BGH
Az.: III ZR 96/03
Urteil vom 04.03.2004
Vorinstanz: Kammergericht – Az.: 26 U 205/01 – Urteil vom 27.01.2003
Leitsatz vom Verfasser (nicht amtlich!):
Telefonkunden sind gegenüber ihrem Telefonnetzbetreiber (z.B. Deutsche Telekom, Arcor etc.) nicht zur Zahlung von Verbindungsentgelten für 0190 – bzw. 0900 – Verbindungen verpflichtet, wenn die Anwahl zu diesen Nummern über Dialer erfolgte, der sich gegen den Willen des Anschlussinhabers (oder Benutzers) heimlich auf dessen Computer installierte. Dies gilt solange der Anschlussinhaber oder Nutzungsberechtigte nicht gegen seine Sorgfaltspflichten verstößt (z.B. trotz bemerkter Dialerinstallation wird der Computer einfach weitergenutzt etc.).
Sachverhalt:
Ein 16-jähriger Junge hatte sich über das Internet einen sog. Internet-Dialer mit 0190-Einwahlnummer auf seinen Computer geladen. Wann immer er in das Internet ging, wählte ihn sein Computer automatisch über diese Zugangsnummer ein. Selbst nach Feststellung des Dialers auf der Festplatte, konnte dieser nicht ohne weiteres entfernt werden. Die Manipulationen waren zudem bei standardmäßiger Nutzung des Computers nicht bemerkbar. Pro Minute kosteten die Internet-Sitzungen 1,86 Euro (3,63 DM). Hierdurch entstanden im Zeitraum von Mai bis September 2000 fast 9.000 € an Telefongebühren, diese wollte und konnte die verklagte Mutter des 16-jährigen Jungen als Anschlussinhaberin nicht bezahlen. Das Kammergericht hatte die Klage großteils abgewiesen. Zuerkannt wurden lediglich diejenigen Beträge, die die Klägerin bei einer regulären Internetnutzung hätte bezahlen müssen. Der Telefonnetzbetreiber muss sich das Vorgehen des Inhabers der 0190-Nummer ferner zurechnen lassen.
Entscheidungsgründe:
Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des Kammergerichts. Der Telefonnetzbetreiber hat aus dem Telefondienstvertrag mit der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der Verbindungskosten nach den erhöhten 0190-Tarifen. Der geschlossene Vertrag enthält zwar diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung, jedoch ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung und dem Rechtsgedanken des § 16 Abs.3 S.3 TKV, dass den Kunden keine Vergütungspflicht für die Nutzung seines Anschlusses durch Dritte trifft, sofern er diese nicht zu vertreten hat. Der Mutter und ihrem Sohn fallen insoweit keine Verstöße gegen ihre Sorgfaltspflichten zur Last. Sie hatten keinen Anlass dazu den Computer zu untersuchen oder besondere Schutzvorkehrungen zu treffen, da sich der Dialer unbemerkt installiert hatte. Von dem jeweiligen Computernutzer kann auch nicht verlangt werden, den Computer routinemäßig auf Dialer zu untersuchen.
Ferner hat der Telefonnetzbetreiber im vorliegenden Fall ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Inanspruchnahme der Mehrwertdienste durch den Anschlussinhaber, da er durch die Inanspruchnahme der Mehrwertdienste nicht unerheblich mitverdient. Aufgrund dieser Tatsache ist es im Rahmen einer angemessenen Risikoverteilung auch zumutbar, dass der Telefonnetzbetreiber das Risiko eines Missbrauchs von 0190-Nummern tragen muss. (Anmerkung: Die 0190-Nummer gehörte einer in Spanien gemeldeten Briefkastenfirma, deren Inhaber nicht mehr aufzufinden ist. Eine Schadloshaltung des Telefonnetzbetreibers gegenüber diesem scheidet mithin auch aus.)