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Pkw-Unfall (Privatfahrzeug) bei Dienstfahrt – Ersatzpflicht des Arbeitsgebers

Bundesarbeitsgericht

Az: 8 AZR 701/05

Urteil vom 23.11.2006


In Sachen hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2006 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2005 – 14 Sa 823/05 – aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden an ihrem Pkw zu ersetzen.

Die Klägerin war bei der Beklagten im Zeitraum vom 2. August 2004 bis 15. Februar 2005 als Malerin/Lackiererin beschäftigt. Die Beklagte betreibt ua. Arbeitnehmerüberlassung. In dem Arbeitsvertrag für Leiharbeitnehmer vom 30. Juli 2004 erklärte sich die Klägerin damit einverstanden, dass sie sowohl anderen Firmen zur Arbeitsleistung überlassen, als auch im Rahmen der Durchführung von Werkverträgen von der Beklagten eingesetzt werden kann. Die Klägerin verpflichtete sich vertraglich zum Einsatz im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Nach Nr. 3.1.2 des Arbeitsvertrags rechnen An- und Auskleiden, Waschen, Essenspausen sowie sonstige Leerzeiten, zB Fahrzeit, nicht zur Arbeitszeit.

Am 17. Dezember 2004 erlitt die Klägerin auf der Rückfahrt von einer Baustelle in Würzburg mit ihrem Pkw auf der Autobahn A3 einen Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug ins Schleudern geriet und sich anschließend mehrfach um die eigene Achse drehte. Der Unfall ereignete sich, weil an dem erst am 17. November 2004 zum Preis von 3.900,00 Euro erworbenen Gebrauchtwagen ein an der Außenseite stark poröser Reifen geplatzt war. Der die Verkehrstauglichkeit ausschließende Bereifungsmangel lag bereits beim Kauf des Fahrzeugs vor. Der Verkäufer hatte der Klägerin im schriftlichen Kaufvertrag die Fahrbereitschaft des Fahrzeugs zugesichert. Nach dem Kostenvoranschlag einer Fachwerkstatt belaufen sich die Reparaturkosten auf 3.140,84 Euro einschließlich Mehrwertsteuer. Darin ist nach Angaben der Klägerin ein erst später festgestellter weiterer Schaden an der rückwärtigen Fahrzeugachse nicht enthalten.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz des ihr entstandenen Schadens, den sie mit 3.900,00 Euro, dem im November 2004 entrichteten Anschaffungspreis für den Pkw, beziffert. Sie hat dazu vorgetragen, ihr Vorgesetzter, der Disponent R, habe sie am 9. Dezember 2004 angewiesen, mit ihrem Pkw zur Baustelle Würzburg zu fahren, wobei der Mitarbeiter L habe mitgenommen werden sollen. Im Unfallzeitpunkt habe sie sich daher auf einer betrieblich veranlassten Fahrt befunden, so dass der beklagte Arbeitgeber den Schaden an ihrem Fahrzeug zu ersetzen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.900,00 Euro Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20. Februar 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie habe weder die Klägerin noch andere Mitarbeiter angewiesen, mit dem eigenen Pkw zur jeweiligen Baustelle zu fahren. Es sei ausschließlich Sache des jeweiligen Arbeitnehmers, wie er zu der angewiesenen Baustelle komme, ob er mit dem Zug oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit einem Pkw dorthin gelangt. Bei weiter entfernten Einsatzorten sei die Beklagte bei der Organisation der Anreise behilflich und erstatte auch die Kosten. Dies geschehe im Interesse der Mitarbeiter und der Kunden, nicht aber in Erfüllung einer bestehenden arbeitsvertraglichen Verpflichtung. Tatsache sei, dass die Mitarbeiter grundsätzlich gerne mit eigenem Pkw fuhren und Fahrgemeinschaften bildeten, da sie dann an den Fahrtkosten letztendlich noch etwas „verdienen“ konnten.

Im Übrigen bestreitet die Beklagte die Schadenshöhe, insbesondere dass die behaupteten Schäden alle unfallbedingt gewesen seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, die Beklagte brauche den bei dem Verkehrsunfall der Klägerin entstandenen Schaden nicht zu ersetzen, auch wenn der Einsatz des Fahrzeugs für die Fahrt zur Baustelle des Kunden, wie die Klägerin behauptet, durch einen Mitarbeiter der Beklagten angeordnet worden sei. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass sich der Verkehrsunfall allein auf Grund der Nutzung eines verkehrsuntauglichen Fahrzeugs durch die Klägerin ereignet habe. Die Verantwortlichkeit dafür sei grundsätzlich nicht dem betrieblichen Betätigungsbereich, sondern dem persönlichen Lebensbereich der Klägerin zuzuordnen. Diese bestimme allein über die Anschaffung und auch die Instandsetzung ihres Privatfahrzeugs. Der Arbeitgeber müsse davon ausgehen können, dass der vom Arbeitnehmer im Einzellfall für Betriebsfahrten verwendete eigene Pkw fahrbereit sei. Die Ansicht der Klägerin zur Haftung der Beklagten für den aus dem Verkehrsunfall erlittenen Sachschaden laufe letztlich darauf hinaus, dieser auch die sich aus dem Privatkauf eines Gebrauchtwagen folgenden Risiken aufzubürden. Dem stehe der von der Rechtsprechung verfolgte Grundgedanke einer angemessenen Risikoverteilung entgegen. Im Streitfall habe sich keine Unfallgefahr realisiert, die mit der betrieblichen Tätigkeit untrennbar verbunden gewesen sei.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klage kann nicht mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass als Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB in Betracht kommt.

Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Mai 1980 (- 3 AZR 82/79 – BAGE 33, 108 = AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 6) ist es ständige Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an dessen Fahrzeug entstandene Unfallschäden in entsprechender Anwendung des § 670 BGB ersetzen muss, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich, wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müsste (zuletzt Senat 17. Juli 1997 – 8 AZR 480/95 – AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 14 = EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 6).

2. Im Streitfall hat die Klägerin vorgetragen, zunächst sei von ihrem Vorgesetzten R angeordnet worden, vom 12. Dezember bis 17. Dezember 2004 für die H S GmbH an einer Würzburger Baustelle zu arbeiten, ein Fahrzeug der H S GmbH werde sie am 12. Dezember 2004 gegen 5.30 Uhr in Duisburg aufnehmen und nach Würzburg bringen. Am 9. Dezember 2004 habe der Vorgesetzte R sie angewiesen, ihr eigenes Fahrzeug zu benutzen und dabei einen weiteren Mitarbeiter der Beklagten, den Kollegen L, nach Würzburg mitzunehmen. Diesen zwischen den Parteien streitigen Vortrag hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht als nicht entscheidungserheblich angesehen.

a) Im Betätigungsbereich des Arbeitgebers wird das Fahrzeug des Arbeitnehmers auch dann eingesetzt, wenn der Arbeitnehmer aufgefordert wird, das eigene Fahrzeug zu nutzen, statt eines Fahrzeugs des Arbeitgebers. Dabei ist es nicht entscheidend, dass nach Angaben der Klägerin ursprünglich nicht ein Fahrzeug des Arbeitgebers, sondern das der Entleiherfirma eingesetzt werden sollte. Die Benutzung eines eigenen Fahrzeugs durch den Arbeitnehmer fällt in den Risikobereich des Arbeitgebers, wenn sie auf dessen Verlangen erfolgt (vgl. Brox Anm. AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 6).

b) Anders verhält es sich, wenn die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass der Klägerin freigestellt war, ob sie zu der Baustelle bei Würzburg mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt oder im eigenen Interesse ihr eigenes Fahrzeug nutzt. In diesem Fall wäre die Nutzung des eigenen Fahrzeugs nicht im Betätigungsbereich der Beklagten erfolgt.

c) Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Landesarbeitsgericht nicht die von der Klägerin für ihren Sachvortrag angebotenen Zeugen vernommen hat. Erst auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird das Landesarbeitsgericht entscheiden können, ob die Klägerin zum Unfallzeitpunkt ihr Fahrzeug im Betätigungsbereich der Beklagten eingesetzt hat.

3. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht ferner angenommen, der Unfall sei deshalb dem persönlichen Lebensbereich der Klägerin zuzuordnen, weil diese ein wegen poröser Reifen nicht fahrbereites Fahrzeug eingesetzt habe. Das macht die im Betätigungsbereich des Arbeitgebers stattfindende Fahrt aber nicht zu einer Privatfahrt. Bei dem Verkehrsunfall vom 17. Dezember 2004 hat sich das Risiko der Teilnahme am Straßenverkehr verwirklicht, das der Arbeitgeber bei einer Betriebsfahrt für den Arbeitnehmer zu tragen hat. Der Grund der analogen Anwendung des § 670 BGB auf Schäden des Auftragnehmers ist das Prinzip der „Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse“ (Canaris RdA 1966, 41, 49). Das Unfallrisiko ist nicht dadurch dem persönlichen Lebensbereich des Auftragnehmers zuzuordnen, dass der Unfall letztlich auf einen technischen Defekt des eingesetzten Fahrzeugs oder auf persönlichem Fehlverhalten des Auftragnehmers beruht. Der Ersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 670 BGB ist durch ein Verschulden des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen; es ist allenfalls als Mitverschulden in entsprechender Anwendung des § 254 BGB zu berücksichtigen (BAG 8. Mai 1980 – 3 AZR 82/79 – BAGE 33, 108 = AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 6).

4. Sollte das Landesarbeitsgericht auf Grund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen, die Klägerin habe ihr Fahrzeug im Betätigungsbereich der Beklagten eingesetzt, wäre der Klägerin ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB analog zuzusprechen. Bei der Prüfung eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin nach § 254 BGB sind die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung (BAG Großer Senat 27. September 1994 – GS 1/89 (A) – BAGE 78, 56 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 59) anzuwenden (Senat 17. Juli 1997 – 8 AZR 480/95 – AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 14 = EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 6, zu II 4 der Gründe). Danach entfiele eine Mithaftung der Klägerin, wenn sie mit bloßer leichtester Fahrlässigkeit den Reifenmangel nicht erkannt oder zu prüfen unterlassen hätte.

III. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu befinden.

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