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Druckkündigung durch Arbeitgeber

Landesarbeitsgericht Hamburg

Az.: 6 Sa 47/08

Urteil vom 03.04.2009


Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 09. April 2008 – 11 Ca 488/07 – und ihr Auflösungsantrag werden zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses, konkret um die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2007.

Der am 1960 geborene Kläger ist seit dem 29. Oktober 1986 bei der Beklagten/ihrer Rechtsvorgängerin als Drucker, zuletzt zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von Euro 1.800,00 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 18,75 Stunden beschäftigt. Bis zum 18. Juli 2006 arbeitete der Kläger jede zweite Woche 37,5 Stunden. Seit dem 18. Juli 2006 war der Kläger im Betrieb der Beklagten nicht mehr tatsächlich tätig.

Die Beklagte betreibt eine industrielle Großdruckerei und beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

Der Kläger arbeitete in den letzten drei Jahren seiner Tätigkeit für die Beklagte an einer Kleinformatdruckmaschine. Mit Schreiben vom 5. Juli 2004, 7. Dezember 2004 und 31. Januar 2005 mahnte die Beklagte den Kläger jeweils wegen unsorgfältiger Auftragsdurchführung ab. Bezüglich des Inhalts wird auf Bl. 31, 32, 34 d. A. 11 Ca 252/07 Bezug genommen. Über die Berechtigung dieser Abmahnungen besteht Streit zwischen den Parteien.

Die Parteien führten bereits verschiedene Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Hamburg. Unter dem Az. 10 Ca 238/06 wandte sich der Kläger gegen eine Kündigung der Beklagten vom 26. April 2006 zum 31. Oktober 2006. Das Arbeitsgericht Hamburg stellte mit Urteil vom 29. November 2006 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. April 2006 nicht beendet worden ist. Mit Urteil vom 13.Juni 2007 bestätigte das Landesarbeitsgericht Hamburg (6 Sa 10/07) die erstinstanzliche Entscheidung.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger erneut ordentlich zum 30. Juni 2007. Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger im Kündigungsschutzverfahren 11 Ca 585/06. Mit Urteil vom 8. August 2007 stellte das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Die Berufung der Beklagten wurde vom Landesarbeitsgericht unter 6 Sa 66/07 mit Urteil vom 3. April 2009 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. November 2007, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit der am 14. Juni 2007 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Klage gewehrt, die zunächst zum Az. 11 Ca 252/07 geführt wurde und die sodann mit Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2007 mit dem Rechtsstreit 11 Ca 488/07, in dem sich der Kläger gegen eine weitere Kündigung der Beklagten vom 25. Oktober 2007 gewandt hatte, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurde.

In der mündlichen Verhandlung beim Arbeitsgericht am 9. April 2008 hat die Beklagte die auf Feststellung gerichtete Klage des Klägers, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 25. Oktober 2007 beendet worden ist, anerkannt. Aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten hat das Arbeitsgericht am 9. April 2008 ein Teilanerkenntnisurteil erlassen.

Unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisurteils hat der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2007 nicht beendet worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

3. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Drucker weiter zu beschäftigen; sowie hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vor dem 31. Dezember 2007 seine Beendigung finden kann.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis zum 30 November 2007 aufzulösen und die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 30. Mai 2007 sei zum einen aufgrund personenbedingter Gründe gerechtfertigt. Der Kläger sei nicht in der Lage, auch nur durchschnittliche Leistungen an den noch vorhandenen Maschinen zu erbringen. Ihm fehle die fachliche Fähigkeit, um an einer großen Druckmaschine arbeiten zu können. Die erforderliche fachliche Fähigkeit könne sich der Kläger auch nicht aneignen. Bereits die abgemahnten Vorfälle zeigten, dass der Kläger selbst eine einfache 6-FarbenKleinformatdruckmaschine nicht bedienen könne. An der nunmehr genutzten 10-Farben-Goßformatdruckmaschine werde nicht nur die 4-fache Menge an Papier gedruckt, sondern dieses im Vergleich zur 6-Farben-Kleinformatdruckmaschine auch doppelt so schnell. Die mangelnde fachliche Eignung des Klägers gehe auch aus der als Anlage B 3 (Bl. 35 d. A. 11 Ca 252/07) vorgelegten schriftlichen Beurteilung des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers, des Betriebsleiters Knoll, hervor. Dieser habe gegenüber der Geschäftsleitung der Beklagten erklärt, der Kläger werde auch mit größtem Lernaufwand niemals in der Lage sein, die Maschinen der Beklagten in durchschnittlicher Art und Güte zu bedienen. Die 10-Farben-Großformatdruckmaschine sei erst seit Dezember 2006 vorhanden, weshalb der Kläger nicht bis 2002 an einer solchen Maschine tätig gewesen sein könne. Er sei vielmehr vormals an 4-, 6- und 8-Farbenmaschinen lediglich als Aushilfe und Druckhelfer eingesetzt worden.

Die Kündigung sei jedenfalls als Druckkündigung gerechtfertigt. Es sei zu Differenzen zwischen dem Kläger und den weiteren Mitarbeitern der Beklagten gekommen. Diese Differenzen seien insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Kollegen des Klägers aufgrund der fehlenden fachlichen Eignung die Arbeiten des Klägers hätten miterledigen müssen, wodurch erhebliche Mehrarbeit, Überstunden und Wochenendarbeit entstanden sei. Die Kollegen des Klägers weigerten sich deshalb, mit ihm zusammenzuarbeiten. Sie drohten für den Fall der Weiterbeschäftigung des Klägers mit eigenen Kündigungen.

Die Beklagte hat insbesondere auf die Schreiben der Mitarbeiter vom 15. Februar 2007 (Bl. 28 d. A. 11 Ca 252/07) und vom 5. Juli 2007 (Bl. 27d. A. 11 Ca 252/07) verwiesen. Die Geschäftsleitung habe sich daraufhin an die Mitarbeiter gewandt und versucht, eine gütliche Einigung zu erzielen. Eine solche habe nicht gefunden werden können, da für den Kläger eine anderweitige Beschäftigung im Betrieb nicht vorhanden sei, er eine andere Tätigkeit auch nicht ausüben könne und nach Meinung sämtlicher Beteiligter nicht in der Lage sei, an den vorhandenen Druckmaschinen der Beklagten eigenverantwortlich zu arbeiten. Die Kündigung sei auch verhältnismäßig, da der Beklagten durch die Weigerung der Mitarbeiter, mit dem Kläger weiter zusammenzuarbeiten, ein schwerer wirtschaftlicher Schaden drohe.

Selbst wenn die Kündigung sozial ungerechtfertigt sein sollte, sei eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht möglich. Die Weigerung der übrigen Mitarbeiter der Beklagten, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, stelle einen Auflösungsgrund gemäß § 9 KSchG dar.

Zudem seien im Juli 2006 auf der M-Str. in H. Flyer verteilt worden, in denen behauptet worden sei, dem Kläger sei aus politischen Gründen gekündigt worden, um dem Protest gegen weitere Arbeitszeitflexibilisierung und Unterbesetzung an den Druckmaschinen die Spitze zu nehmen. Außerdem hätten Bekannte des Klägers vor dem Werksgelände demonstriert, weshalb es zu Nachfragen von Kunden der Beklagten gekommen sei.

Ergänzend wird für das Vorbringen der Parteien in erster Instanz auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokollerklärungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Schlussurteil vom 9. April 2006 – 11 Ca 488/07 – den allgemeinen Feststellungsantrag des Klägers als unzulässig abgewiesen und im Übrigen der Klage stattgegeben. Den Auflösungsantrag der Beklagten hat es zurückgewiesen. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 69 – 80 d. A. Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 27. Mai 2008 zugestellte Schlussurteil wendet sich diese mit ihrer am 18. Juni 2008 bei Gericht eingegangenen und am 25. Juli 2008 begründeten Berufung.

Sie macht geltend, die Kündigung vom 30. Mai 2007 sei als sogenannte Druckkündigung wirksam. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seien die Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben.

Die vorgelegten Schreiben der Mitarbeiter stellten eine Zusammenfassung der Äußerungen und Weigerungen der Belegschaft gegenüber dem Kläger dar. Die Drohung mit Kündigungen sei auch mündlich verdeutlicht worden. Gerade der Entschluss der Belegschaft, sich auch schriftlich an ihren Arbeitgeber zu wenden und ihre Meinung zu erklären, mache die Ernsthaftigkeit der Drohung deutlich. Das Schreiben vom 15. Februar 2007 führe dabei den Grund der Differenzen auf. Der Kläger habe in den vergangenen 20 Jahren gezeigt, dass er fachlich nicht in der Lage sei, an größeren Maschinen im Schichtsystem mit seinen Kollegen zu arbeiten. Als „Gegenleistung“ für die durch die Leistungsmängel des Klägers entstehende Mehrarbeit der Kollegen arbeite dieser weder am Wochenende noch habe er zur Rettung des Betriebes auf Sonderleistungen verzichtet. Die Mitarbeiter seien verärgert, dass der Kläger sich auf ihre Kosten bereichere. Der im Schreiben der Belegschaft erklärte „Vorbehalt“ vermindere nicht die mündlichen Drohungen der Belegschaft.

Die damalige Stimmung im Betrieb werde durch das Schreiben vom 5. Juli 2007 nochmals verdeutlicht.

Selbst wenn nach Auffassung des Gerichts keine schriftliche Androhung einer Kündigung gegeben sei, würde die Weigerung der Belegschaft, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, eine Druckkündigung rechtfertigen.

Die Großformatdruckmaschinen würden mit zwei Druckern im Dreischichtbetrieb geführt. Jeder dieser Drucker müsse in der Lage sein, die Maschine auch alleine zu führen. Anderweitige Druckertätigkeiten seien nicht vorhanden. Soweit sich die Belegschaft weigere, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, müsste die Produktion eingestellt werden. Bemühungen der Beklagten, auf die Belegschaft einzuwirken und nach Lösungsansätzen zu suchen, seien gescheitert.

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Jedenfalls sei der Auflösungsantrag der Beklagten angesichts der Einstellung der übrigen Mitarbeiter zum Kläger begründet. Insoweit sei auch das Schreiben vom 5. Juli 2007 mit zu berücksichtigen.

Die Differenzen zwischen der Belegschaft und dem Kläger dauerten schon seit Jahren an. Sie hätten vormals durch die Beschäftigung des Klägers an einer Einzelmaschine gelöst werden können, dieser Lösungsansatz sei nun nicht mehr gegeben. Die Mitarbeiter wollten nicht tolerieren, dass sie bei einer Beschäftigung des Klägers durch seine schlechte Arbeit und seine Verweigerung der Wochenendarbeit zur Mehrarbeit gezwungen würden und der Kläger hierfür auch noch durch Sonderzuwendungen belohnt werde.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, er sei zum einen sehr wohl bereit gewesen, auch am Wochenende zu arbeiten, um somit zum Erhalt des Betriebes beizutragen. Zum anderen habe er allerdings kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anspruch auf tarifliche Zuwendungen, auf die er gemäß § 4 Abs. 4 TVG nicht verzichten könne.

Aus dem Schreiben vom 15. Februar 2005 lasse sich nicht die in der Berufungsbegründung enthaltene Behauptung ableiten, wonach der Kläger in den vergangenen 20 Jahren gezeigt habe, dass er fachlich nicht in der Lage sei, an größeren Maschinen im Schichtsystem mit seinen Kollegen zu arbeiten.

Es wäre im Übrigen auch nicht mit § 612 a BGB vereinbar, wenn der Kläger durch sein Festhalten an tariflichen Ansprüchen kündigungsrelevante Nachteile hinnehmen müsse.

Im Schreiben vom 15. Juli 2007 sei nicht erklärt worden, die Belegschaft weigere sich, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten. Der Wortlaut des Schreibens sei ein anderer, im Übrigen stellten die Unterzeichner nicht die Belegschaft dar, sondern lediglich einen Teil.

Die Argumentation der Beklagten mit der Notwendigkeit der Einstellung der Produktion sei nicht nachvollziehbar.

Dies betreffe auch den Vortrag hinsichtlich der (vermeintlichen) Bemühungen der Beklagten, die (vermeintlichen) Spannungen zwischen der Belegschaft und dem Kläger zu lösen.

Ebensowenig seien Gründe für einen Auflösungsantrag der Beklagten gegeben. Die Beklagte habe diesbezüglich keine nachprüfbaren Fakten vorgetragen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die Berufungsbegründung vom 23. Juli 2008, die Berufungserwiderung vom 27. August 2008, den weiteren Schriftsatz der Beklagten vom 24. September 2008 und den des Klägers vom 3. November 2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 4 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG) und, weil sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 517, 519, 520 ZPO), auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 9. April 2008 – 11 Ca 488/07 – ist jedoch unbegründet.

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2007 nicht beendet worden ist und Gründe für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 KSchG nicht gegeben sind.

Hieraus folgt der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Anders als im Rechtsstreit 6 Sa 66/07 folgt die Unwirksamkeit der Kündigung nicht bereits aus einer rechtskräftigen Feststellung im Teilanerkenntnisurteil des Arbeitsgerichts vom 9. April 2008.

Zwar ist auch die streitgegenständliche Kündigung vom 30. Mai 2007 vor der Kündigung vom 25. Oktober 2007 ausgesprochen worden, deren Unwirksamkeit das Arbeitsgericht mit dem Teilanerkenntnisurteil rechtskräftig festgestellt hat. Insofern ist die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom Ansatz her relevant, wonach ein klagstattgebendes Urteil in einem Kündigungsschutzverfahren nicht nur die Feststellung enthält, dass die – isoliert zu betrachtende – konkrete Kündigung unwirksam ist, sondern auch, dass zum Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Auch diese Feststellung wird vom Umfang der Rechtskraft des Kündigungsschutzurteils erfasst (BAG vom 26.6.2008 – 6 AZN 648/07 – NZA 2008, 1145; vom 16.6.2005 – 6 AZR 451/04 – EzA KSchG § 17 Nr. 15 zu II 3 der Gründe; vom 28.11.2007 – 5 AZR 952/06 – EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4; vom 20.9.2000 – 5 AZR 271/99 – BAGE 95, 324).

Es ist jedoch auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer bestimmten Kündigung die etwaige Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch eine andere Kündigung ausgeklammert sein kann (vgl. BAG vom 20.5.1999 – 2 AZR 278/98 – zu I der Gründe). Eine solche Konstellation ist im vorliegenden Fall gegeben.

Das Arbeitsgericht hat durch den Erlass eines bloßen Teilurteils bezüglich der Kündigung vom 25. Oktober 2007 erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass über die Wirksamkeit der Kündigung vom 30. Mai 2007 gesondert in einem Schlussurteil entschieden werden sollte. Hätte sogleich mittelbar eine Entscheidung über die frühere Kündigung ergehen sollen, hätte es der Aufspaltung in ein Teilurteil und ein Schlussurteil nicht bedurft.

Die Kündigung vom 30. Mai 2007 ist jedoch aus anderen Gründen rechtsunwirksam, nämlich wegen fehlender sozialer Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.

Beim Arbeitsgericht hatte die Beklagte die Kündigung sowohl auf personenbedingte Gründe gestützt als auch sich auf eine Druckkündigung bezogen.

Angesichts der Argumentation der Beklagten in der Berufungsbegründung liegt es nahe, dass die Beklagte den personenbedingten Ansatz im Berufungsverfahren nicht mehr aufrecht erhalten wollte. Es heißt dort nämlich:

„Die Kündigung vom 30.5.2007 ist als sogenannte Druckkündigung wirksam.“

Jedenfalls ist die Beklagte in keiner Weise auf die Argumentation des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil eingegangen, dass die Beklagte angesichts des betrieblichen Hintergrundes, der Anschaffung neuer Maschinen, zunächst den Versuch hätte unternehmen müssen, den Kläger an den neu angeschafften Maschinen zu schulen und ihm die Chance zu geben, seine fachliche Qualifikation zu verbessern, bevor sie dann im Fall der Erfolglosigkeit etwaiger Umschulungsmaßnahmen mit der Begründung, der Kläger könne an Großformatdruckmaschinen nicht eingesetzt werden, eine personenbedingte Kündigung ausspricht. Dies gelte jedenfalls angesichts des langjährigen Beschäftigungsverhältnisses.

Die Berufungskammer schließt sich dieser Argumentation des Arbeitsgerichts, wonach der Kläger die Möglichkeit erhalten muss, modernere und komplexere Maschinen kennenzulernen, bevor ihm mit der Begründung gekündigt wird, er sei einfach nicht in der Lage, an diesen Maschinen seine Arbeitsleistungen zu erbringen, ausdrücklich an. Weiterer Ausführungen bedarf es hierzu nicht, zumal die Beklagte sich mit der Urteilsbegründung in dem Punkt nicht ernsthaft auseinandergesetzt hat.

Die Kündigung vom 30. Mai 2007 ist auch nicht als „echte“ Druckkündigung mit betriebsbedingtem Hintergrund sozial gerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.

Dies gilt auch dann, wenn man sich nicht der Meinung anschließt, wonach eine Druckkündigung nur als außerordentliche Kündigung zulässig ist (Insam, DB 2005, 2298).

Von einer Druckkündigung spricht man, wenn von der Belegschaft, einer Gewerkschaft, dem Betriebsrat oder Geschäftspartnern des Arbeitgebers unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber (Androhung der Kündigung durch Mitarbeiter oder des Abbruchs der Geschäftsbeziehungen durch Kunden) vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangt wird (KR-Fischermeier, 8. Aufl., § 626 BGB Rdn. 204; BAG vom 31.1.1996 – 2 AZR 158/95 – AP Nr. 13 zu § 626 BGB Druckkündigung).

Der Arbeitgeber darf dabei nicht ohne Weiteres dem Verlangen auf Entlassung eines Arbeitnehmers nachgeben, sondern muss sich schützend vor den Arbeitnehmer stellen und versuchen, die Belegschaft oder diejenige Seite, von der der Druck ausgeübt wird, von ihrer Drohung abzubringen. Nur dann, wenn alle Vermittlungsversuche des Arbeitgebers gescheitert sind und dem Arbeitgeber nur die Wahl bleibt, entweder den Arbeitnehmer zu entlassen oder schwere wirtschaftliche Nachteile hinzunehmen, kann ihm ein Kündigungsgrund zugebilligt werden (BAG vom 19.6.1986 – 2 AZR 563/85 – AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). An die Zulässigkeit einer betriebsbedingten Druckkündigung sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (BAG vom 4.10.1990 – 2 AZR 201/90 – AP Nr. 12 zu § 626 BGB Druckkündigung).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist von einer sozialen Rechtfertigung der Druckkündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG im vorliegenden Fall nicht auszugehen.

Aus dem Schreiben vom 15. Februar 2007 des Herrn Q., das von mehreren Kollegen mitunterzeichnet wurde, ergibt sich zwar ein gewisser Unmut eines Teils der Belegschaft über den Kläger. Zum einen geht es hier jedoch primär um eine so genannte gleichberechtigte Behandlung in den Arbeitsbedingungen, insbesondere was Samstags- und Mehrarbeit angeht. Es wird dagegen opponiert, dass der Kläger „zu den genannten Bedingungen“ eingestellt wird.

Zum anderen behalten sich die Unterzeichner nur vor, „evtl.“ ihr Arbeitsverhältnis zu kündigen. Ein unabweisbarer Druck ist diesem Schreiben nicht zu entnehmen.

Das Schreiben vom 5. Juli 2007 ist erst nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 30. Mai 2007 verfasst worden. Es kann die Beklagte mithin nicht zum Ausspruch der Druckkündigung veranlasst haben.

Wenn die Beklagte argumentiert, das Schreiben stelle eine schriftliche Zusammenfassung der bereits zuvor abgegebenen mündlichen Erklärungen dar, so hätte sie im Einzelnen zeitlich substantiiert zu entsprechenden mündlichen Äußerungen konkreter Mitarbeiter vortragen müssen. Das Vorbringen der Beklagten ist in diesem Punkt zu vage.

Im Übrigen hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt, welche Bemühungen sie unternommen hat, um gegen den Druck, „evtl.“ zu kündigen, anzugehen und die Spannungen zwischen dem Kläger und der Belegschaft zu lösen. Gesprächsdaten und Gesprächsinhalte sind nicht konkret benannt. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die strengen Vorgaben für den Ausspruch einer Druckkündigung erfüllt hat.

Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 KSchG durch die Berufungskammer kam ebenso wenig in Betracht.

Nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes führt eine sozialwidrige Kündigung zu deren Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz (BAG vom 23.6.2005 – 2 AZR 256/04 – AP Nr. 52 zu § 9 KSchG 1969). Bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers wird dieser Grundsatz durch § 9 KSchG unter der Voraussetzung durchbrochen, dass eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht. Da hiernach eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht kommt, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen (BAG vom 12.1.2006 – 2 AZR 21/05 – AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG vom 10.7.2008 – 2 AZR 1111/06, NZA 2009, 312).

Eine Auflösung kommt vor allem in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen (BAG vom 14.5.1987 – 2 AZR 294/86 – AP Nr. 18 zu § 9 KSchG 1969; BAG vom 12.1.2006, a. a. O.).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch oder nicht mehr zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (BAG vom 10.7.2008, a. a. O.; BAG vom 7.3.2002 – 2 AZR 158/01 – AP Nr. 42 zu § 9 KSchG 1969). Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt zukunftsgerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. Wegen dieses Beurteilungszeitpunktes ist es denkbar, dass mögliche Auflösungsgründe ihr Gewicht verlieren, weil die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände sich im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung geändert haben (BAG vom 10.7.2008, a. a. O.).

Als Auflösungsgründe geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen die Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (BAG vom 10.7.2008, a. a. O.).

Liegt ein Grund vor, der an sich zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geeignet erscheint, so muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob in Anbetracht der konkreten betrieblichen Umstände noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich ist. Hier ist ein eventuell eingetretener Wandel der betrieblichen Verhältnisse von Bedeutung.

Die Beklagte beruft sich für ihren Auflösungsantrag zum einen auf die behauptete Weigerung der Belegschaft, mit dem Kläger weiter zusammenzuarbeiten und ihre Drohung mit dem Ausspruch von Kündigungen.

Dass dies bereits zur Begründung der ausgesprochenen Druckkündigung angeführt wurde, ist nicht von vornherein schädlich für den Auflösungsantrag.

Als Auflösungstatsachen können auch solche Umstände geeignet sein, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen (KR-Spilger, a. a. O., § 9 KSchG Rdn. 58; BAG vom 24.5.2005 – 8 AZR 246/04 – BAGE 114, 462; BAG vom 2.6.2005 – 2 AZR 234/04 – AP Nr. 51 zu § 9 KSchG 1969).

Wenn der Arbeitgeber sich zur Begründung seines Auflösungsantrags aber auf solche Gründe beruft, mit denen er zuvor erfolglos die ausgesprochene Kündigung begründet hat, muss er zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, dass der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung nicht rechtfertigt, gleichwohl so beschaffen ist, dass er eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt (BAG vom 24.5.2005, a. a. O.; BAG vom 2.6.2005, a. a. O.).

Im vorliegenden Fall kann sich die Beklagte darauf berufen, dass nach Ausspruch der Kündigung vom 30. Mai 2007 ein weiteres Schreiben der Belegschaft mit einer Beschwerde über den Kläger unter dem 5. Juli 2007 eingegangen ist.

Die Unterzeichner verwahren sich dagegen, dass der Kläger wieder beschäftigt wird, selbst dann, wenn er zu den gleichen Bedingungen wie alle anderen weiterbeschäftigt wird. Sie verwiesen auf die mangelnde fachliche Qualifikation des Klägers, die zu erheblicher Mehrarbeit geführt habe. Sie sehen keinen Ansatz dafür, dass der Kläger die großen Maschinen bedienen kann.

Dieses Schreiben vom 5. Juli 2007 enthält jedoch nicht den Ansatz einer Kündigungsdrohung, die Mitarbeiter bitten nur um Aussprache. Die Beklagte ist wegen der Beschwerde nicht ihrer Verpflichtung enthoben, den Kläger gegebenenfalls durch Fortbildungsmaßnahmen an die Arbeit an der neuen Maschine heranzuführen. Bereits das Arbeitsgericht hat unter Zitierung von Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die bloße Weigerung von Arbeitskollegen, mit einem Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten, die Auflösung nicht rechtfertigen kann. Da die Beklagte ihre Bemühungen zur Lösung der Spannungen bereits für die Rechtfertigung der Druckkündigung nicht konkret vorgetragen hat, kann auch für den Auflösungsantrag nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht möglich ist.

Hinsichtlich der Verteilung des Flyers in der M-Str. und der Demonstration von Personen auf dem Betriebsgelände ist zunächst darauf zu verweisen, dass keine Vermutung oder gar Lebenserfahrung dafür spricht, dass ein Arbeitnehmer, dessen Name im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung erwähnt wird bzw. mit dem Solidarität bekundet wird, diese Veröffentlichungen bzw. Kundgebungen veranlasst oder auch nur gebilligt hat (BAG vom 12.1.2006 – 2 AZR 21/05 – AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969).

Soweit die Beklagte darauf verweist, Kunden hätten sie auf die Demonstration angesprochen, es habe der Entzug von Aufträgen gedroht, was wiederum zur Unruhe in der Belegschaft wegen möglichen Arbeitsplatzverlustes geführt habe, ist dieser Vortrag nicht hinreichend konkretisiert. Es fehlen Daten und Kundennamen sowie eine genauere Schilderung der Gespräche. Im Übrigen stellt sich auch die Frage, ob angesichts des Zeitablaufs und des entscheidungserheblichen Zeitpunkts der letzten mündlichen Verhandlung diese Vorkommnisse noch Relevanz für den Auflösungsantrag haben können.

Die Berufung der Beklagten war daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG bestand keine Veranlassung.

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