Landgericht Gera
Az: 1 S 386/03
Urteil vom 24.03.2004
Vorinstanz: Amtsgericht Saalfeld – Az.: 1 C 564/02
In dem Rechtsstreit hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Gera auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2004 für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.07.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Saalfeld, Aktenzeichen: 1 C 564/02, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Kammer wendet – worauf in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen worden ist – die Vorschrift des § 241a BGB an, so dass sich der Beklagte darauf berufen kann, die ihm in Rechnung gestellte Leistung nicht bestellt zu haben.
Zunächst hat die Kammer abweichend von der Auffassung des Amtsgerichts keine Bedenken hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin. Auch das Amtsgericht hat Bezug genommen auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22.11.2001 (NJW 2002, 361). Der Bundesgerichtshof hat darin zwar im Wege eines Versäumnisurteils, jedoch auf Grund eingehender sachlicher Prüfung entschieden. In diesem Urteil ist zwar differenziert worden in den Telefondienstvertrag zwischen dem Netzbetreiber und seinem Kunden einerseits und die die inhaltliche Seite des Vorgangs betreffende weitere Dienstleistung des Diensteanbieters andererseits. Der Bundesgerichtshof hat dargelegt, dass ausgehend von § 15 Abs. 1 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung alle kostenpflichtigen Dienstleistungen in einer Rechnung zusammenzufassen sind und hat demgemäß den Netzbetreiber als aktivlegitimiert angesehen. Es kann daher hier auch dahinstehen, ob – was die Klägerin nun in der Berufungsbegründung erstmals vorträgt – das Vorleistungsmodell gilt, bei dem die Klägerin den Dienst einkauft und ihn im eigenen Namen anbietet.
Der Beklagte kann sich gegenüber dem Klageanspruch jedoch darauf berufen, dass es sich um eine unbestellte Leistung im Sinne des § 241a BGB handelt. Unter den Begriff der Leistungen im Sinne des § 241a BGB fallen Leistungen aller Art, insbesondere auch Dienstleistungen (Bamberger/Roth, § 241a BGB, Rdnr. 3). Die Vorschrift des § 241a BGB soll die Richtlinie 97/7/EG (Fernabsatz) erschöpfend umsetzen. Nach Art. 9 dieser Richtlinie sollen Käufer von Gütern oder Dienstleistungen vor der Forderung nach Zahlung nicht bestellter Waren und vor aggressiven Verkaufsmethoden geschützt werden. Bei richtlinienkonformer Auslegung muss § 241a BGB auch auf missbräuchliche Dialer angewendet werden (vgl. zu dem Vorstehenden: Dr. Ulrich Lienhard, Missbräuchliche Internet-Dialer – eine unbestellte Dienstleistung, NJW 2003, 3592 ff.).
Unstreitig ist, dass die hier streitgegenständlichen Verbindungen über die Computer des Beklagten aufgebaut wurden. Dies hatte die Klägerin nach einer technischen Überprüfung des Telefonanschlusses des Beklagten mit dem Schreiben vom 19.04.2002 ausdrücklich bestätigt. Anders als bei Telefongesprächen, bei denen der Kunde bewusst handelt, indem er die Telefonnummer eines teuren Diensteanbieters wählt, kann sich die Klägerin hier nicht auf den Anscheinsbeweis berufen, dass der automatische Gebührenzähler der Klägerin die Verbindungen richtig und vollständig registriert habe, weil technische Fehler, Manipulationen oder Fremdaufschaltungen ausgeschlossen seien. Denn der Beklagte hat vorgetragen, dass es möglich ist, dass sich 0190-Dialer während der Nutzung des Internet unbemerkt und unerwünscht auf dem Computer des Kunden installieren können. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Diese Problematik ist aus Berichten in den Nachrichtenmedien inzwischen auch allgemein bekannt.
Vor diesem Hintergrund kann sich der Beklagte gemäß § 241a BGB darauf berufen, die Dienstleistung nicht bestellt zu haben. Die Darlegungs- und Beweislast für das Zustandekommen eines Vertrages trifft sodann in vollem Umfang den Unternehmer. Der Kunde bzw. Verbraucher kann sich mit der schlichten Behauptung begnügen, es liege eine unbestellte Leistung vor. Der Unternehmer, hier also die Klägerin muss dann das Vorliegen einer Bestellung darlegen und beweisen (Bamberger/Roth, § 241a BGB, Rdnr. 15).
Die Klägerin hat Gelegenheit erhalten, auf den Hinweis der Kammer bezüglich der Anwendung des § 241a BGB Stellung zu nehmen. Das Zustandekommen eines Vertragsverhältnisses hinsichtlich der streitgegenständlichen Dienste hat die Klägerin jedoch weder dargelegt noch unter Beweis gestellt.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die Zielrufnummern von ihr gemäß § 7 Abs. 3 der Telekommunikations-Datenschutzverordnung (TDSV) um die letzten drei Nummern zu kürzen gewesen seien und sie habe gemäß § 7 Abs. 4 TDSV lediglich auf Verlangen des Kunden die Verbindungsdaten vollständig speichern dürfen, ein solches Verlangen habe der Beklagte aber nicht gestellt, führt dies nicht zu einer Änderung der Darlegungs- und Beweislast. Denn indem der Beklagte ein entsprechendes Verlangen bei Abschluss des Telefonanschluss-Vertrages nicht gestellt hatte, so hatte er damit nicht zu seinen Lasten auf den eventuell erforderlichen Nachweis der Verbindungen verzichtet, sondern nur darauf, dass ihm mit jeder Rechnung die vollständigen Verbindungsdaten mitgeteilt werden. Im Übrigen handelt es sich bei den Bestimmungen des TDSV um datenschutzrechtliche Regelungen. Diese können aber nicht dazu führen, eine Beweislastregelung, die der Gesetzgeber zum Zwecke des Verbraucherschutzes in § 241a BGB getroffen hat, aufzuheben oder zu umgehen (siehe auch LG Berlin, NJW-RR 1996, 895, 896).
Die Rechtsfolge aus § 241a Abs. 1 BGB ist, dass jegliche Ansprüche gegen den Beklagten ausgeschlossen sind (Bamberger/Roth, § 241a BGB, Rdnr. 10). Eine Ausnahme hiervon gemäß der Regelungen des § 241a Abs. 2 ABG ist klägerseits weder vorgetragen noch ersichtlich.
Aus den dargelegten Gründen war die Berufung zurückzuweisen. Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der nach einem Urteil vom 04.03.2004 (Aktenzeichen: III ZR 96/03) gleichartige Ansprüche – soweit aus der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes ersichtlich wohl für Ansprüche aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 241a BGB – abgewiesen hat unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV, wonach den Kunden keine Vergütungspflicht für die Nutzung seines Anschlusses durch Dritte trifft, sofern er diese nicht zu vertreten hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Streitwertbeschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 735,28 EUR festgesetzt.