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Dienstvertrag – fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung

LG Trier – Az.: 5 O 128/16 – Urteil vom 07.12.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.136,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.03.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Vergütung für eine Serie von Lehrveranstaltungen in Anspruch.

Dienstvertrag – fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung
(Symbolfoto: Africa Studio/Shutterstock.com)

Die Klägerin bietet unter der Firma K… Seminare Vorträge, Seminare zur Mental- und Persönlichkeitsbildung sowie Ausbildungen zum Mental- und Persönlichkeitstrainer bzw. -coach an. Die Beklagte hatte an einer solchen Ausbildung bereits teilgenommen, die von dem Ehemann der Klägerin V. K… geleitet worden war. Mitte des Jahres 2015 bot die Klägerin Absolventen früherer Ausbildungsgänge eine besondere Seminarreihe unter dem Titel „…-Academy-…Camp“ an. Auch die Beklagte erhielt dazu eine E-Mail. Für nähere Einzelheiten zu dem Angebot der Klägerin wird auf den als Anlage K1 zur Klageschrift vorgelegten Ausdruck Bezug genommen.

Die Beklagte meldete sich mit E-Mail vom 12. August 2015 zu dieser Veranstaltungsreihe an. Die Vergütung in Höhe von 15.136,80 € inklusive Mehrwertsteuer sollte in 24-monatlichen Raten zu 630,70 € bezahlt werden.

Mit E-Mail vom 6. Dezember 2015 erklärte die Beklagte, an der Seminarreihe nicht teilnehmen zu wollen, weil sich ihre finanziellen Verhältnisse verschlechtert hätten und sie sich diese Ausbildung nicht leisten könne. Der Ehemann der Klägerin antwortete ihr am selben Tag per E-Mail und lehnte eine Stornierung der Anmeldung ab. Die Teilnahme sei verbindlich. Er bot der Beklagten an, über einen kurzzeitigen Aufschub der Ratenzahlungen zu verhandeln. Darauf reagierte die Beklagte zunächst nicht.

Die Beklagte nahm an den Seminarveranstaltungen, die am 25. Februar 2016 begannen, nicht teil. Die erste Rate, deren Einzug mit einer Rechnung vom 30. Dezember 2015 für den 15. Februar 2016 angefordert wurde, leistete sie nicht.

Nach zwei Mahnungen stellte die Klägerin mit E-Mail vom 9. März 2016 den Gesamtbetrag zur Zahlung am 16. März 2016 fällig.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet bleibe, unabhängig davon, ob sie an den Seminaren teilgenommen habe. Zu ihrer Berechtigung, den gesamten Betrag zu verlangen, bezieht sie sich auf § 3b) ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Sie behauptet, weder sie noch ihr Ehemann hätten Anzeichen dafür wahrgenommen, dass die Beklagte sich für eine Ausbildung zum Mental- und Persönlichkeitstrainer nicht eigne. Die Fortbildung sei für Personen ausgeschrieben und bestimmt gewesen, die selbst als Trainer bzw. Trainerin agieren und damit Geld verdienen wollten.

Es sei ihr nicht mehr möglich gewesen, im Dezember 2015 einen Ersatzteilnehmer für die Veranstaltungsreihe zu finden.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.136,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, sie sei berechtigt gewesen, sich von dem Vertrag zu lösen. Sie habe die Seminarreihe in erster Linie gebucht, um in einem engen persönlichen Kontakt zu dem Trainer V… K… eine Hilfestellung für ihre eigenen Lebensprobleme zu finden. Für eine selbständige Tätigkeit als Mental- und Persönlichkeitstrainerin eigne sie sich aufgrund ihrer psychischen Verfassung nicht. Das hätten die Klägerin bzw. der Trainer V. K. auch erkannt. Es verstoße gegen die guten Sitten, dass die Klägerin sich mit ihrem Angebot an erkennbar psychisch instabile Personen wie die Beklagte wende.

2015 durchaus noch möglich gewesen sei.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bis auf einen Teil der Zinsen begründet.

Die Beklagte ist aus dem mit der Klägerin geschlossenen Ausbildungsvertrag verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu bezahlen.

Die Parteien haben einen Dienstvertrag geschlossen. Die Klägerin verpflichtete sich darin, die ausgeschriebenen Unterrichtseinheiten abzuhalten und der Beklagten die Teilnahme daran zu ermöglichen. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung der Vergütung.

Die E-Mail der Beklagten vom 6. Dezember 2015, wonach sie an der Seminarreihe nicht teilnehmen könne, ist als Kündigung zu werten. Die Beklagte hat ihren eindeutigen Willen zum Ausdruck gebracht, sich von dem Vertrag lösen zu wollen.

Der Beklagten stand aber kein Recht zur Kündigung zu. Eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit nach § 621 BGB stand ihr nicht zur Verfügung. Gegenstand des Vertrags war kein Dienstverhältnis, bei dem eine regelmäßige Vergütung vereinbart war. Vielmehr ging es um genau festgelegte Ausbildungsabschnitte. Dass die Klägerin den Teilnehmern anbot, den Gesamtbetrag in Raten zu zahlen, ändert daran nichts.

Für die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB hat die Beklagte keine Tatsachen vorgebracht.

Der Beklagten stand aber auch nach § 627 BGB kein Recht zur fristlosen Kündigung zu.

Gem. Abs. 1 dieser Vorschrift ist eine Kündigung auch ohne die in § 626 bezeichneten Voraussetzungen zulässig bei einem Dienstverhältnis das kein Arbeitsverhältnis ist. Weiterhin erforderlich ist, dass der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Bei dem Unterricht, den die Klägerin – in diesem Fall hauptsächlich durch ihren Ehemann – abhalten ließ, handelt es sich zwar um einen Dienst höherer Art. Es fehlt jedoch an dem Merkmal, dass dieser Dienst gewöhnlich aufgrund besonderen Vertrauens übertragen wird. Dabei ist auf die typische Lage bei den vereinbarten Dienstleistungen, nicht auf das im konkreten Einzelfall entgegengebrachte Vertrauen abzustellen (BGH NJW 2011, 3575):

Eine Übertragung aufgrund besonderen Vertrauens im Sinne dieser Vorschrift kommt immer dann in Betracht, wenn die Dienstleistung den persönlichen Lebens- oder Geschäftsbereich betrifft und daher in besonderem Maße Diskretion erfordert. Das ist insbesondere der Fall bei steuer- wirtschafts- oder rechtsberatenden Tätigkeiten. Unterrichtsverträge, die mit Institutionen wie Volkshochschulen, Sprachinstituten, privaten Bildungseinrichtungen oder Repetitorien abgeschlossen werden, lassen sich in der Regel auf ein derartiges persönliches Vertrauen nicht zurückführen (KG NJW-RR 2003, 1062).

Das ist im Ergebnis auch bei den streitgegenständlichen Seminaren nicht anders. Bei den von der Klägerin angebotenen Lehrgängen und Seminarreihen besteht allerdings die Besonderheit, dass sie zumindest auch die Bildung der Persönlichkeit der Teilnehmer zum Gegenstand haben. Ein Teil davon scheint einen gewissen therapeutischen Einschlag zu haben. Wenn dieser im Vordergrund steht, werden die Teilnehmer möglicherweise tatsächlich ein besonderes Vertrauen in den Unterrichtsleiter investieren, sodass an ein Kündigungsrecht nach § 627 Abs. 1 BGB zu denken sein könnte. Die Teilnahme an der Veranstaltungsreihe wäre dann in etwa vergleichbar mit einer Mitgliedschaft bei einer Partnervermittlung, wo die Teilnehmer Erhebliches von ihrer Persönlichkeit preisgeben müssen, damit das Ziel des Vertrags erreicht werden kann. Für derartige Verträge besteht nach allgemeiner Ansicht eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit gem. § 627 Abs. 1 BGB.

Das ist aber bei der hier streitgegenständlichen Seminarreihe nicht der Fall. Wie sich aus der als Anlage K1 zur Klageschrift vorgelegten Ausschreibung ergibt, behandeln die Themen der einzelnen Unterrichtseinheiten zwar sehr wohl die Bildung der Persönlichkeit, Befreiung von Ängsten, Schaffung von Selbstvertrauen, das Setzen von Zielen und Prioritäten, die Erweiterung mentaler Fähigkeiten etc. Die Ausrichtung der Veranstaltung bezieht sich aber darauf, dass die Teilnehmer befähigt werden sollen, mit den dort erworbenen Kenntnissen andere Menschen zu trainieren und zu coachen. Das …-Akademie …Camp baut auch auf einer bereits in dieser Richtung erteilte Ausbildung zum Persönlichkeitstrainer auf, sodass die Lösung der möglicherweise vorhandenen eigenen persönlichen Probleme der Teilnehmer in den Hintergrund tritt.

Im Gegensatz zu Partnervermittlungsverträgen ist die Preisgabe intimer Einzelheiten der Persönlichkeit auch keine Voraussetzung für den Erfolg der Veranstaltungen. Die Teilnehmer halten es jederzeit selbst in der Hand, in welcher Weise sie sich in die einzelnen Seminare einbringen wollen.

Der Vertrag, den die Parteien geschlossen haben, ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Es ist nicht im Ansatz erkennbar, dass die Klägerin eine Zwangslage, Unerfahrenheit, einen Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche der Beklagten ausgebeutet haben könnte (§ 138 Abs. 2 BGB). Die Beklagte trägt auch nicht näher vor, aus welchen konkreten Gründen die Klägerin oder ihr Ehemann hätten erkennen sollen, dass sie in einer Weise an psychischen Störungen leiden soll, dass sie das Unterrichtsziel nicht erreichen konnte. Mit Recht weist die Klägerin darauf hin, dass es jedem Teilnehmer selbst überlassen blieb, mit den Ergebnissen der Seminarreihe das anzufangen, was er oder sie wollte.

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Die Frage, ob die Klägerin in der Lage gewesen wäre, den Platz an den Seminaren anderweitig zu vergeben, ist unbedeutend. Es geht hier um die Zahlung der vereinbarten Vergütung und nicht um einen Schadensersatzanspruch. Deshalb müssen denkbare Überlegungen zu einer Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB außer Betracht bleiben.

Die Beklagte schuldet Zinsen gemäß §§ 286, 288 BGB. Die Höhe ist allerdings begrenzt auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszins. Die Beklagte ist Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB. Die Teilnahme an dem Seminar lässt sich nicht überwiegend einer gewerblichen oder anderweitigen selbständigen beruflichen Tätigkeit der Beklagten zu rechnen. Sie übt nämlich eine derartige Tätigkeit tatsächlich nicht aus.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 15.136,80 € festgesetzt.

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