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Dienstenthebung – zu den Grenzen der Zulässigkeit einer Nebentätigkeit eines Beamten


Bundesverwaltungsgericht

Az: BVerwG 2 B 88.13

Beschluss vom 31.01.2014


In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 31. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und Dollinger beschlossen:

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die ohne Benennung eines Zulassungsgrundes erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Gesichtspunkte lassen keinen Grund erkennen, der die Zulassung der Revision zu rechtfertigen vermag (vgl. § 69 BDG i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

2 1. Der Beklagte steht als Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A 7) im Dienst der Klägerin. Er wirkt als Organist bei einer Tanz- und Showband mit und hatte zur Ausübung dieser Nebentätigkeit eine mit der Auflage versehene Genehmigung erhalten, wonach die Tätigkeit wöchentlich 1/5 der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreiten und nicht während einer Erkrankung ausgeübt werden durfte. Weil er die Nebentätigkeit im Jahr 2009 an vier Terminen trotz einer Erkrankung ausgeübt habe, widerrief die Klägerin die Nebentätigkeitsgenehmigung. Das gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit betriebene Eilrechtsschutzverfahren blieb ohne Erfolg, Rechtsmittel gegen den Widerspruchsbescheid in der Hauptsache hat der Beklagte nicht eingelegt. Mit Bescheid vom 24. April 2012 enthob die Klägerin den seit August 2011 dienstunfähig erkrankten Beklagten vorläufig des Dienstes, weil er in 20 Fällen trotz attestierter Dienstunfähigkeit an Musikauftritten seiner Band in der Öffentlichkeit teilgenommen habe und in 24 Fällen den zulässigen Umfang seiner Nebentätigkeit von 8,2 Stunden wöchentlich überschritten habe.

3 Auf die Disziplinarklage der Klägerin hin hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Angesichts der über einen Zeitraum von fast 3 Jahren hinweg und regelmäßig mehrmals wöchentlich durchgeführten Auftritte habe der Beklagte unter Hintansetzung seiner Dienstpflichten ein zweites berufliches Standbein aufgebaut. Dabei habe er sich weder an die zeitlichen Beschränkungen seiner Nebentätigkeitsgenehmigung noch an das Auftrittsverbot während Zeiten der Dienstunfähigkeit gehalten. Auch nach Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens sei er seiner Nebentätigkeit in unverändertem Umfang nachgegangen und habe dabei die bestandskräftige Entscheidung seines Dienstherrn ebenso wie den rechtskräftigen Gerichtsbeschluss bewusst missachtet und die Ausübung seiner Nebentätigkeit sogar nach Einleitung des Disziplinarverfahrens und vorläufiger Dienstenthebung nicht unterlassen. Angesichts dieser beharrlichen Weigerung des Beklagten, seinen Dienstpflichten nachzukommen, müsse das Dienstvergehen als besonders gravierend bewertet werden. In Anbetracht der einschlägigen Vorbelastung des Beklagten sei er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

4 2. Die Beschwerde hat keinen Verfahrensmangel des angegriffenen Urteils aufgezeigt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl. § 69 BDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

5 a) Die Ausführungen lassen keinen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht erkennen. Der Beklagte hat die nunmehr vermisste Sachverhaltsaufklärung ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2, § 165 ZPO) weder im Verfahren vor dem Tatsachengericht beantragt noch ist mit der Beschwerde dargelegt, dass sich dem Oberverwaltungsgericht weitere Ermittlungen zu den bezeichneten Fragen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. zum Darlegungserfordernis Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f.= NJW 1997, 3328 und zuletzt vom 5. April 2013 – BVerwG 2 B 79.11 – juris Rn. 9).

6 Gemäß § 58 Abs. 1 BDG erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise. Demnach hat es grundsätzlich selbst diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind (vgl. auch BTDrucks 14/4659, S. 49). Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Dies gilt gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für die Berufungsinstanz (stRspr; vgl. zuletzt Beschluss vom 15. März 2013 – BVerwG 2 B 22.12 – NVwZ-RR 2013, 557 <558>).

7 Die Tatsachengerichte haben auf der Grundlage ihrer materiellrechtlichen Auffassung zu entscheiden, welche Aufklärungsmaßnahmen sie ergreifen und welchen Beweisangeboten sie nachgehen. Die Aufklärungspflicht verlangt nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil es nach seinem Rechtsstandpunkt auf das Ermittlungsergebnis für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankommt (stRspr; vgl. Urteile vom 14. Januar 1998 – BVerwG 11 C 11.96 – BVerwGE 106, 115 <119> und vom 28. Juli 2011 – BVerwG 2 C 28.10 – BVerwGE 140, 199 Rn. 25).

8 Das Oberverwaltungsgericht ist in der angegriffenen Entscheidung davon ausgegangen, dass die vom Beklagten vorgetragenen Mobbing-Vorwürfe ihn nicht berechtigten, eigenmächtig vom Dienst fernzubleiben. Warum und inwieweit die weitere Aufklärung dennoch hätte erheblich sein können, legt die Beschwerde nicht dar. Insbesondere aber hat das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Angaben des Beklagten im Personalgespräch vom 30. September 2010 festgestellt, der Beklagte selbst habe angegeben, nicht gemobbt zu werden. Diese Feststellungen sind mit der Beschwerde nicht in Frage gestellt worden, so dass auch nicht erkennbar ist, woraus sich Anhaltspunkte für das Erfordernis einer weiteren Tatsachenaufklärung für das Oberverwaltungsgericht hätten ergeben sollen.

9 Soweit mit der Beschwerde vorgetragen ist, der Beklagte habe jedenfalls teilweise den Vorwurf ungenehmigter Auftritte bestritten, trifft dies ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung nicht zu. Anhaltspunkte dafür, dass die insoweit vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen unrichtig sein könnten, zeigt die Beschwerde nicht auf. Es ist daher auch in Bezug auf diese Frage nicht erkennbar, warum und wozu das Oberverwaltungsgericht weitere Aufklärungsmaßnahmen hätte vornehmen müssen.

10 Hinsichtlich der vorgetragenen Erkrankung hat sich das Oberverwaltungsgericht auf ein fachärztliches Gutachten gestützt. Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Die unterlassene Einholung zusätzlicher Gutachten kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegen dem Gericht bereits sachverständige Äußerungen zu einem Beweisthema vor, muss es ein zusätzliches Gutachten deshalb nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Beschluss vom 29. Mai 2009 – BVerwG 2 B 3.09 – Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 5. Rn. 7 m.w.N.). Das Vorliegen eines solchen Mangels zeigt die Beschwerde nicht auf.

11 b) Dem Beschwerdevorbringen ist auch kein Verstoß gegen die Grundsätze der rechtlichen Würdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu entnehmen.

12 Die Beweis- und Sachverhaltswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (Beschlüsse vom 13. Februar 2012 – BVerwG 9 B 77.11 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7 = NJW 2012, 1672 und zuletzt vom 21. Mai 2013 – BVerwG 2 B 67.12 – juris Rn. 18 m.w.N.). Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr; vgl. Urteil vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 30.05 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie zuletzt Beschluss vom 23. September 2013 – BVerwG 2 B 51.13 – juris Rn. 19).

13 Einen derartigen Verfahrensmangel zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie begnügt sich vielmehr damit, ihre Sichtweise an die Stelle derjenigen des Gerichts zu setzen.

14 3. Eine klärungsbedürftige Grundsatzfrage (§ 69 BDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bezeichnet die Beschwerde bereits nicht.

15 Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch geklärt, dass ein dienstunfähig erkrankter Beamter alles Mögliche und Zumutbare für die alsbaldige Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu tun hat. Diesem Ziel muss er Vorrang vor allen anderen Interessen geben und alles unterlassen, was diese Wiederherstellung verzögern oder beeinträchtigen könnte (stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 27. Juni 2013 – BVerwG 2 A 2.12 – juris Rn. 17 <zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen>). Dies gilt auch für die Ausübung privater Nebentätigkeiten (Beschluss vom 17. Juli 2013 – BVerwG 2 B 27.12 – juris Rn. 9).

16 Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, das Fehlverhalten des Beklagten wiege in seiner Gesamtheit so schwer, dass er das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe, ist einer Grundsatzrüge nicht zugänglich. In der Sache wendet sich die Beschwerde mit dieser Rüge gegen die fallbezogene disziplinarrechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts.

17 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 78 Satz 1 BDG i.V.m. Nr. 10 und 62 des als Anlage zu diesem Gesetz erlassenen Gebührenverzeichnisses).

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