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Dieselskandal – Ansprüche aus § 826 BGB

LG Bückeburg, Az.: 1 O 238/18, Urteil vom 30.08.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.208,36 € nebst Zinsen darauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2018 Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs VW mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme des im Klageantrag zu 1 genannten Fahrzeuges in Annahmeverzug ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.100,51 € aufgewendete Kosten für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2018.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 8 % und der Beklagten zu 92 % auferlegt.

6. Das Urteil ist für den Kläger gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe des 1,2fachen vom zu vollstreckenden Betrag vollstreckbar. Für die Beklagte ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann eine Vollstreckung der Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des 1,2fachen vom vollstreckbaren Betrag abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe des 1,2fachen vom zu vollstreckenden Betrag leistet.

7. Streitwert: bis zu 22.000 €

Tatbestand

Dieselskandal – Ansprüche aus § 826 BGB
Symbolfoto; Von Rainer Fuhrmann /Shutterstock.com

Der im Bezirk des angerufenen Landgerichts wohnhafte Kläger kaufte am 19.09.2014 zum Preis von 34.326,58 € netto zzgl. Selbstabholkosten von 302,52 € netto bei der … den noch am 19.9.2014 vom Kläger abgeholten Volkswagen Modell 5N225R mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … als Neuwagen. Er bezahlte einschließlich Umsatzsteuer 41.208,36 € (Bl. 36). Er benutzte fortan das Fahrzeug im Straßenverkehr und fuhr damit bis 27.12.2018 jedenfalls 82.000 km (Bl. 3).

Die Beklagte stellte das verkaufte Fahrzeug her. Es ist in die Schadstoffklasse Euro 5 eingestuft und verfügt über einen Dieselmotor vom Typ EA 189. Es ist von dem sogenannten „Dieselskandal“ betroffen und wurde von der Beklagten zurückgerufen und überarbeitet. Das Fahrzeug erhielt in einer Vertragswerkstatt ein von der Beklagten bereitgestelltes Update der Motorsteuerung (Bd. I Bl. 37).

Dies hatte folgenden Grund: Die Zulassung war nur aufgrund der Erteilung einer Typengenehmigung und der Bescheinigung des Herstellers erfolgt, dass das Fahrzeug dem typengenehmigten Fahrzeug entspricht.

Die Typengenehmigung war aber nur erteilt worden, weil die Beklagte bei der Prüfung auf dem Prüfstand den Verbrennungsmotor mit einer eigens dafür vorgesehenen stickoxidoptimierten Einstellung betrieb, die im späteren Fahrbetrieb überhaupt nicht zum Einsatz kam. Betrieben wurde das Fahrzeug mit einer anderen, bei der Prüfung verheimlichten Motoreinstellung, nämlich im sogenannten partikeloptimierten Modus. Die Umschaltung zwischen den Betriebsmodi erfolgte dabei nicht manuell mittels eines Schalters, sondern automatisch und unbemerkt. Die verbaute Motorsteuerungssoftware erkannte aufgrund ihrer Programmierung selbstständig, ob sich das Fahrzeug im Straßenverkehr bewegte (dann partikeloptimierte Einstellung) oder sich zwecks Einhaltung von Laborbedingungen auf einem Prüfstand befand (dann stickoxidoptimierte Motoreinstellung). Abhängig von der Prüf- und Fahrsituation schaltete die Motorsteuerung entsprechend um (Modus 0 oder 1).

Die automatische Änderung der Motoreinstellungen auf den Modus 0 (die Beklagte nennt dies Umschaltlogik), wurde dem Prüfer im Verfahren auf Erteilung der Typengenehmigung nicht offenbart.

Gegenüber der durch Messung nachgeprüften und genehmigten Motoreinstellung (Modus 1) führt die veränderte Einstellung für den Fahrbetrieb zu einem höheren Ausstoß von Stickoxiden, mit denen die Grenzwerte auf dem Prüfstand nicht eingehalten worden wären.

Technisch war im Prüfmodus (Nr. 1) gegenüber dem Betriebs- oder Fahrmodus 0 die Abgasrückführungsrate erhöht und damit die Menge Abgas, die der Verbrennungsfrischluft zur erneuten Verbrennung zugeführt wurde. Dies führte zu einer Verringerung der ausgestoßenen Stickoxide. Im Fahrbetrieb wurde gegenüber der Prüfstandeinstellung die Abgasrückführungsrate reduziert. Dies hatte zwar einen Anstieg der Stickoxide zur Folge, dafür bewirkte es aber eine Reduzierung der emittierten Rußpartikel im freigesetzten Abgas und damit eine Entlastung des Dieselpartikelfilters, der nunmehr eine geringe Menge an Rußpartikeln absorbieren musste. Die Beklagte nennt diesen Modus deshalb auch den partikeloptimierten Modus.

Mit dem auch hier installierten Update der Motorsteuerung hat die Beklagte die Unterscheidung zwischen zwei unterschiedlichen Betriebsmodi abgestellt. Die Software der Motorsteuerung kennt nunmehr nur noch einen Betriebsmodus. Das Softwareupdate, mit dem das Fahrzeug des Klägers ausgerüstet ist, ist vom Kraftfahrtbundesamt zugelassen worden und hat das Ziel der Reduzierung der Stickoxidemissionen im Fahrbetrieb. Die Erlaubnis, das Fahrzeug im Straßenverkehr zu betreiben, wurde nicht entzogen.

Der Kläger behauptet, weil das Fahrzeug an sich nicht zulassungsfähig gewesen sei, müsse er es nicht behalten (Bl.13) und könne Kaufpreiserstattung verlangen (Bl. 28), abzüglich einer Nutzungsentschädigung für 82.000 gefahrene Kilometer in Höhe von 6.758,22 €, die von den gezahlten 41.208,63 € abzusetzen seien (Bl. 29). Zudem habe das aus Anlass der Stickoxidreduzierung installierte Update der Motorsteuerung gegenüber der Vorversion technische Nachteile, weil nunmehr die Abgasrückführungsrate dauerhaft erhöht sei, dies zu einer Verringerung der Verbrennungstemperatur führe und dies weitere Maßnahmen nach sich ziehe, so möglicherweise eine Erhöhung der Regenerationszyklen (Bl.7).

Er beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 34.450,41 € nebst Zinsen zu zahlen,

a) in Höhe von 4 % aus 41.208,63 € vom 19.9.2014 bis zum 28.12.2018

b) sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 34.450,41 € seit dem 29.12.2018,

jeweils Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs VW mit der Fahrgestellnummer….

2. festzustellen, dass die Beklagte mit der Annahme des im Klageantrag zu 1 genannten Fahrzeuges in Annahmeverzug ist,

3. die Beklagte zu verurteilen, 1.474,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2018 als Ersatz für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen.

Sie meint, der Kläger habe keinen Anspruch. Ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 3 BGB bestehe nicht. Ein Anspruch aus § 826 BGB bestehe ebenfalls nicht. Dem Kläger sei kein Schaden entstanden. Auch habe sie nicht sittenwidrig gehandelt. Das Fahrzeug des Klägers sei weder mangelhaft gewesen, noch sei es heute mangelhaft. Eine unzulässige Abschalteinrichtung habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Die Beklagte setze den mit dem KBA abgestimmten und für verbindlich erklärten Zeit- und Maßnahmeplan für das Update der Motorsteuerung um. Auch deswegen bestehe nicht die Gefahr eines Entzugs der Typgenehmigung.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf das Sitzungsprotokoll vom 19.6.2019 (Bd. II Bl. 75) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

1.

Vertragliche Ansprüche bestehen zwischen den Parteien nicht. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs und nicht Verkäuferin des Gebrauchtwagens.

2.

Auch aus § 311 BGB ergeben sich keine quasivertraglichen Ansprüche. Der Kläger beabsichtigte zu keinem Zeitpunkt, mit der Beklagten in Verhandlungen über den Kauf des von der … zum Verkauf angebotenen Fahrzeugs einzutreten. Er ist mit der Beklagten nicht in Kontakt getreten. Die Beklagte ist ersichtlich nicht Vertreter oder gar Verhandlungsgehilfe der Verkäuferin. Es scheidet daher auch ein Anspruch aus § 311 Abs. 3 BGB aus.

3.

Ansprüche ergeben sich auch nicht aus dem Produkthaftungsgesetz, das einen Schadensersatzanspruch für das fehlerhafte Produkt nicht vorsieht. Für das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Klägers wegen der Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs haftet grundsätzlich nur der Verkäufer nach Kaufrecht und nicht der Hersteller nach Deliktsrecht (dazu siehe etwa Palandt/Sprau, BGB, § 823 Rn. 178).

4.

Ein Anspruch ergibt sich aber aus § 826 BGB. Denn durch das Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit erschlichener und darum grundsätzlich widerrufbarer Zulassung hat die Beklagte jedem späteren Erwerber einen schweren Schaden zugefügt, weil das Fahrzeug an sich nicht hätte zum Straßenverkehr zugelassen werden dürfen, es vielmehr nur durch das Verschweigen einer geheimen Motoreinstellung zugelassen worden ist.

Ohne die Überarbeitung drohte der Entzug der Zulassung für den Straßenverkehr und die zwangsweise Stilllegung des Fahrzeugs. Erst durch die erfolgte Umrüstung des Fahrzeugs mit Einverständnis des Klägers bei Einhaltung des Zeit- und Maßnahmeplans des KBA ist der Widerruf der Zulassung und die Zwangsstillegung des Fahrzeugs vermieden worden.

Die Vorgehensweise der Beklagten ist deswegen moralisch besonders verwerflich, weil die Beklagte dies deshalb tat, um den eigenen technischen und finanziellen Aufwand möglichst gering zu halten.

Der Kläger konnte das Fahrzeug nur erwerben, weil die Beklagte es zuvor als zulassungsfähiges Fahrzeug in den Verkehr gebracht und durch ihre Händler zum Kauf angeboten hat. Dabei hat die Beklagte die Zulassung erschlichen, indem sie den Einstellmodus für den Fahrbetrieb nicht zum Gegenstand des Verfahrens auf Erteilung der Typengenehmigung gemacht hat, den Betriebsmodus vielmehr vollkommen verschwiegen hat, stattdessen einen eigens auf das Zulassungsverfahren beschränkten Prüfmodus installiert hat, von dem angenommen werden musste, er komme auch im Fahrbetrieb zum Einsatz.

Das Verhalten der Beklagten ist moralisch besonders verwerflich. Die Beklagte vertritt sowohl in diesem Prozess als auch in weiteren Verfahren die Auffassung, für den Fahrbetrieb des Fahrzeugs gebe es überhaupt keine Grenzwerte, Grenzwerte gebe es nur auf dem Prüfstand, bei dem ein bestimmter Fahrzyklus (NEFZ) simuliert werde. Deswegen könnten im Fahrbetrieb auch keine Grenzwerte überschritten werden. Das Verlassen des Prüfstandes habe immer einen abweichenden Schadstoffausstoß zur Folge. Dies sei auch bei Fahrzeugen anderer Hersteller so.

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Damit stellt die Beklagte die Dinge auf den Kopf. Sie ignoriert noch heute, dass der Verordnungsgeber natürlich sicherstellen wollte, dass die Fahrzeuge unter normalen Betriebsbedingungen (BGH, 8.1.2019, VIII ZR 225/17, Rn. 10) den Vorgaben der Verordnung entsprechen und nicht nur auf dem Prüfstand. Es soll gerade sichergestellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen und dass die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte erforderliche erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen erreicht wird (BGH, 8.1.2019, VIII ZR 225/17 Rn. 10). Die Prüfung des Fahrzeugs mit einer eigens dafür vorgesehenen stickoxidoptimierten Einstellung, die im Fahrbetrieb überhaupt nicht zum Einsatz kommt, ist deswegen ganz offensichtlich rechtswidrig. Stattdessen ist die zum Einsatz kommende Einstellung für den Dauerbetrieb (partikeloptimierte Einstellung) nicht geprüft. Die Beklagte will auch glauben machen, dass – wie freilich bei Fahrzeugen anderer Hersteller auch – das bloße Verlassen des Prüfstandes zu einem veränderten Schadstoffausstoß führt. Dabei ist unübersehbar, dass das veränderte Abgasverhalten nicht auf einem bloßen Verlassen des Prüfstandes beruht, sondern auf einer anderen Motoreinstellung, weil das Verlassen des Prüfstandes von der Software erkannt wird und diese dann dauerhaft von der geprüften stickoxidoptimierten Motoreinstellung in den nicht geprüften partikeloptimierten Modus unbemerkt umschaltet.

Obwohl die Beklagte wusste, dass die Erteilung der Typengenehmigung erschlichen war, hat sie ihr Fehlverhalten konsequent fortgesetzt und systematisch die Übereinstimmung der später in den Verkehr gebrachten Fahrzeuge mit dem typengenehmigten Fahrzeug bescheinigt, obgleich der Fahrzeugtyp nicht hätte genehmigt werden dürfen. Die Beklagte hat damit ein Fahrzeug in den Verkehr gebracht, dass für die Verwendung im Straßenverkehr nicht hätte zugelassen werden dürfen und nur deswegen zugelassen worden ist, weil irrig angenommen worden ist, die bei Erteilung der Typengenehmigung geprüfte Motoreinstellung komme auch im normalen Betrieb zum Einsatz. Das ist indes nicht der Fall. Es handelt sich um einen technischen Mangel, der unabhängig von einer Umrüstungsanordnung der Typengenehmigungsbehörde auch ein Sachmangel im Sinne des Kaufrechts ist (BGH, 8.1.2019, VIII ZR 225/17 Rn. 20).

Dies alles ist geschehen, weil die Beklagte offenbar Zweifel an der Standfestigkeit des Fahrzeugs im Dauerbetrieb bei stickoxidoptimierter Motoreinstellung hatte, sie womöglich Nachteile für Bauteile im Abgasstrang befürchtete. Schließlich muss die Beklagte Vorteile in der Nichtbeibehaltung der geprüften stickoxidoptimierten Einstellung bzw. der Umschaltung auf den partikeloptimierten Modus bei Dauerbetrieb gesehen haben. Die Minimierung der Stickoxide durch erhöhte Abgasrückführung (stickoxidoptimierter Modus) führt nämlich zu einer Anhebung der Rußpartikel im freigesetzten Abgas, dies zu einer stärkeren Belastung des Dieselpartikelfilters und zu einem höheren Verschleiß und Wartungsaufwand. Die Vermeidung dieser höchst unerwünschten Folge hätte andere technische Lösungen gebraucht. Auch wäre es vielleicht möglich gewesen, das Fahrzeug weitgehend gefahrlos einheitlich und dauerhaft im partikeloptimierten Modus zu betreiben und den vermehrten Anfall von Stickoxiden mit einer Reinigung des Abgases (Harnstoff) zu versehen.

Stattdessen entschied sich die Beklagte dafür, ihren technischen und finanziellen Aufwand zu begrenzen und massenhaft Fahrzeuge wie das des Klägers mit einer heimlichen Betriebserkennungssoftware in den Verkehr zu bringen. Auf diese Weise erhielten die Käufer solcher Fahrzeuge ein eklatant fehlerhaftes Produkt, weil diese Fahrzeuge zum Straßenverkehr nicht hätten zugelassen werden dürfen (BGH, 8.1.2019, VIII ZR 225/17, Rn. 4, OLG Köln, 28.5.2018, 27 U 13/17; 27.3.2018, 18 U 134/17; OLG Nürnberg, 24.4.2018, 6 U 409/17). Der Umstand, dass die Beklagte diesen technischen Mangel nachträglich zur Vermeidung einer drohenden Stilllegung durch ein Softwareupdate beseitigt hat, ändert nichts an dem Umstand, dass dieser technische Mangel bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegen und die Beklagte ganz bewusst ein nicht zulassungsfähiges Fahrzeug in den Verkehr gebracht hat.

Es kann unterstellt werden, dass die Beklagte potentielle Eigentümer ihrer Fahrzeuge nicht schädigen wollte. Auch kann angenommen werden, dass die Beklagte davon ausging, die „gut“ gemachte Täuschung werde nicht auffallen und sie massenhaft an sich nicht zulassungsfähige Fahrzeuge von der Täuschung unbemerkt in den Verkehr bringen könne. Es muss aber umgekehrt angenommen werden, dass die Beklagte eine etwaige Schädigung von Käufern ihrer Fahrzeuge in Kauf genommen hat. Das reicht für eine sittenwidrige Schädigung aus.

Die Kammer ist auch fest davon überzeugt, dass die Beklagte ihre Produkte genauestens kennt und im Detail weiß, wie ihre Fahrzeuge aufgebaut sind. Zumindest leitenden Angestellten, wenn nicht gerade dem Vorstandsvorsitzenden selbst, kann ein Verbau nicht verborgen geblieben sein, zumal sich tatsächlich Vorteile für den Betrieb der Fahrzeuge ergaben (weniger Rußpartikel, weniger Wartung, höhere Standfestigkeit).

Der Schaden des Klägers besteht darin, dass er sich für den Kauf des nicht zulassungsfähigen Fahrzeugs gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises entschieden hat. Die Beklagte hat den Kläger deshalb so zu stellen, als hätte er das Kaufgeschäft nicht getätigt. Dann hätte er jedenfalls nicht den Kaufpreis für dieses Fahrzeug aufgewendet. Andererseits hat er durch den Erwerb und die Nutzung des Fahrzeugs über Jahre hinweg bestimmte Vorteile gezogen. Diese muss er herausgeben.

Der Wert der gezogenen Nutzungen ist als Vorteil von dem erlittenen Nachteil nach der Differenzhypothese auch dann in Abzug bringen, wenn dies von der Beklagten nicht ausdrücklich geltend gemacht wird (BGH, 23.6.2015, XI ZR 536/14 Rn. 22 ff). Ebenso muss er die erhaltene Gegenleistung in Abzug bringen, was er tut.

Die Kammer schätzt (§ 287 ZPO) den Wert der Gebrauchsvorteile auf etwa 10.000 €. Dabei geht die Kammer von einer Gesamtlaufleistung von gut 300.000 km aus. Die vom Kläger angesetzten 500.000 km sind zwar im Einzelfall möglich, aber ganz und gar unrealistisch. Der Kläger fährt etwa 20.000 km pro Jahr. Bei einer derartigen durchschnittlichen Laufleistung wäre das Fahrzeug etwa 25 Jahre in Betrieb. Selbst bei einer Jahresdurchschnittsfahrleistung von 30.000 km hätte das Fahrzeug erst nach 16-17 Jahren eine Laufleistung von 500.000 km erreicht. Die Lebensdauer eines Fahrzeugs ist nicht allein von der Lebensdauer des Motors abhängig, sondern natürlich von dem Zustand des Fahrzeuges insgesamt, insbesondere von den Fahrwerksteilen.

10.000 € sind knapp ¼ des Kaufpreises. Die Quote entspricht in etwa dem Quotienten aus Laufleistung zur möglichen Gesamtlaufleistung (82.000 zu 326.000). Das sind etwa 0,12 €/km (10.000 € : 82.000 km). Pro 1000 km sind das etwa 120 €. Das sind etwa 0,3 % vom Anschaffungspreis. Das ist im allgemeinen die untere Bewertungsgrenze (dazu Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 346 Rn. 10).

Vorteile aus dem Erhalt des Kaufpreises und der Nutzung des Kapitals hat die Beklagte dem Kläger – entgegen dem Antrag (4 %) – nicht zu erstatten. Schon der Tatbestand von § 849 BGB ist nicht erfüllt.

Die Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen folgt aus §§ 285 ff BGB.

Rechtsverfolgungskosten sind als Folgeschaden zu ersetzen, und zwar eine 1,3fache Geschäftsgebühr, welche die Bevollmächtigten dem Kläger berechnet haben (Bl. 45), nach dem vorgerichtlichen Gegenstandswert. Dieser ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht nach dem Betrag des um die Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreises zu bemessen. Bedacht werden muss vielmehr auch, dass der Schaden (Differenzhypothese) des Klägers unter Einbeziehung der Rückgabe des Fahrzeugs und der Leistung von Nutzungsersatz zu bemessen ist. Das Fahrzeug mit der Modellnummer 5N225 R ist ein VW Tiguan Sport & Style, 2,0 TDI, 130 KW, 4 Motion mit 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (DSG 7). Das Fahrzeug hat nach der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) bei 82.000 km einen Händlereinkaufswert von derzeit 13.206 €. Insgesamt sind somit mindestens (Händlereinkaufspreis) von dem gezahlten Kaufpreis von 41.208,63 diese 13.206 € sowie die Nutzungsentschädigung von 10.000 € abzusetzen. Als Geschäftswert für die vorgerichtliche Tätigkeit kommt deshalb die Gebührenstufe von 16.000 – 19.000 € zur Anwendung. Der Kläger schuldet seinen Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit deshalb 1.100,51 € (696 x 1,3 + 20 netto).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92, §§ 708 ff ZPO.

Die Bemessung des Streitwerts folgt aus § 3 ZPO. Auszugehen ist von dem Interesse des Klägers. Eine Nutzungsentschädigung will der Kläger sich anrechnen lassen. Diese verrechnet er mit dem gezahlten Kaufpreis. Abgesetzt werden muss auch, anders als bei der Rückabwicklung eines Vertrages, die bei der Bemessung des Schadens zu berücksichtigende Herausgabe der erhaltenen Gegenleistung (hier etwa 13.200 €). Der um die Nutzungsentschädigung gekürzte Kaufpreis wäre nur dann als Streitwert anzusetzen, wenn der Kläger das durch das Rechtsgeschäft erlangte Fahrzeug behalten wollte. Das ist indes nicht der Fall. Setzt man von dem Klagebetrag (34.450,41) 13.200 € ab, so ergeben sich 21.244,41 €.

Die Feststellungsklage ist mit 200 € bewertet.

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