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Diebstahlskündigung vor Altersteilzeit

Landesarbeitsgericht Hamm

Az.: 10 Sa 1565/08

Urteil vom 03.04.2009


Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 23.09.2008 – 2 Ca 608/08 – teilweise abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten u. a. um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der am 13.09.1946 geborene Kläger ist verheiratet.

Seit dem 04.04.1961 ist er bei der Beklagten, einem Betrieb der Metallindustrie mit über 2000 Mitarbeitern, zuletzt als Industriemechaniker in der Großpresserei B 4 zu einem monatlichen Bruttoverdienst, der nach Angaben der Beklagten 4.662,00 Euro, nach Angaben des Klägers ca. 5.000,00 Euro betrugt, beschäftigt.

Seit mehr als 15 Jahren ist der Kläger Mitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates.

In der Vergangenheit machte der Kläger mehrere Verbesserungsvorschläge. Auf die von der Beklagten insoweit gefertigte Aufstellung (Blatt 136, 231 der Akten) sowie die an den Kläger gerichteten Schreiben (Blatt 220 ff. der Akten) wird Bezug genommen.

Nach dem bereits am 20.03.2003 zwischen den Parteien abgeschlossenen Altersteilzeitvertrag vereinbarten die Parteien eine Altersteilzeit im Rahmen des Blockmodells. Die Arbeitsphase begann am 01.02.2007, die Freistellungsphase ab 01.08.2008. Nach dem Altersteilzeitvertrag vom 20.03.2003 endet das Arbeitsverhältnis ohne Ausspruch einer Kündigung am 30.09.2009. In § 13 des Altersteilzeitvertrages vom 20.03.2003 war Folgendes geregelt:

„Im Übrigen bleibt das Recht zur Kündigung entsprechend der gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Bestimmungen unberührt.“

Vor Beginn der am 01.08.2008 beginnenden Freistellungsphase feierte der Kläger in der Zeit vom 01.11.2007 bis zum 31.07.2008 sämtliche aufgelaufenen restlichen Urlaubsansprüche und Ansprüche auf Arbeitszeitausgleich ab. An einer Betriebsratssitzung nahm er letztmalig am 18.10.2007 teil.

Am 15.01.2008 erschien der Kläger im Betrieb und ließ sich gegen einen von ihm unterschriebenen Materialschein (Blatt 39 der Akten) sechs Satz Dachmanschetten, die für die Abdichtung in der Schwerhydraulik Verwendung finden (vgl. Blatt 216 ff. der Akten) im Wert von insgesamt 119,18 Euro aushändigen. Diese Dachmanschetten nahm der Kläger ohne eine erforderliche ausdrückliche Genehmigung durch die Beklagte in Form eines Durchlass- oder Leihscheines mit zu sich nach Hause.

Auf die Betriebsmitteilung der Beklagten vom 06.12.2007 (Blatt 102 der Akten) wird Bezug genommen. Zuletzt hatte die Beklagte in einer Betriebsversammlung vom 09.05.2007 aus gegebenem Anlass nochmals ausdrücklich auf die Konsequenzen für Arbeitnehmer hingewiesen, die sich am Eigentum der Firma oder am Eigentum von Mitarbeitern und Kollegen vergreifen. Auch der Betriebsrat hatte in derselben Betriebsversammlung an die Mitarbeiter appelliert, insbesondere Diebstähle zu unterlassen.

Anlässlich der Durchführung einer Kostenanalyse für die Instandhaltung B 4 im Februar 2008 fiel die Entnahme von sechs Dachmanschetten durch den Kläger auf. Die Beklagte veranlasste daraufhin unter Informierung der Betriebsratsvorsitzenden eine Überprüfung und versuchte mehrfach, mit dem Kläger einen Termin zwecks Rücksprache und Klärung des Verbleibs der sechs Dachmanschetten zu vereinbaren. Mit Schreiben vom 25.02.2008 (Blatt 41 der Akten) bat sie den Kläger, sich telefonisch mit der Beklagten in Verbindung zu setzen, um einen Gesprächstermin vereinbaren zu können. Der Kläger meldete sich jedoch bei der Beklagten nicht.

Daraufhin setzte sich der stellvertretende Personalleiter der Beklagten, Herr R1, am 26.02.2008 mit dem Kläger telefonisch in Verbindung und erläuterte ihm, dass die Personalleitung mit ihm über die Entnahme von sechs Dachmanschetten vom 15.01.2008 sprechen wolle. In diesem Telefonat äußerte sich der Kläger dahin, dass die bezeichneten Dachmanschetten im Pumpenhaus liegen würden; er könne aber nicht genau sagen, wo diese genau lägen. Im weiteren Verlauf des Telefonats wurde sodann ein Gesprächstermin für Mittwoch, den 27.02.2008, 15.00 Uhr, vereinbart; der Kläger wurde darüber informiert, dass auch die Betriebsratsvorsitzende zu diesem Termin eingeladen werde.

Eine von der Beklagten noch am 26.02.2008 veranlasste Überprüfung ergab, dass die gesuchten sechs Dachmanschetten sich nicht im Pumpenhaus befanden.

Am Mittwoch, den 27.02.2008 sagte der Kläger gegen 13.00 Uhr den anberaumten Besprechungstermin telefonisch mit der Begründung ab, er habe um 14.30 Uhr einen Termin im Krankenhaus. Der stellvertretende Personalleiter R1 versuchte darauf am 27.02.2008 gegen 13.55 Uhr, den Kläger telefonisch zu erreichen. Von der Ehefrau des Klägers erhielt er die Auskunft, dass ihr von einem Arzttermin ihres Ehemanns nichts bekannt sei; ihr Ehemann sei nicht zu Hause, sondern nach H4 gefahren.

Im Hinblick auf den abgesagten Besprechungstermin vom 27.02.2008 forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 27.02.2008 (Bl. 10, 42 d.A.), das dem Kläger per Boten zugestellt wurde, auf, am 28.02.2008 um 8.00 Uhr zu einem Gespräch in der Personalabteilung zu erscheinen. Das Schreiben vom 27.02.2008 wurde dem Kläger persönlich am 27.02.2008 um 15.24 Uhr zugestellt.

Gleichzeitig forderte die Beklagte den in ihrem Betrieb tätigen Werkschutz auf, sicherzustellen, dass dem Kläger in jedem Fall der Zutritt auf das Werksgelände – ausgenommen zu dem mit ihm vereinbarten Gesprächstermin – verwehrt werde.

Noch am 27.02.2008, etwa 1 Stunde nach Erhalt des Schreibens, erschien der Kläger um 16.43 Uhr an der Hauptwache der Beklagten und wollte das Werk betreten. Dem Kläger wurde der Zutritt durch einen Werkschutzmitarbeiter verweigert. Hierüber wurde die Personalleitung informiert (Bl. 43 d.A.).

Am 28.02.2008 fand um 8.00 Uhr das anberaumte Gespräch mit dem Kläger statt, an dem neben dem Kläger der Personalleiter S7, der stellvertretende Personalleiter R1, der Werkschutzleiter S, der Abteilungsleiter B 4, Herr W4 sowie die Betriebsratsvorsitzende G3 teilnahmen. Nachdem dem Kläger der Sachverhalt vorgetragen worden war, gab der Kläger in diesem Gespräch zu, die Dachmanschetten aus dem Lager entnommen zu haben, um sie bei einer späteren Reparatur zu verwenden, er habe bei einer Reparatur im Pressenbereich mithelfen wollen; genauere Angaben konnte er nicht machen.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs gab der Kläger an, dass er am Vortage gegen 19.00 Uhr im Betrieb gewesen sei und die Dachmanschetten aus dem Pumpenhaus herausgeholt hätte. Sodann entnahm der Kläger die Dachmanschetten seiner mitgebrachten Tasche und legte sie auf den Tisch. Auf die Nachfrage, wieso er den Betrieb betreten habe, obwohl ihm ca. 2 Stunden zuvor vom Werkschutz am Eingang der Hauptwache der Zutritt verboten worden sei, gab er an, dass er die Dachmanschetten habe suchen wollen, um sie im Gespräch am 28.02.2008 vorlegen zu können. Er führte weiter dazu aus, dass er den Betrieb durch ein anderes Tor, nämlich das Tor S8 betreten habe; hierbei sei er vom Mitarbeiter des Werkschutzes nicht angesprochen oder aufgehalten worden; ca. eine halbe Stunde danach habe er das Werk durch das Tor am S8 wieder verlassen.

Die Beklagte ließ daraufhin durch den Werkschutz überprüfen, ob der Kläger am 27.02.2008 in der Zeit von 18.30 Uhr bis 19.30 Uhr das Werksgelände durch das Tor S8 betreten bzw. wieder verlassen habe. Aufgrund der Überprüfung der Videobänder der Torüberwachungsanlage wurde festgestellt, dass der Kläger das Werksgelände in der angegebenen Zeit weder betreten noch wieder verlassen hat.

Nachdem dem Kläger dies eröffnet worden war und ihm vorgeworfen wurde, dass er die Dachmanschetten von zu Hause mitgebracht habe, erklärte der Kläger, dass er die Unwahrheit gesagt habe, er habe den Betrieb am vorangegangenen Tage nicht betreten, die Dachmanschetten habe er bereits am 15.01.2008 mit nach Hause genommen.

Im Anschluss an das Gespräch vom 28.02.2008 wurde dem Kläger ein Zutrittsverbot für den gesamten Betriebsbereich auferlegt.

Die Beklagte hörte daraufhin mit Schreiben vom 29.02.2008 (Bl. 32 ff. d.A.) den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger wegen eines begangenen Diebstahls bzw. wegen des Verdachts des Diebstahls an.

Mit Schreiben vom 03.03.2008 (Bl. 37 d.A.) stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zu.

Mit Schreiben vom 04.03.2008 (Bl. 9 d.A.), dem Kläger noch am gleichen Tage zugegangen, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund zum 05.03.2008.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.03.2008 (Bl. 11 ff. d.A.) widersprach der Kläger der außerordentlichen Kündigung. Unter anderem wies er darauf hin, dass er die Dachmanschetten nicht für sich persönlich zum eigenen Nutzen abgeholt habe; er habe vielmehr zu Hause und unter Nutzung des Materials der Firma bei entsprechenden Versuchen und Planungen Verbesserungsvorschläge erarbeiten wollen; die Dachmanschetten habe er für eine Verbesserung für die Ventile der 20.000-Tonnen-Presse benötigt. Ferner wies der Kläger darauf hin, dass er aufgrund des plötzlichen Todes seiner Tochter am 01.05.2006 psychisch erkrankt sei und sich in langandauernder psychiatrischer Behandlung befinde.

Mit der am 07.03.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 04.03.2008 geltend. Ferner verlangte er den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, seine Weiterbeschäftigung sowie die Erteilung eines Zeugnisses.

Mit Schreiben vom 17.03.2008 (Bl. 168 d.A.) übersandte die Beklagte dem Kläger ein Zeugnis vom 14.03.2008, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 169 d.A.).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung vom 04.03.2008 sei wegen Fehlens eines wichtigen Grundes unwirksam. Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Zwar sei zutreffend, dass er die Dachmanschetten bereits am 15.01.2008 mit zu sich nach Hause genommen habe. Dies habe er aber nicht getan, um sie zu entwenden, sondern vielmehr, um mit den Dachmanschetten einen Verbesserungsvorschlag für die 20.000-Tonnen-Presse zu entwickeln. Dies habe er im Anhörungsgespräch zunächst nicht richtig erklärt, da er aufgrund einer psychischen Erkrankung und Medikamentenkonsums „verwirrt“ gewesen sei, und ihm zudem in dem Aufklärungsgespräch nicht die hinreichende Gelegenheit eingeräumt worden sei, seinen Standpunkt ausreichend zu erklären. Ihm sei keine Chance eingeräumt worden, sich in Ruhe zu erklären, stattdessen sei ihm immer wieder das Wort abgeschnitten worden. Wäre ihm ausreichend Gelegenheit gegeben worden, hätte er bereits im Gespräch vom 28.02.2008 erläutern können, dass er sich die Dachmanschetten zur Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen in der Materialausgabe abgeholt habe. Er habe einen Verbesserungsvorschlag für die 20.000-Tonnen-Presse erarbeiten wollen. Nach seinen Experimenten habe er die von ihm beschafften Dachmanschetten wieder zurückgeben wollen. Ihm könne lediglich vorgeworfen werden, dass er sich keinen Durchlass- oder Leihschein, habe ausstellen lassen.

In jedem Fall sei die Kündigung vom 04.03.2008 unwirksam, da die erforderliche Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfalle. Zu Gunsten des Klägers sprächen zunächst seine außerordentliche lange Betriebszugehörigkeit und seine langjährige Mitgliedschaft im Betriebsrat. Seit Oktober 2007 sei der Kläger nahezu fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Seit Oktober 2007 feiere er seine ihm zustehenden Freistellungsansprüche vor Beginn der Freistellungsphase ab. Diese Urlaubs- und Arbeitszeitausgleichsansprüche hätten dem Kläger ohnehin zugestanden. Auch für die Freistellungsphase habe er bereits Entgelteinbußen hingenommen. Der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mache wirtschaftlich für die Beklagte keinen Sinn mehr. Eine Beeinträchtigung der Beklagten durch den Kläger hätte problemlos durch Umsetzung des bereits erteilten Hausverbots ausgeschlossen werden können.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die am 04.03.2008 geschriebene und zugegangene Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den Kündigungstermin hinaus fortbesteht,

3. hilfsweise – und nur für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag nach Ziffer 1) – die beklagte Partei zu verurteilen, die klagende Partei zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits weiter zu beschäftigen,

4. die beklagte Partei zu verurteilen, ihm ein Schlusszeugnis, hilfs-weise ein Zwischenzeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung bezieht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung sei wegen der Entwendung von sechs Dachmanschetten durch den Kläger wirksam. Der Kläger habe selbst zugegeben, die Dachmanschetten entwendet zu haben. Jedenfalls bestehe aber ein dringender Tatverdacht, dass er diese habe entwenden wollen. Soweit der Kläger darauf verweise, dass er die Dachmanschetten zur Entwicklung eines Verbesserungsvorschlags benötigt habe, handele es sich um eine reine Schutzbehauptung. Ein entsprechender Auftrag durch die Beklagte sei zu keinem Zeitpunkt erteilt worden. Der Kläger habe sich auch erst im Laufe des vorliegenden Verfahrens darauf berufen, Versuche und Planungen für Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Auch am 15.01.2008 habe der Kläger, als er die Dachmanschetten sich bei der Materialausgabe habe aushändigen lassen, nicht erklärt, dass er die Dachmanschetten für heimische Experimente und für einen Verbesserungsvorschlag benötige. Die Dachmanschetten habe der Kläger darüber hinaus nicht für Verbesserungsvorschläge an einer 20.000-Tonnen-Presse benötigen können, weil er eine derartige Presse nicht zu Hause vorhanden gehabt habe.

Ebenso wenig seien die Ausführungen des Klägers zu der von ihm behaupteten psychischen Erkrankung nachvollziehbar. Derartige Erkrankungen hätten nichts mit dem vorliegenden Sachverhalt zu tun.

Eine außerordentliche Kündigung sei auch nicht im Hinblick auf das bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnis unwirksam. Selbst in der Freistellungsphase könne eine außerordentliche Kündigung bei strafbarem Verhalten wirksam sein; wegen eines Diebstahls bzw. des Verdachts des Diebstahls zu Lasten des Arbeitgebers werde der Ausspruch eines Hausverbots der Interessenlage im Allgemeinen nicht gerecht.

Der Ausspruch der Kündigung sei auch im Hinblick auf die Einhaltung der Arbeits- und Betriebsdisziplin und den Schutz der Belegschaft erforderlich. Allen Arbeitnehmern im Betrieb der Beklagten sei bekannt, dass angesichts der Größenordnung der Beklagten zur Aufrechterhaltung der Ordnung jeder Diebstahl bzw. jedes strafbare Verhalten geahndet werde. Hieran müsse auch während eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses festgehalten werden. Hätte die Beklagte lediglich ein Hausverbot ausgesprochen, hätte dies den Eindruck erweckt, der Kläger werde als Betriebsratsmitglied bevorzugt.

Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung noch für gut 1,5 Jahre Bestand gehabt hätte. Bis zum 30.09.2009 sei die Beklagte zur Gehaltszahlung an den Kläger verpflichtet. Diese Pflicht fiele bei einer berechtigten außerordentlichen Kündigung weg. Auch wenn die Beklagte vom Kläger keine Arbeitsleistung mehr verlangen könne, sei der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.09.2009 für die Beklagte angesichts des vom Kläger begangenen Diebstahls bzw. des Verdachts einer strafbaren Handlung zum Nachteil der Beklagten unzumutbar.

Durch Urteil vom 23.09.2008 hat das Arbeitsgericht der Feststellungsklage und dem Zeugnisanspruch stattgegeben und sie im Übrigen wegen des Fortbestands- und des Weiterbeschäftigungsantrags abgewiesen. Die außerordentliche Kündigung hat es für unwirksam gehalten, weil zwar dem Kläger vorgeworfen werden müsse, dass er sechs Satz Dachmanschetten entwendet und diese sich auch tatsächlich unrechtmäßigerweise zugeeignet habe. Die Einlassung des Klägers, er habe diese für die Entwicklung eines Verbesserungsvorschlags benötigt und anschließend wieder zurückgeben wollen, sei unglaubhaft. Die auch im vorliegenden Fall erforderliche Interessenabwägung gehe jedoch zu Gunsten des Klägers aus. Der Beklagten sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für eine fiktive Kündigungsfrist von sieben Monaten zumutbar. Bei dem Verhalten des Klägers handele es sich offenbar um ein einmaliges Fehlverhalten innerhalb einer 46jährigen Betriebszugehörigkeit. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass ein solches Fehlverhalten in Zukunft wieder auftreten werde, weil die Beklagte dem Kläger schlicht den Zugang zum Betrieb untersagen könne. Eine Wiederholungsgefahr bestehe daher nicht. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger sein Entgelt für die Freistellungsphase weitgehend vorher während der Arbeitsphase erdient habe. Auch der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses sei zulässig und begründet, er ergebe sich aus § 109 GewO.

Gegen das der Beklagten am 01.10.2008 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 14.10.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 01.12.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte ist nach wie vor der Auffassung, die außerordentliche Kündigung vom 04.03.2008 sei wirksam. Dass die Entwendung von sechs Dachmanschetten durch den Kläger grundsätzlich einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstelle und geeignet sei, die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, habe auch das Arbeitsgericht herausgestellt. Auch das Arbeitsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger sich die Dachmanschetten tatsächlich unrechtmäßigerweise habe zueignen wollen.

Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts gehe aber die erforderliche Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Klägers aus. Eine außerordentliche Kündigung sei grundsätzlich auch nicht wegen des Abschlusses eines Altersteilzeitvertrages mit dem Kläger und des Umstandes, dass der Kläger sich bereits kurz vor seiner Freistellungsphase befunden habe, ausgeschlossen. Immerhin würde das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger noch ca. 1,5 Jahre andauern. Für diesen Zeitraum müsse die Beklagte noch das Teilzeitentgelt für 17,5 Wochenstunden auf 82 % des früheren monatlichen Nettoentgelts zuzüglich der Rentenversicherungsbeiträge auf 95 % aufstocken. Da das Altersteilzeitarbeitsverhältnis am 01.02.2007 begonnen habe, betrage die durchschnittliche Monatsbelastung durch die Altersteilzeit, das heißt Geldzahlungen ohne Entgeltleistungen, monatlich 1.337,01 €. Für den Zeitraum bis zum 30.09.2007 mache das immerhin noch einen Betrag von 24.734, 69 € aus.

Der Hinweis des Arbeitsgerichts auf die Erteilung eines Hausverbots in Bezug auf eine Wiederholungsgefahr betreffend weitere Eigentumsverletzungen sei unzureichend. Insoweit müsse nämlich berücksichtigt werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch Betriebsratsmitglied gewesen sei. Angesichts der Betriebsratseigenschaft des Klägers habe die Gefahr bestanden, dass bei Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses der Kläger ein Hausverbot mit Hilfe des Betriebsverfassungsgesetzes unterlaufen und sich so den Zugang zum Betrieb verschaffen könne. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei der Kläger noch ordentliches Betriebsratsmitglied gewesen, sodass er jederzeit das Recht gehabt habe, an Betriebsratssitzungen auf dem Betriebsgelände teilzunehmen.

Darüber hinaus habe die Beklagte ein erhebliches Interesse daran, durch eine wirksame fristlose Kündigung zu signalisieren, dass Eigentumsdelikte zum Nachteil der Beklagten nicht – auch nicht während eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses – geduldet würden. Anderenfalls müsste bei den Mitarbeitern der Beklagten der Eindruck entstehen, dass man als Betriebsratsmitglied bei strafrechtlich relevantem Verhalten nur mit einer Abmahnung statt mit einer fristlosen Kündigung rechnen müsse. Insoweit könne entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger mit dem Betriebszutrittsverbot ohne Weiteres einverstanden gewesen sei. Der Kläger habe nämlich erstinstanzlich sogar einen Fortbestandsantrag gestellt und auch den ursprünglich angekündigten Weiterbeschäftigungsanspruch aufrechterhalten. Dies zeige, dass der Kläger eben nicht mit einem bloßen Hausverbot ohne Weiteres einverstanden gewesen sei.

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Kläger aufgrund seines Alters und des bevor-stehenden Renteneintritts zu einem großen Teil trotz wirksamer außerordentlicher Kündigung abgesichert sei. Aufgrund seines Alters habe er einen Arbeitslosengeldanspruch für 24 Monate. Selbst bei Berücksichtigung einer Sperrfrist und einer damit einhergehenden Verkürzung des Arbeitslosengeldanspruchs auf 18 Monate sei der Kläger bis zu seinem Renteneintritt wirtschaftlich zum größten Teil abgesichert.

Auch dem Zeugnisanspruch habe das Arbeitsgericht zu Unrecht stattgegeben. Dieser Anspruch sei durch Erteilung des Zeugnisses vom 14.03.2008 (Bl. 169 d.A.) bereits erfüllt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 23.09.2008 – 2 Ca 608/08 – abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil, tritt der Annahme des Arbeitsgerichts, seine Einlassung, er habe die Dachmanschetten zur Entwicklung eines Verbesserungsvorschlags benötigt, sei unglaubhaft, allerdings entgegen. Hierzu wiederholt er erneut, er habe für die 20.000-Tonnen-Presse, die er selbstverständlich nicht zu Hause stehen habe, Verbesserungsvorschläge im Hinblick auf ein Detail an dieser Presse entwickeln wollen. Hierzu habe er die Presse nicht benötigt, sondern lediglich die Dachmanschetten für die Detailarbeit und die hierzu gehörigen Zeichnungen.

Im Übrigen sei das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Interessenabwägung letztlich zu seinen Gunsten ausgehe. Die Beklagte verkenne, dass der Kläger bereits ab 01.08.2008 in einer Freistellungsphase gewesen sei, für die er bereits in vollem Umfang gearbeitet habe.

Auch eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich eines Eigentumsdeliktes sei ausgeschlossen, weil die Beklagte auf die Möglichkeit des Hausverbotes verwiesen werden könne. Dass dies möglich sei und umgesetzt werden könne, zeige bereits der unstreitige Sachvortrag der Beklagten, wonach diese den Werkschutz angewiesen habe, dem Kläger den Zutritt zum Werksgelände zu verweigern, der Kläger sei am 27.02.2008 erschienen, allerdings nicht eingelassen worden. Damit stehe fest, dass eine Wiederholungsgefahr nicht existiere. Die Erteilung eines Hausverbots durch die Beklagte sei eine hinreichende Reaktion, um die Beklagte zu schützen und im Betrieb deutlich zu machen, dass man keine Eigentumsdelikte dulde. Insoweit sei die Erteilung eines Hausverbots die geeignete Maßnahme gewesen. Eine außerordentliche Kündigung zur Abschreckung und zur Aufrechterhaltung der betrieblichen Ordnung sei nicht erforderlich. Dasselbe gelte für das Interesse der Beklagten, weiteren Eigentumsdelikten gegen die Beklagte vorzubeugen. Insoweit vernachlässige die Beklagte die nach § 626 BGB gebotene Einzelfallabwägung. Erhebliche Kosten würden durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.09.2009 auf die Beklagte nicht zukommen. Die dem Kläger zustehende Urlaubsabgeltung könne die Beklagte ohnehin durch den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht verhindern.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Die zulässige Feststellungsklage sowie die Klage auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses waren als unbegründet abzuweisen.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 04.03.2008 beendet worden.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Schlusszeugnisses.

I.

Die außerordentliche Kündigung vom 04.03.2008 ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Zugang des Kündigungsschreibens vom 04.03.2008 wirksam zum 05.03.2008 beendet.

1. Die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 04.03.2008 ergibt sich nicht aus den §§ 15 Abs. 1 KSchG, 626 Abs. 1 BGB.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist.

Der Kläger war zwar zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung am 04.03.2008 – noch – Betriebsratsmitglied. Sein Betriebsratsamt hat der Kläger erst mit dem Eintritt in die Freistellungsphase am 01.08.2008 wegen Wegfalls der Wählbarkeitsvoraussetzung nach § 8 BetrVG verloren (BAG, 16.04.2003 – 7 ABR 53/02 – AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 7; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Aufl., § 8 Rn. 17 und § 25 Rn. 13 m.w.N.).

Der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat hat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung auch mit Schreiben vom 03.03.2008 nach § 103 BetrVG zugestimmt.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers liegt aber ein wichtiger Grund im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG vor.

In § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG sind ohne eigenständige Definition die in § 626 Abs. 1 BGB verwandten Formulierungen übernommen worden. Da der Gesetzgeber in § 626 BGB geregelt hat, unter welchen Voraussetzungen eine „Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist“ gerechtfertigt ist, sind die in § 626 BGB enthaltenen und daraus abgeleiteten Regeln zur Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung auch im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzuwenden (BAG, 18.02.1993 – 2 AZR 526792 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 35; BAG, 21.06.1995 – 2 ABR 28/94 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 36; BAG, 17.03.2005 – 2 ABR 2704 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 58; ErfK/Ascheid, 9. Aufl., § 15 KSchG Rn. 26, KR/Etzel, 8. Aufl., § 15 KSchG Rn. 21; APS/Linck, 3. Aufl., § 15 KSchG Rn. 126 m.w.N.).

Der Beklagten hat ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zur Seite gestanden.

a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass strafbare Handlungen zu Lasten des Arbeitgebers ebenso wie grobe Vertrauensverstöße grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen können (BAG, 26.11.1964 – 2 AZR 211/63 – AP BGB § 626 Nr. 53; BAG, 10.02.1999 – 2 ABR 31/98 – AP KSchG 1999 § 15 Nr. 42; BAG, 12.08.1999 – 2 AZR 923/98 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28; BAG, 16.12.2004 – 2 ABR 7/04 – AP BGB § 626 Nr. 191; BAG, 27.04.2006 – 2 AZR 415/05 – AP BGB § 626 Nr. 203; BAG, 13.12.2007 – 2 AZR 537/06 – AP BGB § 626 Nr. 210; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 445; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 BGB Rn. 148, 154 f.; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rn. 275 ff.; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rn. 735 f. m.w.N.). Vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber begangene Straftaten, insbesondere Diebstähle, Unterschlagungen oder sonstige Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers oder der Belegschaft, rechtfertigen regelmäßig eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Dies gilt auch bei einem bloßen Versuch. Auch der bloße Versuch eines Diebstahls oder einer sonstigen strafbaren Handlung zu Lasten des Arbeitgebers kann grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (LAG Hamm, 20.02.1986 – 4 Sa 1288/85 – DB 1986, 1338; LAG Köln, 22.01.1996 – 3 Sa 722/95 – AP BGB § 626 Nr. 127; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 445); ob und inwieweit sich der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten strafbar gemacht hat, ist für die Beurteilung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB ebenso wenig entscheidend, wie der Ausgang eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (BAG, 20.04.1977 – 4 AZR 778/75 – AP BAT § 54 Nr. 1; BAG, 29.01.1997 – 2 AZR 292/96 – AP BGB § 626 Nr. 131).

Nach der ständigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte kann darüber hinaus nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren oder sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber einem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen.

Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber eine Kündigung damit begründet, dass gerade der Verdacht eines strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört habe. Der Verdacht der strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitnehmer aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn starke Verdachtsmomente auf objektiven Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG, 14.09.1994 – 2 AZR 164/94 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 24; BAG, 18.11.1999 – 2 AZR 743/98 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 32; BAG, 05.04.2001 – 2 AZR 217/2000 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34; BAG, 06.11.2003 – 2 AZR 631/02 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39; BAG, 29.11.2007 – 2 AZR 724/06 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40; BAG, 13.03.2008 – 2 AZR 961/06 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 BGB Rn. 208 ff.; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 210 ff.; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rn. 345 f. m.w.N.).

b) Bereits aufgrund unstreitigen Sachverhalts musste angenommen werden, dass der Kläger sich eines Diebstahls zu Lasten der Beklagten schuldig gemacht hat. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger am 15.01.2008 sich mit Hilfe eines von ihm unterschriebenen Materialscheines sechs Dachmanschetten hat aushändigen lassen, die er ohne die erforderliche ausdrückliche Genehmigung durch einen Durchlass- oder Leihschein mit nach Hause genommen hat. Damit hat er nach Auffassung der Berufungskammer einen vollendeten Diebstahl begangen.

aa) Dass die sechs Dachmanschetten, die der Kläger am 15.01.2008 an sich gebracht hat, im Eigentum der Beklagten standen, ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger hat dadurch, dass er die sechs Dachmanschetten unberechtigterweise mit nach Hause genommen hat, den Gewahrsam der Beklagten an diesen Dachmanschetten gebrochen und eigenen Gewahrsam begründet. Ein Einverständnis der Beklagten, die sechs Dachmanschetten mit nach Hause zu nehmen, hat nicht vorgelegen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Mitnahme jeglicher Gegenstände, die sich auf dem Firmengelände oder im Besitz der Beklagten befanden, einer ausdrücklichen Genehmigung in Form eines Durchlass- oder Leihscheins bedurfte. Einen derartigen Durchlass- oder Leihschein hat sich der Kläger nicht besorgt. Auch eine sonstige Genehmigung durch einen berechtigten Mitarbeiter der Beklagten lag zum Zeitpunkt der Wegnahme der Dachmanschetten durch den Kläger nicht vor. Der Kläger konnte auch nicht von einer mutmaßlichen Einwilligung der Beklagten ausgehen. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie zu einer Mitnahme der Dachmanschetten durch den Kläger ihr Einverständnis nicht erteilt hätte.

Der Kläger hat sich die Dachmanschetten auch in rechtswidriger Weise zugeeignet, indem er die Dachmanschetten mit nach Hause genommen und sie seinem Vermögen – zumindest vorübergehend – einverleibt hat. Auch die erforderliche Zueignungsabsicht ist gegeben. Insoweit genügt jede Willensäußerung, die im Rahmen einer Würdigung aller Tatumstände eine Zueignungsabsicht offenbart und betätigt (BGH, 07.12.1959 – BGHSt 14, 38). Rechtlich erheblich wird der Wille, sich eine Sache zu Eigen zu machen, erst, wenn er sich in einer nach außen erkennbaren Handlung ausdrückt. Durch welche Handlung diese Beurkundung geschieht, ist gleichgültig. Eine Sache eignet sich an, wer wie ein Eigentümer über die Sache verfügt und damit das Recht des Eigentümers an der Sache leugnet (BGH, 05.03.1971 – BGHSt 24, 115).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger unstreitig dadurch, dass er die Besorgung einer erforderlichen Genehmigung mit Hilfe eines Durchlass- oder Leihscheines unterlassen hat, der Beklagten verheimlicht, dass er die sechs Dachmanschetten mit nach Hause genommen hat. Damit hat er die Verfügungsgewalt der Beklagten über die Dachmanschetten beseitigen und eine eigene eigentümergleiche Verfügungsmacht errichten wollen. Darüber hinaus hat er gegenüber der Beklagten, nachdem er auf die Dachmanschetten angesprochen worden ist, zunächst verheimlicht, dass sich die Dachmanschetten bei ihm zu Hause befunden haben, und die Beklagte über den tatsächlichen Aufenthalt der Dachmanschetten hartnäckig getäuscht. Auch hierin zeigt sich, dass der Kläger sich die Dachmanschetten rechtswidrig angeeignet hat. Der Umstand, dass er die Dachmanschetten am 28.02.2008 wieder zurückgegeben hat, beseitigt die zuvor begangene rechtswidrige Zueignung nicht.

Damit steht fest, dass der Kläger am 15.01.2008 sechs Dachmanschetten rechtswidrig aus dem Betrieb der Beklagten entwendet hat.

bb) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Dachmanschetten für Heimarbeiten oder für die Entwicklung eines Verbesserungsvorschlags benötigt hat.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger seit dem 01.11.2007 seinen restlichen Urlaub und restliche Arbeitszeitausgleichsansprüche vor Beginn der Freistellungsphase am 01.08.2008 abfeierte. In Heimarbeit hat er sich zu diesem Zeitpunkt nicht befunden. Auch seine Einlassung, er habe die Dachmanschetten für die Planung und Entwicklung eines Verbesserungsvorschlags zu Hause benötigt, vermochte die Berufungskammer nicht zu folgen.

Richtig ist zwar, dass der Kläger in der Vergangenheit auch Verbesserungsvorschläge gemacht hat und daran beteiligt war. Aus welchen Gründen er aber für einen Verbesserungsvorschlag an einer 20.000-Tonnen-Presse sechs Dachmanschetten benötigte, hat der Kläger nicht in ausreichender Weise dargelegt. Der Kläger besaß unstreitig keinen entsprechenden Auftrag der Beklagten. Unstreitig ist auch, dass er eine 20.000-Tonnen-Presse nicht zu Hause hatte. An welchem Verbesserungsvorschlag der Kläger im Hinblick auf eine 20.000-Tonnen-Presse arbeitete und für welche Detailarbeiten er dazu die Dachmanschetten benötigte, ist vom Kläger jedoch nicht substantiiert vorgetragen worden. Einen Zusammenhang zwischen den Dachmanschetten, die er am 15.01.2008 aus dem Betrieb entwendet hat, und einem Verbesserungsvorschlag an einer 20.000-Tonnen-Presse hat er nicht darzustellen vermocht.

Hinzu kommt, dass der Kläger seine Einlassung, er habe die Dachmanschetten für einen Verbesserungsvorschlag an einer 20.000-Tonnen-Presse benötigte, erst vorgebracht hat, nachdem er die außerordentliche Kündigung vom 04.03.2008 erhalten hat. Zuvor hatte der Kläger im Gesprächstermin vom 28.02.2008, in dem er auf den Verbleib der Dachmanschetten angesprochen worden ist, sich dahin eingelassen, er habe die Dachmanschetten aus dem Lager entnommen, um sie bei einer späteren Reparatur zu verwenden. Eine genauere Angabe hat er anlässlich des Gesprächs vom 28.02.2008 nicht gemacht.

Auch aus dem weiteren Verhalten des Klägers, nachdem er auf den Verbleib der Dachmanschetten angesprochen worden ist, muss gefolgert werden, dass seine Einlassung, er habe die Dachmanschetten für die Entwicklung eines Verbesserungsvorschlags zu Hause benötigt, unglaubwürdig ist. Der Kläger hat nämlich mehrfach versucht, den Vorgang hinsichtlich der am 15.01.2008 entwendeten Dachmanschetten zu verheimlichen und zu verschleiern. Die Beklagte hat er insbesondere über den Verbleib der Dachmanschetten hartnäckig getäuscht.

Zunächst hat er nämlich in einem Telefonat vom 26.02.2008 gegenüber dem stellvertretenden Personalleiter R1 angegeben, die Dachmanschetten befänden sich im Pumpenhaus. Diese Angabe war unzutreffend. Des Weiteren hat er einen mit der Beklagten vereinbarten Gesprächstermin am 27.02.2008 wegen eines angeblichen Arzttermins abgesagt. Der Kläger hat aber am 27.02.2008 keinen Arzttermin wahrgenommen. Aus der Absage des Gesprächstermins vom 27.02.2008 konnte nur entnommen werden, dass der Kläger den Gesprächstermin umgehen wollte, um über den Verbleib der Dachmanschetten keine weiteren Aussagen machen zu müssen. Unstreitig ist der Kläger am 27.02.2008, statt einen Arzttermin wahrzunehmen, nach H4 gefahren.

Weiter hat der Kläger die Beklagte im Gesprächstermin vom 28.02.2008 darüber getäuscht, dass er angeblich die Dachmanschetten am Vortage aus dem Pumpenhaus geholt habe. Unstreitig haben sich aber die von ihm am 15.01.2008 entwendeten Dachmanschetten zu keinem Zeitpunkt im Pumpenhaus befunden. Erst als dem Kläger vorgehalten worden ist, dass er das Werksgelände am 27.02.2008 über das Tor S8 nicht betreten und auch nicht wieder verlassen hat, hat der Kläger zugegeben und zugeben müssen, dass sich die sechs Dachmanschetten bereits seit dem 15.01.2008 die gesamte Zeit in seinem Besitz zu Hause befunden haben.

All diese Umstände führen dazu, dass der Kläger die Dachmanschetten tatsächlich mit Zueignungsabsicht am 15.01.2008 rechtswidrig entwendet hat und auch seiner Einlassung, er habe die Dachmanschetten für die Entwicklung eines Verbesserungsvorschlags benötigt, nicht gefolgt werden kann.

c) Der Kläger kann auch nicht geltend machen, dass eine Abmahnung zu vertragsgerechtem Verhalten ausreichend gewesen wäre, sein Fehlverhalten entsprechend zu ahnden. Unter den vorliegenden Umständen war der vorherige Ausspruch einer Abmahnung gegenüber dem Kläger entbehrlich.

Eine Abmahnung ist insbesondere – auch bei einer Störung im Vertrauensbereich – dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, 12.07.1984 – 2 AZR 320/83 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 32; BAG, 31.03.1993 – 2 AZR 492/92 – AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 32; BAG, 10.02.1999 – 2 ABR 31/98 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; BAG, 12.01.2006 – 2 AZR 179/05 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54; BAG, 19.04.2007 – 2 AZR 180/06 – NZA-RR 2007, 571; KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 262 ff., 268). Dies gilt insbesondere bei strafbaren Handlungen (BAG, 10.02.1999 – 2 ABR 31/98 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; BAG, 08.06.2000 – 2 AZR 638/99 – AP BGB § 626 Nr. 163). In einem solchen Fall kann durch eine bloße Abmahnung als milderes Mittel die Wiederherstellung des für ein Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens nicht erwartet werden (BAG, 12.08.1999 – 2 AZR 923/98 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28).

So liegt der vorliegende Fall. Der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte auch nur den Versuch des Diebstahls von Dachmanschetten hinnimmt. Er konnte nicht davon ausgehen, dass die Mitnahme von Dachmanschetten nach Hause und die Entwendung der Dachmanschetten aus dem Betrieb von der Beklagten gebilligt oder geduldet werden würde. Er musste vielmehr wissen, dass ein derartiges Verhalten den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährden würde. Auch dem Kläger war bekannt, dass angesichts der Größenordnung der Beklagten zur Aufrechterhaltung der Ordnung jeder Diebstahl bzw. jedes strafbare Verhalten geahndet wird. Noch in der Betriebsversammlung vom 09.05.2007 ist auf die Konsequenzen für die Arbeitnehmer ausdrücklich hingewiesen worden, die sich am Eigentum der Firma oder am Eigentum von Mitarbeitern und Kollegen vergreifen. In der Betriebsmitteilung vom 06.12.2007, die auch vom Betriebsrat unterzeichnet worden ist, ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es zur Mitnahme jeglicher Gegenstände, die sich auf dem Firmengelände und im Besitz der Beklagten befinden, einer ausdrücklichen Genehmigung bedarf.

d) Nach Auffassung der Berufungskammer war auch bei Abwägung der beiderseitigen Interessen dem Interesse der Beklagten einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Vorzug zu geben.

Strafbare Handlungen zu Lasten des Arbeitgebers, auch der Versuch einer strafbaren Handlung, stellen in aller Regel besonders schwerwiegende Vertragsverletzungen dar. Dem Arbeitnehmer ist die Pflichtwidrigkeit in aller Regel ohne Weiteres erkennbar. Auch der Kläger konnte nicht mit der Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber rechnen.

aa) Zu Gunsten des Klägers fällt zwar seine mehr als 46jährige Betriebszugehörigkeit ins Gewicht. Bei der Interessenabwägung war zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er nahezu sein gesamtes Berufsleben im Betrieb der Beklagten zugebracht hat. Dennoch führt auch eine derartig lange Betriebszugehörigkeit nicht dazu, dass der Arbeitnehmer zur Begehung strafbarer Handlungen zu Lasten des Arbeitgebers berechtigt wäre. Insoweit fällt zu Gunsten der Beklagten bereits ins Gewicht, dass es sich bei den entwendeten Dachmanschetten nicht um Gegenstände von äußerst geringem Wert gehandelt hat. Die Dachmanschetten hatten unstreitig einen Wert von 119,18 €. Einem Arbeitgeber kann nicht zugemutet werden, bei einer bestimmten Dauer einer Betriebszugehörigkeit gewisse Eigentumsdelikte zu dulden (KR/Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 446; APS/Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rn. 96). Von einem Bagatelldelikt kann keine Rede sein.

bb) Zu Gunsten des Klägers fällt insoweit auch nicht entscheidend ins Gewicht, dass der Kläger sich zum Zeitpunkt der Entwendung der Dachmanschetten bereits in Altersteilzeit bzw. kurz vor der Altersteilzeit befunden hat.

Grundsätzlich ist zwar der Umstand, dass ein Arbeitnehmer sich in Altersteilzeit befindet, bei der Beurteilung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB im Rahmen der insoweit erforderlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ist ein Arbeitnehmer bereits unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt, steht dies aber dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht grundsätzlich entgegen. Eine fristlose Kündigung ist regelmäßig nicht schon deshalb unwirksam, weil für den Arbeitgeber die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung seiner Bezüge bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung freizustellen (BAG, 05.04.2001 – 2 AZR 217/00 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 626 BGB Rn. 42). Selbst bei einem Arbeitnehmer, der sich im Rahmen eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bereits in einer Freistellungsphase befindet, bleibt der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung möglich. Dies gilt regelmäßig dann, wenn sich ein in einer Freistellungsphase befindlicher Arbeitnehmer eines Diebstahls schuldig macht; ein Hausverbot wird der Interessenlage in solchen Fällen im Allgemeinen nicht gerecht (LAG Schleswig-Holstein, 18.01.2005 – 2 Sa 413/04 – NZA-RR 2005, 367; ErfK/Rolfs, a.a.O., § 2 ATG Rn. 2 f.; APS/Preis, a.a.O., § 8 ATG Rn. 4 und 6; Rittweger, ATG, § 8 Rn. 16 ff., 22; Stück, NZA 2000, 749, 751; Henss-ler/Willemsen/Kalb/Stindt/Nimscholz, Arbeitsrecht Kommentar, 3. Aufl., § 8 ATG Rn. 4; a.A.: Reichling/Wolf, NZA 1997, 427). Regelmäßig wird allerdings eine außerordentliche Kündigung während einer Freistellungsphase lediglich auf verhaltensbedingte Gründe gestützt werden können, die trotz der Freistellung des Arbeitnehmers so schwerwiegend sind, dass sie die Kündigung nach § 1 KSchG sozial rechtfertigen bzw. einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen.

So liegt der vorliegende Fall. Obgleich sich der Kläger zum Zeitpunkt der Entwendung der Dachmanschetten aus dem Betrieb der Beklagten in Urlaub befand und die Freistellungsphase ab 01.08.2008 bevorstand, überwog das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum geplanten Ende des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte hat zutreffend dargelegt, dass die Entwendung der Dachmanschetten das Vertrauensverhältnis zum Kläger in erheblicher und nachhaltiger Weise zerstört hat. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Kläger anlässlich der Überprüfung des Verbleibs der Dachmanschetten durch die Beklagte nicht davor zurückgeschreckt ist, die Beklagte über den Verbleib zu täuschen, indem er der Beklagten mehrfach vorgespiegelt hat, die Dachmanschetten befänden sich im Pumpenhaus, obgleich ihm bewusst war, dass er sie schon seit längerer Zeit zu Hause in Besitz hatte. Gerade dieser Umstand ist es, der dazu führt, dass der Einlassung des Klägers, er habe am 15.01.2008 es lediglich versehentlich unterlassen, sich einen Durchlass- oder Leihschein zu besorgen, die Dachmanschetten habe er zur Entwicklung eines Verbesserungsvorschlags benötigt, in keiner Weise gefolgt werden kann. Wäre dem wirklich so gewesen, hätte nichts näher gelegen, die Beklagte bei den Nachforschungen über den Verbleib der Dachmanschetten wahrheitsgemäß aufzuklären. Dies hat der Kläger gerade nicht getan, sondern versucht, die Beklagte über den Verbleib der Dachmanschetten zu täuschen. Hieraus kann nur gefolgert werden, dass dem Kläger die Rechtswidrigkeit seines Tuns bewusst gewesen ist. Insoweit hat das Verhalten des Klägers das Vertrauensverhältnis zur Beklagten in derart hohem Maße beeinträchtigt, dass auch der bloße Ausspruch eines Hausverbots kein milderes Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung darstellt. Unter Berücksichtigung der Schwere des dem Kläger zu machenden Vorwurfs führt dies dazu, dass seinem Interesse an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bis zum Rentenbezug nicht der Vorzug gegeben werden kann. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung und des anschließenden Verhaltens des Klägers kommt dem Umstand, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2009 ohnehin sein Ende finden wird, nur eine geringere Bedeutung zu.

Zu Recht hat die Beklagte in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass auch in der Freistellungsphase ihre wirtschaftlichen Interessen Berücksichtigung finden müssen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien würde immerhin noch ca. 1,5 Jahre andauern. Die durchschnittliche Monatsbelastung, die durch die Altersteilzeit entstehen, hat die Beklagte mit 1.337,01 € angegeben. Hieraus ergibt sich, dass die Aufrechterhaltung des Altersteilzeit-arbeitsverhältnisses bis zum vereinbarten Ende am 30.09.2007 die Beklagte mit einem Betrag von knapp 25.000,00 € belasten würde. Dies ist ihr angesichts der Schwere des vertragswidrigen Verhaltens des Klägers nicht zumutbar.

Hinzu kommt, dass die Beklagte ein erhebliches Interesse am Schutz ihres Eigentums hat. Selbst wenn nach den gegebenen Einzelfallumständen eine Wiederholungsgefahr nicht als wahrscheinlich erscheint, weil mit Beginn der Freistellungsphase ab 01.08.2008 auch das Amt des Klägers als Betriebsratsmitglied endete, können mindestens bis zu diesem Zeitpunkt auch generalpräventive Interessen der Beklagten nicht unberücksichtigt bleiben. Allein der Umstand, dass der Kläger sich in Altersteilzeit befand und/oder bis zum 31.07.2008 sein Amt als Betriebsratsmitglied wahrnahm, konnte nicht dazu führen, dem Kläger statt einer außerordentlichen Kündigung lediglich ein Hausverbot auszusprechen; dies hätte im Betrieb den Eindruck erwecken müssen, der Kläger werde wegen der Altersteilzeit oder wegen seines Betriebsratsamts bevorzugt.

cc) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, anlässlich der Gespräche mit der Beklagten über den Verbleib der entwendeten Dachmanschetten aufgrund seiner psychischen Erkrankung und aufgrund von Tabletteneinnahme verwirrt und nicht in der Lage gewesen zu sein, sich in Ruhe zu erklären.

Die Berufungskammer will nicht in Abrede stellen, dass der Kläger psychisch erkrankt gewesen ist und dass er auch zum Zeitpunkt der Personalgespräche Ende Februar 2008 bestimmte Medikamente eingenommen hat. Inwieweit diese psychische Erkrankung des Klägers und die Tabletteneinnahme jedoch den Kläger gehindert hat, sich in den mit der Beklagten geführten Gespräche wahrheitsgemäß über den Verbleib der von ihm bereits am 15.01.2008 mit nach Hause genommenen Dachmanschetten zu äußern, bleibt unerfindlich. Dem unstreitigen Sachverhalt ist vielmehr zu entnehmen, dass der Kläger es in den Gesprächen mit der Beklagten hartnäckig darauf angelegt hat, die Beklagte zunächst über den Verbleib der sechs Dachmanschetten zu täuschen, indem er der Beklagten zunächst wahrheitswidrig vorgespiegelt hat, die Dachmanschetten befänden sich im Pumpenhaus; anschließend hat er – ebenso wahrheitswidrig – darauf hingewiesen, er habe sie am Vorabend aus dem Pumpenhaus herausgeholt. Inwieweit seine zunächst in die Tat umgesetzte Absicht, die Beklagte über den Verbleib der Dachmanschetten zu täuschen, auf seine psychische Erkrankung oder die Einnahme von bestimmten Medikamenten zurückzuführen ist, hat der Kläger aber nicht erklären können.

Nach alledem war dem Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Vorzug zu geben.

e) Auch die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten. Nach Aufklärung des Sachverhalts aufgrund der mit dem Kläger geführten Gespräche, zuletzt am 28.02.2008, hat die Beklagte bereits am 04.03.2008 die vorliegende außerordentliche Kündigung ausgesprochen.

2. Die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 04.03.2008 ergibt sich auch nicht aus den §§ 102, 103 BetrVG.

Die Beklagte hat das Zustimmungsverfahren beim Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch Schreiben an den Betriebsrat vom 29.02.2008 eingeleitet. In diesem Schreiben hat die Beklagte die Personalien des Klägers, sein Geburtsdatum, Familienstand und die Dauer der Betriebszugehörigkeit in ausreichender Weise mitgeteilt. Auch auf den Abschluss des Altersteilzeitvertrages ist hingewiesen worden. Die Beklagte hat den Betriebsrat auch im Hinblick auf die Kündigungsgründe durch das Schreiben vom 29.02.2008 ordnungsgemäß und vollständig unterrichtet.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch insoweit begründet, als sie verurteilt worden ist, dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Richtig ist zwar, dass sich ein derartiger Anspruch aus § 109 Abs. 1 GewO ergibt.

Die Beklagte hat diesen Anspruch des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses jedoch bereits mit Schreiben vom 17.03.2008 erfüllt, § 362 BGB. Unter dem 14.03.2008 hat sie dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis erteilt. Die Klage war danach auch insoweit abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er insgesamt unterlegen ist.

Der Streitwert war für das Berufungsverfahren neu festzusetzen, § 63 GKG. Er beträgt 20.000,00 €. Im Berufungsverfahren waren lediglich der Feststellungsantrag und der Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses anhängig.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

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