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Unzulässige Domainverwendung – Freistellungsklausel des Hosters

Landgericht Koblenz

Az: 10 O 101/04

Verkündet am: 05.11.2004


In dem Rechtsstreit hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat auf die mündliche Verhandlung vom 17.09.2004 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Internetzugängen zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen:

a) Von … allen Aufwendungen, die auf der unzulässigen Verwendung einer Internet-Domain durch den Kunden oder mit Billigung des Kunden beruhen, stellt der Kunde, deren Angestellte und Erfüllungsgehilfen, die jeweilige Organisation zur Vergabe von Domains sowie sonstige für die Registrierung eingeschaltete Personen frei.

b) Der Kunde stellt von allen Kosten und Ansprüchen Dritter frei, die aus einer Verletzung der vorgenannten Pflicht resultieren.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Verbraucherzentrale und mit Wirkung zum 01 Januar 2001 in die Liste qualifizierter Einrichtungen des Bundesverwaltungsamtes eingetragen worden.

Die Beklagte vertreibt Internet-Zugänge und verwendet in diesem Zusammenhang die im Klageantrag angegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Mit Schreiben vom 26. September 2003 mahnte die Klägerin die Beklagte ab, worauf hin diese die streitgegenständlichen Klauseln mit Schreiben vom 17. Oktober 2003 als rechtmäßig verteidigte. Auch in der weiteren vorprozessualen Korrespondenz verteidigte die Beklagte die Klauseln als rechtmäßig.

Die Klägerin ist der Ansicht, die beanstandeten Klauseln seien wegen eines Verstoßes gegen §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 5 b), 308 Nr. 7 b) BGB rechtswidrig. Nach dem Wortlaut dieser Klauseln müsse der jeweilige Vertragspartner der Beklagten auch bei schuldlosem Handeln sämtliche Kosten übernehmen. Dies sei so auszulegen, dass der Vertragspartner auch uneingeschränkt ohne Verschulden haften solle, was unzulässig sei. Die Klauseln berücksichtigten nicht die bestehende Schadensminderungspflicht der Beklagten und lasse auch ein ihr evtl. anzulastendes Mitverschulden außer Acht. Danach sei ein Vertragspartner der Beklagten verpflichtet, dieser in völlig unbegrenzter Höhe alle Aufwendungen zu ersetzen, selbst wenn diese von ihm nicht schuldhaft verursacht worden sein sollten.

Die Klägerin beantragt,

1. der Beklagten zu untersagen, gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Internet-Zugängen zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen:

a) Von … allen Aufwendungen, die auf der unzulässigen Verwendung einer Internet-Domain durch den Kunden oder mit Billigung des Kunden beruhen, stellt der Kunde , deren Angestellte und Erfüllungsgehilfen, die jeweilige Organisation zur Vergabe von Domains sowie sonstige für die Registrierung eingeschaltete Personen frei.

b) Der Kunde stellt von allen Kosten und Ansprüchen Dritter frei, die aus einer Verletzung der vorgenannten Pflicht resultieren.

2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die von ihr verwendeten Klauseln seien zulässig. Es handele sich nämlich nicht um Regelungen zum Schadensersatz, sondern vielmehr um Regelungen des Aufwendungsersatzes. Es entspreche aber gerade dem gesetzlichen Leitbild des Aufwendungsersatzes, dass ein Verschuldenserfordernis nicht bestehe. Auch die in Domain-Streitigkeiten wichtigsten Ansprüche (§§ 14 V, 15 II-IV MarkenG, 1 UWG, 12, 1004 1.2 BGB) setzten kein Verschulden voraus. Ferner beinhalte bereits der Begriff „Aufwendungen“ als solcher eine Begrenzung auf den im Interesse des Kunden liegenden Umfang. Im Übrigen sei weltweit keine einzige Internet-Domain ohne eine solche verschuldensunabhängige Freistellungsvereinbarung registriert. Der Klageantrag zu 1) b) sei darüber hinaus bereits unzulässig. Da der Antrag die beanstandete Klausel dergestalt aus dem Zusammenhang reiße, dass die in Bezug genommene Verpflichtung nicht genannt werde, sei er nicht hinreichend bestimmt.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 17. September 2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin ist insbesondere gemäß §§3 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1, 4, 3 Abs. 2 UKlaG klagebefugt. Sie ist unstreitig – und im Übrigen durch die zur Gerichtsakte gereichte Bescheinigung des Bundesverwaltungsamtes (Bl. 6 d.A.) nachgewiesen – in die Liste qualifizierter Einrichtungen des Bundesverwaltungsamtes eingetragen. Ferner geht die Klägerin mit der vorliegenden Klage nicht gegen die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gegenüber Unternehmern vor.

Darüber hinaus erfüllen die Klageanträge die an sie unter dem Gesichtspunkt hinreichender Bestimmtheit zu stellenden Anforderungen. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 1 b). Insoweit ergänzt die Vorschrift des § 8 Abs. 1 UKlaG die allgemeine Regelung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Danach ist neben der Art der Rechtsgeschäfte, für die die Bestimmungen beanstandet werden, der Wortlaut der beanstandeten Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu bezeichnen. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die ganze Klausel in der vom Verwender benutzten Fassung muss der Antrag danach nur enthalten, wenn eine teilweise unwirksame Klausel insgesamt unteilbar ist (vgl. BGH, WM 1995, 851; Palandt-Bassenge, BGB, 63. Auflage 2004, § 8 UKlaG, Rdnr. 3). Ist die Klausel hingegen inhaltlich teilbar, muss der Antrag zur Vermeidung einer Teilabweisung sogar auf den unwirksamen Teil beschränkt werden (vgl. Palandt, aaO). So liegt der Fall hier. Die vorliegende Klausel ist inhaltlich teilbar. Die Klägerin greift die streitgegenständliche Regelung ohne Ansicht ihres Bezugspunktes mit den Argumenten an, sie sei unabhängig von der Art der Pflichtverletzung wegen einer Nichtberücksichtigung des Verschuldensprinzips und wegen einer fehlenden Begrenzung der Höhe nach unwirksam. Daher ist die Klausel von der Regelung der in Bezug genommenen Verpflichtung inhaltlich abtrennbar und der Klageantrag hinreichend bestimmt.

Die Klageanträge waren ferner als Unterlassungsanträge auszulegen. Die Klage ist auch begründet.

Die Klägerin hat einen auf Unterlassung der Verwendung der beanstandeten Klauseln gegenüber Verbrauchern gerichteten Anspruch gegen die Beklagte gem. § 1 UKlaG.

1.

Die im Klageantrag zu 1) mit a) bezeichnete Klausel verstößt bereits gegen das in § 307 Abs. 1 BGB normierte Bestimmtheitsgebot, da eine Deckelung des „Freistellunganspruches“ in der Klausel nicht vorgesehen ist. Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (vgl. Wolf/Horn/Lindacher-Wolf, AGB-Gesetz, 4. Aufl. 1999, § 9, Rdnr. 150). Der Umstand, dass ein solcher Anspruch ohne Begrenzung durch die Angemessenheit der aufgewendeten Kosten entstünde, führt dazu, dass der auf Grund der Klausel zu zahlende Betrag für den Kunden nicht mehr absehbare Höhen erreichen kann. Der Kunde kann im Voraus das finanzielle Risiko eines Pflichtenverstoßes nicht einschätzen (vgl. LG München I, MMR 2004, 265, 266 f. = CR 2004, 221). Die Höhe der vom jeweiligen Vertragspartner der Beklagten zu ersetzenden Kosten wäre ganz allein von der Beklagten abhängig, während der Kunde hierauf keinen Einfluss hätte. Dieser der Beklagten zukommende Spielraum auf der Rechtsfolgenseite der beanstandeten Klausel ist mit dem Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar.

Der durch die betreffende Klausel geregelte Anspruch ist auch nicht allein durch die Verwendung des Begriffes „Aufwendungen“ wirksam begrenzt. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, als es sich bei Aufwendungen begrifflich um freiwillige Vermögensopfer handelt, die im Interesse eines anderen erbracht werden (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 256, Rdnr. 1 m.w.N.). Dies ist jedoch nur so zu verstehen, dass allein das Ziel der Aufwendung im Interesse eines anderen (hier des Kunden) stehen muss. Eine Begrenzung des Umfanges geht damit nicht einher. Dies lässt sich auch bereits der Gesetzessystematik entnehmen. So hat der Gesetzgeber die von ihm geschaffenen Aufwendungsersatzansprüche stets höhenmäßig dergestalt beschränkt, dass lediglich der Ersatz der notwendigen (vgl. z.B. § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB) bzw. der zu einem bestimmten Zweck erforderlichen (vgl. z.B. § 478 Abs. 2 i.V.m. § 439 Abs. 2, § 536a Abs. 2, 637, 670 BGB) Aufwendungen verlangt werden kann. Hierfür hätte aber gerade kein Bedürfnis bestanden, wenn diese Ansprüche bereits durch den Begriff der „Aufwendungen“ begrenzt wären.

Im Übrigen kann die streitgegenständliche Klausel nicht ausschließlich als Regelung des Aufwendungsersatzes ausgelegt werden. Vielmehr muss sie auch als Regelung des Schadensersatzes verstanden werden. Maßstab für die Auslegung der streitgegenständlichen Klauseln im vorliegenden Verfahren ist die sog. kundenfeindlichste Auslegung (vgl. BGHZ 95, 353; 104, 82, 88; 108, 56; 119, 172; NJW 1999, 276; NJW 2003, 1237, st.Rspr.). Nach dieser Methode kann die streitgegenständliche Regelung durchaus dahin gehend verstanden werden, dass die Beklagte Ersatz sämtlicher ihr aus der unzulässigen Verwendung einer Internet-Domain entstehenden Kosten verlangen will. Diese Gestaltung entspricht aber gerade einem Schadensersatzanspruch. Dies gilt umso mehr, als ein Anspruchsgrund für Aufwendungsersatz in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gar nicht geschaffen werden kann (vgl. Bamberger/Roth-Becker, BGB, 1. Aufl. 2003, § 308 Nr. 7, Rdnr. 23 m.w.N.). Dann verstößt die betreffende Klausel aber auch gegen § 3 07 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Es ist nämlich ein wesentlicher Grundgedanke des bürgerlichen Rechts, dass der Schuldner nur haftet, wenn er den Schaden zu vertreten hat (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 307, Rdnr. 110). Die Klausel kann jedoch -jedenfalls nach kundenfeindlichster Auslegung – dahingehend ausgelegt werden, dass der Kunde ohne Verschulden unabhängig von einem evtl. Mitverschulden der Beklagten haftet. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, als z.B. durch § 670 BGB auch eine Zufallshaftung für Schäden begründet werden kann (vgl. Palandt-Sprau, aaO, § 670, Rdnrn. 9ff.). Nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des haftungsrechtlichen Verschuldensprinzips ist jedoch auch in diesem Fall dem Auftraggeber wenigstens der Mitverschuldenseinwand zuzubilligen (vgl. Palandt, aaO, Rdnr. 12 a.E.).

2 .

Aus den gleichen Erwägungen ist auch die im Klageantrag zu 1) mit b) bezeichnete Klausel unwirksam. Dies gilt für sie umso mehr, als sie bereits ihrem Wortlaut nach nicht auf den Ersatz von Aufwendungen beschränkt ist. Nach der kundenfeindlichsten Auslegung ist diese Klausel jedenfalls als Regelung eines Schadensersatzanspruches auszulegen und wegen der Nichtberücksichtigung des haftungsrechtlichen Verschuldensprinzips als allgemeinem Rechtsgedanken unwirksam. Die Klausel legt‘ nach kundenfeindlichster Auslegung nämlich ebenfalls eine verschuldensunabhängige Haftung des Kunden fest, da der Begriff der „Verletzung“ nach allgemeinem Verständnis lediglich die objektive Seite einer Pflichtverletzung beinhaltet und nichts über das Verschulden aussagt (vgl. LG München I, MMR 2004, 265, 268). Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen setzt die Haftung für Pflichtverstöße jedoch Verschulden voraus, so dass die streitgegenständliche Klausel gegen § 3 07 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 307, Rdnr. 110). Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.

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