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Durchführung einer Unternehmensanalyse – Kündigung vor Aufnahme der Leistungserbringung

LG Saarbrücken, Az.: 13 S 178/15, Urteil vom 26.02.2016

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Homburg vom 09.10.2015 – 4 C 184/14 (10) – abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, die einen Großhandel mit Möbeln, Teppichen und Leuchten betreibt, die Zahlung einer Vergütung sowie vorgerichtlicher Inkassokosten.

Durchführung einer Unternehmensanalyse - Kündigung vor Aufnahme der Leistungserbringung
Symbolfoto: Von Indypendenz /Shutterstock.com

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit schriftlichem Vertrag vom 22.01.2013 mit der Durchführung einer sog. „Unternehmensanalyse“, die zwei Tage dauern und am 07.03.2013 um 9.00 Uhr beginnen sollte. Gegenstand sollte die Analyse der Organisation, der Mitarbeitereffizienz/Produktivität, des Zeitmanagements und der Unternehmensführung sein. Hierfür sollte die Beklagte 3.800 € zuzüglich Umsatzsteuer zahlen. Per Telefax vom 26.01.2013 kündigte die Beklagte diese Vereinbarung. In der Folgezeit bot die Klägerin wiederholt schriftlich die Leistungserbringung an.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Parteien hätten einen Dienstvertrag geschlossen. Sie könne wegen des Annahmeverzugs der Klägerin die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen in Höhe von 700 € verlangen.

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat geltend gemacht, die Vereinbarung sei mangels hinreichender Bestimmung der von der Klägerin zu erbringenden Leistung unwirksam. Außerdem handele es sich um einen Werkvertrag, so dass die Klägerin nach der Kündigung allenfalls 5 % der vereinbarten Vergütung beanspruchen könne.

Das Amtsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme in Höhe von 3.100 € zuzüglich Zinsen und Inkassokosten stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich um einen Dienstvertrag, der nicht ordentlich habe gekündigt werden können, weil eine Laufzeit fest vereinbart gewesen sei. Die Klägerin habe Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen, die nicht höher als mit 700 € anzusetzen seien.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht die geltend gemachte Vergütung nicht zu.

1. Die Beklagte war berechtigt, den Vertrag mit der Klägerin gemäß § 627 Abs. 1 BGB ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen.

a) Das Amtsgericht geht im Ergebnis zutreffend davon aus, dass die Parteien einen Dienstvertrag und nicht, wie die Berufung meint, einen Werkvertrag geschlossen haben. Im Unterschied zum Dienstvertrag, bei welchem der Verpflichtete nur die Dienst- oder Arbeitsleistung als solche zu erbringen hat, schuldet der Werkunternehmer die Herbeiführung eines gegenständlich fassbaren Arbeitsergebnisses (statt aller Sprau in: Palandt, BGB, 74. Aufl., Einf v § 631 Rn. 8). Den vertraglichen Vereinbarungen lässt sich hier nur eine Beschreibung von Tätigkeiten entnehmen, welche die Klägerin zu erbringen hat, nicht aber ein von ihr geschuldetes Leistungsergebnis. Die Leistungsbeschreibung bleibt dagegen offen, so dass bei Anwendung des Werkvertragsrechts nicht feststellbar wäre, wann die Klägerin eine abnahmefähige Leistung erbracht hätte.

b) Entgegen der Rechtsauffassung der Berufung ist die Vereinbarung auch nicht unwirksam. Eine Unwirksamkeit könnte angenommen werden, wenn sich auch nach einer Auslegung der vertraglichen Abreden nicht ermitteln ließe, in welcher Weise die Klägerin tätig werden soll (vgl. dazu Ellenberger in: Palandt, BGB, 74. Aufl., Einf v § 145 Rn. 3). Trotz der sehr pauschalen Formulierungen lässt sich hier aber immerhin feststellen, dass die Klägerin betriebliche Abläufe und Gegebenheiten im Unternehmen der Beklagten untersuchen und Vorschläge für Verbesserungsmöglichkeiten formulieren soll. Damit handelt es sich um eine ausreichend konkrete Tätigkeitsbeschreibung.

c) Die von der Klägerin zu erbringenden Dienstleistungen sind auch solche, die üblicherweise auf Grund besonderen Vertrauens übertragen werden.

aa) Dabei kommt es darauf an, ob die versprochenen qualifizierten Dienste im Allgemeinen, ihrer Art nach, nur kraft besonderen Vertrauens in die Person des Dienstverpflichteten übertragen werden; hierbei ist auf die typische Lage, nicht auf das im konkreten Einzelfall entgegengebrachte Vertrauen abzustellen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 1984 – IX ZR 14/84, NJW 1986, 373 mwN; RGZ 146, 116, 117). Das von § 627 Abs. 1 BGB vorausgesetzte generelle persönliche Vertrauen kann auch dann vorliegen, wenn es sich bei dem Dienstverpflichteten – wie hier – um eine juristische Person handelt (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2009 – III ZR 93/09, NJW 2010, 150, 152 Rn. 19 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 – III ZR 203/10, BGHZ 190, 80). Letzteres kommt insbesondere in den Fällen in Betracht, in denen die Dienstleistung den persönlichen Lebens- oder Geschäftsbereich des Dienstberechtigten betrifft und daher in besonderem Maße Diskretion erfordert (Henssler in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 627 Rn. 2 und 25), so etwa dann, wenn der Dienstverpflichtete im Rahmen einer steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Tätigkeit Einblick in die Geschäfts-, Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Dienstberechtigten erlangt. Bei der Beauftragung mit derartigen Dienstleistungen legt der Dienstberechtigte typischerweise einen gesteigerten Wert auf die persönliche Zuverlässigkeit, Loyalität und Seriosität des Dienstverpflichteten; beauftragt er eine juristische Person, so bezieht sich sein damit verbundenes persönliches Vertrauen auf eine entsprechende Auswahl, Zusammensetzung und Überwachung ihrer Organe und Mitarbeiter (BGH, Urteil vom 22.09.2011 – III ZR 95/11, NJW 2011, 3575).

bb) Danach waren die von der Klägerin zu leistenden Dienste schon deswegen solche im Sinne von § 627 Abs. 1 BGB, weil durch sie interne geschäftliche Angelegenheiten und ggf. sogar Geschäftsgeheimnisse der Beklagten betroffen waren. Damit die Klägerin die vertraglich vereinbarte „Analyse“ vornehmen konnte, musste die Beklagte ihr gegenüber geschäftliche Abläufe, Kunden- und Lieferantenbeziehungen, Personalangelegenheiten und anderes mehr offenlegen. Es liegt auf der Hand, dass die Beklagte von einem Berater, dem sie solche Einblicke in ihr Unternehmen gewährt, besondere Vertraulichkeit erwartet. Auch die Klägerin selbst hat dies in dem von ihr verwendeten Vertragsformular deutlich zum Ausdruck gebracht, indem sie sich in Ziff. 5. „zu strengster Geheimhaltung und Diskretion“ verpflichtet hat (so auch LG Saarbrücken, Urteil vom 30.01.2015 – 10 S 79/13).

2. Die Klägerin kann nach der Kündigung des Vertrages gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Vergütung nur für den von ihr bereits erbrachten Teil ihrer Leistung verlangen. Da sie noch keine Leistungen erbracht hat, besteht hier kein Vergütungsanspruch.

a) Die Dienstleistungen der Klägerin sollten nach dem Vertrag ab dem 07.03.2013 erbracht werden. Dazu ist es unstreitig nicht gekommen, weil die Beklagte zuvor die Kündigung erklärt und Leistungen der Klägerin nicht entgegengenommen hat.

b) Allerdings kann der Dienstverpflichtete im Rahmen von § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Vergütung auch für solche Aufwendungen beanspruchen, die er speziell zur Erfüllung des konkreten Vertrages bis zum Vertragsende bereits gemacht hat, die nicht mehr rückgängig zu machen und auch nicht für andere Verträge verwendbar sind (BGH, Urteil vom 5. November 1998 – III ZR 226/97, NJW 1999, 276; Urteil vom 29. Mai 1991 – IV ZR 187/90, NJW 1991, 2763). Solche Aufwendungen hat die Klägerin jedoch nicht dargetan.

aa) Insbesondere gehören dazu nicht die Kosten für die telefonische Akquise der Beklagten als Kundin und die Kosten für das Erstgespräch, im Rahmen dessen der Vertrag geschlossen wurde. Diese haben mit den von der Klägerin geschuldeten Dienstleistungen nichts zu tun, und sie sind unabhängig davon angefallen, ob überhaupt ein Vertrag zustande kommt oder nicht. Es handelt sich also nicht um Aufwendungen, die der Klägerin zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen entstanden sind.

Die Kosten der Akquise können auch nicht als sog. „Anlaufkosten“ bei der Bemessung der Vergütung Berücksichtigung finden. Soweit der Bundesgerichtshof dies für einen Partnerschaftsvermittlungsvertrag bejaht hat (Urteil vom 29. Mai 1991 – IV ZR 187/90, NJW 1991, 2763), beruhte dies auf den Besonderheiten dieses Vertrages. Eine Partnerschaftsvermittlungs-Agentur ist im Rahmen des Partnerschaftsvermittlungsvertrages verpflichtet, eine ausreichende Zahl von Wunschpartneranschriften nachzuweisen. Dieser Verpflichtung kann sie nur nachkommen, wenn sie stets neue Kunden wirbt. Daher stellt bei einem Partnerschaftsvermittlungsvertrag die Akquise neuer Kunden eine Leistung des Dienstverpflichteten dar, so dass die Kosten für diese „Anlaufarbeit“ zu der bereits verdienten Vergütung gehören. Bei der vorliegenden Fallgestaltung ist es aber für die Vertragserfüllung durch die Klägerin nicht von Bedeutung, ob sie regelmäßig noch weitere Kunden anwirbt (so auch LG Saarbrücken, Urteil vom 30.01.2015 – 10 S 79/13).

bb) Zu Unrecht macht die Klägerin ferner geltend, sie könne den anteiligen Ersatz ihrer Gemeinkosten verlangen. Zwar hat der Bundesgerichtshof im Rahmen von § 628 BGB auch die Gemeinkosten des Dienstverpflichteten für berücksichtigungsfähig gehalten (BGH, Urteil vom 29. Mai 1991 – IV ZR 187/90, aaO.). Diese können jedoch nur auf die Zeit, die der Dienstvertrag bis zur Kündigung gedauert hat, umgelegt werden (BGH aaO.; Urteil vom 5. November 1998 – III ZR 226/97, NJW 1999, 276). Vorliegend scheidet eine Berücksichtigung schon deshalb aus, weil der Vertrag vor Beginn der vertraglich vereinbarten Laufzeit gekündigt wurde. Konkrete Aufwendungen, die im Hinblick auf die Erfüllung des streitgegenständlichen Vertrages gemacht wurden, hat die Klägerin nicht dargetan.

3. Da der Klägerin in der Hauptsache kein Anspruch zusteht, hat sie auch keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Inkassokosten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

 

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