres beinhaltet mithin als Schaden nicht mehr die früher getätigten Aufwendungen. Da auch ein persönlicher Liebhaberwert (das sog. Affektions-Interesse) außer Betracht zu bleiben hat (vgl. Geigel, a. a. O.), kann der Wert der Hündin nur mit ihrem früheren Beschaffungswert und dem Verlust des einen geplanten Welpenwurfs angesetzt werden. Aus dem Gesichtspunkt der Naturalrestitution und in Anbetracht der Tatsache, daß die Hündin keinen eigenen Jagd- oder sonstigen Gebrauchswert mehr hat, ist auf den Anschaffungspreis eines jungen Hundes abzustellen.

Der Senat verkennt nicht, daß es für einen Hundehalter schmerzlich ist, seinen ihn längere. Jahre begleitenden Hund durch das Verhalten eines anderen zu verlieren; da auf Tiere aber die für Sachen geltenden Rechtsgrundsätze anzuwenden sind (vgl. § 90 a BG3), muß auch für sie gelten, daß ein persönlicher Liebhaberwert beim Schadensersatz außer Betracht zu bleiben hat, zumal gerade bei Tieren ein solcher Wert geldmäßig kaum zu fassen und zu anderen Fällen kaum abzugrenzen ist.

Der Ausspruch zu den Zinsen beruht auf Verzug des Beklagten, dessen Versicherung zur Schadensbegleichung bis zum 5. März 1989 aufgefordert worden ist (§§ 284 Abs. l, 288 BGB); die Zinshöhe hat der Kläger mit der Anlage zu seinem Schriftsatz vom 25. Oktober 1991 belegt, der Beklagte hat dagegen nichts erinnert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. l ZPO, die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 546 Abs. 2, 708 Kr. 10, 713 ZPO.

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