AG Wuppertal – Az.: 43 M 2411/22 – Beschluss vom 19.09.2022
wird der Antrag der Schuldnerin vom 07.08.2022 auf Gewährung von Räumungsschutz gemäß § 765a ZPO kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Schuldnerin.
Zusammenfassung
Die Schuldnerin hat beantragt, die Zwangsräumung ihrer Wohnung zu stoppen, da sie bald obdachlos werden würde. Jedoch hat sie den Antrag zu spät gestellt und die Gläubigerin lehnt ihn ab. Die Gläubigerin hat bereits zugestimmt, der Schuldnerin acht weitere Monate Zeit zu geben, um eine neue Wohnung zu finden. Die Schuldnerin argumentiert, dass sie sich bemüht habe, eine neue Wohnung zu finden, aber keine passende gefunden habe, da sie auch einen Hund hat. Die Gerichte entscheiden jedoch, dass die drohende Obdachlosigkeit im vorliegenden Fall keine unzumutbare Härte darstellt und die Schuldnerin selbst dafür verantwortlich ist, eine neue Unterkunft zu finden. Eine vorübergehende Obdachlosigkeit muss sie möglicherweise hinnehmen. Es wurde auch festgestellt, dass die Schuldnerin genug Zeit hatte, eine neue Wohnung zu finden, und dass die Bemühungen, die sie unternommen hat, nicht ausreichend waren. Obwohl es der Schuldnerin emotional schwer fällt, müsste sie ihren Hund notfalls in einem Tierheim oder einer Tierpension unterbringen. Außerdem sind ihre Einwände, dass sie keine Wohnung wegen eines Krieges in Rumänien und der Corona-Pandemie finden konnte, unbeachtlich, da sie nicht nachweisbar sind.
Gründe
I.
Mit vorgenannten Antrag hat die Schuldnerin die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 03.12.2021, geschlossen vor dem Amtsgericht Wuppertal (95 C 21/21), bezüglich der Räumung der von ihr innegehaltenen Wohnung F-Straße, X gemäß § 765a ZPO beantragt.
Die Räumung ist für den 22.09.2022 vorgesehen.
Die Gläubigerseite ist angehört worden. Sie hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen, da der Antrag nicht innerhalb der Frist des § 765a Abs. 3 ZPO gestellt wurde. Darüber hinaus wird hilfsweise beantragt, den Antrag auch in der Sache selbst zurückzuweisen, da eine der Schuldnerin unzumutbare Härte nicht dargelegt worden sei und Beweismittel nicht angeboten wurden.
Darüber hinaus sei der drohende Verlust der Wohnung und selbst eine vorübergehende Obdachlosigkeit im Rahmen der Räumungsvollstreckung hinzunehmen. Zudem muss sich die Schuldnerin der Angebote zur Vermeidung der Obdachlosigkeit bedienen, die ihr bereits unterbreitet wurden.
Die Gläubigerin habe sich auf eine freiwillige, einvernehmliche Lösung eingelassen, wonach der Schuldnerin noch weitere 8 Monate Zeit bekommen habe, sich eine neue Wohnung zu suchen.
Mithin hatte diese bereits mehr als 17 Monate Zeit, eine neue Wohnung zu finden. Insbesondere deshalb sei der Gläubigerin ein weiterer Aufschub der Räumung nicht zuzumuten.
Mit E-Mail vom 19.09.2022 hat die Schuldnerin Nachweise zu Ihren Bemühungen in Form von Screenshots eingereicht. Zudem hat sie eine Stellungnahme abgegeben, wonach es ihr schwierig sei, eine neue Wohnung zu finden, in der sie auch ihren Hund halten kann.
Sie habe sich nichts zu schulden kommen lassen und zudem keine familiäre oder sonstige Unterstützung und sei auf ihren Rückzugsort angewiesen.
Weiter führt sie aus, dass sie sehr wahrscheinlich in dem nächsten Monat eine Wohnung finden werde und es zur Unterzeichnung eines Mietvertrages komme. Sie bitte daher um zeitlichen Aufschub der Angelegenheiten.
Eine Anhörung der Gläubigerin zu den durch E-Mail vom 19.09.2022 vorgelegten Nachweisen und der Stellungnahme ist aufgrund der für den 22.09.2022 anberaumten Räumung nicht möglich und ist daher nicht erfolgt.
II.
Der Antrag ist unzulässig, da er nicht rechtzeitig im Sinne des § 765a Abs. 3 ZPO gestellt wurde. Eine Ausnahme des § 765a Abs. 3 ZPO liegt nicht vor.
Der Antrag war daher zurückzuweisen.
Doch selbst wenn die Frist eingehalten wäre, ist der Antrag darüber hinaus unbegründet und wäre daher ebenfalls zurückzuweisen.
III.
Zutreffenderweise hat die Gläubigerin vorgetragen, die Frist wäre bereits abgelaufen. Vorliegend ist hinsichtlich dieser Ereignisfrist nach §§ 186 ff. ZPO analog rückwärts zu rechnen. Folglich hätte der Antrag bereits am 07.09.2022 eingehen müssen.
In der Sache selbst liegen die Voraussetzung des § 765a ZPO jedoch ebenfalls nicht vor.
Nach § 765a ZPO hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag der Schuldnerin die Zwangsvollstreckung nur dann einzustellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses der Gläubigerin wegen ganz besonderen Umständen eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.
Die Vorschrift des § 765a ZPO ist somit als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (BGH 19.10.2017 – IX ZB 100/16, MDR 2017, 1444 Tz 11; BGH 25.10.2006 – VII ZB 38/06, MDR 2007, 551, 552 mwN).
Anzuwenden ist § 765a nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange (von Gläubigerin und Schuldnerin) zu einem untragbaren Ergebnis führen würde (BGH MDR 2011, 195 mwN).
Hierbei sind auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die der Schuldnerin in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Mit Härten, die jede Zwangsvollstreckung mit sich bringt, hat sich die Schuldnerin dagegen abzufinden.
Daher begründet es keine Härte im Sinne des § 765a, dass die Zwangsvollstreckung überhaupt durchgeführt wird (vgl. BGH 25.6.2004 – IXa ZB 267/03, MDR 2005, 55 = NJW 2004, 3635, 3636 f) und eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme einen erheblichen Eingriff in den Lebenskreis der Schuldnerin bewirkt.
Die Schuldnerin trägt vor, sie habe sich rechtzeitig um Ersatzwohnraum bemüht, jedoch ohne Erfolg, sodass sie durch die Zwangsräumung obdachlos werde.
Die drohende Obdachlosigkeit stellt im vorliegenden Fall keine mit den guten Sitten unvereinbarende Härte dar.
Unter sorgfältiger Abwägung der Gläubiger- und Schuldnerinteressen konnte Räumungsschutz nicht gewährt werden. Der Schuldnerin war spätestens seit Schluss des Vergleichs am 03.12.2021 klar, dass sie die Wohnung räumen müsse. Hierauf hat sie sich sogar eingelassen, da andernfalls ein Vergleich nicht zustande gekommen wäre. Die zu spät eingereichten Nachweise, sofern man diese als solche anerkennt, belegen jedoch erst vereinzelte Bemühungen seit 24.04.2022 und ernsthafte Bemühungen erst seit 26.06.2022. Hier hätte die Schuldnerin bereits früher tätig werden können und müssen.
Der Einwand, eine Wohnung demnächst wohl zu bekommen und einen entsprechenden Mietvertrag schließen zu können, ist unbeachtlich. Insbesondere liegen konkrete Nachweise diesbezüglich nicht vor.
Zudem wäre eine vorübergehende Obdachlosigkeit ggf. hinzunehmen (siehe oben). Ausnahmen hierzu sind weder erkennbar noch wurden welche vorgetragen.
Unbeachtlich ist ebenfalls, dass die Schuldnerin keine familiäre oder sonstige Unterstützung habe. Sie ist grundsätzlich für ihre Situation und die Organisation ihres Lebens selbst verantwortlich. Hätte sie ggf. Hilfe benötigt, gibt es darüber hinaus genügend ehrenamtliche Vereine bzw. ehrenamtlich tätige Menschen, die ihr hier ggf. helfen können.
Auch der Einwand, dass nicht jede Wohnung ihr zuzumuten wäre, da sie einen Hund habe, ist unbeachtlich.
Der Hund kann notfalls -soweit eine ausreichend große Wohnung nicht zur Verfügung steht- auch ggf. zeitweise oder dauerhaft anderweitig in einem Tierheim oder einer Tierpension untergebracht werden. Zwar wäre dies ein heftiger (emotionaler) Einschnitt für die Schuldnerin, das Tier ggf. dauerhaft abgeben zu müssen, andererseits ist es der Gläubigerin nicht zuzumuten, weiter auf die Herausgabe der Wohnung aus diesem Grunde zu warten. Auch wenn Haustiere als Familienmitglieder angesehen werden, kommt ihnen zudem ein besonderer Schutz -etwa wie bei Kindern- grundsätzlich nicht zu. Insoweit wäre dieser Einschnitt von der Schuldnerin hinzunehmen.
Ebenfalls unbeachtlich sind die Einwände der Schuldnerin, dass sie keine Wohnung finden konnte wegen eines Krieges in Rumänien und der Corona-Pandemie.
Zum einen sind Umzüge während der Corona-Pandemie weiterhin möglich und auch zahlreich erfolgt. Zum anderen gibt es nach Wissen des hiesigen Gerichts keinen Krieg in Rumänien. Soweit die Ukraine damit gemeint war, ist dies jedoch ebenfalls unbeachtlich, da nicht dargetan wurde, weshalb dies Einfluss auf die Wohnungssituation hier vor Ort haben soll.
Konkret kann zwar vermutet werden, dass ggf. einzelne Wohnungen an Kriegsflüchtlinge vermietet werden, jedoch betrifft dies keinesfalls sämtliche Wohnungen, die dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen. Konkrete Absagen bzgl. Wohnungen, die auf diesem Grunde beruhen, wurden ebenfalls nicht vorgelegt.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 788 ZPO.