BGH
Az: V ZR 57/11
Urteil vom 21.10.2011
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Oktober 2011 für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 22. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das genannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 16. April 2010 aufrechterhalten worden ist.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 16. April 2010 im Umfang der Aufhebung abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, weitere 237,41 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Januar 2010 an die Klägerin zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Tatbestand
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin bestellte 1989 zugunsten des Beklagten ein unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht an einer in ihrem Haus befindlichen Wohnung. Seit dem Jahr 2000 nutzt der Beklagte die Wohnung nicht mehr. Die Klägerin, die seit 2003 Eigentümerin des Hauses ist, forderte von dem Beklagten erfolglos Zahlung aufgrund von Abrechnungen über die Kosten für Heizung und Warmwasserbereitung für die Zeiträume 2006/2007 und 2007/2008, in denen die entstandenen Kosten zu 30 % als Grundkosten verbrauchsunabhängig nach Wohnfläche und zu 70 % verbrauchsabhängig umgelegt wurden. Mit der Klage hat die Klägerin aus diesen Abrechnungen nur anteilige Grundkosten in Höhe von insgesamt 1.582,73 € geltend gemacht, nämlich 744,82 € für das Jahr 2006/2007 und 837,91 € für das Jahr 2007/2008. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat ihr das Landgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen in Höhe von 1.345,32 € stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Anschlussrevision der Klägerin hat die umfassende Verurteilung des Beklagten nach den Schlussanträgen in der Berufungsinstanz zum Ziel. Jede Partei beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels der Gegenseite.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, der Wohnungsberechtigte habe zwar im Grundsatz nur die von ihm verursachten Kosten zu tragen. Ihn treffe aber die Erhaltungspflicht nach § 1093 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1041 BGB. Dazu gehöre auch die Beheizung in der kalten Jahreszeit, die voraussetze, dass die notwendigen Anlagen betriebsbereit und funktionsfähig seien. Selbst wenn der Wohnungsberechtigte die Wohnung nicht nutze und keine Heizenergie verbrauche, verursache er daher die Grundkosten der Heizung. Der Anspruch sei aber gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV um 15 % zu kürzen, weil der frei zugängliche Zähler „andere Verbräuche eines Nachbarn“ erfasst habe.
II.
1. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die verbrauchsunabhängigen Grundkosten der Heizung zu tragen, hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Das gilt auch für die Grundkosten der Warmwasserbereitung, die das Berufungsgericht ohne Begründung zugesprochen hat.
a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien nicht – wie es schuldrechtlich möglich wäre (vgl. Senat, Urteil vom 25. September 2010 – V ZR 36/09, NJW 2009, 3644 Rn. 9 mwN) – vereinbart, dass der Beklagte die Grundkosten der Heizung und der Warmwasserbereitung zu tragen hat.
b) Allerdings hat der Wohnungsberechtigte trotz der Unentgeltlichkeit des Wohnungsrechts verbrauchsabhängige Kosten wie Strom, Wasser und Heizung zu tragen, weil es sich nicht um Kosten der Wohnung, sondern um die erst durch die Ausübung des Wohnungsrechts verursachten Kosten ihrer Nutzung handelt (BeckOK/Wegmann, BGB [2011], § 1093 Rn. 26; MünchKomm-BGB/Joost, 5. Aufl., § 1093 Rn. 9; Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 1093 Rn. 10). Ob die Grundkosten der Heizung und Warmwasserbereitung dazu gehören, wenn der Wohnungsberechtigte die Wohnung tatsächlich nutzt, kann dahinstehen. Denn diese Kosten beruhen – wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig erkannt hat – jedenfalls dann nicht auf einem Verbrauch, wenn es an einer solchen Nutzung fehlt. Grund hierfür ist, dass 30 % bis 50 % der Gesamtkosten für Heizung und Warmwasserbereitung verbrauchsunabhängig umgelegt werden müssen (§ 7 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 1 HeizkostenV in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung; im Folgenden: HeizkostenV), was dem nicht durch das Nutzerverhalten beeinflussbaren Kostenanteil Rechnung tragen soll (Danner/Theobald/Schumacher, Energierecht [2011], § 7 HeizkostenV Rn. 5 f.). Dies hat zur Folge, dass der auf die Wohnung des Beklagten bezogene Anteil an diesen Grundkosten nicht auf die Inhaber anderer Wohnungen umgelegt werden kann, sondern auch ohne Nutzung auf seine Wohnung entfällt.
c) Aus der Pflicht des Wohnungsberechtigten, für die gewöhnliche Unterhaltung der Wohnung zu sorgen (§ 1093 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1041 Satz 2 BGB), kann nicht – wie das Berufungsgericht meint – hergeleitet werden, dass er diese Grundkosten zu tragen hat. Für die Warmwasserbereitung ist ohnehin nicht ersichtlich, inwieweit sie der Erhaltung der Wohnung dienen sollte. Nichts anderes gilt für die Grundkosten der Heizung, weil die Kostentragungspflicht des Wohnungsberechtigten nur so weit wie seine Erhaltungspflicht reicht. Die Bereitstellung einer funktionsfähigen Heizung ist keine Maßnahme der gewöhnlichen Erhaltung. Sie ist ebenso wie die Installation der Heizungsanlage lediglich Voraussetzung dafür, dass die Wohnung infolge der Beheizung erhalten werden kann. Nichts anderes ergibt sich aus dem Hinweis des Berufungsgerichts auf den drohenden Verfall der Bausubstanz. Durch die Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft der Heizung wird die Wohnung für sich genommen weder erhalten noch wird ihr Zustand verbessert. Dazu bedürfte es der Beheizung der Wohnung selbst, die verbrauchsabhängige Kosten nach sich ziehen würde.
d) Eine Pflicht des Wohnungsberechtigten, anteilige verbrauchsunabhängige Kosten von Heizung und Warmwasserbereitung zu tragen, leitet der Senat aber aus dem Umstand her, dass die Zentralheizung ebenso wie die Warmwasserbereitungsanlage zu den gemeinschaftlichen Anlagen im Sinne von § 1093 Abs. 3 BGB gehört.
aa) Ob der Wohnungsberechtigte verpflichtet ist, sich an den Kosten der gewöhnlichen Unterhaltung von gemeinschaftlichen Anlagen zu beteiligen, ist umstritten. Der Senat hat diese Frage bislang offen gelassen (Senat, Urteil vom 4. Juli 1969 – V ZR 37/66, BGHZ 52, 234, 236 f.). Die überwiegende Ansicht geht von einer Pflicht zur Beteiligung an Betriebs- und Unterhaltungskosten aus (Erman/Grziwotz, BGB, 13. Aufl., § 1093 Rn. 15; MünchKomm-BGB/Joost, 5. Aufl., § 1093 Rn. 14; Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 1093 Rn. 13; RGRK/Rothe, BGB, 12. Aufl., § 1093 Rn. 8; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1093 Rn. 9; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1093 Rn. 33; für die gleichlautende Vorschrift des § 33 Abs. 3 WEG: Timme/Munzig, WEG, § 33 Rn. 28; anders Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 5. Aufl., Rn. 1257: nur Beteiligung an Betriebskosten). Andere sehen für eine Kostenbeteiligung keine gesetzliche Grundlage (BeckOK/Wegmann, BGB [2011], § 1093 Rn. 25; vgl. auch LG Hamburg, MDR 1963, 218).
bb) Mit der überwiegenden Auffassung sieht der Senat eine Kostenbeteiligung des Wohnungsberechtigten für die gewöhnliche Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen als gerechtfertigt an.
(1) Allerdings verweist § 1093 Abs. 3 BGB anders als § 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht auf § 1041 BGB. Demzufolge obliegt die Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen dem Eigentümer. Hinsichtlich der Zentralheizung ist der Eigentümer nach der Rechtsprechung des Senats sogar dazu verpflichtet, für ihre Instandhaltung und Instandsetzung zu sorgen, obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt. Der Senat hat eine solche Pflicht aufgrund einer sachgerechten Interessenabwägung angenommen, weil dem Wohnungsberechtigten andernfalls die ordnungsgemäße Benutzung seiner Räume unmöglich gemacht würde (Senat, Urteil vom 4. Juli 1969 – V ZR 37/66, BGHZ 52, 234, 237 ff.; zustimmend Staudinger/Mayer, BGB [2009] § 1093 Rn. 33, 39; abl. MünchKomm-BGB/Joost, 5. Aufl., § 1093 Rn. 14).
(2) Ob der Eigentümer berechtigt ist, die Kosten für die gewöhnliche Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen im Sinne von § 1041 Satz 2 BGB auf die Nutzungsberechtigten umzulegen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Unentgeltlichkeit des Wohnungsrechts spricht jedenfalls nicht dagegen, weil ein solcher Kostenanteil kein Entgelt für das Wohnungsrecht selbst darstellt. Fest steht nur, dass der Wohnungsberechtigte nicht für die außergewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung gemeinschaftlicher Anlagen und Einrichtungen aufkommen muss. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 1093 Abs. 1 Satz 2 i.V.m § 1041 Satz 2 BGB (Senat Urteil vom 4. Juli 1969 – V ZR 37/66, BGHZ 52, 234, 236 f.). Schon aus diesem Grund scheitert eine analoge Anwendung von § 748 BGB (hierfür aber Schöner/Stöber, aaO, Rn. 1257).
(3) Maßgeblich ist auch insoweit eine sachgerechte Abwägung der beiderseitigen Interessen. Sie führt im Ergebnis zu einer Pflicht des Wohnungsberechtigten zur Kostenbeteiligung. Er kann lediglich die Mitbenutzung verlangen, ohne dass sich sein Wohnungsrecht als solches auf die gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen erstreckt. Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen darf er selbst nicht vornehmen, obwohl funktionsfähige gemeinschaftliche Anlagen und Einrichtungen in seinem Interesse liegen. Dagegen wird der Eigentümer mit der Vornahme von Unterhaltungsmaßnahmen belastet, zu denen er dann, wenn die Gebrauchsfähigkeit der Heizung gefährdet ist, sogar verpflichtet ist (Senat, Urteil vom 4. Juli 1969 – V ZR 37/66, BGHZ 52, 234, 237 ff.).
Ein wirtschaftlicher Anreiz zur Vornahme von Unterhaltungsmaßnahmen, die über diese Verpflichtung hinausgehen, wäre nicht gegeben, wenn ihre Kosten einseitig dem Eigentümer überbürdet würden. Die Pflicht zur Kostenbeteiligung ist deshalb nicht davon abhängig, dass der Eigentümer zu der Unterhaltungsmaßnahme verpflichtet ist (so aber wohl Timme/Munzig, WEG, § 33 Rn. 28). Ebenso wenig ist eine Unterscheidung zwischen Unterhaltungs- und Betriebskosten angezeigt (hierfür Schöner/Stöber, aaO, Rn. 1256 f.), zumal die Betriebskosten im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV auch verbrauchsabhängige Kosten umfassen. Derartige Differenzierungen sind schon im Hinblick auf sonst unvermeidbare Abgrenzungsprobleme nicht sachgerecht.
cc) Unerheblich ist, dass der Beklagte die Wohnung nicht nutzt. Die gewöhnliche Unterhaltung von gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen liegt – wie ausgeführt – in seinem Interesse. Die fehlende Nutzung beruht auf seiner freien Entscheidung, deren wirtschaftliche Folgen er nicht auf die Klägerin verlagern kann.
dd) Die Kostenverteilung hat das Berufungsgericht für Heizung und Warmwasser rechtsfehlerfrei anhand von § 7 HeizkostenV ermittelt. Gegen die Abrechnung als solche erhebt die Revision keine Einwände.
2. Die Anschlussrevision hat Erfolg.
a) Sie ist zulässig, obwohl angesichts der Begründung der Entscheidung über die Zulassung der Revision zweifelhaft ist, ob die Zulassung auch zugunsten der Klägerin erfolgt ist. Denn für die Anschlussrevision bedarf es gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO anders als nach § 556 Abs. 1 ZPO aF keiner Zulassung mehr (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2005 – II ZR 147/03, NJW-RR 2005, 651; BR-Drucks. 536/00, S. 273 f.).
b) Sie ist auch begründet. Die auf § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenVO gestützte Kürzung der Forderung um 15 % ist rechtsfehlerhaft. Das Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV entsteht nur dann, wenn entgegen den Vorschriften der Verordnung verbrauchsunabhängig abgerechnet wird, nicht aber, wenn die Abrechnung aus sonstigen Gründen fehlerhaft ist (BGH, Urteil vom 16. November 2005 – VIII ZR 373/04, NJW-RR 2006, 232 Rn. 21 mwN; Danner/Theobald/Schumacher, Energierecht [2011], § 12 HeizkostenV Rn. 7 f.; MünchKomm-BGB/Schmid, 5. Aufl., § 12 HeizkostenV Rn. 1). Danach besteht hier kein Kürzungsrecht, weil die Abrechnung nach den Vorgaben der Heizkostenverordnung erfolgt ist. Zwar mag der verbrauchsabhängige Teil der Abrechnung Fehler aufweisen, die gegebenenfalls rechnerisch korrigiert werden müssten. Sie wird dadurch aber nicht zu einer verbrauchsunabhängigen Abrechnung.
c) Das Urteil kann insoweit keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Weil die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat eine Entscheidung in der Sache selbst treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klägerin kann danach weitere 237,41 € verlangen. Gegenstand der Klage sind nämlich nur die verbrauchsunabhängigen Kosten, die keiner Korrektur bedürfen. Der Zinsanspruch beruht auf § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.