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Drogenvortest – abweichende Blutuntersuchung

Oberverwaltungsgericht Münster

Az: 16 B 1026/14

Beschluss vom 05.01.2015


Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 13. August 2014 geändert.

2. Die aufschiebende Wirkung der Klage VG Gelsenkirchen 7 K 3180/14 wird wiederhergestellt.

3. Dem Antragsteller wird die Auflage erteilt,

a) innerhalb von zwei Wochen ab der Zustellung dieses Beschlusses an seine Prozessbevollmächtigten mit einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung einen Vertrag zum Nachweis seiner geltend gemachten Drogenfreiheit zu schließen, wonach während der Dauer der aufschiebenden Wirkung innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Monaten auf seine Kosten bis zu drei Drogenscreenings in Form von Urinuntersuchungen durchzuführen sind, und hiervon der Antragsgegnerin eine Ablichtung zukommen zu lassen; b) diesen Vertrag zu erfüllen und der Antragsgegnerin jeweils unverzüglich Ablichtungen von den Ergebnissen der Drogenscreenings vorzulegen.

4. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

5. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen fallen zu einem Drittel dem Antragsteller, zu zwei Dritteln der Antragsgegnerin zur Last.

6. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.550,71 Euro festgesetzt.


Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat mit der aus dem Beschlusstenor hervorgehenden Einschränkung überwiegend Erfolg.

Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Interessenabwägung fällt im Grundsatz zugunsten des Antragstellers aus. Das Ergebnis der Interessenabwägung ergibt sich nicht bereits aus der summarischen Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers. Vielmehr lässt sich nach Aktenlage die Aussicht auf einen Klageerfolg weder offensichtlich verneinen noch offensichtlich bejahen. Ob sich die angefochtene Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 9. Juli 2014 als rechtswidrig oder rechtmäßig erweisen wird, hängt von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts ab. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, ob die Antragsgegnerin, die die angefochtene Entziehungsverfügung auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV gestützt hat, aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls davon ausgehen durfte, dass diese Umstände, die zu dem positiven Ergebnis des Drogenvortests hinzutraten, ausreichen, um die Fahrungeeignetheit des Antragstellers als erwiesen anzusehen.

Ohne Erfolg macht der Antragsteller allerdings geltend, dass das Ergebnis des Drogenvortests fehlerhaft sei. Die pauschale Behauptung, dass solche Tests generell sehr fehleranfällig seien, reicht hierfür nicht aus. Das gilt auch für die bereits dem Verwaltungsgericht vorgelegten Quellen und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen. Soweit sich hieraus eine geringere Aussagekraft von Schnelltests im Vergleich zu Blutuntersuchungen ergibt,

ausführlich zum Beweiswert eines solchen positiven Tests bei demgegenüber negativem Ergebnis einer anschließenden Blutuntersuchung: Bay. VGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 – 11 CS 09.1996 – , juris, Rn. 21 bis 23,

wird dem ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass allein durch einen positiven Drogenvortest die Fahrungeeignetheit nicht nachgewiesen ist,

vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 – 11 CS 09.1996 -, a.a.O., Rn. 20; VG München, Beschluss vom 14. März 2014 – M 6b S 14.115 -, juris, Rn. 52.

Der Umstand allein, dass bei der Untersuchung der am 24. Februar 2014 um 00.27 Uhr entnommenen Blutprobe kein Drogenkonsum nachgewiesen wurde, widerlegt das Ergebnis des positiven Drogenvortests nicht. Dabei geht der Antragsteller selbst davon aus, dass Amphetamine und Metamphetamine im Urin über mehrere Tage, im Blut demgegenüber nur wenige Stunden nachweisbar sind. Widerlegt wird das Ergebnis des Vortests auch nicht durch einen vermeintlichen Widerspruch zwischen den Feststellungen der Polizeibeamten zur Stimmung (provokativ, euphorisch, redselig, unmotiviert heiter) und zu den Pupillen des Antragstellers (verkleinert) einerseits und den Symptomen andererseits, die im Verlauf des Abbaus der im Urin nachgewiesenen Substanzen während der Zeitspanne der Nachweisbarkeit im Blut auftreten sollen. Denn der Antragsteller kann auch aus anderen Gründen als durch nur wenige Stunden zuvor eingenommene Amphetamine, etwa durch vorher genossenen Alkohol, angeheitert gewesen sein. Anders als er anzunehmen scheint, setzt die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Konsums sogenannter harter Drogen nicht voraus, dass dieser Konsum im Zusammenhang mit einer Teilnahme am Straßenverkehr stattgefunden hat,

vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 30. April 2013 – 16 B 354/13 – mit weiteren Nachweisen und vom 7. April 2014 – 16 B 89/14 -.

Es ist also unerheblich, ob der Drogenkonsum einige Stunden oder einige Tage vor dem Nachweis im Urin stattgefunden hat. Entsprechend ist für den Beweiswert des Drogenvortests ohne Belang, ob die Stimmung des Antragstellers bei der Verkehrskontrolle typisch für einen Abbau der festgestellten Drogen bei einem Konsum innerhalb der letzten fünf bis sechs Stunden war.

Ob neben dem positiven Drogenvortest, der bereits eine Tatsache darstellt, die den Antragsgegner gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV zur Anordnung eines ärztlichen Gutachtens i. S. v. § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV berechtigt,

vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 – 11 CS 09.1996 -, a.a.O., Rn. 20,

tatsächlich hinreichende weitere, die Feststellung der Fahrungeeignetheit rechtfertigende Umstände vorliegen, hat der Antragsteller mit seinem Vorbringen allerdings zumindest in Zweifel gezogen.

Die Antragsgegnerin hat ihre Überzeugung auf die den Angaben des Antragstellers gegenüber den Polizeibeamten anlässlich der Verkehrskontrolle am 23. Februar 2014 gestützt, bei der dieser angegeben hat, regelmäßig Betäubungsmittel zu konsumieren. Ein Eingeständnis des Drogenkonsums durch den Betroffenen stellt zwar durchaus einen weiteren Umstand neben einem positiven Drogenvortest dar, um die Fahrungeeignetheit als erwiesen anzusehen. Im vorliegenden Fall bestehen aber zumindest Zweifel, ob die Antragsgegnerin ihre Überzeugung tatsächlich auf die Erklärungen des Antragstellers, der die Ernsthaftigkeit seiner Angaben bereits im Verwaltungsverfahren in Abrede gestellt hat, stützen kann.

Dem polizeilichen Protokoll zufolge wurde der Antragsteller von den Polizeibeamten zu eventuellem Drogenkonsum befragt, da seine Bindehäute bei der Verkehrskontrolle stark gerötet waren. Hierauf räumte er unverzüglich regelmäßigen Drogenkonsum ein, der zuletzt vor vier Wochen stattgefunden haben sollte. Auf den positiven Drogenvortest reagierte er mit der Äußerung, dass er den Betäubungsmittelkonsum vor vier Wochen doch schon eingeräumt habe. Beiden Äußerungen ist nicht zu entnehmen, den Konsum welcher Betäubungsmittel der Antragsteller gemeint hat. Ergänzend stellten die Polizeibeamten als auffällig u. a. eine provokative Stimmung mit unmotivierter Heiterkeit fest.

Vor diesem Hintergrund ist sein Vorbringen, es habe sich bei seinen pauschalen Angaben zum Drogenkonsum lediglich um eine ironische Äußerung gehandelt, zumindest geeignet, den Beweiswert seiner Angaben gegenüber den Polizeibeamten in Frage zu stellen. Denn es fehlen Anhaltspunkte dazu, ob der Antragsteller, der im Beschwerdeverfahren behauptet, die Polizeibeamten hätten Verdacht auf Cannabiskonsum zu verstehen gegeben, konkret über den Nachweis von Amphetamin und Metamphetamin aufgeklärt wurde und den Konsum dieser Betäubungsmittel eingeräumt hat. Diese Einwände des Antragstellers führen aber nicht dazu, dass eindeutig von einer ironischen Bedeutung seiner Erklärungen auszugehen wäre. Denn gegen ein solches Verständnis spricht immerhin, dass er sich nicht etwa mit einem unmittelbar vorangegangenen Drogenkonsum gebrüstet, sondern von einem vier Wochen zurückliegenden Konsum gesprochen hat. Darüber hinaus hat er weder während der Verkehrskontrolle noch bei der anschließenden ärztlichen Untersuchung Veranlassung gesehen, seine vermeintlich scherzhaften Angaben zu einem regelmäßigen Drogenkonsum richtigzustellen.

Auch seine Behauptung, die ironische Bedeutung seiner Angaben habe sich auch daraus ergeben, dass er erklärt habe, einen Kasten Bier getrunken zu haben, führt zu keiner anderen Einschätzung. Eine solche Bemerkung ist bereits nicht im Protokoll wiedergegeben. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Protokoll insoweit unvollständig wäre. Denn die Polizeibeamten haben genaue Angaben des Antragstellers zu dem vor der Kontrolle konsumierten Alkohol, zwei Flaschen Bier (0,33 Liter) der Marke “Desperados”, aufgenommen. Hätte der Antragsteller tatsächlich einen Kasten Bier angegeben, ist davon auszugehen, dass dies im Protokoll niedergelegt wäre. Anders als der Antragsteller in der Antragsschrift behauptet hat, ist dem Protokoll zufolge auch kein Alkoholtest durchgeführt worden.

Die Abwägung der widerstreitenden Interessen führt deshalb zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung unter Anordnung von Auflagen. In eng begrenzten Ausnahmefällen kann es gerechtfertigt sein, die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen die Fahrerlaubnisentziehung unter Anordnung von Auflagen nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO wiederherzustellen,

vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 11 CS 13.2281 -, juris, Rn. 14.

Unter Abwägung des Interesses des Antragstellers, weiter von seiner aufgrund einer möglicherweise zu Unrecht ohne vorherige Gutachtensanordnung entzogenen Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu dürfen, und des öffentlichen Interesses an der Sicherheit des Straßenverkehrs sowie am Schutz unbeteiligter Dritter erscheint es auch im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt, den Antragsteller durch die verfügten Auflagen auf seine Kosten zum kurzfristigen Nachweis zumindest aktueller Drogenabstinenz zu verpflichten. Denn aufgrund der Feststellungen der Polizei anlässlich der Verkehrskontrolle in der Nacht des 23. Februar 2014 besteht bei dem Antragsteller jedenfalls ein erheblicher Verdacht auf Einnahme von Amphetaminen und Metamphetaminen. So hat der Antragsteller das Ergebnis des Drogenvortests, aus dem sich bereits ein hinreichender Verdacht auf Einnahme von Amphetaminen und Metamphetaminen ergibt, durch seine Angaben gegenüber den Polizeibeamten bestätigt, indem er einen regelmäßigen Drogenkonsum nicht nur unverzüglich eingeräumt, sondern auch nach der Konfrontation mit einem positiven Drogenvortest nicht in Abrede gestellt hat. Mit Rücksicht auf dieses Verhalten erscheint es auch gerechtfertigt, dass er die ihm auferlegten Drogenscreenings auf eigene Kosten durchführt.

Der Senat hat es schließlich als notwendig, aber auch als ausreichend angesehen, dass der Antragsteller den Nachweis aktueller Drogenabstinenz während der Dauer der aufschiebenden Wirkung innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Monaten und durch bis zu drei unangekündigte Drogenscreenings erbringt, um dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und am Schutz unbeteiligter Dritter Rechnung zu tragen. Durch die Verpflichtung des Antragstellers, das Ergebnis von bis zu drei Screenings vorzulegen, berücksichtigt der Senat, dass das Klageverfahren und damit auch die Dauer der aufschiebenden Wirkung bereits nach Durchführung eines oder zweier Screenings beendet sein kann.

Sollte der Antragsteller den vorstehenden Verpflichtungen nicht fristgerecht nachkommen oder ein Drogenscreening Anhaltspunkte für einen Drogenkonsum ergeben, kann die Antragsgegnerin beim Verwaltungsgericht die Abänderung dieses Beschlusses nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO beantragen.

Soweit die auflagenfreie Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Entziehungsverfügung beantragt gewesen ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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