BGH
Az.: III ZR 207/83
vom: 21.02.1985
Leitsätze:
Darlehenshingabe als regelmäßige Voraussetzung für den Anspruch des Darlehensgebers auf ein vereinbartes Disagio, jedoch Möglichkeit wirksamer formularvertraglicher Regelung einer Entschädigung in Höhe des vereinbarten Disagios von 3 % für den Fall der Nichtabnahme des Darlehens durch den Darlehensnehmer.
Gründe:
„… Wenn das BerGer. [im Fall] das vereinbarte Disagio nicht als verschleierten Zins, sondern als eine laufzeitunabhängige Leistung des Kl. ansieht, so ist diese Vertragsauslegung nach den Rechtsgrundsätzen, die der erk. Senat in seinem Urteil BGHZ 81, 124 [vgl. auch BGH WM 1981, 838 – hier: I (133) 200 a-b] aufgestellt hat, nicht zu beanstanden. …[Rechtsfehlerhaft] ist jedoch die .. Auffassung, das Disagio stehe der Bekl. [Finanzierungsbank im Rahmen eines Bauherrenmodells] ebenso wie die vereinbarten Zinsen bereits zu, nachdem sie die Darlehensvaluta auf das Treuhandkonto des Notars überwiesen habe, auch wenn das Geld von dort später an die Bekl. zurückgeflossen, also nie in die Verfügung des Darlehensnehmers gelangt sei. Wenn man das Disagio hier nicht als Zins ansieht, wenn also ein anteiliger Anspruch für die Zeit des Verlustes der Kapitalnutzung ausscheidet, vielmehr das gesamte Disagio nur ganz oder gar nicht zugesprochen werden kann, genügt die Überweisung auf ein Notartreuhandkonto noch nicht, um den Darlehensnehmer zur Zahlung des Disagios zu verpflichten.
Falls sich – wie hier – aus dem Darlehensvertrag keine ausdrückliche anderweitige Vereinbarung ergibt, steht dem Darlehensgeber das Disagio erst zu, wenn der Darlehensnehmer den auszuzahlenden Darlehensvertrag im Sinne des § 607 BGB empfangen hat, die Valuta also endgültig aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden und dem Vermögen des Darlehensnehmers zugeführt worden ist. Allerdings wird ein Disagio vielfach als ein Ausgleich für den laufzeitunabhängigen, einmaligen Verwaltungsaufwand und die Kosten der Kapitalbeschaffung angesehen (vgl. BGH, WM 1963, 378, 379; Canaris Bankvertragsrecht 2. Aufl. Rdn. 1324; Staudinger/Karsten Schmidt 12. Aufl. § 246 BGB Rdn. 23; Oesterreich WM 1979, 822, 824; kritisch Prass BB 1981, 1058, 1059 und Brosch Betrieb DB 1984, 1696). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dem Darlehensgeber stehe das Disagio bereits zu, wenn er die Valuta auf ein Teuhandkonto überweist. Zwar mögen die genannten Verwaltungs- und Kapitalbeschaffungskosten in diesem Zeitpunkt bereits entstanden sein. Die Belastung des Darlehensnehmers mit diesen Kosten erscheint aber erst gerechtfertigt, wenn er daraus den erstrebten Vorteil erlangt hat, der Darlehensbetrag ihm also vereinbarungsgemäß zugeflossen ist; das Disagio ist eine Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Darlehenskapitals (OLG Frankfurt ZIP 1981, 379, 380…).
Im Disagio kann im übrigen auch ein Ausgleich für das Rückzahlungsrisiko gesehen werden. Dieses Risiko verwirklicht sich erst, wenn das Geld aus dem Verfügungsbereich des Darlehensgebers in das Vermögen des Darlehensnehmers
gelangt. …
Hilfsweise hat sich die Bekl. .. darauf berufen, daß sie nach Nr. 10 ihrer allg. Darlehensbedingungen (ADB) von einem Kunden, der entgegen seiner vertraglichen Bindungen das Darlehen nicht abnimmt oder die vereinbarten Auszahlungsvoraussetzungen nicht rechtzeitig erfüllt … als Schadensersatz wegen Nichterfüllung die Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 3 % des Darlehensnennbetrags – neben den angefallenen Bereitstellungszinsen, Bearbeitungskosten und Auslagen – verlangen kann. Dieser Anspruch steht ihr zu. …
Die in Nr. 10 ADB getroffenen Regelung [hält] der Inhaltskontrolle [nach dem AGBG – AGB-Gesetz] stand. Weder aus der Generalklausel des § 9 AGBG noch aus den Spezialbestimmungen der §§ 10, 11 AGBG ergeben sich Gründe für eine Unwirksamkeit der Klausel. Die Nichtabnahmeentschädigung von 3 % des Darlehensnennbetrags dient nicht – wie die im Urteil des OLG Hamm NJW 1983, 1503 behandelte Bearbeitungsgebühr – nur zur Abgeltung der entstandenen Aufwendungen (§ 10 Nr. 7b AGBG), sondern will auch den entgangenen Gewinn ersetzen. Als Schadenersatzpauschale gemäß § 11 Nr. 5 AGBG (vgl. Senatsurteil WM 1978, 422; OLG Nürnberg WM 1968, 346, 348) übersteigt der verlangte Betrag nicht den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden. Hätte der KL. das Darlehen ordnungsgemäß abgenommen, so wäre der Bekl. als Entgelt für die Zurverfügungstellung des Kapitals alsbald das vereinbarte Disagio zugeflossen und ohne Rücksicht auf die spätere Laufzeit des Darlehens auch endgültig verblieben. Durch die Nichtaufnahme ist ihr also auf jeden Fall das Disagio in Höhe von 3 % entgangen. Ob eine Entschädigungspauschale in Höhe des üblichen Disagios stets zu billigen ist, braucht nicht abschließend entschieden zu werden. Jedenfalls bestehen gegen eine Pauschale in Höhe von 3% – selbst neben einer Bearbeitungsgebühr von 0,3 % – bei einer Hypothekenbank noch keine durchgreifenden Bedenken aus § 11 Nr. 5 a AGBG (ebenso OLG Nürnberg WM 1968, 346, 348; OLG Koblenz WM 1983, 802..). … Ein Verstoß gegen § 11 Nr. 5 b AGBG liegt nicht vor, da die ADB der Bekl. in Nr. 10 Abs. 3 dem Darlehensnehmer ausdrücklich den Nachweis vorbehalten, daß ein Schaden überhaupt nicht oder wesentlich niedriger entstanden ist. …“