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Dialer: Beweislast für die geltend gemachten Ansprüche

Amtsgericht Saalfeld

Az: 1 C 564/02

Urteil vom 24.07.2003


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Saalfeld auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2003 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Vergütung für Telekommunikationsdienstleistungen gegen den Beklagten geltend.

Der Beklagte bezahlte auf die Rechnungen der Klägerin für den Monat März und April 2002 in Höhe von 772,57 Euro lediglich einen geringen Teilbetrag, so dass noch 735,32 Euro offen stehen. Bei dieser Summe handelt es sich um Entgelte für Verbindungen mit 0190-Nummern. Die Anwahl dieser Nummern löst unterschiedliche Verbindungsentgelte aus. Hinter den 0190-Nummern stehen so genannte „Mehrwertdiensteanbeiter“, die – insoweit nicht vorgetragen, allerdings gerichtsbekannt – einen Teil des gegenüber Normalgebühren erhöhten vom Kunden zu zahlenden Kommunikationsentgelte durch die Klägerin ausgekehrt erhalten.

Nachdem der Beklagte festgestellt hatte, dass infolge der Anwahl der Mehrwertdienste im Vergleich zu den Vormonaten erheblich höhere Entgelte berechnet wurden, erteilte er der Klägerin einen Prüfauftrag. Zum damaligen Zeitpunkt hatte er keine Kenntnis davon, dass die Verbindung auf Grund eines „möglicherweise“ vom Sohn der Beklagten heruntergeladenen „Dialers“ zu Stande gekommen war. Die durchgeführte Prüfung ergab, dass der Telefonanschluss ordnungsgemäß funktionierte. Die Klägerin hat dem Beklagten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mitgeteilt, welche Unternehmen sich hinter dem angewählten Mehrwertdiensteanbietern verbergen und hat dies damit begründet, dass sie infolge der TDSV gehalten sei, die letzten vier Nummern zu kürzen.

Die Klägerin beruft sich auf einen Anscheinsbeweis für die Richtigkeit der automatisch erfassten gebührenpflichtigen Anrufe und meint, dass es Sache des Kunden sei, sein Datenverarbeitungssystem vor Missbrauch zu schützen.

Sie beantragt nach Teilklagerücknahme den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 735,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 21.07.2002 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Nachdem er zunächst behauptet hat, dass weder er noch seine Ehefrau oder der minderjährige Sohn die fraglichen Verbindungen veranlasst hätten und diese deshalb durch einen aus ihm nicht bekannten Gründen in sein Datensystem eingedrungenen Dialer verursacht worden seien, hat er mit Schriftsatz vom 17.06.2003 diesen Vortrag modifiziert und behauptet nunmehr, dass der minderjährige Sohn des Beklagten „möglicherweise“ eine Software heruntergeladen habe, die den Dialer enthalten habe. Nachdem er nach Erhalt der ersten Rechnungen der Klägerin festgestellt habe, dass die heruntergeladene Software lediglich zur Generierung hochpreisiger Verbindungen diente, habe er den Dialer gelöscht und damit die normale AOL-Verbindung zum Internet wieder hergestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist zur gerichtlichen Geltendmachung der streitgegenständlichen aus Mehrwertdienstleistungen resultierenden Forderung nicht aktiv legitimiert. Es kann daher offen bleiben, wie der Umstand zu bewerten ist, dass sich die Klägerin über die ihr gem. § 15 Abs. 1 TKV obliegende Verpflichtung zur Namhaftmachung der Mehrwertdiensteanbeiter hinweggesetzt hat.

Bei der Inanspruchnahme von 0190-Sondernummern gestalten sich die Vertragsbeziehungen zwischen den Beteiligten (Telekommunikationsunternehmen, Mehrwertdiensteanbeiter und Kunde) dergestalt, dass mindestens zwei unterschiedliche Vertrags- und Rechtsverhältnisse zu unterscheiden sind: Die die technische Seite des Vorgangs betreffende und im Rahmen des Telefondienstvertrages zu erbringende Dienstleistung des Telekommunikationsunternehmens (Vgl. § 3 Nr. 16, 19 TKG) und die die inhaltliche Seite des Vorgangs betreffende „weitere Dienstleistung“, hier der Zugang zum Internet mittels einer besonderen Zugangssoftware.

Grundsätzlich unerheblich ist, ob der Zugang zu den 0190-Nummern bewusst und gewollt im Einzelfall hergestellt wurde oder (wie dies in den streitigen Fällen regelmäßig der Fall sein wird) mittels eines heimlich inplementierten Dialers zu Stande gekommen ist. Ggf. sind an der Erbringung dieser Mehrwertdienste noch weitere Unternehmen beteiligt. Jedes Vertragsverhältnis dieser mehrstufigen Beziehungen ist rechtlich selbstständig, wobei das auf den Telekommunikationsdienstvertrag gestützte Abrechnungsverhältnis der Klägerin zu ihren Kunden als auch das Abrechnungsverhältnis der Klägerin zu den Mehrwertdiensteerbringern grundsätzlich losgelöst vom Inhalt der konkret in Anspruch genommenen Dienstleistung ist (Vgl. i.E. BGH NJW 2002, 361). Aus dieser Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen folgt grundsätzlich, dass der Kunde dem Netzbetreiber keine Einwendungen entgegenhalten kann, die aus dem Vertragsverhältnis zum Erbringer der Mehrwertdienstleistungen resultieren (vgl. BGH a.a.O. zum Einwand der Sittenwidrigkeit des Mehrwertdienstes).

Hieraus folgt aber zugleich, dass Inhaber der aus der Inanspruchnahme von Mehrwertdienstleistungen resultierenden Ansprüche grundsätzlich der Mehrwertdiensteerbringer selbst ist. Aus der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Telekommunikationskundenschutzverordnung (TKV) folgt nichts anderes. Denn diese Vorschrift verpflichtet lediglich den Netzbetreiber zu einer einheitlichen Rechnungslegung, ermächtigt diesen aber nicht allgemein zur Einziehung von Ansprüchen Dritter. Aus diesem Grunde ist der Teilnehmernetzbetreiber des Anschlussinhabers lediglich berechtigt und verpflichtet, die Mehrwertdienstleistungen gegenüber dem Anspruchsinhaber abzurechnen, während deren gerichtliche Geltendmachung dem Mehrwertdienstanbieter selbst überlassen bleibt (so ausdrücklich KG, Urteil vom 27. Januar 2003 – 26 U 205/01).

Diese Rechtslage trägt den gegenläufigen Interessen der beteiligten Parteien Rechnung. Der Mehrwertdienserbringer hat die Berechtigung seiner Ansprüche im Verhältnis zu seinem Kunden nachzuweisen, ohne dass der Netzbetreiber in diese Auseinandersetzung hineingezogen wird. Der Netzbetreiber muss keine Prozesse über fremde Angelegenheiten führen und sieht sich keinen Einwendungen aus fremden Rechtsverhältnissen ausgesetzt. Der Kunde letztlich kann seine Einwendungen in dem Rechtsverhältnis vortragen, im dem sie entstanden sind. Vor allem aber wird der Kunde vor der Inanspruchnahme durch den Netzbetreiber geschützt, der u.U. (wie im vorliegenden Fall) entgegen seiner aus § 15 Abs. 1 Telekommunikationskundenschutzverordnung resultierenden Verpflichtung zur Angabe von Namen und ladungsfähigen Anschriften der Mehrwertdienstebetreiber seinen Kunden auf Zahlung in Anspruch nimmt. ohne das dieser wüsste, gegen wen oder was er sich verteidigen soll.

Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif, insbesondere bedurfte es nicht eines nochmaligen Hinweises gemäß § 139 ZPO auf die dargestellte Rechtslage. Denn einerseits wurde die Frage der Aktivlegitimation bereits im Zuge der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch den Beklagten thematisiert, andererseits hat das Gericht auf die bestehenden Bedenken hingewiesen und diese zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht, ohne das die Klägerin nochmals Gelegenheit zu schriftsätzlichem Vortrag erbeten hätte.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 23.7.2003 ist gem. § 296a ZPO unberücksichtigt geblieben.

Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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