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Diebstahlskündigung – Information des Betriebsrats

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Az: 2 Sa 305/11

Urteil vom 10.01.2012


In dem Rechtsstreit hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 10.01.2012 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 30.06.2011 – 4 Ca 284 b/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um zwei fristlose und zwei hilfsweise ordentliche Kündigungen der Klägerin.

Die Klägerin jetzt 41 Jahre alt. Sie ist seit 01.04.1999 als Reinigungskraft/Aufsicht im Stadtbad beschäftigt. Sie ist verheiratet, jedoch getrennt lebend und einem eigenen Kind zum Unterhalt verpflichtet. Darüber hinaus gibt sie an, sie habe das Kind ihrer im letzten Jahr verstorbenen Schwester in ihren Haushalt zur Pflege aufgenommen. Die Klägerin erhielt zuletzt eine Vergütung von durchschnittlich 2.900,00 EUR brutto. Sie ist behindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30. Der Gleichstellungsantrag vom 20.01.2011 ist mit Bescheid vom 23.06.2011 (Bl. 95) zurückgewiesen worden.

Die Klägerin erhielt im Mai 2009 eine Abmahnung wegen Verlassens des Geländes ohne vorherige Abmeldung bei dem zuständigen Schichtführer. Am 17.08.2010 wurde sie wegen Verlassens des Arbeitsplatzes ohne Abmeldung (Bl. 33 d.A.) und am 07.01.2011 wegen Führens eines privaten Telefongespräches während der Arbeitszeit ohne Kennzeichnung des Gespräches als „privat“ (Bl. 31/32 d.A.) ermahnt. Unstreitig hat deswegen ein Gespräch zwischen der Klägerin, dem Betriebsleiter Herrn K. und dem Betriebsrat stattgefunden, in dem der Klägerin u.a. nahegelegt wurde, sich eine andere Stelle zu suchen.

Seit dem 20.01.2011 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Am 04.02.2011 erschien sie zwischen 18:30 Uhr und 19:00 Uhr im Stadtbad und durchsuchte das Fundsachenregal nach einem Tauchring. Strittig ist, ob es sich um den – namentlich gekennzeichneten – Tauchring des Sohnes der Klägerin oder um irgendeinen Tauchring handelte. Nach der Behauptung der Beklagten fand sie einen gelben Tauchring, warf ihn auf einen am Boden liegenden Stapel Schwimmkleidung und verließ sodann mit Kleidungsstücken bepackt das Gebäude. Hiervon erfuhr die Beklagte am 10.02.2011. Mit Schreiben vom 15.02.2011 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an (Bl. 35 bis 38 d.A.). Der Betriebsrat äußerte am 17.02.2011 Bedenken (Bl. 39 d.A.). Der ordentlichen Kündigung widersprach er am 21.02.2011. Ebenfalls mit Schreiben vom 15.02.2011 (Bl. 40 d.A.) hörte die Beklagte die gebildete Schwerbehindertenvertretung an. Diese äußerte gegen beide beabsichtigten Kündigungen mit Schreiben vom 17.02.2011 Bedenken (Bl. 41, 42 d.A.). Ebenfalls mit Schreiben vom 15.02.2011 beantragte die Beklagte vorsorglich die Zustimmung des Integrationsamtes zur beabsichtigten Kündigung. Das Integrationsamt erteilte der fristlosen Kündigung mit Bescheid vom 24.02.2011 (Bl. 43 bis 44 d.A.) und der ordentlichen Kündigung mit Bescheid vom 25.02.2011 (Bl. 45/46) die Zustimmung. Die Bescheide gingen der Beklagten am 28.2.2011 zu. Die Beklagte sprach daraufhin unter dem 28.02.2011 die fristlose Kündigung aus. Diese ging der Klägern am selben Tag zu. Die ordentliche Kündigung vom 02.03.2011 ging der Klägerin am 03.03.2011 zu.

Am 24.02.2011 forderte die Beklagte die Klägerin auf, nach Ende der bis 25.02.2011 prognostizierten Arbeitsunfähigkeit am 28.02.2011 in einem Personalgespräch Stellung zu nehmen zu den Vorfällen vom 04.02.2011 (Bl. 47 d.A.). Dabei teilte sie der Klägerin mit, es werde ihr vorgeworfen, am 04.02.2011 aus dem Fundsachenregal nicht in ihrem Eigentum befindliche Gegenstände ohne Erlaubnis des Arbeitgebers entwendet zu haben. Dieses Gespräch sagte die Klägerin ab. Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 28.02.2011 auf, bis zum 03.03.2011 schriftlich zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen (Bl. 48 d.A.). Auf dieses Schreiben meldete sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 03.03.2011 (Bl. 49 d.A.) und erklärte, dass die Klägerin den verlorenen Tauchring ihres Sohnes nicht gefunden habe. Sie habe dann lediglich aus ihrem Spind persönliche Sachen geholt und sei nach Hause gegangen. Wegen des Verdachts des Diebstahls eines Tauchringes hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 08.03.2011 (Bl. 50 bis 56 d.A.) wegen einer weiteren auszusprechenden fristlosen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung an. Der Betriebsrat äußerte am 10.03.2011 Bedenken (Bl. 57 d.A.). Die Beklagte hörte auch vorsorglich die Schwerbehindertenvertretung mit Schreiben vom 08.03.2011 an. Auch diese äußerte Bedenken (Bl. 68, 69 d.A.). Die Beklagte beantragte erneut vorsorglich die Zustimmung des Integrationsamtes zu den beabsichtigten Verdachtskündigungen am 09.03.2011, welches am 24.03.2011 die Zustimmung zur fristlosen (Bl. 70 bis 72 d.A.) und am 25.3.2011 die Zustimmung zur fristgemäßen Kündigung erteilte (Bl. 73 bis 75 d.A.). Diese Bescheide gingen der Beklagten am 28.03.2011 zu. Die Beklagte sprach daraufhin erneut Kündigungen aus. Diese gingen der Klägerin ab 28.03.2011 zu.

Die Klägerin hat vorgetragen, die fristlosen Kündigungen seien rechtswidrig, die ordentliche Kündigung sei sozialwidrig. Die Vorwürfe seien nicht berechtigt.

Die Beklagte hat behauptet, Frau J. E. habe die Klägerin beim Durchsuchen des Fundregals und Herausnehmen eines gelben Tauchringes beobachtet. Sie habe gesehen, wie die Klägerin den Tauchring auf einen bereitgelegten Stapel Schwimmkleidung geworfen hat. Frau G. habe dann gesehen, dass die Klägerin mit einem Stapel Kleidung unter ihrem Arm zu ihrem Fahrzeug gegangen sei.

Die Klägerin hat erwidert, sie habe nach einem namentlich gekennzeichneten Tauchring ihres Sohnes gesucht und nicht gefunden. Mit der Kleidung aus ihrem Spind habe sie dann das Gelände verlassen. In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2011 hat sie ihr Vorbringen dahingehend korrigiert, dass sie zuerst Sachen aus ihrem Spind geholt habe und sodann im Fundsachenregal den Schwimmring gesucht habe.

Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 30.06.2011 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 28.02.2011 noch durch die fristgerechte Kündigung vom 02.03.2011 mit Ablauf des 30.09.2011 noch durch die fristlose Kündigung vom 28.03.2011 und auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28.03.2011 mit Ablauf des 30.09.2011 beendet worden ist. Gegen dieses am 11.07.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.08.2011 mit Fax und 10.08.2011 im Original Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung am 10.0 10.2011 begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor, sie beanstande insbesondere die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung. Das Arbeitsgericht unterstelle, dass der Ausspruch einer Abmahnung ausgereicht hätte. Dabei stütze es seine Einschätzung darauf, dass das Fundsachenregal nicht genauer überwacht werde und die Aufbewahrungsdauer lediglich drei Monate betrage. Die Schlussfolgerung des Arbeitsgerichts, die Klägerin habe dadurch den Eindruck gewinnen müssen, der Verbleib der Fundsachen sei der Beklagten gleichgültig gewesen und die unberechtigte Wegnahme von Gegenständen wirke sich nicht auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses aus, treffe jedoch nicht zu. Hiergegen spreche die bestehende Anordnung, selbst nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist ohne besondere Genehmigung Fundsachen nicht an Mitarbeiter auszuhändigen. Während der Aufbewahrungszeit dürften Mitarbeiter gerade deshalb nicht darüber verfügen. Der Leiter des Schwimmbades habe anlässlich seines Dienstantritts im Juli 2010 in einer Mitarbeiterbesprechung deutlich erklärt, dass aus dem Fundsachenregal auf keinen Fall Gegenstände mitgenommen werden durften. Dieser Sachverhalt sei damit allen Mitarbeitern bekannt gewesen. Die Klägerin selbst habe auch nie behauptet, sie habe nicht gewusst, dass eine Entnahme aus dem Fundsachenregal nicht geduldet werde. Eine Abmahnung hätte nicht zu neuen Erkenntnissen der Klägerin geführt. Sie habe auch ohne dies gewusst, dass die unberechtigte Wegnahme den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährde. Auch gefährde eine fallbezogene Handhabung der Interessenabwägung je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung der Wiederholungsgefahr, des Umfangs der Schädigung, der Verwerflichkeit des Verhaltens sowie der Unterhaltspflichten und des Familienstandes des Mitarbeiters jede Rechtssicherheit.

Darüber hinaus sei es fragwürdig, ob eine lange Dauer der Betriebszugehörigkeit dazu führe, dass im Fall eines Vermögensdeliktes nur ein Teil des Vertrauens zerstört werde. Im Gegenteil müsse bei besonders langer Betriebszugehörigkeit unterstellt werden, dass die Identifikation des Mitarbeiters mit dem Unternehmen besonders hoch sei. Eine Vertrauensverletzung führe zu einer besonders hohen Enttäuschung.

Zweifelhaft sei, ob eine Betriebszugehörigkeitsdauer von elf Jahren eine besonders lange Betriebszugehörigkeit darstelle und ob das Vertrauenskonto besonders hoch angewachsen sei. Zudem sei das Arbeitsverhältnis nicht unbelastet gewesen. Dies habe sie bereits erstinstanzlich vorgetragen. Die Klägerin sei nicht nur zweimal ermahnt worden. Vielmehr seien persönliche Gespräche mit ihr geführt worden. Am 30.12.2010 habe der Schwimmbadleiter ihr dringend nahe gelegt, sich einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Die Einbeziehung von Unterhaltspflichten in die Interessenabwägung anlässlich einer verhaltensbedingten Kündigung erscheine grundsätzlich sachwidrig. Ein Zusammenhang zwischen Unterhaltspflichten und der Zumutbarkeit einer Vertrauensstörung bestehe nicht. Im Gegenteil müsse man unterstellen können, dass ein Unterhaltspflichtiger besonders sorgfältig und pflichtbewusst auf den Erhalt seines Arbeitsverhältnisses bedacht sei. Zudem bestreite sie, die Beklagte, mit Nichtwissen, dass die Klägerin den Sohn Ihrer Schwester dauerhaft in ihren Haushalt aufgenommen habe, dass dieser keine eigenen Einkünfte erziele und sie, die Klägerin, daher Unterhalt leiste. Hingegen sei in die Interessenabwägung einzubeziehen, dass es sich bei den Fundsachen um das Eigentum der Badegäste handele. Gegenüber den Kunden sei nicht zu vertreten, dass Eigentumsdelikte nicht verfolgt werden. Das gelte auch für Sachen von geringfügigem Wert.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster- 4 Ca 284 b/11 – vom 30. Juni 2011 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, die Beklagte habe zunächst Tatkündigungen ausgesprochen. Beweis hierüber sei nicht erhoben worden. Vielmehr habe das Arbeitsgericht zugleich eine Interessenabwägung vorgenommen, was sachgerecht sei.

Sie, die Klägerin, habe den Schwimmring nicht entwendet. Auch sei der Verdacht nicht berechtigt. Schließlich sei der Vorwurf nicht geeignet, die Kündigung zu rechtfertigen. Unterstellt, die Klägerin hätte den Schwimmring an sich genommen, wäre eine Abmahnung ausreichend gewesen.

Im Übrigen rüge sie erneut die Betriebsratsanhörung. Der Betriebsrat sei weder über den den Kündigungen zu Grunde liegenden Sachverhalt noch über die entlastenden Momente ausreichend unterrichtet worden. Was die Beklagte dem Betriebsrat mitgeteilt habe, habe sie nicht vorgetragen. Es reiche nicht aus, dass sie auf Anlagen verweise. Der Inhalt dieser Anlagen sei schriftsätzlich nicht geschildert worden. Zu den entlastenden Umständen, die dem Betriebsrat hätten mitgeteilt werden müssen, gehöre auch der Verlauf des Arbeitsverhältnisses.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg.

Die Berufung ist zulässig, § 64 Abs. 2 c ArbGG. Sie ist fristgerecht eingereicht und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Berufung nicht deshalb unbegründet, weil die Beklagte nicht ordnungsgemäß zur Anhörung des Betriebsrats vorgetragen hätte. Richtig ist, dass die Klägerin bereits in der Klageschrift vorgetragen hat, sie bestreite vorsorglich, dass die Betriebsratsanhörung vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß erfolgte. Die Beklagte hat hierauf erwidert und mit Schriftsatz vom 03.05.2011 (Bl. 21 ff. der Akten) die Unterlagen zur Unterrichtung des Betriebsrats eingereicht. In der Berufungsbegründung war Vortrag hierzu nicht erforderlich, da das Arbeitsgericht die Kündigung aus anderen Gründen als unwirksam erachtet hatte. Die Berufungsbegründung muss sich dazu äußern, inwieweit das Urteil angefochten wird, welche Abänderungen des Urteils beantragt werden und aus welchen Umständen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Weiter sind konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, vorzutragen und die neuen Angriffs und Verteidigungsmittel zu benennen, § 520 Abs. 2 ZPO. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung, so dass die Berufung nicht unzulässig ist.

Es ist nicht notwendig, dass sich der Berufungsführer zu allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in der Berufungsbegründung umfassend äußert. Ausreichend ist es, wenn sich die Berufungsbegründung mit einem einzelnen, den ganzen Streitgegenstand betreffenden Streitpunkt befasst. Es kann nicht mehr an Begründung verlangt werden als vom Erstgericht selbst aufgewandt worden ist (BAG vom 28. 05.2009 – 2 AZR 223/08 – DB 2009, 2220).

Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, die Beklagte habe erstinstanzlich zur Betriebsratsanhörung lediglich ein Anlagenkonvolut eingereicht, das den Anforderungen einer substantiierten Begründung nicht genüge. Die Beklagte hat sich erkennbar die Inhalte des Anlagenkonvoluts zur Anhörung des Betriebsrats zu Eigen gemacht. Eine Durchsicht dieses Konvoluts ergibt, dass es nicht erforderlich ist, dem Prozessstoff herauszusuchen, bzw. die Unterlagen eingehend auszuwerten. Die Beklagte hat die zur jeweiligen Kündigung gewechselten Schriftsätze sortiert eingereicht. Aus den Schreiben an den Betriebsrat ergibt sich der von der Beklagten der Kündigung zu Grunde gelegte Sachverhalt. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie dem Betriebsrat darüber hinaus weitere Informationen erteilt habe. Damit kann dem Anlagenkonvolut eindeutig entnommen werden, welcher Sachverhalt aus Sicht der Beklagten die Kündigung tragen soll. Für das Gericht ist damit erkennbar, welche Informationen dem Betriebsrat, bezogen auf die jeweils ausgesprochene Kündigung, mitgeteilt worden sind (LAG Köln vom 16.10.2000 – 8 (12) Sa 853/99 – juris).

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Im Ergebnis zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 28.02.2011, durch die fristgerechte Kündigung vom 02.03.2011, durch die fristlose Kündigung vom 28.03.2011 und durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28.03.2011 nicht beendet worden ist. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der von der Beklagten erhobene Vorwurf des Diebstahls von Fundsachen zutreffend ist und ob dieser eine Kündigung rechtfertigt. Denn sämtliche Kündigungen sind unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden ist, § 102 BetrVG.

Die Beklagte hat dem Betriebsrat mit Schreiben vom 15.02.2011 (Bl. 35) zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen hilfsweise fristgerechten Kündigung unterrichtet. Sie hat mitgeteilt, die Klägerin sei von Frau E. beobachtet worden, als sie im Fundsachenregal suchte. Sie habe einen Tauchring gefunden und ihn zu einem Stapel „weiterer Fundsachen, die sie auf dem Boden gesammelt hatte“ gelegt. Weiter wird geschildert, dass die Klägerin den Stapel an sich nahm und sich anschickte, mit den Gegenständen das Gebäude zu verlassen. Sie sei von Frau G. beobachtet worden, wie sie Bekleidungsstücke zu Ihrem Fahrzeug trug. Die Beklagte führt sodann aus, der Diebstahl an einer dem Kunden gehörenden Sache sei der Entwendung einer im Eigentum des Arbeitgebers stehenden Sache gleichwertig. Die Klägerin habe hiermit ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt und das für den Bestand des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört. Ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis sei nicht zumutbar. Dem Schreiben ist zu entnehmen, dass die Beklagte eine Tatkündigung aussprechen wollte.

Die Unterrichtung des Betriebsrats mit Schreiben vom 08.03.2011 (Bl. 50) ist entsprechend ausgebaut die Beklagte nimmt auf das vorhergehende Unterrichtungsschreiben Bezug und führt aus, dass sie vorsorglich eine Verdachtskündigung aussprechen wolle.

Keinem von beiden Schreiben kann entnommen werden, ob die Beklagte eine Interessenabwägung vorgenommen hat und welches Ergebnis diese hatte. Der Arbeitgeber ist gehalten, dem Betriebsrat den bei Einleitung des Anhörungsverfahrens vorhandenen Kenntnisstand mitzuteilen. Dazu gehören auch entlastende Umstände bei Pflichtwidrigkeiten des Arbeitnehmers (Fitting, Rn. 24 zu § 102 BetrVG). Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.06.2010 (2 AZR 541/09 – DB 2010, 2395) ist auch im Fall einer strafbaren Handlung des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Interessenabwägung dahingehend vorzunehmen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, lassen sich nicht abschließend festlegen. Jedenfalls gehören hierzu die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen – störungsfreier – Verlauf. Hat das Arbeitsverhältnis über viele Jahre hinweg ungestört bestanden, ist eine genaue Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob die sich dadurch verfestigte Vertrauensbeziehung durch eine erstmalige Enttäuschung des Vertrauens vollständig und unwiederbringlich zerstört werden konnte.

Die Beklagte hat sich zwar auf vorangegangene Fehlverhaltensweisen der Klägerin berufen. Sie hat vorgetragen, die Klägerin sei am sieben 20.05.2009 abgemahnt worden, weil sie die Arbeit ohne Abmeldung beim Schichtführer verlassen habe. Wegen Verlassens des Arbeitsplatzes ohne Abmeldung am 04.08.2010 sei nach einem eindringlichen Gespräch am 17.08.2010 eine Ermahnung ausgesprochen worden. Ferner habe die Klägerin am 29.11.2010 ein privates Telefonat mit einer Dauer von 15 Minuten geführt, ohne das Telefonat als privat zu kennzeichnen. Deswegen sei am 07.01.2011 eine Ermahnung ausgesprochen worden. Diese Gesichtspunkte stehen aus Sicht der Beklagten einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegen. Aus Sicht der Beklagten ist das Arbeitsverhältnis keineswegs störungsfrei verlaufen, so dass die Klägerin sich nicht auf ihre langjährige Betriebszugehörigkeit berufen könne. Dem Betriebsrat sind diese Gesichtspunkte aber nicht mitgeteilt worden. Er konnte sie nicht in seine Stellungnahme einbeziehen.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der Betriebsrat die früheren Ermahnungen und die Abmahnung bekannt waren, schon weil der Betriebsratsvorsitzende, wie in der Berufungsverhandlung unstreitig geworden ist, bei dem Gespräch im Januar 2011 zugegen war. Der Betriebsrat mag zwar Kenntnis von diesen Vorfällen gehabt haben. Er konnte aber den beiden Unterrichtungsschreiben nicht entnehmen, ob und inwieweit diese Sachverhalte in die Abwägung eingeflossen waren. Dass die Abmahnung und die Ermahnungen für die Beklagte von Bedeutung für die Entscheidung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses waren, ergibt sich aus dem prozessrechtlichen Vortrag der Beklagten. Der Betriebsrat hatte jedoch nicht Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

Da sowohl die Tat- als auch die Verdachtskündigungen wegen Verstoßes gegen § 102 BetrVG unwirksam sind, ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

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