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Disagio – Voraussetzung des § 10e Abs. 6 EStG – Disagio als Vorkosten

Urteil: BFH

Az.: X R 21/95

vom: 28.05.1998

Vorinstanz: FG Niedersachsen


Leitsätze: (Vorkosten bei Wohnungserwerb durch Mieter)
1. Wird ein Darlehen für die Finanzierung einer eigengenutzten Wohnung -unter Einbehalt des vereinbarten Disagios- erst nach Bezug der Wohnung ausbezahlt, ist das Disagio nicht nach § 10e Abs. 6 EStG als Vorkosten abziehbar (Anschluß an das Senatsurteil vom 8. Juni 1994 X R 26/92, BFHE 174, 535, BStBl II 1994, 930).
2. Hat der Eigentümer die eigengenutzte Wohnung bereits vor der Anschaffung als Mieter bewohnt, beginnt die erstmalige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 10e Abs. 6 EStG, wenn er das wirtschaftliche Eigentum an der Wohnung erlangt, d.h. regelmäßig mit dem Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten.
3. Erwerben Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung (§ 26 Abs. 1 EStG) vorliegen, eine Wohnung zu Miteigentum, die einer der Ehegatten bereits vor der Anschaffung als Mieter bewohnt hat, beginnt die erstmalige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 10e Abs. 6 EStG in dem Zeitpunkt, in dem nach dem notariellen Kaufvertrag Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf die Miteigentümerehegatten übergehen. Wann der andere Miteigentümerehegatte einzieht, ist unerheblich.

Gründe: I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, erwarben durch notariellen Kaufvertrag vom 13. Mai 1988 ein Wohnhaus am Arbeitsort des Klägers, das er bereits seit Anfang 1988 als Mieter bewohnt hatte. Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten gingen laut Vertrag am 1. August 1988 über. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zog die Familie „nach und nach im Zeitraum August bis Dezember 1988 ein“.
Der Kaufpreis wurde unter anderem durch ein –am 12. Juli 1988 zugesagtes– Hypothekendarlehen über 100 000 DM finanziert. Bei der Auszahlung des Darlehens am 8. August 1988 wurde ein Disagio von 8 750 DM sowie eine Geschäftsgebühr von 100 DM einbehalten.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988 machte der Kläger Disagio und Geschäftsgebühr als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) lehnte den Abzug ab, weil die Aufwendungen erst nach Beginn der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstanden seien. Der Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid für 1988 war insoweit erfolglos.
Das FG gab der Klage statt. Es führte aus:
Disagio und Geschäftsgebühr seien vor Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstanden. Maßgebend für die Entstehung sei der Zeitpunkt, in dem die Bank das Darlehen zugesagt und der Darlehensnehmer sich zur Leistung des Disagios verpflichtet habe – im Streitfall am 12. Juli 1988.
Auch wenn man aber den Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens unter Einbehalt von Disagio und Geschäftsgebühr als entscheidend ansehe, seien die Aufwendungen im Streitfall vor Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstanden. Denn die Ehefrau des Klägers, der das Wohnhaus zur ideellen Hälfte gehöre, sei –nach den unbestrittenen Aussagen im Erörterungstermin– erst nach Auszahlung des Darlehens eingezogen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs. 6 EStG.
Es beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Zu Unrecht hat das FG das Disagio und die Geschäftsgebühr zum Abzug als Vorkosten zugelassen.
1. Der Abzug von Aufwendungen als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG setzt unter anderem voraus, daß die Aufwendungen vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind.
a) Nach der –erst nach Erlaß der Vorentscheidung veröffentlichten– Rechtsprechung des Senats sind Aufwendungen vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken „entstanden“, wenn sie wirtschaftlich dem Zeitraum vor Bezug der Wohnung zuzuordnen sind (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 8. Juni 1994 X R 30/92, BFHE 174, 541, BStBl II 1994, 893).
Laufzeitbezogene Finanzierungskosten sind daher aufzuteilen und –unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung als Vorkosten zu berücksichtigen, soweit sie auf die Zeit vor Bezug der Wohnung entfallen (BFH in BFHE 174, 541, BStBl II 1994, 893). Nicht laufzeitbezogener Kreditaufwand ist wirtschaftlich dem Zeitraum zuzuordnen, in dem er geleistet worden ist.
Ein Disagio (Damnum) ist nach der Rechtsprechung des Senats –jedenfalls bis zum Veranlagungszeitraum 1989– nicht als laufzeitbezogener, auf den Zinsfestschreibungszeitraum zu verteilender Kreditaufwand, sondern als Entgelt für einmalige Kosten der Kreditbeschaffung und andere Aufwendungen des Kreditgebers zu beurteilen. Ob das Disagio nach § 10e Abs. 6 EStG als Vorkosten abziehbar ist, hängt somit davon ab, ob es vor oder nach Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entrichtet worden ist. Wird es vereinbarungsgemäß von der auszuzahlenden Darlehenssumme einbehalten, ist somit der Zeitpunkt der Darlehensauszahlung maßgeblich. Auf den Zeitpunkt der zivilrechtlichen Verpflichtung zur Zahlung des Damnums kommt es entgegen der Auffassung des FG nicht an (BFH-Urteile vom 8. Juni 1994 X R 26/92, BFHE 174, 535, BStBl II 1994, 930, und X R 36/91, BFHE 174, 544, BStBl II 1995, 16).
b) Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken beginnt in der Regel, wenn der Eigentümer die Wohnung nach der Anschaffung oder Herstellung bezieht. Schafft der Steuerpflichtige eine Wohnung an, die er bisher als Mieter bewohnt hat, nutzt er die Wohnung von dem Zeitpunkt an zu eigenen Wohnzwecken, in dem er das (wirtschaftliche) Eigentum an der Wohnung erlangt, d.h. im Regelfall, wenn Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf ihn übergehen.
c) Steht die begünstigte Wohnung im Miteigentum von Ehegatten, welche die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllen, reicht es aus, wenn einer der Miteigentümerehegatten die Wohnung bewohnt.
aa) Unter Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist im Regelfall die Nutzung durch den Eigentümer und die Mitbenutzung der Wohnung durch die mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen zu verstehen. Bei Miteigentum an einer Wohnung steht die (anteilige, dem Miteigentumsanteil entsprechende) Wohneigentumsförderung grundsätzlich nur dem Miteigentümer zu, der selbst in der Wohnung wohnt.
Handelt es sich bei den Miteigentümern einer Wohnung um Ehegatten, welche die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG für eine Zusammenveranlagung erfüllen (unbeschränkte Steuerpflicht, kein dauerndes Getrenntleben), genügt es für die Inanspruchnahme der vollen Grundförderung und des vollen Vorkostenabzugs, daß nur einer der Miteigentümerehegatten die Wohnung bewohnt. Denn die Begünstigung hängt nicht davon ab, daß das Objekt den Mittelpunkt der Lebensführung der Ehegatten bildet und von beiden genutzt wird. Im übrigen ist nach der Rechtsprechung des Senats die persönliche Nutzung der Wohnung durch den (Mit-)Eigentümer nicht zwingend Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG; die Nutzung der Wohnung durch ein unterhaltsberechtigtes Kind z.B. ist dem Eigentümer ebenso als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zuzurechnen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 X R 94/91, BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544). Entsprechend ist innerhalb der Ehegattengemeinschaft die Nutzung der Wohnung durch einen Ehegatten auch als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des anderen Ehegatten anzusehen.
bb) Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken beginnt in dem Zeitpunkt, in welchem ein Ehegatte die Wohnung aufgrund seines eigenen oder des Eigentumsrechts des anderen Ehegatten bewohnt. Hat ein Ehegatte die Wohnung vor dem Eigentumsübergang als Mieter genutzt, ist dies der Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten. Ob und wann der andere Ehegatte einzieht, ist unerheblich.
2. Im Streitfall wurden das Disagio und die Geschäftsgebühr bei Auszahlung der Darlehenssumme am 8. August 1988 einbehalten. Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten waren aber schon am 1. August 1988 auf den Kläger und seine Ehefrau übergegangen, so daß die Finanzierungskosten nicht vor Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstanden und somit nicht als Vorkosten abziehbar sind.

Hinweise: Für die Praxis: Diese Entscheidung hat im Geltungsbereich des § 10 i EStG keine Bedeutung mehr. Für Finanzierungskosten wird eine Vorkostenpauschale in Höhe von DM 3.500 gewährt (§ 10 i Abs. 1 Nr. 1 EStG). Der Abzug von Erhaltungsaufwendungen als Vorkosten im Fall des Wohnungserwerbs durch den Mieter wird nunmehr ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 10 i Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG). Danach sind abziehbar Erhaltungsaufwendungen bis zu DM 22.500, die bis zum Ablauf des auf das Jahr der Anschaffung folgenden Kalenderjahres entstanden sind, wenn der Steuerpflichtige eine von ihm bisher als Mieter genutzte Wohnung anschafft.

 

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