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Direktionsrecht Arbeitgeber – Versetzung und Schwerbehinderung

LAG Schleswig-Holstein

Az.: 1 Sa 183 b/11

Urteil vom 10.01.2012


Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.03.2011 – 1 Ca 1402 c/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, an welchem Arbeitsort die Klägerin ihre Arbeitsleistungen zu erbringen hat.

Die am ….1962 geborene Klägerin ist seit dem 01.06.2000 als Verkäuferin/Kassiererin bei einer monatlichen Arbeitszeit von 120 Stunden und einem Bruttomonatsgehalt von ca. 1.500,00 EUR bei der Beklagten, einem Discounter mit zahlreichen Filialen im Bundesgebiet, beschäftigt. In § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien (Bl. 5 – 9 d. A.) vereinbarten die Parteien unter anderem:

2.2. Unter Beachtung der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen behält sich der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Vorkenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitnehmers sowie der geschäftlichen Erfordernisse vor, dem Arbeitnehmer eine andere oder zusätzliche Tätigkeit zuzuweisen. Dieser erklärt sich ausdrücklich bereit, auf Anweisung des Arbeitgebers jederzeit in einem anderen Betrieb des Arbeitgebers unverzüglich tätig zu werden. Dieses Recht wird durch eine lange währende Verwendung auf demselben Arbeitsplatz nicht beschränkt.

Seit 2006 leidet die Klägerin unter einer Epilepsie-Erkrankung. Sie ist schwerbehindert. Ausweislich eines Attestes vom 26.10.2010 darf sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mit dem Fahrrad fahren. Ausweislich eines weiteren Attestes vom 15.11.2010 ist die Klägerin in ihrer körperlichen Belastbarkeit eingeschränkt und darf keinen Fußweg von mehr als 2 km nach der Arbeit auf sich nehmen.

Die Klägerin arbeitet seit Beginn ihrer Tätigkeit überwiegend in der Filiale der Beklagten in der G. in N., seit ihrer Epilepsie-Erkrankung im Jahre 2006 ausschließlich in dieser Filiale. Dabei wird die Klägerin seit einem Epilepsieanfall, den sie Anfang 2010 während ihrer Arbeit erlitt, so eingesetzt, dass außer ihr noch zwei andere Arbeitnehmer in der Filiale tätig sind. Das führt dazu, dass die Klägerin regelmäßig nachmittags und abends zum Dienst eingeteilt ist.

Die Beklagte unterhält in N. eine weitere Filiale im S.. Der Fußweg zu dieser Filiale beträgt von der Wohnung der Klägerin knapp 3 km. Wenn die Klägerin den öffentlichen Personennahverkehr benutzt, muss sie auf dem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte ca. 600 m gehen. Der letzte Bus am S. fährt um 20.38 Uhr. Die Dienstzeit in der letzten Schicht endet um 20.15 Uhr. Regelmäßig sind aber noch Aufräumarbeiten in der Filiale zu erbringen.

In der G. kann die Klägerin von montags bis freitags nach dem Personaleinsatzplan der Beklagten im Umfang von insgesamt 23 Wochenstunden zusammen mit zwei weiteren Kolleginnen eingeteilt werden. Samstags ist die Filiale ab 12.00 Uhr mit drei Mitarbeitern besetzt. In der übrigen Zeit sind jeweils nur zwei Mitarbeiter eingesetzt.

Am 11.10.2010 führten die Parteien ein Personalgespräch über den weiteren Einsatz der Klägerin. Die Beklagte brachte eine Aufteilung des Arbeitsortes ins Gespräch, nämlich dahingehend, dass die Klägerin zukünftig 60 Stunden in der G. und 60 Stunden im S. arbeiten solle. Ab dem 12.10.2010 bis zum Berufungstermin war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 15.10.2010 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte darum, vom Versetzungswunsch Abstand zu nehmen (Anlage K 6, Bl. 85 d. A.). Mit Schreiben vom 27.10.2010 (Bl. 12 d. A.) teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit, die Beklagte sei zutreffend zu dem Entschluss gekommen, die Klägerin zukünftig im S. und der G. einzusetzen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei zur Erbringung der Arbeitsleistung im S. nicht verpflichtet. Es gebe keinen Grund für eine Versetzung. Sie habe auch in der Vergangenheit stets in der G. eingesetzt werden können. Sie könne auch samstags arbeiten und habe dies auch tatsächlich getan, wie sich aus ihren Einsatzplänen (Bl. 37 ff. d. A.) ergebe. Die Aufnahme der Tätigkeit im S. sei ihr aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar.

Die Beklagte hat erwidert, die Klägerin könne samstags wegen der starken Belastung in der Filiale nicht eingesetzt werden. Damit verbleibe eine Resteinsatzzeit von 23 Wochenstunden, mit der die monatliche Stundenverpflichtung der Klägerin nicht abgedeckt werden könne. Auch zahle sie – unstreitig – Zuschläge nach dem Einzelhandelstarif, die beim Einsatz ab 18.30 Uhr fällig würden. Die Gelegenheit, diese Zuschläge zu erarbeiten, müssten auch andere Arbeitskollegen erhalten. Im S. finde im Regelfall auch vormittags eine Besetzung dergestalt statt, dass drei Mitarbeiter anwesend seien. Angesichts der geringen Entfernung der Filiale im S. vom Wohnort der Klägerin und der Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei eine Einschränkung ihres Direktionsrechts nicht zu erkennen.

Wegen der Anträge in der ersten Instanz und des weiteren Sachvortrags wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.03.2011 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe nach ihrem Arbeitsvertrag keinen Anspruch darauf, ausschließlich in der Filiale in der G. bzw. in keinem Fall in der Filiale im S. ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Die Beklagte könne ihr Direktionsrecht unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin ausüben. Ob eine entsprechende Arbeitsanweisung billigem Ermessen entspreche, könne nur anhand der konkreten Weisung festgestellt werden. Eine solche liege nicht vor. Solange dies nicht der Fall sei, könne auch nicht festgestellt werden, ob die Klägerin nicht im S. arbeiten müsse. Allein aufgrund der Erkrankung der Klägerin ergebe sich keine Einschränkung des Arbeitsvertrags.

Gegen dieses ihr am 14.04.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 05.05.2011 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Zur Begründung trägt sie vor:

Die Klägerin habe sich auch in erster Instanz gegen eine konkrete Arbeitsanweisung der Beklagten gewendet, nämlich dagegen, ihren Arbeitsort aufzuteilen. Eine entsprechende Weisung sei im Gespräch am 11.10.2010 erteilt worden. Nur höchst vorsorglich stelle sie insoweit den weiteren Hilfsantrag. Auf ihre gesundheitlichen Beein-trächtigungen und ihre weiteren Argumente in erster Instanz sei das Arbeitsgericht überhaupt nicht eingegangen. Nach wie vor gebe es keinen vernünftigen Grund für eine Aufteilung ihrer Arbeitsleistung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgericht N. abzuändern und festzustellen,
dass die Klägerin ihre der Beklagten geschuldete Arbeitsleistung ausschließlich in deren Filiale in der G. in N. zu erbringen hat,

hilfsweise

festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, ihre der Beklagten geschuldete Arbeitsleistung in deren Filiale im S. in N. zu erbringen,

äußerst hilfsweise

festzustellen, dass die Arbeitsanweisung der Beklagten vom 11.10.2010, wonach die Klägerin fortan ihre Arbeitstätigkeit aufzuteilen hat, und zwar mit je 60 Stunden wie bisher in der Filiale der Beklagten in der G. zu arbeiten und mit weiteren 60 Stunden im Monat in der Filiale der Beklagten im S. in N. zu arbeiten, rechtswidrig und damit unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts N. – 1 Ca 1402 c/10 – vom 16.03.2011 zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

In erster Instanz habe die Klägerin keine konkrete Arbeitsanweisung angegriffen, sondern grundsätzliche Feststellungen zum Arbeitsort begehrt. Tatsächlich habe sie am 11.10.2010 auch keine Anweisung gegeben, sondern der Klägerin die Möglichkeit eines geteilten Einsatzes erläutert. Zu jenem Zeitpunkt sei weder eine Absprache mit dem Filialleiter am S. erfolgt, noch sei der Einsatz der Klägerin bereits im Dienstplan vorgesehen gewesen. Die Klägerin sei mit der Änderung nicht einverstanden gewesen. Sie, die Beklagte, warte nunmehr die weitere Genesung der Klägerin ab. Nach wie vor halte sie aber einen geteilten Einsatz für die einzige Möglichkeit, die Klägerin vertragsgerecht zu beschäftigen.

Im Übrigen nimmt die Beklagte auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist nicht begründet.

I.

Der Hauptantrag der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

1.

Der Hauptantrag der Klägerin ist als Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

a) Der Klägerin geht es vorliegend um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses.

Die Feststellungsklage muss sich nicht auf ein Rechtsverhältnis als Ganzes beziehen, sondern kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken – sog. Elementenfeststellungsklage (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAG, Urteil vom 24.08.2011 – 4 AZR 566/09 – Juris, Rn 33).

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Der Klägerin geht es mit dem Hauptantrag um die Feststellung, dass sie ihre Arbeitsleistung für die Beklagte ausschließlich in der Filiale in der G. in N. zu erbringen hat. Hierbei handelt es sich um die Feststellung des Umfangs einer Leistungspflicht, beschränkt nämlich auf den Leistungsort. Das ist nach der vorstehend dargestellten Rechtsprechung zulässig.

b) Es liegt auch das erforderliche Feststellungsinteresse vor.

Ein Feststellungsinteresse besteht, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (Zöller, Kommentar, 27. Auflage, § 256, Rn 7 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BGH).

Danach ist ein Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung gegeben. Selbst wenn die Beklagte noch keine konkrete Versetzungsanordnung ausgesprochen haben sollte, berühmt sie sich doch dieser Möglichkeit. So hat sie in dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.10.2010 ausgeführt, ihr Mitglied, die Beklagte, sei zu dem Entschluss gekommen, die Klägerin zukünftig in beiden Filialen einzusetzen. Auch im Berufungsrechtszug hat sie noch in der Berufungserwiderung vorgetragen, sie gehe davon aus, die Klägerin nur bei einer Teilung des Arbeitsortes vertragsgerecht beschäftigen zu können. Damit berühmt sich die Beklagte eines Versetzungsrechts, dessen Existenz die Klägerin bestreitet. Zugleich kann dieser Streit durch ein Urteil in der vorliegenden Sache geklärt werden. Damit liegt das erforderliche Feststellungsinteresse vor.

2.

Der Hauptantrag der Klägerin ist unbegründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin ihre der Beklagten geschuldete Arbeitsleistung ausschließlich in der Filiale in der G. zu erbringen hat. Das ist zwischen den Parteien nicht vereinbart worden.

a) Der Arbeitsvertrag gibt für die Auffassung der Klägerin nichts her. Im Gegenteil: In § 2.2 Satz 2 erklärt sich die Klägerin ausdrücklich bereit, auf Anweisung des Arbeitgebers jederzeit in einem anderen Betrieb des Arbeitgebers unverzüglich tätig zu werden.

b) Diese Vereinbarung ist zwischen den Parteien auch nicht konkludent aufgehoben worden dadurch, dass die Klägerin seit Beginn des Arbeitsverhältnisses überwiegend und seit 2006 ausschließlich in der G. eingesetzt worden ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft regelmäßig aber keinen Vertrauenstatbestand, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (BAG vom 17.08.2011 – 10 AZR 202/10 – Juris, Rn 19).

Vorliegend fehlt es schon an einer lang andauernden fehlenden Ausübung des Direktionsrechts. Die Klägerin ist erst seit 4 Jahren in der Filiale in der G. eingesetzt. Davor erfolgte zumindest auch gelegentlich ein Wechsel in andere Filialen. Jedenfalls fehlt es aber an einem Vertrauenstatbestand, aus dem die Klägerin schließen durfte, die Beklagte werde ihr Direktionsrecht im Hinblick auf den Arbeitsort zukünftig nicht mehr ausüben. Vielmehr legt § 2.2 Satz 3 des Arbeitsvertrages ausdrücklich fest, dass das Recht zur Bestimmung eines anderen Arbeitsortes durch eine lange währende Verwendung auf demselben Arbeitsplatz nicht beschränkt wird. Damit konnte ein Vertrauen der Klägerin, nicht mehr versetzt zu werden, allein aufgrund des Zeitablaufs nicht begründet werden.

c) Die Beschränkung des Arbeitsortes auf die Filiale in der G. ergibt sich entgegen der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Berufungstermin vertretenen Auffassung auch nicht daraus, dass die Klägerin erkrankt ist. Allein der tatsächliche Umstand der Erkrankung ändert den bestehenden Vertrag nicht. Ob ein Anspruch auf Vertragsänderung der Klägerin besteht, wonach angesichts der weiteren Ausführungen zu den Hilfsanträgen der Klägerin erhebliche Zweifel bestehen, ist vorliegend nicht zu entscheiden.

II.

Auch die Hilfsanträge der Klägerin sind unbegründet.

1.

Die Hilfsanträge bedürfen zunächst der Auslegung. Zumindest der erste Hilfsan-trag der Klägerin könnte dahin verstanden werden, dass die Klägerin wie mit dem Hauptantrag, nur in diesem Fall negativ formuliert, die Feststellung begehrt, sie sei aufgrund ihres Arbeitsvertrags nicht verpflichtet, im S. zu arbeiten. So ist der Antrag möglicherweise vom Arbeitsgericht verstanden worden, das zusammenfassend im Urteil festgestellt hat, aufgrund der Erkrankung der Klägerin ergäbe sich keine Einschränkung des Arbeitsvertrags und kein Ausschluss des Versetzungsrechts.

Wie mit der Berufung ausdrücklich ausgeführt und auch aus der Klage bereits ersichtlich, geht es der Klägerin im Hilfsantrag zu 1. jedoch um die Feststellung der Unwirksamkeit einer Maßnahme des Direktionsrechts. Bereits mit der Klage eingereicht ist das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 27.10.2010, in dem dieser von einem Entschluss der Beklagten schreibt, die Arbeitsorte zukünftig aufzuteilen. Gegenstand des Hilfsantrags zu 1. ist daher die Rechtmäßigkeit einer Weisung gegenüber der Klägerin, zukünftig jeweils 60 Stunden im Monat in den beiden Filialen S. und G. tätig zu sein. Der Antrag umfasst damit sowohl die Fallkonstellation, dass die Beklagte ihr Direktionsrecht noch nicht ausgeübt hat, als auch die, dass im Gespräch am 12.10.2010 eine Arbeitsanweisung erteilt wurde. Der Klägerin geht es darum festzustellen, dass die Beklagte ihr Direktionsrecht rechtmäßig nicht dahin ausüben kann, die Arbeitszeit der Klägerin zwischen der G. und dem S. aufzuteilen. Bei dieser Auslegung kommt dem Hilfsantrag zu 2. keine eigenständige Bedeutung zu. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Hilfsantrag zu 1. etwa mangels bereits bestehenden konkreten Feststellungsinteresses unzulässig wäre.

Dieser Auslegung des Klagebegehrens im Berufungstermin ist die Klägerin auch nicht entgegen getreten. Sie wird dem tatsächlichen Begehren der Klägerin auch gerecht.

2.

Mit diesem Inhalt ist die Klage zulässig. Es handelt sich – wie schon beim Hauptantrag – um eine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO. Das erforderliche Rechtsverhältnis liegt vor. Gegenstand einer Feststellungsklage kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch die Rechtmäßigkeit einer (beabsichtigten) Versetzung sein.

b) Es besteht auch bereits jetzt ein Feststellungsinteresse. Hierfür ist nicht erforderlich, dass eine Versetzung durch den Arbeitgeber bereits erfolgt ist, dieser sein Direktionsrechts also bereits ausgeübt hat. Nach den oben unter I. 1. b) dargelegten Grundsätzen genügt, dass sich der Anspruchsgegner eines Rechtes „berühmt“, um ein Feststellungsinteresse zu begründen. Demnach reicht es aus, wenn die Beklagte erklärt hat, sie beabsichtige eine Versetzung der Klägerin, auch wenn sie im Berufungsverfahren erklärt hat, diese solle erst nach Wiedergenesung erfolgen.

3.

Der Hilfsantrag der Klägerin ist unbegründet.

Die von der Klägerin begehrte Feststellung kann nur dann erfolgen, wenn eine Versetzung der Klägerin mit der Hälfte der Arbeitszeit in den S. in jeder Ausgestaltung unzulässig ist, etwa, weil allein die anfallenden längeren Wegezeiten eine Unzumutbarkeit begründen (Globalantrag).

Das ist indes nicht der Fall. Es gibt keine Gründe dafür, dass die von der Beklagten beabsichtigte Aufteilung des Arbeitsortes von vornherein rechtswidrig ist. Das hat auch das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

Rechtsgrundlage für eine Versetzung der Klägerin ist § 106 Satz 1, 3 Gewerbeordnung. Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber u. a. den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingung nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

a) Durch die von der Beklagten veränderte Bestimmung des Arbeitsortes wird nicht gegen den Arbeitsvertrag der Klägerin verstoßen. Zur Begründung hierzu wird auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen.

b) Ein Verstoß gegen eine Betriebsvereinbarung oder gegen Tarifrecht ist von der Klägerin nicht behauptet worden und auch sonst nicht ersichtlich.

c) Die Veränderung des Arbeitsortes der Klägerin verstößt auch nicht gegen gesetzliche Vorschriften. Zwar hat ein schwerbehinderter Mensch nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX unter anderem Anspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass durch eine Veränderung des Arbeitsortes dieser Anspruch der schwerbehinderten Klägerin verletzt wird. Bei der Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen in der Filiale im S. wird die Beklagte diese Vorschrift zu beachten haben.

d) Eine anderweitige Bestimmung des Arbeitsortes der Klägerin wahrt auch billiges Ermessen im Sinne von § 106 Satz 1 Gewerbeordnung. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und rechtlichen Wertentscheidungen, allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG, Urteil vom 17.08.2011 – 10 AZR 202/10 – Juris, Rn 22).

Danach ist vorliegend das Interesse der Beklagten an einem flexiblen Personaleinsatz, an der Erfüllung ihrer vertraglichen Beschäftigungspflicht gegenüber der Klägerin und letztlich auch an der gleichmäßigen Heranziehung ihrer Arbeitnehmer zu Früh- und Spätschichten zu berücksichtigen. Unstreitig ist ein Einsatz der Klägerin nur möglich, wenn zwei weitere Arbeitnehmer mit ihr in der Filiale eingesetzt werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Einsatz der Klägerin auch am Samstag grundsätzlich möglich ist, ergibt sich aus der Personalplanung der Beklagten, dass die Klägerin dann nur noch zu im Wesentlichen feststehenden Arbeitszeiten eingesetzt werden kann, da von Montag bis Freitag nur 23 Wochenstunden zur Verfügung stehen, in denen die Filiale in der G. mit drei Arbeitnehmern besetzt ist. Ihre restlichen 7 Arbeitsstunden müsste die Klägerin regelmäßig am Samstag ab 12.00 Uhr leisten. Dem steht das berechtigte Bedürfnis der Beklagten gegenüber, ihren im Schichtdienst arbeitenden Arbeitnehmern wechselnde Arbeitszeiten zu ermöglichen. Abgesehen von der Frage der gleichmäßigen Verteilung von tariflichen Zuschlägen, die erst ab 18.30 Uhr bezahlt werden, hat sich auch in der Praxis erwiesen, dass bei der von der Klägerin favorisierten Einsatzplanung „Minusstunden“ entstehen. Das hat die Vertreterin der Beklagten im Berufungstermin durch Vorlage einer entsprechenden Aufstellung belegt. Deren Inhalt ist im Termin von der Klägerin auch nicht bestritten worden. Aus dieser Aufstellung ließ sich entnehmen, dass wiederholt die Klägerin in einem Monat nicht die von ihr vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat. Diesen Interessen der Beklagten stehen generelle Interessen der Klägerin nicht entgegen. Trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ist der Klägerin der Weg zur Filiale im S. auch unter Berücksichtigung ihrer Schwerbehinderung zumutbar. Gegen die Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bestehen keine Bedenken. Ein Fußweg von 600 m ist der Klägerin nach ärztlichem Zeugnis täglich möglich. Allein der Wunsch der Klägerin nach einem unveränderten Arbeitsort vermag die vorstehend geschilderten Interessen der Beklagten nicht hinter dem Wunsch der Klägerin zurücktreten zu lassen. Die Versetzungsentscheidung der Beklagte ist damit auch verhältnismäßig und auch unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung der Klägerin angemessen.

Rechtswidrig könnte es einzig sein, wenn der Klägerin im Einzelfall der Weg von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte durch die Gestaltung der Dienstzeiten tatsächlich unmöglich gemacht oder erheblich erschwert würde, etwa wenn die Klägerin den letzten Bus nach Hause nicht erreichen könnte. Das lässt sich aber nicht generell feststellen, sondern hängt von der Ausgestaltung des Dienstplans der Klägerin im Einzelfall ab.

III.

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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