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Deutscher Führerschein

VERWALTUNGSGERICHT FREIBURG 

Az.:9 K 1998/96


Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aushändigung des deutschen Führerscheins

hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Freiburg auf die mündliche Verhandlung am 23. April 1998 für Recht erkannt:

Der Bescheid des Landratsamtes Waldshut vom 13. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Freiburg vom 29. Juli 1996 wird aufgehoben. Der Beklagte – Landratsamt Waldshut – wird verurteilt, dem Kläger dessen deutschen Führerschein auszuhändigen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil wird wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit geleistet hat.

Tatbestand:

Der Kläger ist schweizerischer und deutscher Staatsangehöriger. Er hat einen Hauptwohnsitz in der Schweiz und einen zweiten Wohnsitz in Deutschland und ist in der Schweiz beruflich als Lastkraftwagenfahrer tätig. Seit dem 1. Februar 1983 ist er im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis der Führerscheinklasse 2. Auf der Grundlage dieser Fahrerlaubnis ließ er sich vom Straßenverkehrsamt des Kantons Zürich einen schweizerischen Fahrführerausweis ausstellen. Die Schweizer Behörden behielten seinen deutschen Führerschein ein und übersandten ihn an das Kraftfahrbundesamt, welches ihn an das Landratsamt Waldshut weiterleitete. Der Kläger stellte hierauf beim Landratsamt am 18. Oktober 1995 den Antrag, ihm den deutschen Führerschein wieder auszuhändigen.

Mit Bescheid vom 13. März 1996 lehnte das Landratsamt diesen Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger verfüge nach der Aushändigung des schweizerischen Fahrführerausweises nicht mehr über eine wirksame deutsche Fahrerlaubnis. Es bestehe auch keine Notwendigkeit, ihm die deutsche Fahrerlaubnis wieder zu erteilen. Nach § 4 der Verordnung für internationalen Kraftfahrzeugverkehr könne er auch mit dem schweizerischen Fahrführerschein in Deutschland Fahrzeuge führen, wenn er dort keinen ständigen Aufenthalt habe oder seit Begründung eines ständigen Aufenthalts nicht mehr als 12 Monate verstrichen seien. Wenn er seinen Hauptwohnsitz nach Deutschland verlege, könne ihm die deutsche Fahrerlaubnis nach § 15 Abs. 2 und 3 StVZO auf der Grundlage des schweizerischen Fahrführerscheins neu erteilt werden. Es sei jedoch zu beachten, daß nach § 15 Abs. 4 StVZO der deutsche Führerschein nur gegen Abgabe des ausländischen Führerscheins ausgehändigt werden könne. Hiervon könne nur in begründeten Ausnahmefällen und nur dann abgesehen werden, wenn die Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis im ausländischen Führerschein vermerkt werde. Der Kläger weigere sich indes, seinen schweizerischen Fahrführerausweis zur Eintragung eines solchen Vermerks vorzulegen.

Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch, mit dem er geltend machte, die auf der Grundlage einer deutschen Fahrerlaubnis erfolgte Ausstellung eines ausländischen Führerscheins führe nicht zum Erlöschen der deutschen Fahrerlaubnis. Wenn seine deutsche Fahrerlaubnis demgemäß weiter bestehe, habe er auch einen Anspruch auf Aushändigung des Führerscheins. Es fehle an einer gesetzlichen Regelung, die es erlaube, die Aushändigung des Führerscheins von der Eintragung eines Vermerks im ausländischen Führerschein abhängig zu machen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1996 wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch des Klägers zurück. Dies wurde damit begründet, zwar sei die deutsche Fahrerlaubnis des Klägers durch die Umschreibung nicht erloschen. In ihrem Tenor ent-spreche die Entscheidung des Landratsamtes gleichwohl der Rechtslage, da analog zu § 15 Abs. 4 StVZO mit dem Eintrag in die schweizerische Fahrerlaubnis ein Mißbrauch, insbesondere bei einem Entzug der Fahrerlaubnis, verhindert werden solle. Daß eine deutsche Behörde einen zusätzlichen Eintrag in eine ausländische Fahrerlaubnisurkunde vornehmen könne, zeigten die Bestimmungen des § 11 Abs. 2 der Verordnung über den internationalen Kraftfahrzeugverkehr sowie des § 15 Abs. 4 StVZO, der hier vom Schutzzweck und der Normlage entsprechend anzuwenden sei,

Der Kläger hat hiergegen am 28. August 1996 verwaltungsgerichtliche Klage erhoben, zu deren Begründung ergänzend ausgeführt wird, aus dem schweizerischen Führerschein sei bereits zu ersehen, daß die Umschreibung auf der Grundlage eines deutschen Führerscheins erfolgt sei. Sollte es deshalb in der Schweiz zu Maßnahmen wegen des Führerscheins kommen, könnten die Schweizer Behörden dies den deutschen Behörden mitteilen. Im übrigen verbiete sich eine analoge Anwendung der Regelung des § 15 StVZO.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Landratsamtes Waldshut vom 13. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Freiburg vom 29. Juli 1996 aufzuheben und den Beklagten – Landratsamt Waldshut – zu verurteilen, ihm seinen deutschen Führerschein auszuhändigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage anzuweisen.

Hierzu wird ausgeführt, Normzweck und Interessenlage erforderten eine analoge Anwendung von § 15 Abs. 4 StVZO. Die Akzessorietät der Schweizer Fahrerlaubnis zur deutschen müsse klar und deutlich aus dem Fahrausweis selbst hervorgehen, um bei einer Kontrolle überhaupt Anlaß zu haben, den Bestand der zugrundeliegenden deutschen Fahrerlaubnis zu überprüfen.

Dem Verwaltungsgericht liegen die zur Sache gehörenden Verwaltungsakten des Landratsamts Waldshut und Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Freiburg vor. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl nicht alle Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung vertreten waren; denn auf diese Möglichkeit sind sie in den ordnungsgemäß bewirkten Ladungen hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hatte sich auch mit der Vorverlegung des Verhandlungstermins auf 10 Uhr 30 einverstanden erklärt.

Die sachdienlich mit einem Anfechtungsantrag (i.S.v. § 42 Abs. 1 VwGO) gegen den Bescheid des Landratsamtes Waldshut vom 13. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Freiburg vom 29. Juli 1996 verbundene Klage auf (bedingungslose) Herausgabe des Führerscheins ist als kombinierte Anfechtungs- und allgemeine Leistungsklage gem. §§ 40, 42, 68 ff. VwGO zulässig und auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Aushändigung seines deutschen Führerscheins, ohne daß die deutsche Fahrerlaubnis zuvor in seinem schweizerischen Fahrführerausweis vermerkt werden müßte. Die anderslautenden Entscheidungen des Landratsamtes Waldshut vom 13. März 1996 und des Regierungspräsidiums Freiburg vom 29. Juli 1996 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die vom Beklagten als Voraussetzung für die Aushändigung des deutschen Führerscheins verlangte Vorlage des schweizerischen Fahrführerscheins bedarf als Eingriff in das Recht des Klägers, von seiner deutschen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, nach dem rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes einer gesetzlichen Grundlage, die nicht vorliegt und die auch nicht durch eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 4 Satz 6 StVZO ersetzt werden kann.

Wie auch der Beklagte inzwischen anerkennt, ist die deutsche Fahrerlaubnis des Klägers nicht dadurch erloschen, daß ihm auf ihrer Grundlage nach Schweizer Recht eine Schweizer Fahrerlaubnis erteilt und ein entsprechender Führerschein ausgehändigt wurde. Zwar sehen offenbar die schweizerischen Bestimmungen (entsprechend der in § 15 Abs. 4 Satz 1 StVZO enthaltenen Regelung des deutschen Rechts) vor, daß ein ausländischen Führerscheins nach der auf seiner Grundlage erfolgten Erteilung einer Schweizer Fahrerlaubnis (ein Vorgang, der vereinfachend, aber nicht unmißverständlich als „Umschreibung“ oder „Umtausch“ des Führerscheins bezeichnet wird) einzubehalten und an die ausstellende Behörde zurückzusenden ist. Das deutsche Recht enthält jedoch keine hieran anknüpfende Regelung, wonach eine deutsche Fahrerlaubnis erlöschen würde, wenn auf ihrer Grundlage eine ausländische Fahrererlaubnis erteilt wird. Eine derartige Regelung findet sich insbesondere nicht in der Vorschrift des § 15 Abs. 2 bis 4 StVZO, zumal dort nur die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis auf der Grundlage einer ausländischen geregelt ist (vgl. auch OVG Rh-Pf., Beschi.v. 11.5.1995, NJW 1995, S. 2180 = DÖV1995, S. 873).

Da der Kläger von der demnach fortbestehenden deutschen Fahrerlaubnis nur Gebrauch machen darf, wenn er den Führerschein bei sich führt (§ 4 Abs. 2 StVZO), bedeutet die Einbehaltung des Führerscheines einen Eingriff in sein hiermit verbrieftes Recht, der nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes durch eine gesetzliche oder auf einer gesetzlichen Regelung beruhende Rechtsgrundlage gedeckt sein müßte.

Eine derartige Rechtsgrundlage kann in der Vorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 6 StVZO unmittelbar nicht gesehen werden, da die Regelung des § 15 Abs. 2 bis 4 StVZO unmittelbar nur die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis auf der Grundlage einer ausländischen betrifft. Demzufolge kann nach § 15 Abs. 4 Satz 6 StVZO nur die Aushändigung eines (nach Abs. 2 und 3) neu ausgestellten deutschen Führerscheins von einem Vermerk in dem „alten“ ausländischen Führerscheins abhängig gemacht werden.

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Eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 4 Satz 6 StVZO ist nicht zulässig, weil sie – zulasten des Bürgers – eine nicht vorhandene Eingriffsgrundlage durch eine Entscheidung des Rechtsanwenders ersetzen bzw. den Anwendungsbereich einer vorhandenen gesetzlichen Eingriffsgrundlage erweitern würde. Dies widerspräche dem Vorbehalt des Gesetzes.

Im übrigen dürfte eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes als Voraussetzung für eine Analogie (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 248 ff.) nicht vorliegen. Denn dem vom Beklagten befürchteten Mißbrauch der ausländischen Fahrerlaubnis nach Entzug der deutschen Fahrerlaubnis kann die Straßenverkehrsbehörde durch eine Anordnung nach § 11 Abs. 2 der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr – IntVO – begegnen. Die danach mögliche Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, ist auf dem ausländischen Fahrausweis zu vermerken (vgl. § 11 Abs. 2 IntVO a. E.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Sachausspruch ist in entsprechender Anwendung von § 167 Abs. 2 VwGO nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 30.08.1989, NVwZ 1990, S. 275; a.A. VGH Kassel, Urt. v. 19.09.1989, NVwZ 1990, S. 272).

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