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Differenzschadensersatzbemessung – Vorsteuerabzug – Weiterverkauf des Fahrzeugs

Ein manipuliertes Fahrzeug und ein Gerichtsurteil, das die Karten im Abgasskandal neu mischt: Ein Autobauer sieht sich mit Schadensersatzforderungen konfrontiert, weil trickreiche Software die Abgaswerte beschönigte. Profitieren nun die betrogenen Kunden oder bleibt der Konzern ungeschoren?

Übersicht:

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
  • Datum: 12.12.2024
  • Aktenzeichen: 24 U 746/22
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Deliktsrecht, Zivilrecht
  • Beteiligte Parteien:
  • Kläger: Fordert Schadensersatz.
  • Beklagte: Wird zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.
  • Um was ging es?
  • Sachverhalt: Der Kläger forderte Schadensersatz von der Beklagten.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Differenzschadensersatz gegen die Beklagte hat.
  • Was wurde entschieden?
  • Entscheidung: Das Landgerichtsurteil wurde teilweise abgeändert. Die Beklagte wurde verurteilt, an den Kläger 4.480 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
  • Folgen: Der Kläger erhält einen Teil seines geforderten Schadensersatzes. Die Kosten des Rechtsstreits werden zwischen den Parteien aufgeteilt.

Der Fall vor Gericht


OLG Stuttgart Urteil: Differenzschadensersatz bei Fahrzeug mit Abschalteinrichtung – Ein Sieg für Verbraucher

Techniker in deutscher Werkstatt überwacht Abgassoftware eines Fahrzeugs auf Monitoren; rechtliche Kontroversen erkennbar.Techniker in deutscher Werkstatt überwacht Abgassoftware eines Fahrzeugs auf Monitoren; rechtliche Kontroversen erkennbar.
Differenzschadensersatz bei unzulässigen Abschalteinrichtungen | Symbolbild: KI-generiertes BildDifferenzschadensersatz bei unzulässigen Abschalteinrichtungen | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat in einem aktuellen Urteil (Az.: 24 U 746/22) vom 12. Dezember 2024 in einem Fall um ein Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen entschieden. Das Gericht sprach einem Kläger einen teilweisen Differenzschadensersatz zu. Dieses Urteil ist ein weiterer wichtiger Schritt im sogenannten „Dieselgate“ und stärkt die Rechte von Verbrauchern, die von manipulierten Abgaswerten betroffen sind.

Kern des Urteils: Haftung des Herstellers wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen

Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob der Hersteller eines Fahrzeugs für Schäden haftet, die durch den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen entstehen. Das OLG Stuttgart bejahte dies grundsätzlich und stützte sich dabei auf § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit europäischem Recht.

Das Gericht stellte fest, dass das betroffene Fahrzeug zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses über mindestens zwei unzulässige Abschalteinrichtungen verfügte. Diese Einrichtungen, eine temperaturgesteuerte Abgasrückführung (AGR), auch bekannt als Thermofenster, und eine Katalysatorschutz-Reduzierung (KSR), führten dazu, dass die Abgasreinigung des Fahrzeugs nicht unter allen Betriebsbedingungen optimal funktionierte.

Abkehr von § 826 BGB: Fokus auf § 823 Abs. 2 BGB und EG-FGV

Ursprünglich hatte der Kläger seine Ansprüche auch auf § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) gestützt. Davon nahm er jedoch im Laufe des Verfahrens Abstand. Das Gericht ging daher nicht mehr von einer vorsätzlichen Schädigung aus. Stattdessen konzentrierte sich das OLG auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV).

Diese Normen setzen europäische Richtlinien um und verpflichten Hersteller, Fahrzeuge so zu konstruieren, dass sie den geltenden Umweltvorschriften entsprechen. Das Gericht argumentierte, dass die Beklagte gegen diese Vorschriften verstoßen habe, indem sie eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung für das Fahrzeug ausstellte, obwohl es mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen war.

Unionsrechtskonforme Auslegung: Europäischer Gerichtshof als Wegweiser

Das Urteil des OLG Stuttgart folgt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der EuGH hatte bereits in früheren Entscheidungen klargestellt, dass Abschalteinrichtungen, die die Abgasreinigung im normalen Fahrbetrieb reduzieren, grundsätzlich unzulässig sind. Das OLG Stuttgart setzte diese Vorgaben des EuGH unionsrechtskonform um und bestätigte die Haftung des Herstellers.

Thermofenster und KSR: Zwei unzulässige Abschalteinrichtungen

Das Gericht identifizierte zwei konkrete technische Einrichtungen im Fahrzeug als unzulässige Abschalteinrichtungen:

Thermofenster: Temperaturgesteuerte AGR

Das sogenannte Thermofenster ist eine temperaturgesteuerte Abgasrückführung. Diese Einrichtung reduziert die Wirksamkeit der Abgasreinigung, wenn die Außentemperatur unter einen bestimmten Wert fällt, im vorliegenden Fall unter +7°C. Das OLG Stuttgart bestätigte, dass ein solches Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt.

Katalysatorschutz-Reduzierung (KSR)

Die zweite unzulässige Abschalteinrichtung war die Katalysatorschutz-Reduzierung (KSR). Auch diese Einrichtung führte zu einer Reduzierung der Abgasreinigung unter bestimmten Betriebsbedingungen. Das Gericht sah auch hierin einen Verstoß gegen die europäischen Vorschriften.

Schuldhaftes Handeln nur bezüglich der KSR

Interessanterweise stellte das OLG Stuttgart fest, dass die Beklagte nur hinsichtlich der KSR schuldhaft gehandelt habe. Bezüglich des Thermofensters ließ das Gericht die Frage der Schuldhaftigkeit offen, da die Haftung bereits aufgrund der KSR gegeben war. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Gerichte bei der Beurteilung der Schuldhaftigkeit im Zusammenhang mit Thermofenstern differenzierter vorgehen.

Differenzschadensersatz: Berechnung und Vorsteuerabzug

Das Gericht sprach dem Kläger einen Differenzschadensersatz zu. Dieser Schadensersatz soll den Unterschied zwischen dem Wert des Fahrzeugs mit und ohne die unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgleichen. Das OLG Stuttgart berücksichtigte dabei den Weiterverkauf des Fahrzeugs durch den Kläger.

Ein wichtiger Punkt in der Urteilsbegründung betrifft den Vorsteuerabzug. Das Gericht stellte klar, dass der Vorsteuerabzug bei der Berechnung des Differenzschadensersatzes relevant ist. Da der Kläger vorsteuerabzugsberechtigt war, wurde der Schadensersatz entsprechend reduziert. Dies ist ein wichtiger Aspekt für gewerbliche Käufer von Fahrzeugen.

Teilerfolg für den Kläger: Teilweise Abänderung des Urteils des Landgerichts

Das OLG Stuttgart änderte das Urteil des Landgerichts Stuttgart teilweise ab. Das Landgericht hatte die Klage zuvor abgewiesen. Das OLG verurteilte die Beklagte nun zur Zahlung von 4.480 € nebst Zinsen an den Kläger. Im Übrigen wies das OLG die Berufung des Klägers zurück, was bedeutet, dass der Kläger nicht den vollen geforderten Schadensersatz erhielt.

Kosten des Rechtsstreits: Aufteilung zwischen Kläger und Beklagter

Auch die Kosten des Rechtsstreits wurden zwischen den Parteien aufgeteilt. In erster Instanz trug der Kläger 63% der Kosten und die Beklagte 37%. In zweiter Instanz verschob sich das Verhältnis leicht: Der Kläger trug 58% und die Beklagte 42% der Kosten. Diese Kostenverteilung spiegelt den Teilerfolg des Klägers wider.

Keine Revision zugelassen: Urteil des OLG Stuttgart vorläufig endgültig

Das OLG Stuttgart ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Dies bedeutet, dass das Urteil des OLG Stuttgart vorläufig endgültig ist. Die Beklagte hätte jedoch die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) einzulegen. Ob sie dies tun wird, bleibt abzuwarten.

Bedeutung für Betroffene: Stärkung der Verbraucherrechte im „Dieselgate“

Das Urteil des OLG Stuttgart ist ein positives Signal für viele Verbraucher, die vom „Dieselgate“ betroffen sind. Es bestätigt erneut die Haftung der Hersteller für den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen und stärkt die Rechte von Fahrzeugkäufern, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Gerade die Klarstellung zur Unzulässigkeit von Thermofenstern und KSR sowie die Berücksichtigung des Vorsteuerabzugs sind wichtige Aspekte für die Praxis. Betroffene Fahrzeughalter sollten ihre individuellen Ansprüche prüfen lassen und gegebenenfalls rechtliche Schritte in Erwägung ziehen, um ihre Rechte durchzusetzen. Dieses Urteil kann als weiterer Baustein in der komplexen Rechtslandschaft des „Dieselgate“ betrachtet werden und trägt zur Klärung offener Rechtsfragen bei.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Fahrzeughersteller für unzulässige Abschalteinrichtungen bei der Emissionskontrolle haftbar gemacht werden können, wenn sie eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung ausstellen. Besonders relevant ist die Klarstellung, dass der normale Betriebstemperaturbereich von -15°C bis +40°C reicht und eine Reduzierung der Abgasreinigung innerhalb dieses Bereichs unzulässig ist. Das Gericht hat einen teilweisen Schadensersatzanspruch zugesprochen, wobei die Haftung nur für bestimmte Abschalteinrichtungen bejaht wurde, bei denen schuldhaftes Handeln festgestellt werden konnte.

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Wer sich angesichts unzulässiger Abschalteinrichtungen und daraus resultierender Schadensersatzfragen in einer komplexen Rechtslage befindet, weiß, wie schwierig es sein kann, den Legalitäten zu folgen. Gerade in Fällen, in denen Differenzschadensersatzansprüche zur Diskussion stehen, können Unsicher bezüglich der rechtlichen Bewertung und der Auswirkungen der technischen Gegebenheiten entstehen.

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FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet Differenzschadensersatz im Zusammenhang mit unzulässigen Abschalteinrichtungen?

Der Differenzschadensersatz im Kontext von „Dieselgate“ bezieht sich auf die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert eines Fahrzeugs mit unzulässigen Abschalteinrichtungen und dem Wert, den es ohne diese Manipulationen hätte. Dieser Schadensersatz zielt darauf ab, den finanziellen Nachteil auszugleichen, den Käufer durch den Kauf eines Fahrzeugs mit illegalen Abschalteinrichtungen erleiden. Der Anspruch auf Differenzschadensersatz kann auch dann bestehen, wenn das Fahrzeug bereits genutzt wurde oder weiterverkauft wurde.

Wichtige Aspekte des Differenzschadensersatzes:

  • Berechnung: Der Schadensersatz wird in der Regel als Prozentsatz des Kaufpreises berechnet, typischerweise zwischen 5% und 15%. Diese Spanne ermöglicht es Gerichten, den Schaden individuell zu schätzen, ohne dass ein Sachverständigengutachten erforderlich ist.
  • Keine Rückabwicklung: Im Gegensatz zu Fällen mit vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, wie bei den EA 189 Motoren, wird der Kaufvertrag nicht rückabgewickelt. Stattdessen bleibt das Fahrzeug beim Käufer, und die gefahrenen Kilometer werden nicht von der Entschädigung abgezogen.
  • Rechtliche Grundlagen: Der Anspruch basiert auf dem nationalen Recht, insbesondere § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit europäischen Vorschriften, die die Einhaltung von Umweltstandards betreffen.

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Welche Rolle spielt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bei Schadensersatzansprüchen wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen?

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) spielt eine zentrale Rolle bei Schadensersatzansprüchen wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen, insbesondere durch die Paragraphen § 823 Abs. 2 BGB und § 826 BGB. Diese Vorschriften regeln deliktische Ansprüche, die entstehen, wenn jemand durch ein unerlaubtes Handeln geschädigt wird.

§ 823 Abs. 2 BGB

  • Schutzgesetze: § 823 Abs. 2 BGB erfordert, dass ein Schutzgesetz verletzt wurde. In diesem Fall können die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) und die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 als Schutzgesetze angesehen werden, da sie die Einhaltung bestimmter Emissionsnormen vorschreiben.
  • Verschulden: Der Hersteller muss schuldhaft gehandelt haben, was bedeutet, dass er vorsätzlich oder fahrlässig gegen diese Gesetze verstoßen hat. Wenn der Hersteller eine unzulässige Abschalteinrichtung einbaut und eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung ausstellt, kann dies als fahrlässig angesehen werden.
  • Schadensersatz: Der Käufer kann Schadensersatz verlangen, wenn er durch den Verstoß gegen diese Gesetze einen Vermögensschaden erlitten hat. Dies kann in Form eines Differenzschadens erfolgen, der den Unterschied zwischen dem gezahlten Preis und dem tatsächlichen Wert des Fahrzeugs mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgleicht.

§ 826 BGB

  • Sittenwidrigkeit: § 826 BGB erfordert ein sittenwidriges Verhalten, das bedeutet, dass das Handeln des Herstellers gegen das Anstands- und Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen allein reicht jedoch nicht aus, um ein sittenwidriges Verhalten zu begründen.
  • Vorsatz: Es muss nachgewiesen werden, dass der Hersteller vorsätzlich und mit dem Bewusstsein handelte, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.

Praktische Auswirkungen

Für Käufer bedeutet dies, dass sie Schadensersatzansprüche geltend machen können, wenn sie ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung erworben haben. Der Hersteller muss darlegen und beweisen, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat, um sich von der Haftung zu befreien.


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Was sind Abschalteinrichtungen und warum sind sie unzulässig?

Abschalteinrichtungen sind technische Vorrichtungen, die in Fahrzeugen eingesetzt werden, um unter bestimmten Bedingungen die Abgasreinigung zu deaktivieren oder zu reduzieren. Diese Einrichtungen können die Motorsteuerung beeinflussen, sodass die Abgasreinigung nur unter spezifischen Bedingungen, wie auf einem Prüfstand, optimal funktioniert, während sie im realen Fahrbetrieb weniger effektiv ist.

Warum sind sie unzulässig? In der Europäischen Union und den USA sind Abschalteinrichtungen grundsätzlich verboten, da sie die Wirksamkeit der Abgasreinigung unter normalen Fahrbedingungen verringern. Dies verstößt gegen die geltenden Emissionsvorschriften, die darauf abzielen, die Luftverschmutzung durch Fahrzeuge zu minimieren. Ausnahmen bestehen nur, wenn die Abschalteinrichtung notwendig ist, um den Motor vor plötzlichen Schäden zu schützen oder während des Anlassens des Motors.

Praktische Auswirkungen: Der Einsatz von Abschalteinrichtungen führte zu einem Skandal, bekannt als der VW-Abgasskandal, bei dem Millionen von Fahrzeugen mit manipulierter Software ausgestattet waren. Diese Fahrzeuge erfüllten die Emissionsnormen nur auf dem Prüfstand, während sie im realen Betrieb erheblich mehr Schadstoffe ausstießen. Solche Praktiken sind illegal und haben zu weltweiten Rückrufen und rechtlichen Konsequenzen geführt.


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Wie beeinflusst die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Schadensersatzansprüche in Deutschland?

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat erheblichen Einfluss auf Schadensersatzansprüche in Deutschland, insbesondere im Bereich des Datenschutzrechts. Urteile des EuGH sind für deutsche Gerichte bindend, was bedeutet, dass sie diese Entscheidungen bei der Auslegung europäischen Rechts berücksichtigen müssen.

Im Zusammenhang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat der EuGH in mehreren Urteilen klargestellt, dass ein Verstoß gegen die DSGVO nicht automatisch einen Schadensersatzanspruch auslöst. Vielmehr muss ein tatsächlicher Schaden nachgewiesen werden, der durch den Verstoß entstanden ist. Dies bedeutet, dass bloße Unannehmlichkeiten oder hypothetische Risiken nicht ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen.

Der EuGH betont zudem, dass Art. 82 DSGVO eine Ausgleichsfunktion hat, nicht aber eine Straffunktion. Die Höhe des Schadensersatzes soll den erlittenen Schaden vollständig ausgleichen und nicht von der Schwere des Verstoßes abhängen. Diese Rechtsprechung stärkt die Rechte von Verbrauchern, indem sie sicherstellt, dass sie für erlittene Schäden angemessen entschädigt werden.

In anderen Bereichen, wie dem „Dieselgate“-Skandal, hat die Rechtsprechung des EuGH ebenfalls Einfluss auf deutsche Gerichtsverfahren. Hierbei wird die Bindungswirkung von EuGH-Urteilen genutzt, um Verbraucherrechte zu stärken und sicherzustellen, dass nationale Gerichte europäisches Recht korrekt anwenden. Dies führt zu einer verbraucherfreundlicheren Rechtsprechung, da deutsche Gerichte die Vorgaben des EuGH umsetzen müssen.


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Welche Rolle spielt die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen?

Die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) spielt eine zentrale Rolle bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen. Diese Verordnung regelt, dass Fahrzeuge bestimmte Umweltstandards erfüllen müssen, um in den Verkehr gebracht zu werden. Abschalteinrichtungen, die diese Standards untergraben, indem sie das Emissionskontrollsystem unter normalen Betriebsbedingungen verringern, sind grundsätzlich unzulässig.

Hersteller sind verpflichtet, Fahrzeuge so zu konstruieren und herzustellen, dass sie die Umweltvorschriften einhalten. Die EG-FGV legt fest, dass neue Fahrzeuge nur dann in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Diese Bescheinigung bestätigt, dass das Fahrzeug den genehmigten Typ entspricht und die gesetzlichen Anforderungen erfüllt.

Abschalteinrichtungen sind nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn sie notwendig sind, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. In allen anderen Fällen gelten sie als unzulässig und können zu rechtlichen Konsequenzen für die Hersteller führen, einschließlich Rückrufen und Sanktionen.

Für Sie bedeutet das, dass die EG-FGV eine wichtige Rolle spielt, um sicherzustellen, dass Fahrzeuge die Umweltstandards einhalten und dass Abschalteinrichtungen, die diese Standards verletzen, rechtlich geahndet werden können.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Differenzschadensersatz

Der Differenzschadensersatz ist eine Form der Kompensation, bei der die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert einer Sache und dem Wert, den diese Sache ohne den Mangel hätte, ausgeglichen wird. Basierend auf § 249 BGB (Schadensersatz in Natur) zielt dieser Anspruch darauf ab, den Geschädigten wirtschaftlich so zu stellen, als wäre der Schaden nicht eingetreten. Im Gegensatz zum vollständigen Rücktritt vom Kaufvertrag behält der Käufer dabei die mangelhafte Sache.

Beispiel: Ein Autokäufer erwirbt ein Fahrzeug für 30.000 €, dessen Marktwert wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung tatsächlich nur 25.000 € beträgt. Als Differenzschadensersatz kann er die Wertdifferenz von 5.000 € geltend machen, ohne das Auto zurückgeben zu müssen.


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Abschalteinrichtung

Eine Abschalteinrichtung ist ein Konstruktionsteil im Fahrzeug, das die Wirksamkeit von Emissionskontrollsystemen unter bestimmten Bedingungen reduziert oder ganz ausschaltet. Nach Art. 5 Abs. 2 der EG-Verordnung 715/2007 sind solche Vorrichtungen grundsätzlich verboten. Sie bewirken, dass ein Fahrzeug im Testzyklus die gesetzlichen Abgasnormen einhält, während im realen Fahrbetrieb deutlich höhere Schadstoffmengen ausgestoßen werden.

Beispiel: Ein Fahrzeughersteller programmiert die Motorsteuerung so, dass die vollständige Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand aktiviert wird, während sie im normalen Straßenverkehr teilweise oder komplett deaktiviert wird, um Kraftstoff zu sparen oder Bauteile zu schonen.


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Dieselgate

„Dieselgate“ bezeichnet den 2015 aufgedeckten Abgasskandal, bei dem mehrere Automobilhersteller illegale Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen einsetzten, um Abgastests zu manipulieren. Dieser Skandal führte zu zahlreichen Gerichtsverfahren nach §§ 826, 823 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Verletzung von Schutzgesetzen. Die rechtlichen Folgen umfassen Schadensersatzansprüche, Rückrufaktionen und strafrechtliche Ermittlungen gegen verantwortliche Unternehmen und Manager.

Beispiel: Ein Autohersteller stattet Millionen von Dieselfahrzeugen mit einer Software aus, die erkennt, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand getestet wird, und nur dann die volle Abgasreinigung aktiviert, während im normalen Straßenverkehr wesentlich mehr Schadstoffe ausgestoßen werden.


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Übereinstimmungsbescheinigung

Die Übereinstimmungsbescheinigung (Certificate of Conformity, CoC) ist ein offizielles Dokument, das gemäß Art. 18 der EU-Richtlinie 2007/46/EG vom Fahrzeughersteller ausgestellt wird. Es bestätigt, dass ein Fahrzeugtyp allen relevanten EU-Vorschriften entspricht und die Typgenehmigung erhalten hat. Diese Bescheinigung ist Voraussetzung für die Zulassung eines Fahrzeugs im Straßenverkehr und dient als Nachweis der Konformität mit Umwelt- und Sicherheitsstandards.

Beispiel: Ein Autohersteller stellt für ein Dieselfahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung aus, die fälschlicherweise bestätigt, dass das Fahrzeug die Euro-6-Abgasnorm erfüllt, obwohl eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist.


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Deliktsrecht

Das Deliktsrecht regelt die außervertragliche Haftung für rechtswidrig verursachte Schäden und ist in den §§ 823 ff. BGB verankert. Es ermöglicht Geschädigten, Schadensersatz von Personen zu fordern, die ihnen durch unerlaubte Handlungen Schaden zugefügt haben. Im Gegensatz zum Vertragsrecht besteht keine vertragliche Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem. Bei Abgasskandalen ist besonders § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) relevant.

Beispiel: Ein Fahrzeughersteller täuscht Kunden vorsätzlich über die Umweltverträglichkeit seiner Fahrzeuge. Auch ohne direkten Kaufvertrag mit dem Hersteller können Käufer nach dem Deliktsrecht Schadensersatz fordern, da das Unternehmen durch den Einbau von Abschalteinrichtungen sittenwidrig gehandelt hat.


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Berufungsverfahren

Das Berufungsverfahren ist ein Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile, geregelt in den §§ 511-541 ZPO. Es ermöglicht eine erneute Prüfung des Sachverhalts und der Rechtsanwendung durch ein höheres Gericht. Im Gegensatz zur Revision werden sowohl rechtliche als auch tatsächliche Aspekte überprüft. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Urteilszustellung eingelegt und begründet werden.

Beispiel: Nachdem ein Landgericht einem Autokäufer nur teilweise Schadensersatz wegen einer Abschalteinrichtung zugesprochen hat, legt er Berufung beim Oberlandesgericht ein. Das OLG Stuttgart prüft den Fall neu und ändert das erstinstanzliche Urteil teilweise ab, indem es einen höheren Schadensersatzbetrag zuspricht.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungs-Verordnung (EG-FGV): Diese Normen bilden die Grundlage für Schadensersatzansprüche, wenn ein Hersteller gegen Gesetze verstößt, die dem Schutz von Rechtsgütern dienen, indem er beispielsweise unrichtige Übereinstimmungsbescheinigungen für Fahrzeuge ausstellt. Die EG-FGV setzt EU-Recht in deutsches Recht um und regelt die Anforderungen an die Typgenehmigung von Fahrzeugen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht sieht hierin die zentrale Anspruchsgrundlage, da die Beklagte als Herstellerin durch die Ausstellung einer fehlerhaften Übereinstimmungsbescheinigung gegen diese Vorschriften verstoßen und dadurch einen Schaden verursacht hat, weil das Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen war.
  • Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (Euro 5 und 6 Verordnung): Diese EU-Verordnung verbietet den Einsatz von unzulässigen Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen, die die Wirksamkeit der Abgasreinigung unter normalen Betriebsbedingungen reduzieren. Abschalteinrichtungen sind definiert als Konstruktionen, die die Abgasreinigungssysteme unter bestimmten Bedingungen, wie etwa bestimmten Temperaturen, deaktivieren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellt fest, dass das Fahrzeug des Klägers über mindestens zwei solcher unzulässigen Abschalteinrichtungen verfügte, was einen Verstoß gegen diese Verordnung darstellt und somit die Grundlage für den Schadensersatzanspruch bildet.
  • § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Diese Vorschrift begründet einen Schadensersatzanspruch, wenn durch den Verstoß gegen ein Schutzgesetz ein Schaden entstanden ist. Ein Schutzgesetz ist eine Rechtsnorm, die zumindest auch dazu dient, Einzelpersonen oder bestimmte Personengruppen vor Schäden zu schützen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die EG-FGV und die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 werden in diesem Kontext als Schutzgesetze angesehen, die unter anderem auch Käufer von Fahrzeugen vor Vermögensschäden durch unzulässige Manipulationen schützen sollen.
  • Art. 3 Nr. 10 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (Euro 5 und 6 Verordnung): Diese Definition in der EU-Verordnung legt fest, was eine „Absalteinrichtung“ im rechtlichen Sinne ist. Sie umfasst Konstruktionen, die die Funktion von Emissionskontrollsystemen unter bestimmten Bedingungen reduzieren oder abschalten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht bezieht sich auf diese Definition, um zu begründen, dass die im Fahrzeug des Klägers vorhandenen technischen Einrichtungen tatsächlich als unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne des EU-Rechts zu qualifizieren sind.

Das vorliegende Urteil


OLG Stuttgart – Az.: 24 U 746/22 – Urteil vom 12.12.2024


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