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Dieselskandal  – Bei Verjährung Anspruch aus § 852 S. 1 BGB?

OLG Köln – Az.: 16 U 63/21 – Urteil vom 15.12.2021

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Bonn (13 O 215/20) vom 29.04.2021 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.804,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2021 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des VW Passat mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer A zu zahlen.

Dieselskandal  - Bei Verjährung Anspruch aus § 852 S. 1 BGB?
Verjährung im Abgasskandal (Symbolfoto: Best Auto Photo/Shutterstock.com)

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 887,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2021 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des VW Passat mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer A in Annahmeverzug befindet.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 53 % und die Beklagte 47 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 43 % und die Beklagte 57 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte im sogenannten Abgasskandal in Anspruch.

Wegen des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Am 20.01.2015 (Anl. K1, Bl. 63 GA) erwarb der Kläger von einem Händler einen gebrauchten VW Passat mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor EA 189 und einem Kilometerstand von 80.767 km zum Preis von 18.500 EUR.

Die Laufleistung des Fahrzeugs im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2021 betrug 178.611 km.

Verjährungshemmende Maßnahmen hat der Kläger nicht ergriffen. Eine Beteiligung an der Musterfeststellungsklage ist nicht erfolgt. Seine gegen die Beklagte gerichtete Schadensersatzklage ist am 10.12.2020 bei Gericht eingegangen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Es hat Ansprüche des Klägers als verjährt angesehen. Spätestens seit dem Erhalt des Schreibens der Beklagten im Februar 2016, durch welches die Beklagte alle Fahrzeughalter informiert habe, habe der Kläger Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeuges von dem sogenannten Abgasskandal gehabt, so dass die Verjährung mit Ablauf des Jahres 2016 zu laufen begonnen habe und mit Ablauf des 31.12.2019 eingetreten sei.

Einen Anspruch des Klägers nach § 852 BGB auf Restschadensersatz hat das Landgericht verneint. Unter Verweis auf OLG Stuttgart, Urteil vom 02. Februar 2021 – 10 U 229/20 – stehe einem Anspruch nach § 852 BGB entgegen, dass die Beklagte aufgrund der von ihr durch Inverkehrbringen des Fahrzeugs begangenen unerlaubten Handlung nichts auf Kosten des Klägers erlangt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen die Abweisung der Klage wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags macht er geltend, es sei keine Verjährung eingetreten; aus den Rückrufschreiben, die ab Februar 2016 verschickt worden seien, habe sich für die Fahrzeugkäufer nicht ergeben, dass sie als Anspruchsgläubiger in Betracht kämen. Im Übrigen habe durch das Aufspielen des Software-Updates die Verjährung neu zu laufen begonnen, weil die Beklagte hierdurch die Ansprüche der Klagepartei anerkannt habe. Jedenfalls sei auf Grund des Aufspielens des Software-Updates ein neuer Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 826 BGB wegen der Implementierung des sogenannten Thermofensters entstanden. Zumindest stehe dem Kläger ein Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 BGB zu.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Abänderung des am 29.04.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Bonn mit dem Aktenzeichen 13 O 215/20,

1.

die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke: Volkswagen, Typ: Passat mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer A an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 18.500 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, unter Anrechnung einer in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu erstatten, die sich aus folgender Formel ergibt: Kaufpreis x (aktueller Kilometerstand – Kilometerstand bei Erwerb / (geschätzte Gesamtlaufleistung – Kilometerstand bei Erwerb),

2.

die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.637,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten,

3.

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Berufungsantrag zu 1 genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und führt hierzu vertiefend aus. Ein Anspruch des Klägers nach § 852 BGB scheide insbesondere bereits deshalb aus, weil diese Norm nicht auf Klageparteien anwendbar sei, die an der Musterfeststellungklage hätten teilnehmen können. Jedenfalls habe die Beklagte – da der Kläger das Fahrzeug als Gebrauchtwagen erworben habe – nichts auf Kosten des Klägers erlangt. Erlangt sei im Übrigen allenfalls der Nettogewinn der Beklagten, nicht jedoch der Kaufpreis; daraus, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig in ihrem Bußgeldbescheid gegen die Beklage vom Juni 2018 einen Gewinn von 995 Millionen EUR für 10,7 Millionen verkaufte Fahrzeuge abgeschöpft habe, ergebe sich ein durchschnittlicher Gewinn der Beklagten je Fahrzeug von rund 93 EUR. Als bereicherungsmindernde Abzugsposten seien zugunsten der Beklagten die Kosten für die Entfernung der Umschaltlogik und der dazu gehörigen Information der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Die vom Kläger geltend gemachten vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten seien jedenfalls insoweit übersetzt, als solche nach einer 2,0-Gebühr und nicht nur nach einer 1,3-Gebühr berechnet worden seien. Mangels konkreten Angebots des Klägers zur Rückgabe des Fahrzeuges scheide ein Annahmeverzug der Beklagten aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die formell unbedenkliche Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

Dem Kläger steht in der Hauptsache gegen die Beklagte ein Anspruch aus den §§ 826, 31, 852 Satz 1 BGB zu. Er kann von der Beklagten auf dieser Grundlage die Zahlung eines dem Kaufpreis entsprechenden Betrages abzüglich der von ihm erzielten Nutzungsvorteile nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen. Ferner ist festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet.

1.

Die Beklagte haftet dem Kläger aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß den §§ 826, 31 BGB.

a.

Die Inverkehrgabe des von der Beklagten hergestellten Motors vom Typ EA 189 EU 5 ist als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB anzusehen.

Die im Fahrzeug des Klägers vorhandene Einrichtung, die bei erkanntem Prüfstandslauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert, stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge dar (ABl. L 171 vom 29. Juni 2007 S. 1 ff.; im Folgenden: VO 715/2007/EG) (vgl. nur BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 = NJW 2020, 1962 Rz. 17).

Die unzulässige Abschalteinrichtung konnte grundsätzlich dazu führen, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV vornahm, weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV) entsprach (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17 = NJW 2019, 1113 Rz. 20).

b.

Wenn ein Fahrzeughersteller, wie hier, im Rahmen einer von ihm bei der Motorenentwicklung getroffenen strategischen Entscheidung, die Typengenehmigungen der Fahrzeuge durch arglistige Täuschung des KBA zu erschleichen und die derart makelbehafteten Fahrzeuge alsdann in den Verkehr zu bringen, die Arglosigkeit und das Vertrauen des Fahrzeugkäufers gezielt ausnutzt, steht dies wertungsmäßig einer unmittelbaren Täuschung der Fahrzeugkäufer gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, a.a.O., Rz. 25). Die Beklagte trifft das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, daher gerade auch im Hinblick die Schädigung aller unwissenden Käufer der genannten Fahrzeuge. Diese Schädigung stellt die zwangsläufige Folge des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge dar und liegt damit unmittelbar in der Zielrichtung des sittenwidrigen Verhaltens (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, a.a.O., Rz. 25).

c.

Die bei der Beklagten für die Motorentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich der damalige Leiter der Entwicklungsabteilung und die für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten verantwortlichen vormaligen Vorstände haben zumindest von der grundlegenden strategischen Entscheidung über die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst – dieses Wissen ist der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, a.a.O., Rz. 29 ff.).

d.

Dem Kläger ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden im Sinne von §§ 826, 249 Abs. 1 BGB entstanden, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das mit dem makelbehafteten Motor ausgestattete Fahrzeug liegt. Der Kläger hätte den Kaufvertrag in Kenntnis der illegalen Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen. Denn nach dem sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäfts ergebenden Erfahrungssatz ist auszuschließen, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, a.a.O., Rz. 51).

e.

Der Ersatzanspruch richtet sich bei § 826 BGB auf das negative Interesse. Wenn wie hier der Geschädigte durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Vertrags zu, das heißt Ausgleich der für den Vertrag getätigten Aufwendungen durch den Schädiger gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, a.a.O., Rz. 44 ff., 64 ff).

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Demzufolge hat der Kläger einen Anspruch auf Erstattung des von ihm aufgewendeten Kaufpreises – hier in Höhe von 18.500 EUR – Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erlangten Fahrzeugs, wobei er sich – zur Vermeidung einer dem deutschen Schadensersatzrecht unbekannten Überkompensation mit Strafschadencharakter – im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen muss (vgl. BGH, vom 25.05.2020, a.a.O., Rz. 64-77).

Der Gebrauchsvorteil errechnet sich nach der Formel: Bruttokaufpreis, multipliziert mit der Anzahl der vom Käufer gefahrenen Kilometer, geteilt durch die voraussichtliche (Rest-)Gesamtlaufleistung im Zeitpunkt des Kaufs (BGH, Urteil vom 25. Mai a.a.O., Rz. 80; BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 354/19 = NJW 2020, 2796, Rz. 12; BGH, Urteil vom 23.03.2021 – VI ZR 3/20 = MDR 2021, 744, Rz. 10) und beläuft sich vorliegend gemäß nachfolgenden Ausführungen damit auf 7.804,02 EUR.

Die zu erwartende Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs wird gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km geschätzt. Dabei wird berücksichtigt, dass für die zu erwartende Gesamtlaufleistung nicht die mögliche Laufleistung des Motors an sich, sondern die Lebensdauer des gesamten Fahrzeugs maßgebend ist (vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2021 – VIII ZR 111/20 = BeckRS 2021, 31895 Rz. 58). Besondere, aussagekräftige Umstände, die die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs beeinflussen, sind weder erkennbar, noch dargetan, so dass es angemessen ist, die bereits mehrfach auch vom BGH für Mittelklasse-Fahrzeuge bestätigte (vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2021, a.a.O. – VIII ZR 111/20 = BeckRS 2021, 31895 Rz. 58; vom 27.04.2021 – VI ZR 812/20 = MDR 2021, 742) Gesamtlaufleistung von 250.000 km anzusetzen.

Der Kläger hat den Wagen mit einer Laufleistung von 80.767 km erworben, so dass ihm im Erwerbszeitpunkt eine Rest-Laufleistung von (250.000 km abzgl. 80.767 km =) 169.233 km zur Verfügung stand.

Bei der im Termin unstreitig gestellten aktuellen Laufleistung von 178.611 km hat der Kläger das Fahrzeug über eine Strecke von (178.611 km abzgl. 80.767 km =) 97.844 km selbst genutzt.

Die von ihm gezogenen Gebrauchsvorteile belaufen sich daher auf 18.500 EUR x 97.844 km : 169.233 km = 10.695,98 EUR.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers beträgt somit 18.500 EUR – 10.695,98 EUR = 7.804,02 EUR.

2.

Der Kläger kann allerdings den genannten Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB vorliegend nicht gegen die Beklagte durchsetzen (§ 214 Abs. 1 BGB), weil er mit Ablauf des 31.12.2018 – jedenfalls aber mit Ablauf des 31.12.2019 – verjährt ist.

a.

Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist, die auch für Ansprüche aus § 826 BGB einschlägig ist, drei Jahre. Sie beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

b.

Der Kläger hatte vor Ablauf des Jahres 2015 grob fahrlässige Unkenntnis von den seinen Anspruch begründenden Umständen und der Beklagten als Schuldnerin dieses Anspruchs. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien hätte der Kläger bei Anstellung der sich sowohl einem juristischen als auch einem technischen Laien aufdrängenden Überlegungen jedenfalls vor Ablauf des Jahres 2015 Kenntnis erlangen können und müssen. Ebenso wäre es dem Kläger sodann im wohlverstandenen Eigeninteresse bereits im Jahr 2015 ohne große Mühe möglich gewesen, dies für eine Rechtsverfolgung gegen die Beklagte ausreichend sicher aufzuklären. Die Beklagte hat am 22.09.2015 eine sogenannte Ad-hoc-Mitteilung und eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der jedenfalls Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Abgaswerte bei Motoren des Typs EA 189 im realen Fahrbetrieb eingeräumt wurden. Allgemein bekannt folgte spätestens hierauf eine nahezu omnipräsente Berichterstattung in sämtlichen Medien über den Einsatz manipulierter Dieselmotoren durch die Beklagte, über die Betroffenheit deutscher Verbraucher und über die Verantwortung maßgeblicher Vertreter der Beklagten. Dem Kläger war damit bereits im Jahr 2015 die Klageerhebung zumutbar (s. grundlegend auch BGH, Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20 = NJW 2021, 918 ff, Rz. 20-25).

c.

Vor dem 31.12.2018 wurde die Verjährung nicht durch Rechtsverfolgung rechtzeitig gehemmt.

d.

Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung auf den Erhalt des Rückrufschreibens der Beklagten vom Februar 2016 für den Beginn der Verjährungsfrist abgestellt hat, ergibt sich hieraus nichts anderes.

Geht man von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners infolge des Rückrufschreibens aus, tritt die Verjährung des Schadensersatzanspruchs des Klägers mit Ablauf des 31.12.2019 ein. Auch vor diesem Zeitpunkt wurde die Verjährung vorliegend nicht durch Rechtsverfolgung rechtzeitig gehemmt.

Die Auffassung des Klägers, die Verjährung habe durch das Aufspielen des Software-Updates im Jahre 2016 erneut zu laufen begonnen, führt angesichts der zeitlichen Zusammenhänge ebenfalls nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

e.

Die Implementierung des sogenannten Thermofensters im Zusammenhang mit dem Aufspielen des Software-Updates begründet entgegen der Ansicht des Klägers keinen weiteren – ggf. unverjährten – Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach den §§ 826, 31 BGB.

Nach den vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen (vgl. nur BGH, Urteil vom 23. September 2021 – III ZR 200/20 -, WM 2021, 2153) kann zwar unterstellt werden, dass mit dem Update eine neue unzulässige Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 implementiert worden ist. Der darin liegende – unterstellte – Gesetzesverstoß reicht aber nicht aus, um das Gesamtverhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Hierfür bedürfte es weiterer Umstände im Zusammenhang mit der Entwicklung und Genehmigung des Software-Updates (BGH, Beschluss vom 09. März 2021 – VI ZR 889/20 -, NJW 2021, 1814, Rz. 25 ff.). Erforderlich ist insoweit, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Applikation der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine (weitere) unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 28). Solche Umstände sind vorliegend jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

3.

Dem Kläger kommt jedoch – entgegen der Ansicht des Landgerichts – ein Anspruch aus § 852 BGB zugute.

Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der nach Deliktsrecht Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) verpflichtet, wenn er durch die Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat. Dieser Herausgabeanspruch verjährt in 10 Jahren von seiner Entstehung an, spätestens in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung an (§ 852 Satz 2 BGB).

Demzufolge muss die Beklagte nach § 852 Satz 1 BGB in Höhe des verjährten Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB an den Kläger 7.804,02 EUR zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

a.

Dem Anspruch steht generell weder entgegen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug beim erstmaligen Inverkehrbringen möglicherweise nicht unmittelbar von der Beklagten, sondern von einem Autohändler veräußert wurde [dazu (1)], noch, dass der Kläger dieses Fahrzeug als Gebrauchtwagen erworben hat [dazu (2)].

(1)

Anwendbarkeit des § 852 Satz 1 BGB beim Neuwagen-Kauf

Auch wenn der Neuwagen-Kaufpreis rein tatsächlich dem Händler zugeflossen ist, hat die Beklagte den abzüglich der Händlermarge an sie weitergeleiteten Kaufpreis im Sinne des § 852 Satz 1 BGB „auf Kosten“ des Neuwagen-Käufers erlangt. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die bereicherungsrechtliche Definition der Formulierung „auf Kosten“ den für das Bestehen eines Anspruchs nach § 852 Satz 1 BGB erforderlichen Voraussetzungen nicht zugrunde zu legen.

(a)

§ 852 BGB hat den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung. Der verjährte Deliktsanspruch bleibt als solcher bestehen. Er wird nur in seinem Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt (BGH, Urteil vom 14.02.1978 – X ZR 19/76 = BGHZ 71, 86-101, bei juris Rz. 61; BGH, Urteil vom 26.03.2019 – X ZR 109/16 = BGHZ 221, 342-352, bei juris Rz. 19; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021 – 10 U 339/20 = NJW-RR 2021, 681, Rz. 41). Auch die Rechtsliteratur geht ganz überwiegend davon aus, dass es sich um einen einzigen Anspruch handelt, der durch § 852 BGB nur hinsichtlich der Verjährung und des Umfangs modifiziert wird, seine Natur als Schadensersatzanspruch jedoch behalte (vgl. zum Ganzen: Bruns, NJW 2021, 1121, 1122).

Da es sich bei der Verweisung in § 852 Satz 1 BGB auf das Bereicherungsrecht nicht um eine Rechtsgrund-, sondern um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, ist die Formulierung „auf Kosten“ in § 852 Satz 1 BGB im Hinblick auf den Anspruchsgrund nicht so zu verstehen wie in § 812 Abs. 1 S. 1 BGB; der sogenannte „Restschadensersatzanspruch“ nach § 852 BGB Satz 1 erfordert vielmehr dieselben Voraussetzungen wie der verjährte Schadensersatzanspruch (BGH, Urteil vom 14.02.1978, a.a.O., Rz. 61; BGH, Urteil vom 26.03.2019, a.a.O., Rz. 15; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021, a.a.O., Rz. 41).

Nach dem Willen des Gesetzgebers wird durch § 852 Satz 1 BGB „zugleich der Kondiktionsanspruch inhaltlich geregelt“. Wer ein Delikt begangen hat, soll so gestellt werden wie der Empfänger einer Nichtschuld von der Zeit an, wo dieser in bösen Glauben versetzt worden ist. Allerdings ist das nach Bereicherungsrecht notwendige tatsächliche Vorliegen eines bösen Glaubens nach dem Willen des Gesetzgebers keine Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB; dieser gilt vielmehr auch für denjenigen Deliktsschuldner, der lediglich fahrlässig gehandelt hat. Auch dieser ist – eben weil er deliktisch gehandelt hat – zur Herausgabe des durch dieses Handeln Erlangten verpflichtet (Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band, Motive: Unerlaubte Handlungen, §§ 719, 720 – Seite 415).

Dieser ursprüngliche Wille des Gesetzgebers ist nach wie vor beachtlich (Foerster, VuR 2021, 180). Im Rahmen der Schuldrechtsreform ist die bisherige Vorschrift des § 852 Abs. 3 BGB als § 852 Satz 1 BGB aufrecht erhalten worden. Aus der Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts“ (BT-Drucksache 14/6040 vom 14.05.2001, dort S 270) ergibt sich kein Abweichen des Willens des Reformgesetzgebers von demjenigen des ursprünglichen Gesetzgebers. Vielmehr wird sowohl in der Begründung als auch in dem den Entwurf vorbereitenden Gutachten (König in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.): Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band II, 1981, S. 1557) auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.02.1978 (a.a.O.) Bezug genommen, wonach es sich bei dem Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB nicht um eine Eingriffskondiktion handelt, so dass eine unmittelbare Vermögensverschiebung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger nicht erforderlich ist.

Zweck der Regelung ist die Verpflichtung des Schuldners einer durch unerlaubte Handlung verursachten Schädigung, den durch die Handlung erlangten Vermögens-zuwachs auch nach Ablauf der Regelverjährung an den Geschädigten herauszugeben (Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 852 Rn. 2; Bruns, NJW 2021, 1121 m.w.N. in FN 5), weil der Schädiger auch noch nach Eintritt der Regelverjährung nicht im Genuss eines durch das Delikt zum Nachteil des Geschädigten erlangten Vermögensvorteils bleiben soll (BGH, Urt. vom 10.06.1965 – VII ZR 198/63 = NJW 1965, 1914, 1915, Rz. 66 bei juris; weitere Nachw. bei Bruns, a.a.O., FN 7).

Dass der Schädiger etwas „auf Kosten“ des Geschädigten erlangt haben muss, bedeutet dabei aber nicht, dass ein unmittelbarer Vermögenszufluss zu erfolgen hätte; entscheidend ist vielmehr, ob der Erwerb des Schädigers im Verhältnis zum Geschädigten unrechtmäßig war und die dadurch entstandene Vermögensmehrung auf dessen Kosten geht (BGH, Urt. vom 10.06.1965, a.a.O.; Wagner, a.a.O., Rn. 7). Hierbei ist eine wirtschaftliche Betrachtung vorzunehmen (BGH, Urteil vom 14.02.1978, a.a.O., Rz. 63; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021, a.a.O., Rz. 45).

(b)

Gemäß vorstehenden Grundsätzen ist bei wirtschaftlicher Betrachtung der Beklagten der Kaufpreis nicht auf Kosten des Händlers, sondern auf Kosten des Neuwagen-Käufers zugeflossen, denn dessen Erwerb war gemäß § 826 BGB im Verhältnis zur Beklagten unrechtmäßig und auf Seiten der Beklagten geht die in Form des um die Händlermarge reduzierten Neuwagen-Verkaufspreises entstandene Vermögensmehrung auf dessen Kosten. Davon geht inzident auch der BGH in seinem Urteil vom 17.12.2020 (- VI ZR 739/20 = NJW 2021, 918 ff, Rz. 29) aus.

(c)

Die Vorschrift des § 852 Satz 1 BGB ist auch nicht teleologisch dahin zu reduzieren, dass Geschädigte, die sich der Musterfeststellungsklage hätten anschließen können, sich auf die Vorschrift nicht berufen könnten (so aber OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.01.2021 – 19 U 170/20 = BeckRS 2021, 4284 Rn. 17 unter Hinweis auf Martinek in: jM 2021, 56).

Weder aus dem Wortlaut noch aus der Begründung des Gesetzes ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Norm zugunsten des durch eine unerlaubte Handlung Geschädigten nur dann eingreifen solle, wenn eine Klage innerhalb der Verjährungsfrist für ihn mit Risiken verbunden wäre. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Wortlaut zu weit gefasst ist, besteht kein Raum für eine einschränkende Auslegung der Norm, andernfalls – durch eine solche Reduktion des Anwendungsbereichs der Vorschrift – deren Gesetzeszweck verfehlt würde, dem Täter einer unerlaubten Handlung auch nach Eintritt der Regelverjährung die Vorteile seiner Tat zu entziehen. Eine solche Reduktion wäre mit dem oben dargestellten Zweck der Norm schlechterdings unvereinbar (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 2.3.2021 – 12 U 161/20 = BeckRS 2021, 326; OLG Stuttgart, Urteil. vom 09.03.2021, a.a.O., Rz. 52; LG Trier, Urteil vom 28.4.2021 – 5 O 545/20 = BeckRS 2021, 9908 unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/6040, S. 270).

(2)

Anwendbarkeit des § 852 Satz 1 BGB beim Gebrauchtwagen-Kauf

Die aus § 826 BGB begründete Haftung der Beklagten gemäß § 852 Satz 1 BGB besteht auch gegenüber dem Kläger als Erwerber des streitgegenständlichen Fahr-zeugs als Gebrauchtwagen.

(a)

Ausgehend von der bereits skizzierten Rechtsnatur des § 852 Satz 1 BGB als ein durch die Verjährungseinrede modifizierter „Restschadensersatzanspruch“ unterliegt dieser Anspruch nicht den Voraussetzungen der §§ 812 ff BGB, sondern den gleichen Voraussetzungen wie der verjährte Schadensersatz-Anspruch (BGH, Urteil vom 26.03.2019 – X ZR 109/16 = BGHZ 221, 342 ff., zitiert nach juris Rz. 15). „Auf Kosten des Verletzten“ iSv § 852 Satz 1 BGB verlangt keine unmittelbare Vermögensverschiebung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger, maßgeblich ist vielmehr, ob der Erwerb des Schädigers im Verhältnis zum Geschädigten unrechtmäßig war und die dadurch entstandene Vermögensverschiebung auf dessen Kosten geht (BGH, Urt. v. 10.06.1965, a.a.O., Rz. 66).

Die Schädigungshandlung der Beklagten liegt in dem Inverkehrbringen des prüfstandmanipulierenden Motors EA 189. Diese Handlung begründet auch im Verhältnis zu dem Gebrauchtwagenkäufer einen Schadensersatz-Anspruch aus § 826 BGB (vgl. etwa die Fallgestaltung in BGH, Urt. v. 29.07.2021 – VI ZR 1118/20 = NJW 2021, 3250 ff.). Mit dem Inverkehrbringen erzielt die Beklagte eine Vermögensmehrung und dies bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (BGH, Urt. v. 14.02.1978, a.a.O.) auch auf Kosten eines späteren Käufers. Denn die spätere Weiterveräußerung von Neuwagen gehört zum Geschäftsmodell der Fahrzeughersteller, die Neufahrzeuge gerade auch dadurch absetzen können, dass die Erstkäufer ihr Fahrzeug nicht bis zum Ende der Laufzeit nutzen, sondern dieses vorzeitig weiter veräußern.

(b)

Bei der vom BGH als maßgeblich angesehenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise korrespondiert der dem Kläger entstandene Schaden mit dem Vermögenszufluss bei der Beklagten, denn beim Weiterverkauf des Fahrzeugs durch den Ersterwerber wird der Vermögensschaden des Ersterwerbers, dem der Vermögenszufluss auf Seiten der Beklagten unmittelbar gegenübersteht, in der Kette der weiteren Erwerber weitergereicht (so LG Hildesheim, Urteil vom 05.03.2021 – 5 O 217/20, zitiert nach juris, Rz. 71 ff. sowie Beschl. v. 29.11.2020 – 5 O 183/20, zitiert nach juris, Rz. 4).

(c)

Dies entspricht auch der bei der Schadensersatznorm § 826 BGB üblichen Handhabung: Klagt der Neuwagenkäufer nachdem er den Wagen weiterveräußert hat, reduziert sich die Schadensersatzleistung der Beklagten um den Verkaufspreis (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2021 – VI ZR 575/20 = BeckRS 2021, 24662). Der Erwerber des konkreten Fahrzeugs (= Gebrauchtwagenkäufer) ist aber nicht daran gehindert, den bei ihm entstandenen Schaden gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Dies lässt sich bei weiteren Veräußerungen so lange fortsetzen, bis die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs erreicht wird. Insoweit folgt also der Schaden dem Fahrzeug. Dann ist es aber nur folgerichtig, für den „Restschadensersatzanspruch“ aus § 852 Satz 1 BGB genauso zu verfahren, also durch eine Fahrzeugveräußerung die Anspruchsberechtigten-Kette nicht abreißen zu lassen.

(d)

Zudem wird dem Gesetzeszweck, dass der Schädiger auch nach Eintritt der Regelverjährung nicht im Genuss eines durch das Delikt zum Nachteil des Geschädigten erlangten Vermögensvorteils bleiben soll (BGH, Urt. v. 10.06.1965, a.a.O.), nur dadurch entsprochen, dass auch der im Verhältnis zum Gebrauchtwagenkäufer bestehende Vermögensvorteil abgeschöpft wird (vgl. zu diese Ansatz auch Bruns, NJW 2021, 1121, 1126).

(e)

Für diese Argumentation spricht auch, dass sie dem Charakter des § 852 Satz 1 BGB gerecht wird. Dem Schädiger sollen keine Vorteile verbleiben, dann aber auch nicht solche, die sich daraus ergeben, dass der von ihm in Verkehr gebrachte Neuwagen „zufällig“ weiterveräußert worden ist.

(f)

Die Argumente der gegen die Anwendung von § 852 Satz 1 BGB beim Gebrauchtkauf ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen vermögen nicht zu überzeugen. Dass der Beklagten durch den späteren Gebrauchtwagenverkauf nichts mehr zufließe (so OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.03.2021 – 13 U 678/20 = NJW-RR 2021, 687 Rz. 36; Diehm, NJW 2021, 3553, 3558), verkennt, dass maßgeblich ist, ob der Erwerb des Schädigers im Verhältnis zum Geschädigten unrechtmäßig war und die dadurch entstandene Vermögensverschiebung auf dessen Kosten geht. Auch ist keine uferlose Haftung der Beklagten zu befürchten (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2021 – 22 U 248/20, zitiert nach juris, Rz. 8), denn deren Ersatzpflicht ist durch die Höhe des von ihr Erlangten begrenzt (s. dazu auch nachfolgend zu b.).

b.

Anspruchshöhe

Der Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB ist seiner Höhe nach in doppelter Weise begrenzt. Da es sich bei ihm um den bestehen gebliebenen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB handelt, kann der Anspruch einerseits nach § 852 Satz 1 BGB allenfalls so hoch sein, wie der Schadensersatzanspruch des Geschädigten aus § 826 BGB gewesen wäre. Andererseits ist der Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB auf dasjenige beschränkt, was der Deliktsschuldner durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten erlangt hat. Ist dieser Betrag geringer als der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB, so bildet dieser geringere Betrag die Obergrenze des Anspruchs nach § 852 Satz 1 BGB. Es ist daher jeweils zunächst die Höhe des verjährten Anspruchs aus § 826 BGB festzustellen und danach, was der Deliktsschuldner durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten erlangt. Der niedrigere der beiden Beträge entspricht der Höhe des Anspruchs nach § 852 S. 1 BGB (OLG Stuttgart, Urteil vom 09. März 2021 – 10 U 339/20 -, NJW-RR 2021, 681, Rn. 58 f., 71; Martinek, jM 2021, 9, 10).

Aufwendungen im Zusammenhang mit Herstellung und Vertrieb des Fahrzeugs kann die Beklagte als Deliktsschuldnerin wegen der §§ 819, 818 Abs. 4 BGB im Rahmen des § 852 BGB nicht in Abzug bringen (OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021, a.a.O., Rz. 76). Ausweislich der oben angeführten Motive zum BGB wird selbst der fahrlässig handelnde Deliktsschuldner im Rahmen des § 852 BGB dem bösgläubigen gleichgestellt. Aus diesem Grunde scheidet auch eine bereicherungsmindernde Berücksichtigung der Kosten der Beklagten für die Entfernung der Umschaltlogik und der dazu gehörigen Information der Öffentlichkeit aus.

Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt vorliegend der Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB die Obergrenze des Anspruchs nach § 852 S. 1 BGB dar.

Nach der obigen Berechnung beläuft sich die Höhe des Schadensersatzanspruchs auf 7.804,02 EUR.

Da der Kaufpreis für das streitgegenständliche Fahrzeug 15.546,22 EUR netto betrug, kann dahinstehen, in welcher Höhe vorliegend eine hiervon in Abzug zu bringende Händlermarge zu schätzen wäre. Um einen niedrigen Wert als denjenigen des Schadensersatzanspruchs zu erreichen, müsste sich die Marge – was ausgeschlossen ist – auf mehr als 49 % belaufen.

c.

Da der verjährte Deliktsanspruch im Rahmen des § 852 S. 1 BGB als solcher bestehen bleibt und nur in seinem durchsetzbaren Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung Erlangte beschränkt wird, besteht auch der Anspruch aus § 852 S. 1 BGB nur Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs (OLG Stuttgart, Urteil vom 09. März 2021 – 10 U 339/20 -, NJW-RR 2021, 681, Rn. 77; Bruns, NJW 2021, 1121, Rn. 8; Martinek, jM 2021, 9, 13 f.; a.A.: Riehm, NJW 2021, 1625, 1628, Rn. 16).

4.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zudem einen Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 EUR nach §§ 826, 852 BGB.

Die von dem Kläger geltend gemachten Rechtsanwaltskosten stehen ihm ebenfalls als ersatzfähiger Schaden gemäß § 249 BGB zu, allerdings nur nach Maßgabe einer 1,3-fachen Gebühr und nach einem Gegenstandswert von 8.979,50 EUR. Die Einschaltung der Rechtsanwälte durch den Kläger war – wie der weitere Verlauf zeigt – erforderlich.

Ein höherer Gebührensatz als die Mittelgebühr kann nicht in Ansatz gebracht werden, da die Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal betreffend den von der Beklagten hergestellten Motor EA 189 als weitestgehend geklärt angesehen werden können und nicht stets einer erneuten zeitaufwendigen Einarbeitung in das Thema bedürfen.

Der Gegenstandswert ist nur mit 8.979,50 EUR anzunehmen, da der Kläger nicht vorgetragen hat, wie hoch die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen Mandatierung seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten gewesen ist. Der Gegenstandwert von 8.979,50 EUR ergibt sich aus der Laufleistung des Fahrzeugs von 167.858 km im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz, weil ein früherer Kilometerstand für die Zeit nach dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger nicht vorgetragen ist. Die Nutzungsvorteile des Klägers berechnen sich unter Zugrundelegung dieser Laufleistung nach der o.g. Formel wie folgt: 18.500 EUR x 87.091 km : 169.233 km = 9.520,50 EUR. Der Schadensersatzanspruch des Klägers beliefe sich demnach auf 18.500 EUR – 9.520,50 EUR = 8.979,50 EUR.

Der Anspruch des Klägers umfasst eine 1,3 Geschäftsgebühr (725,40 EUR) zuzüglich 20 EUR Auslagenpauschale und 141,63 EUR MwSt und beträgt somit insgesamt 887,03 EUR.

5.

Gemäß § 256 ZPO war zudem der Annahmeverzug der Beklagten festzustellen.

Es kann dahinstehen, ob der Annahmeverzug im Sinne des § 293 BGB bereits im Hinblick auf das vorgerichtliche Schreiben der Klägervertreter vom 27.07.2020 (Anl. K 19, Bl. 121-124 GA) eingetreten ist. Dieses enthielt lediglich eine Aufforderung an die Beklagte mitzuteilen, wann und wo das streitgegenständliche Fahrzeug übergeben werden solle.

Jedenfalls ist der Annahmeverzug der Beklagten dadurch eingetreten, dass vom Kläger mit der Klageschrift lediglich eine Zug-um-Zug-Verurteilung begehrt worden ist und die Beklagte daraufhin einen Klageabweisungsantrag gestellt hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 13.620,03 EUR.

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