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Dusch-WC Aufsatz – Sozialhilfeträger

LSG Rheinland-Pfalz

Az: L 5 KR 59/11 B ER

Beschluss vom 10.03.2011


Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 16.2.2011 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin den beantragten Dusch-WC-Aufsatz mit Hand-/Fuß-/Wandbedienung, Montageset und Montage entsprechend der Artikelbeschreibung der Firma …. vom 14.7.2010 zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Gründe

I.

Umstritten ist, ob die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung eines Dusch-WC-Aufsatzes mit Zubehör zu verpflichten ist.

Die bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversicherte Antragstellerin leidet an einer Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom). Sie war von der Antragsgegnerin vor ca 13 Jahren mit einem Dusch-WC-Aufsatz versorgt worden. Im Juli 2010 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung einen neuen automatischen Dusch-WC-Aufsatz VAmat der Firma….. Sie machte geltend, der alte Dusch-WC-Aufsatz sei defekt und nicht mehr zu reparieren. Die Firma …..reichte bei der Antragsgegnerin einen Kostenvoranschlag vom Juli 2010 für eine Ersatzbeschaffung des Dusch-WC-Aufsatzes anstelle des defekten Geräts ein. Der Kostenvoranschlag belief sich für das Dusch-WC Amat, eine Hand-/Fuß-/Wandbedienung, ein Montageset und die Montage einschließlich Arbeitszeit und Anfahrt auf insgesamt 3.483,96 EUR.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte in seiner Stellungnahme vom September 2010 an, die Verordnung des Hilfsmittels sei nicht sachgerecht. Er wies zur Begründung auf ein Pflegegutachten vom November 2003 hin, wonach der Hilfebedarf bei der Intimreinigung der Antragstellerin pflegeversicherungsrechtlich berücksichtigt worden sei.

Am 25.1.2011 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Speyer einstweiligen Rechtsschutz durch Verpflichtung der Antragsgegnerin sowie der Stadt … als Sozialhilfeträgerin zur Übernahme der Kosten eines Dusch-WC VAmat beantragt. Sie hat vorgetragen, die Firma S Reha GmbH habe ihr seit Sommer 2010 ein Leihgerät zur Verfügung gestellt, dieses aber mit Schreiben vom 11.1.2011 zurückgefordert. Inzwischen habe die Firma das Gerät abgebaut, sodass sie dringend vorläufigen Rechtsschutz benötige. Sie könne die Kosten für die Selbstbeschaffung der Leistung nicht selbst aufbringen.

Das SG hat das Verfahren abgetrennt, soweit es sich gegen die Stadt K richtet. Durch Beschluss vom 16.2.2011 hat das SG Speyer den Antrag der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Es fehle an einem Anordnungsgrund. Dem Vorbringen der Antragstellerin lasse sich nicht entnehmen, dass ihr ein unzumutbarer Nachteil drohe, wenn sie zur Durchsetzung ihres behaupteten Anspruchs auf das noch nicht abgeschlossene Verwaltungsverfahren und ein sich ggf. anschließendes Hauptsacheverfahren verwiesen werde. Die Antragstellerin habe nicht geltend gemacht, dass bei ihr die Durchführung der Verrichtung „Ausscheidung“ einschließlich der anschließenden Reinigung des Intimbereichs ohne einen Dusch-WC-Aufsatz nicht sichergestellt sei. Die Antragsgegnerin habe nachvollziehbar vorgebracht, dass der Bedarf bei der Körperpflege für das Wasserlassen und den Stuhlgang vollständig bei der Bewertung der Pflegebedürftigkeit im Rahmen der Feststellung der Pflegestufe nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) berücksichtigt worden sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 24.2.2011 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässige Beschwerde ist begründet. Die beantragte einstweilige Anordnung ist zu erlassen; der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. Die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG) sind erfüllt, da sowohl der notwendige Anordnungsanspruch als auch der erforderliche Anordnungsgrund gegeben ist.

Der Senat kommt bei der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung des Sach- und Streitstandes zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Dusch-WC-Aufsatz als Hilfsmittel i.S.d. § 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hat. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall u.a. erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen, soweit das Hilfsmittel nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen ist. Die Antragsgegnerin hat zwar bei der Entscheidung über die Ersatzbeschaffung des Dusch-WC-Aufsatzes erneut in vollem Umfang die Voraussetzungen des Anspruchs der Antragstellerin auf die Versorgung mit diesem Hilfsmittel zu überprüfen, ohne an ihre frühere Bewilligung gebunden zu sein (BSG 24.5.2006 – B 3 KR 12/05 R, […] Rn 17). Die gesetzlichen Voraussetzungen für die begehrte Ersatzbeschaffung sind jedoch erfüllt.

Der von der Antragstellerin beantragte Dusch-WC-Aufsatz ist erforderlich, um ihre Behinderung auszugleichen. Die Versorgung mit dem Dusch-WC-Aufsatz ist zur Sicherung ihrer Grundbedürfnisse notwendig. Zu diesen zählt auch das Ausscheiden mit den dazu gehörigen Reinigungen (vgl BSG 29.4.2010 – B 3 KR 5/09 R Rn 12). Die Erforderlichkeit des Dusch-WC-Aufsatzes ergibt sich mittelbar aus der Stellungnahme des MDK, der die Notwendigkeit des Hilfsmittels nur deshalb verneint hat, weil die Reinigung des Intimbereichs bei der Antragstellerin durch die vorhandenen Pflegekräfte erfolgen könne und der hierfür anfallende Zeitaufwand bei der Ermittlung des Pflegebedarfs nach dem SGB XI berücksichtigt worden sei. Diese Argumentation des MDK, der sich die Antragsgegnerin und das SG angeschlossen haben, ist unzutreffend, weil sie den Grundprinzipien des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) zuwiderläuft.

Nach § 1 Satz 1 SGB IX dienen die Leistungen an behinderte Menschen dazu, deren Selbstbestimmung zu fördern. Zur Verwirklichung dieses Ziel muss dem behinderten Menschen vorrangig dafür Hilfestellung geleistet werden, um die Reinigung des Intimbereichs selbst ohne Mithilfe anderer Personen durchzuführen, sofern und soweit ihm dies möglich ist. Ein Verweis auf die mögliche Reinigung des Intimbereichs durch Pflegepersonen würde bei einer solchen Fallkonstellation auch gegen die verfassungsrechtlich geschützte Würde der Antragstellerin als behinderter Mensch verstoßen (Art 1 Abs. 1 Grundgesetz; vgl. BSG 12.08.2009 – B 3 KR 8/08 R, […], Rn 18 f).

Bei dem von der Antragstellerin beantragten Hilfsmittel handelt es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Auch ist die Versorgung nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen. Die Antragstellerin hat Anspruch auf Ersatzbeschaffung des Dusch-WC-Aufsatzes, weil die Reparatur des vorhandenen Geräts nicht in Betracht kommt. Denn diese ist unwirtschaftlich, wie sich aus dem Angebot der Firma S Reha GmbH vom Juli 2010 ergibt. Ob sich hinsichtlich der Voraussetzungen der der Antragstellerin zuerkannten Pflegestufe nach dem SGB XI eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ergeben haben wird, wenn sie mit dem begehrten Hilfsmittel versorgt sein wird, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Der erforderliche Anordnungsgrund ist gegeben, weil es der Antragstellerin nicht zuzumuten ist, bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens und eines etwaigen Widerspruchs- und Klageverfahrens abzuwarten, bis sie mit dem begehrten Hilfsmittel versorgt wird. Sie ist nicht in der Lage, die Kosten des Hilfsmittels selbst aufzubringen.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Da die Beschwerde Erfolg hat, sieht der Senat – im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens – von einer vorherigen Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren ab. Der Antrag auf PKH hat sich durch die zusprechende Beschwerdeentscheidung erledigt.

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