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Dieselskandal – Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB auf Nettokaufpreis beschränkt

OLG Köln – Az.: I-11 U 73/21 – Urteil vom 08.12.2021

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.03.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 18 O 364/20 – teilweise abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin 52.161,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.01.2021 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Porsche Macan S Diesel mit der Fahrzeugidentifikationsnummer A zu zahlen;

2. an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.033,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.01.2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 29 % und die Beklagte zu 71 %; die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 77 % und die Beklagte zu 23 %.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin erwarb am 05.06.2014 einen PKW Porsche Macan S Diesel zum Preis von 81.108,83 EUR brutto (netto 68.158,68 EUR, USt. 12.950,15 EUR). Sie macht gegen die Beklagte, die Herstellerin des Fahrzeugmotors, Schadensersatzansprüche anlässlich des sog. „Diesel-Skandals“ geltend. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 62.071,78 EUR nebst Zinsen und Nebenforderungen zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Der Schadensbetrag setzt sich zusammen aus dem gezahlten Kaufpreis abzüglich Nutzungsvorteile in Höhe von 19.037,05 EUR. Dieser Betrag beruht auf einer Laufleistung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht von 70.413 km und einer geschätzten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km.

Die Beklagte greift das Urteil an, soweit das Landgericht bei der Bemessung des Schadens den Bruttokaufpreis zugrunde gelegt hat.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird im Übrigen gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 543 Abs. 1, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige – insbesondere an sich statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete – Berufung der Beklagten, die auf den Ansatz des Bruttokaufpreises beschränkt ist, hat in der Sache überwiegend Erfolg.

1.

Aufgrund der insoweit nicht angegriffenen landgerichtlichen Entscheidung steht fest, dass die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich der Geschädigte dabei auf den Schaden den Vorteil anrechnen lassen, der sich aus der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs ergibt. Würde man dem Geschädigten einen Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer gegen den Schädiger zubilligen, so wäre er insofern ungerechtfertigt begünstigt, da er die Umsatzsteuer praktisch zweimal (nämlich einmal von dem Schädiger und einmal vom Finanzamt) erstattet erhielte, was mit dem zentralen Grundgedanken des Schadensrechts, dass der Geschädigte nämlich durch die Ersatzleistung des Schädigers vollen Ersatz seines tatsächlichen Schadens, hingegen aber keine Bereicherung erlangen soll, unvereinbar wäre (BGH, NJW-RR 1990, 32, 33; NJW 2014, 2874, 2875; ebenso Palandt/Grüneberg, 80. Aufl. 2021, § 249 BGB, Rn. 54). Mithin ist der Schaden der unstreitig vorsteuerabzugsberechtigten Klägerin vorliegend auf den Nettokaufpreis von 68.158,68 EUR beschränkt.

Dieselskandal - Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB auf Nettokaufpreis beschränkt
(Symbolfoto: Cineberg/Shutterstock.com)

Entsprechend ist allerdings auch – entgegen der Ansicht der Berufung – die hiervon abzusetzende Nutzungsentschädigung auf Grundlage des Nettokaufpreises zu berechnen. Eine Vermischung von Brutto- und Nettopreisen kann dagegen – wie regelmäßig – nicht überzeugen: Maßgeblich für den Vorteilsausgleich ist der Nutzungsvorteil der geschädigten Klägerin. Dieser bemisst sich nach dem für die Anschaffung aufgewandten Betrag, hier also den Nettokaufpreis, verteilt auf die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs. Dem steht die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rückabwicklung von Kaufverträgen (NJW 1991, 2484 f.; NJW 2014, 2435 f.) nicht entgegen; vielmehr entspricht gerade nur das Abstellen auf den Nettokaufpreis den in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätzen: Entscheidend stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Kaufrecht insoweit nämlich darauf ab, dass im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander der Käufer den Bruttokaufpreis zu entrichten und zurückzuerstatten habe und dieser deshalb für das Verhältnis der Vertragspartner zueinander auch als Bewertungsmaßstab heranzuziehen sei. Andernfalls würde der Verkäufer eine verhältnismäßig geringere Nutzungsvergütung erhalten, als sie dem Wert des von ihm zurückzuerstattenden Kaufpreises entspräche, was besonders deutlich werde, wenn der Gebrauch durch den Käufer nahezu oder vollständig die mögliche Nutzungszeit erreiche. In diesem Fall würde der Verkäufer weniger als den Kaufpreis erhalten, obwohl der Gebrauchswert völlig aufgezehrt sei und der vertragsmäßige Bruttopreis voll an den Käufer zurückgezahlt werden müsse. Bei der vorliegenden schadensrechtlichen Betrachtung im Rahmen des § 826 BGB liegt es aber gerade so, dass der Schaden der vorsteuerabzugsberechtigten Klägerseite nur in dem um den Vorsteuerabzug gekürzten Bruttokaufpreis liegt (s.o.). Es besteht kein Vertragsverhältnis der Streitparteien, in dem der Käufer den von ihm gezahlten Bruttokaufpreis zurückverlangen könnte. Würde man bei dieser Ausgangslage in Bezug auf den Nutzungswert von dem ungekürzten Bruttopreis ausgehen, wäre der Schaden der Klägerin bereits vor Ablauf der anzusetzenden Gesamtlaufleistung auf null reduziert und sie wäre, wenn sie die mögliche Nutzungszeit vollständig ausgeschöpft hätte, gleichsam um die erlangten Gebrauchsvorteile, die den Nettokaufpreis übersteigen, bereichert. Dass dies nicht richtig wäre, liegt – mit den Worten des Bundesgerichtshofs – „auf der Hand“ (NJW 2014, 2435, 2436).

Mithin ist – auf der Grundlage der von der Berufung im Übrigen nicht angegriffenen und durch den Senat somit zugrunde zu legenden Berechnungen des Landgerichts – bei einer Laufleistung von 70.413 km von der Schadenssumme ein Betrag von 15.997,52 EUR als Nutzungsentschädigung abzuziehen, so dass sich der tenorierte Betrag als Schaden zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz ergibt.

2.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 543 Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht: Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Zulassung der Revision. Der Rechtsstreit betrifft lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze im konkreten Einzelfall; der Senat weicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ab. Soweit andere Oberlandesgerichte im Hinblick auf die Berechnung der Nutzungsentschädigung bei vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten die Revision zugelassen haben, kann dies seine Berechtigung nur darin finden, dass diese Gerichte ihrerseits von den durch den Senat aufgezeigten Grundsätzen des Bundesgerichtshofs abgewichen sind.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 12.950,15 EUR

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