Arbeitsgericht Lübeck
Az.: 3 Ca 864/09
Urteil vom 09.10.2009
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 26.02.2009, der Klägerin zugegangen am 04.03.2009, nicht zum 31.10.2009 beendet wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin entsprechend ihrem Arbeitsvertrag vom 21.09.1987, geändert durch Vertrag vom 10.03.2000, zu unveränderten Bedingungen als Raumpflegerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu Ziffer 1. weiter zu beschäftigen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 13 % und die Beklagte zu 87 %.
4. Der Streitwert für dieses Urteil wird festgesetzt auf 4.160,– EUR.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Kündigungsschutz.
Sie ist seit dem 21.09.1987 als Raumpflegerin bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Einkommen belief sich zuletzt auf 1.040,– EUR brutto/Monat.
In dem maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 10.03.2000 (Anlage K, Bl. 7f. d. A.) ist u. a. geregelt:
„24. Eine Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt ist nicht gestattet. Dies gilt auch für geringwertige Gegenstände, wie z. B. Abfall oder Blumenableger.
…
28. Verstöße gegen die vorgenannten Auflagen berechtigen den Arbeitgeber zur Abmahnung des vertragswidrigen Verhaltens, im Wiederholungsfalle oder bei schwerwiegenden Verstößen zur fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages.“
Die Beklagte erklärte der Klägerin mit Schreiben vom 26.02.2009 eine ordentliche Kündigung zum 31.08.2009. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Kündigungsfrist tatsächlich erst am 31.10.2009 enden würde.
Die Klägerin meint, die Kündigung sei unwirksam. Kündigungsgründe lägen nicht vor. Die Beklagte habe den Betriebsrat auch nicht ordnungsgemäß angehört.
Die Klägerin beantragt
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 26. Februar 2009, der Klägerin zugegangen am 04. März 2009, nicht zum 31.Oktober 2009 beendet wird;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin entsprechend ihrem Arbeitsvertrag vom 21. September 1987, geändert durch Vertrag vom 10. März 2000, zu unveränderten Bedingungen als Raumpflegerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu Ziffer 1. weiter zu beschäftigen
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, dass ihr die Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht zumutbar sei. Sie habe die Klägerin im … in … eingesetzt. Die Klägerin habe dort Pfandflaschen von Mitarbeitern d. … und auch von denen des dort im Rahmen eines Umbaus tätigen Fremdunternehmens an sich genommen und in einem Plastiksack mit ihrem Pkw nach Hause mitgenommen. Insgesamt hätten bei einer Bestandsaufnahme ca. 340 Flaschen gefehlt.
Der Zeuge …, Leiter d. …, habe die Klägerin wenige Tage vor dem 05.07.2008 dabei beobachtet, wie sie Pfandflaschen von einem abgestellten Pflanzwagen mitgenommen habe. Herr … habe die Klägerin zwei Tage später zur Rede gestellt. Die Klägerin habe erklärt, Pfandfaschen aus den Mülleimern, den Müllcontainern im Außenbereich und unter den Regalen hervor gefegte Flaschen mitgenommen zu haben. Entsprechende Erklärungen habe sie gegenüber dem stellvertretenden Objektleiter … und im Vorprozess …. abgegeben.
Damit stehe nicht nur fest, dass die Klägerin sich rechtswidrig Pfandflaschen angeeignet habe, sondern auch, dass ihr jegliches Unrechtsbewusstsein fehle. Deswegen könne die Beklagte ihr das für die Weiterbeschäftigung unabdingbare Vertrauen nicht mehr entgegen bringen.
Den Betriebsrat habe sie mit dem aus Anlage B7 (Bl. 21 d. A.) ersichtlichen Schreiben, dem die weiteren Anlagen 6-2 (Bl. 22-35 d. A.) beigefügt gewesen seien, angehört.
Die Klägerin erwidert, dass sie unstreitig gegen den Arbeitsvertrag verstoßen habe, diese Verstöße jedoch eine Kündigung nicht rechtfertigten. Sie habe ausschließlich Pfandflaschen mitgenommen, von denen sie habe annehmen dürfen, dass sie weggeworfen oder bewusst zurückgelassen worden seien. Diese Einschätzung werde letztendlich auch bestätigt durch die schriftlichen Einlassungen des Zeugen … . Danach sollen Mitarbeiter d. … und auch dort eingesetzte Fremdarbeiter schließlich ständig beobachtet haben, wie sie Flaschen mitgenommen habe, ohne dagegen eingeschritten zu sein. Die Beklagte hätte sie zunächst abmahnen müssen.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 26.02.2009 beendet das Arbeitsverhältnis nicht. Sie ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt aus den arbeitsvertraglichen Bestimmungen zu Ziff. 24 und 28.
Unter Ziff. 24 des Arbeitsvertrages hat die Beklagte klar gestellt, dass eine Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt nicht gestattet ist. Sie hat betont, dass dies auch für geringwertige Gegenstände, wie z. B. Abfall oder Blumenableger gilt. Da die Klägerin Pfandflaschen aus d. … mitgenommen hat, hat sie gegen diese Bestimmung des Arbeitsvertrages verstoßen. Das hat sie auch zu keinem Zeitpunkt bestritten.
Zutreffend weist die Klägerin jedoch darauf hin, dass diese Verstöße nicht geeignet sind, die Kündigung zu begründen. Das folgt aus Ziff. 28 des Arbeitsvertrages. Danach berechtigen Verstöße u.a. i.S. der Ziff. 24 grundsätzlich nur zur Abmahnung, lediglich im Wiederholungsfall und, wenn es sich um besonders schwerwiegende Verstöße handelt, zur Kündigung.
Unstreitig hat die Klägerin Pfandflaschen aus d. … nicht im Wiederholungsfall nach einschlägiger Abmahnung mitgenommen.
Tatsächlich muss die Klägerin sich auch keine schwerwiegenden Verstöße gegen das Verbot aus Ziff. 24 vorwerfen lassen, aus dem zu reinigenden Objekt keine Gegenstände mitzunehmen. Das folgt aus dem Zusammenspiel von Ziff. 28 und 24 des Arbeitsvertrages. Wenn nämlich unter Ziff. 24 geregelt ist, dass die Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigenden Objekt nicht gestattet ist, und wenn Ziff. 28 bei Verstößen gegen diese Verpflichtung die Abmahnung als adäquates Mittel der Beklagten vorsieht, kann alleine der Verstoß gegen das Verbot der Mitnahme von Gegenständen aus dem Reinigungsobjekt eine Kündigung nicht ohne Weiteres rechtfertigen. Vielmehr müssten Umstände hinzutreten, die diese Mitnahme von Gegenständen aus dem zu reinigende Objekt als im Verhältnis zum Grundtatbestand „schwerwiegend“ erscheinen lassen. Derartige Umstände hat die Beklagte nicht vorgetragen und sie liegen auch nicht vor.
Soweit die Klägerin zugestanden hat, Pfandflaschen aus d. … mitgenommen zu haben, handelt es sich ausschließlich um Abfall, nämlich Pfandflaschen aus den Papierkörben, aus den Abfallcontainern und Pfandflaschen, die sie aufgefegt hat. Diese Tatbestände fallen unter die Regelung betr. „geringwertige Gegenstände, wie z. B. Abfall“ und berechtigten die Beklagte von daher wegen Ziff. 28 des Arbeitsvertrags lediglich zur Abmahnung. Weniger schwerwiegende Verstöße, als die Mitnahme von so gut wie wertlosen Gegenständen, die die Berechtigten bereits entsorgt haben, sind nicht denkbar.
Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin, wie von der Beklagten unter Hinweis auf die schriftliche Aussage Herrn … behauptet, auch mehrere Pfandflaschen von einem Blumencontainer weggenommen und anschließend mit zu sich nach Hause genommen hat. Auch hier handelt es sich um ausgesprochen geringwertige Gegenstände, von denen die Klägerin annehmen durfte, dass die Berechtigten sie nicht selbst haben anderweitig entsorgen wollen. Grundsätzlich wird derjenige, der eine geleerte Pfandflasche zurückbringen und das Pfand dafür kassieren will, sie nicht im … auf einem Blumencontainer zurücklassen, sondern an einem geeigneten Platz abstellen, z. B. im Sozialraum oder im eigenen Spind.
Unabhängig davon erscheint die Mitnahme von mehreren Pfandflaschen schon wegen deren geringen Wertes als nicht geeignet, die Voraussetzungen eines „schwerwiegenden Verstoßes“ i.S. der Ziff. 28 des Arbeitsvertrages zu erfüllen. Auch die Art und Weise sowie die Umstände der Mitnahme dieser Flaschen vom Blumencontainer sprechen gegen das Vorliegen eines schwerwiegenden Verstoßes i.S. der Ziff. 28. Die Klägerin hat Flaschen, die offen herumstanden, mitgenommen. Sie waren nicht besonders gesichert. Es war nicht erkennbar, dass jemand anderes noch Interesse an diesen Flaschen hatte. Der Umstand, dass Herr … sie dabei beobachtet haben soll, spricht dafür, dass die Klägerin gar nicht versucht hat, ihr Tun zu verheimlichen. Dafür spricht im Übrigen auch der – allerdings völlig pauschale – Hinweis Herrn … in seiner schriftlichen Aussage, dass Mitarbeiter und Kollegen die Klägerin täglich beobachtet haben wollen, wie sie Pfandflaschen mitgenommen habe.
Nach alledem kam es wegen der einschlägigen besonderen arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Parteien auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Berechtigung von Kündigungen bei Eigentumsdelikten nicht an.
Das Gericht hat den Streitwert für den Feststellungsantrag in Höhe von 3 Monatslöhnen und für den Weiterbeschäftigungsantrag in Höhe eines Monatslohnes festgesetzt.
Der für die Gerichtskosten maßgebliche Streitwert, den das Gericht gesondert festgesetzt hat, übersteigt diesen Wert wegen der ursprünglichen Anträge zu Ziff. 4 und 5 um 600,– EUR. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin wegen der zurückgenommenen Anträge zu Ziff. 4 und 5 und die Beklagte wegen ihres Unterliegens mit den Anträgen zu Ziff. 1 und 3 in dem mit Urteil festgesetzten Verhältnis gemäß § 92 ZPO zu tragen.