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Dialer – Darlegungs- und Beweislast bei Dialersperre

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

AZ: 1 U 235/03

Urteil vom 19.04.2004

Vorinstanz: Landgericht Frankfurt 2-10 O 123/03


In dem Rechtsstreit hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Main als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2004 für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 02.09.2003 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage auf Zahlung von 5.025,87 € für Verbindungen zu 0190-Rufnummern abgewiesen.

Allerdings hat das Landgericht nicht berücksichtigt, dass für das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien auch die in den AGB der Klägerin ausdrücklich in Bezug genommenen Bestimmungen der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV), hier insbesondere deren Regelungen über die Darlegungs- und Beweislast für Zahlungsverpflichtungen des Kunden, maßgeblich sind. Die Klage ist indes auch unter Berücksichtigung der TKV auf der Grundlage des Sachvortrages der Klägerin unschlüssig.

Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 TKV oblag der Klägerin als Anbieter der Nachweis, die Leistung – hier die 0190-Verbindungen – bis zu der Schnittstelle, an der der allgemeine Netzzugang der Beklagten als Kundin bereitgestellt wird, technisch einwandfrei erbracht und richtig berechnet zu haben. Diesen Nachweis hat die Klägerin dadurch erbracht, dass sie einen Einzelentgeltnachweis im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 TKV unter Aufschlüsselung der Verbindungsdaten erstellt und außerdem eine technische Prüfung nach § 16 Abs. 1 TKV mit negativem Ergebnis durchgeführt und dokumentiert hat. Danach ist davon auszugehen, dass die 0190-Verbindungen in der von der Beklagten beherrschbaren Sphäre hergestellt worden sind.

Das Entgelt für derartige Verbindungen hat grundsätzlich der Kunde zu zahlen. Das gilt nach Nr. 5.2 der AGB der Klägerin (inhaltsgleich § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV) auch dann, wenn die Verbindungen aufgrund unbefugter Nutzung des Anschlusses durch Dritte entstanden sind. Ausgenommen sind nach den genannten Regelungen allerdings die Preise für eine unbefugte Nutzung des Anschlusses durch Dritte, die der Kunde nicht zu vertreten hat. Zu vertreten im Sinne von Nr. 5.2 AGB und § 16 Abs. 3 Satz TKV hat der Kunde entsprechend § 276 Abs. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit. Ferner muss er sich das Verhalten derjenigen, denen er Zugang zu dem Netzanschluss gewährt, entsprechend § 278 BGB zurechnen lassen (BGH, Urteil vom 4.03.2004, III ZR 96/03, Juris). Die Beweislast dafür, dass er den Missbrauch des Anschlusses nicht zu vertreten hat, trägt der Kunde. Das entspricht den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die Beweislastverteilung nach Gefahren- oder Verantwortungsbereichen. Sind die Verbindungen in der vom Kunden beherrschbaren Sphäre hergestellt worden, muss er beweisen, dass die (unbefugte) Benutzung von ihm nicht zu vertreten ist (Hahn, Telekommunikationsdienstleistungs-Recht, Rn. 211, 294; Spindler/lmping, Vertragsrecht der Telekommunikations-Anbieter, Teil VI Randzeichen 50; Graf von Westphalen, Der Telefondienstvertrag, Seite 116, 117; OLG Köln, Urteil vom 8.05.1998-6 U 149/96-A 3 JURIS).

Hier beruhen die zustande gekommenen 0190-Verbindungen nicht auf einem Verstoß der Beklagten gegen ihre Sorgfaltsobliegenheiten. Unstreitig hat die Beklagte ihre Telefonanlage durch eine Fachfirma mit einer Sperre für 0190-Verbindungen ausstatten lassen. Die Sperrung der 0190-Nummern wurde fortlaufend überwacht und überprüft. Für eine in der Vergangenheit bereits zu Tage getretene Lückenhaftigkeit, des installierten Schutzes gegen 0190-Verbindungen bestehen keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass in dem der Klageforderung zu Grunde liegenden Abrechnungszeitraum gleichwohl 0190-Verbindungen vom Telefonanschluss der Beklagten aus hergestellt wurden, beruht unstreitig darauf, dass die in der Telefonanlage installierte Sperre für 0190-Verbindungen von einem Dritten unbemerkt manipuliert wurde, möglicherweise in Verbindung mit der Installation einer Rückrufschaltung, über die dann die Anlage außerhalb der Geschäftszeiten der Beklagten Verbindungen zu 0190-Nummern aufgestellt hat. Diese Manipulation hat die Beklagte nicht zu vertreten. Vielmehr hat die Beklagte durch Installation der Sperre von 0190-Verbindungen in ihrer Telefonanlage die nach Lage der Sache erforderliche Sorgfalt beachtet, um sich selbst vor Schaden zu schützen. Da sich diese Sicherungsmaßnahme bisher nicht als unzuverlässig erwiesen hatte, bestand kein Anlass zu weitergehenden Schutzvorkehrungen. Der Beklagte hat die Manipulation ihrer Telefonanlage auch dann nicht zu vertreten, wenn sie von einem ihrer Mitarbeiter vorgenommen wurde. In diesem Falle ist der Beklagten das Verhalten des Mitarbeiters nicht entsprechend § 278 BGB zuzurechnen. Es steht ersichtlich in keinem inneren sachlichen Zusammenhang mit dem Aufgeben, die die Beklagte ihren Mitarbeitern zugewiesen hat. Bei der Manipulation der Telefonanlage zur Umgehung der installierten Sperre gegen 0190-Verbindungen handelt es sich vielmehr um einen nur bei Gelegenheit der Tätigkeit des Mitarbeiters begangenen rechtswidrigen Eingriff in das Eigentum der Beklagten. Dieser rechtswidrige Eingriff ist der Nutzung des Anschlusses durch Einbrecher vergleichbar, die im Normgebungsverfahren als Beispiel für einen vom Kunden nicht zu vertretenden Missbrauch im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 3 1. Alternative TKV angeführt wurde (amtliche Begründung zu § 15 des Verordnungsentwurfs der Bundesregierung = § 16 TKV, in BR-Drucksache 551/97, Seite 36). Beide Fälle betreffen rechtswidriges, gegen den Kunden gerichtetes deliktisches Verhalten unter Ausschaltung bzw. Umgehung von Sicherungsmaßnahmen, die der Kunde im Rahmen des Zumutbaren zum Schutz vor missbräuchlicher Benutzung des Telefonanschlusses getroffen hat. Das Missbrauchsrisiko trägt nach Nr. 5.2 AGB/§ 16 Abs. 3 Satz 3 1. Alternative TKV die Klägerin, wenn – wie hier – Verbindungen in der vom Kunden beherrschbaren Sphäre ohne dessen Verschulden zustande gekommen sind.

 

Danach kann die Klägerin die geltend gemachte Vergütung für die 0190-Verbindungen nicht beanspruchen.

 

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO).

 

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht-(§ 543 Abs. 2 ZPO).

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