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Dienstwagennutzung durch Arbeitnehmer – Versteuerung

Bundesfinanzhof

Az: VI R 52/07

Urteil vom 28.08.2008


Leitsätze:

1. Wird dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen, so ist ein Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG (0,03 %-Regelung) nur vorzunehmen, wenn der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzt. Für eine solche Nutzung besteht ein Anscheinsbeweis, der durch die Vorlage einer auf den Arbeitnehmer ausgestellten Jahres-Bahnfahrkarte entkräftet werden kann.

2. Mit der Entkräftung des Anscheinsbeweises ist der Sachverhalt zur Ermittlung des Zuschlags im Hinblick auf Art und Umfang der Nutzung des Dienstwagens umfassend aufzuklären (Anschluss an Senatsurteile vom 4. April 2008 VI R 85/04, BStBl II 2008, 887, und VI R 68/05, BStBl II 2008, 890).


Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnen in A und wurden als Eheleute in den Streitjahren (2001 bis 2003) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seine regelmäßige Arbeitsstätte befand sich in den Streitjahren bei der W-AG in B. Dem Kläger wurde von der W-AG ab Juni 2001 ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Der aus der Überlassung folgende geldwerte Vorteil für die private Nutzung des Dienstwagens wurde nach der 1 %-Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lohnsteuerlich erfasst. Auf den Ansatz des Zuschlags nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für Fahrten mit dem Dienstwagen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wurde sowohl von der W-AG beim Lohnsteuerabzug als auch vom Kläger in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre mit der Begründung verzichtet, dass der Kläger für derartige Fahrten ausschließlich öffentliche Verkehrsmittel genutzt habe.

Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der W-AG änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung und erhöhte den Bruttoarbeitslohn um den Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG in Höhe von 11 592 DM (2001) und je 11 853 EUR (2002 und 2003). Die Änderung begründete das FA damit, dass ein steuerlich anzuerkennendes Nutzungsverbot hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von der W-AG weder ausgesprochen noch in geeigneter Weise überwacht worden sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1327 veröffentlichten Gründen ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, dass es nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht darauf ankomme, ob der Steuerpflichtige den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutze, sondern allein darauf, ob er ihn hierfür nutzen könne. Aus dem Vortrag des Klägers und den von ihm vorgelegten Dokumenten ergebe sich weder, dass die Nutzung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte untersagt, noch, dass ein solches Verbot von der W-AG überwacht worden sei. Der Kläger könne gegen den Ansatz des geldwerten Vorteils für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht geltend machen, dass er nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln von der Wohnung zur Arbeitsstätte gefahren sei.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG und die Änderungsbescheide für die Streitjahre vom 13. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. April 2005 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt es für die Ermittlung des Zuschlags nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG darauf an, ob und in welchem Umfang der Kläger den Dienstwagen tatsächlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat.

1. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle geldwerten Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Auch die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 6. November 2001 VI R 62/96, BFHE 197, 142, BStBl II 2002, 370; vom 7. November 2006 VI R 95/04, BFHE 215, 252, BStBl II 2007, 269).

Hinsichtlich der Bewertung dieses geldwerten Vorteils gilt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 1996 die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG getroffene Regelung entsprechend; die Privatnutzung ist daher für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Der Wert nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG erhöht sich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden Kalendermonat um 0,03 % des genannten Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn das Fahrzeug für solche Fahrten genutzt werden kann.

Nach dem Normzweck des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ist der Zuschlag ein Korrekturposten zur Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der in den Streitjahren jeweils geltenden Fassung, die auch bei –unentgeltlicher– Überlassung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gewährt wird. Für die Ermittlung des Zuschlags ist daher in gleicher Weise wie für den pauschalen Werbungskostenabzug auf die tatsächliche Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abzustellen. Zur Begründung im Einzelnen wird auf das Senatsurteil vom 4. April 2008 VI R 68/05 (BStBl II 2008, 890) verwiesen.

2. Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Das FG hat bei der Ermittlung des Zuschlags zu Unrecht allein darauf abgestellt, dass der Kläger den Dienstwagen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen konnte. Die Sache ist nicht spruchreif.

a) Das FG hat –aus seiner Sicht zu Recht– keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang der Kläger den Dienstwagen tatsächlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat. Im zweiten Rechtsgang wird das FG diese Feststellungen nachzuholen haben.

Die tatsächliche Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ergibt sich im Streitfall nicht bereits aus dem Anscheinsbeweis, der für eine solche Nutzung besteht, wenn der Dienstwagen auch für derartige Fahrten genutzt werden kann (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 4. April 2008 VI R 85/04, BStBl II 2008, 887). Denn der Anscheinsbeweis ist dadurch entkräftet, dass der Kläger nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) im Einspruchsverfahren Kopien der in den Streitjahren gültigen persönlichen Jahreskarten für die Bahnverbindung von seinem Wohnort in A zur Arbeitsstätte in B vorgelegt hat. Auf ein von der W-AG für diese Fahrten ausgesprochenes Nutzungsverbot kommt es insoweit nicht an (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2008, 890).

Die Entkräftung des Anscheinsbeweises führt dazu, dass zur Ermittlung des Zuschlags nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG der Sachverhalt im Hinblick auf Art und Umfang der Nutzung des Dienstwagens in den Streitjahren durch das FG umfassend aufzuklären ist. Hierbei ist von der in der Vorentscheidung festgestellten Gesamtlaufleistung des Dienstwagens von 50 800 km für den Zeitraum Juni 2001 bis April 2004 auszugehen.

Über die Nutzung des Dienstwagens hinaus wird das FG auch zu ermitteln haben, ob und in welchem Umfang der Kläger sein privates Kraftfahrzeug bis zur Überlassung des Dienstwagens im Juni 2001 genutzt hat. Die Nutzung des privaten Kraftfahrzeugs ist im Streitfall entscheidungserheblich, da der Kläger im Einspruchsverfahren vorgetragen hat, in den Streitjahren aus Praktikabilitätsgründen (Parkplatzprobleme in B, Zeitersparnis insbesondere im Winter, Zeitungslektüre) für die Fahrten zur Arbeitsstätte immer die Bahn benutzt zu haben. Hierzu hat er nach den Feststellungen der Vorentscheidung für die Streitjahre Kopien der für die Monate Januar bis März 2001 gültigen Bahnfahrkarten und der ab April 2001 gültigen persönlichen Jahreskarten vorgelegt. Das Vorbringen des Klägers steht allerdings in gewissem Widerspruch zu den Angaben der Kläger in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001, nach denen der Kläger die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an 115 Tagen mit dem privaten Kraftfahrzeug zurückgelegt haben will. Bei der Aufklärung dieses Widerspruchs wird das FG auch zu berücksichtigen haben, dass die Kläger in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 angegeben haben, die Klägerin sei mit ihrem privaten Kraftfahrzeug an 230 Tagen ebenfalls von der Wohnung in A zur Arbeitsstätte nach B gefahren.

b) Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommen, dass der Kläger den Dienstwagen monatlich an weniger als 15 Tagen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat, ist anstelle des in § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG vorgesehenen pauschalen monatlichen Zuschlags eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer vorzunehmen (BFH-Urteil in BStBl II 2008, 887).

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