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E-Mail mit einseitiger Vertragsänderung – wettbewerbswidrig


OLG Koblenz

Az: 9 U 309/12

Urteil vom 12.09.2012


Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 14. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Kläger, ein gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG klagebefugter Verbraucherschutzverein, nimmt die Beklagte auf Unterlassung bestimmter geschäftlicher Handlung in Anspruch.

Im März 2011 hat die Beklagte Kunden, die den Tarif „…[A] Perfect“ und „…[A] Basic“ nutzen, per E-Mail angeschrieben und ihnen ab 1. Mai 2011 im Rahmen zusätzlicher Leistungsmerkmale eine Paketaufwertung, die mit einer Preiserhöhung verbunden war, angeboten.

In den betreffenden E-Mails ist u.a. aufgeführt:

„Wenn Sie sich für das Angebot entscheiden, müssen Sie nichts weiter tun. Wir benötigen von Ihnen keine ausdrückliche Annahmebestätigung. Falls Sie aber auf die vielen Features wider Erwarten verzichten möchten, teilen Sie uns bitte innerhalb einer Frist von 4 Wochen (…) mit, dass Sie unser Angebot ablehnen. Ansonsten tritt die Preisanpassung mit der nächsten regulären Abrechnung in Kraft (…).

Der Kläger ist der Ansicht, die Mitteilung an die Kunden der Beklagten stelle eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG dar. Bei den Verbrauchern entstehe der unzutreffende Eindruck, dass die Vertragsänderung ohne die erforderliche Zustimmung zustandekomme, wenn nicht innerhalb von 4 Wochen widersprochen werde. Da die Beklagte durch ihre geschäftliche Handlung auch die Unerfahrenheit der Verbraucher ausgenutzt habe, liege auch ein Verstoß gegen § 4 Nr. 2 UWG vor.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt es zu unterlassen,

“ im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen mit Verbrauchern über Webhostingverträge an Bestandskunden unaufgefordert E-Mails, wie in den Anlagen K1 und K2 wiedergegeben, zu versenden, in denen eine Änderung des Vertrages dahingehend angekündigt wird, dass der Kunde ein erhöhtes Entgelt zu zahlen hat, wenn der Kunde diese Änderung des Vertrages nicht innerhalb einer Frist von 4 Wochen ablehnt.“

Das Landgericht hat den Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 2, 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG für begründet erachtet und dazu ausgeführt, die Beklagte habe durch die E-Mails die geschäftliche Unerfahrenheit der Verbraucher ausgenutzt und zugleich eine irreführende Handlung vorgenommen, da der Eindruck erweckt werde, eine Zahlungspflicht sei nicht vom Einverständnis, sondern vom fehlenden Widerspruch der Kunden abhängig.

Fristgemäß hat die Beklagte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenstände) herleite und es dem Gericht überlasse, auf welchen Klagegrund die Verurteilung gestützt werde. Dies stelle unter dem Gesichtspunkt einer alternativen Klagehäufung einen Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dar. Im Übrigen habe das Landgericht die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 7, 4 Nr. 2, 8 UWG verkannt.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden und auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Die gemäß § 511 ff. ZPO zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger steht der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8, 3 , 5 Abs. 1 UWG zu.

Die Unterlassungsklage ist nicht als alternative Klagehäufung wegen eines Verstoßes gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen, unzulässig.

Danach darf ein Kläger nicht ein einheitliches Klagebegehren stellen, das aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) hergeleitet wird und es dem Gericht überlassen, auf welchen Streitgegenstand die Verurteilung gestützt wird. Entscheidend ist dabei, dass das einheitliche Klagebegehren aus mehreren wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen hergeleitet wird, die verschiedene prozessuale Ansprüche ( Streitgegenstände ) bilden und nicht kumulativ verfolgt werden (BGH I ZR 108/09). In einem solchen Fall muss der Kläger, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, die Reihenfolge bezeichnen, in der er die Streitgegenstände gelten machen will.

Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGHZ 154, 342).

Der Kläger leitet seinen in zweiter Instanz verteidigten Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 2, 5 Abs. 1 UWG, d.h. aus mehreren Normen, her. Der Anspruch wird aber auf denselben Sachverhalt gestützt, so dass nicht mehrere Streitgegenstände vorliegen.

Der Kläger hat den von ihm geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf eine konkrete Verletzungshandlung der Beklagten, das Versenden der E-Mails an die Kunden, gestützt. Zur Begründung seines Unterlassungsbegehrens hat der Kläger nur einen Lebenssachverhalt vorgetragen und damit nur einen Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt. Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt zugleich die Voraussetzungen mehrerer Verbotsnormen erfüllen kann, ist für die Frage, ob nur ein Streitgegenstand vorliegt oder mehrere Streitgegenstände gegeben sind, nicht maßgeblich, da die rechtliche Würdigung der beanstandeten konkreten Verletzungshandlung dem Gericht obliegt (BGH WRP 2006, 84).

Der Kläger stützt den Unterlassungsanspruch auf einen bestimmten Vorgang, den er aber nicht alternativ unter mehreren Gesichtspunkten, die selbständige prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) darstellen, als unlauter beanstandet. Der Beklagte muss sich, will er nicht verurteilt werden, nicht gegen mehrere vom Kläger im Wege einer alternativen Klagehäufung verfolgten prozessualen Ansprüche zur Wehr setzen. Vorliegend hat der Senat vielmehr bei Zugrundelegung des von den Parteien vorgetragenen einheitlichen Lebenssachverhaltes zu entscheiden, ob die Voraussetzungen einer der vom Kläger zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs angeführten Normen gegeben sind und den geltend gemachten Unterlassungsanspruch rechtfertigen.

Der Unterlassungsanspruch des Klägers folgt aus §§ 8, 3, 5 Abs. 1 UWG.

Es liegt eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG vor. Wer die Wahrheitspflicht als oberstes Gebot im Wettbewerb verletzt, verstößt in aller Regel gegen § 5 Abs. 1 UWG. Irreführend ist danach eine Werbeangabe für gewöhnlich dann, wenn mit ihr – gleich in welcher Ausdrucksform und Modifikation – sachlich etwas Unrichtiges behauptet wird (Pieper UWG § 5 Rnr. 157). Die Mitteilung in den E-Mails

„Wenn Sie sich für das Angebot entscheiden müssen Sie nichts weiter tun. Wir benötigen von Ihnen keine ausdrückliche Annahmebestätigung. Falls Sie aber auf die vielen Features wider Erwarten verzichten möchten teilen Sie uns bitte innerhalb einer Frist von 4 Wochen … mit, dass Sie unser Angebot ablehnen. Ansonsten tritt die Preisanpassung mit der nächsten regulären Abrechnung in Kraft …“

ist fehlerhaft und damit irreführend, denn die Änderung eines Vertrages ist nur durch übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragsparteien möglich. Das Schweigen auf eine einseitig erklärte Vertragsänderung ist in der Regel keine Willenserklärung. Ein Vertrag kommt durch Annahme des Angebots zustande (§§ 145 ff. BGB). Ein Ausnahmefall, in dem Schweigen als Willenserklärung anzusehen sein kann, liegt hier nicht vor. Durch die beanstandeten E-Mails entsteht bei dem Verbraucher aber der unzutreffende Eindruck, die Vertragsänderung komme zustande, wenn er nicht innerhalb von 4 Wochen widerspricht. Das ist irreführend.

Es kann dahinstehen, ob das Verhalten der Beklagten auch die Voraussetzungen einer Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit von Verbrauchern im Sinne des § 4 Nr. 2 UWG, einer Täuschung über Verbraucherrechte bei Leistungsstörungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG oder eines unlauteren Handelns gegenüber Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG erfüllt, denn der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist bereits aus §§ 8, 3, 5 UWG begründet. Durch die beanstandeten E-Mails hat die Beklagte eine irreführende und damit unlautere und somit unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen, die einen Unterlassungsanspruch aus § 8 UWG begründet.

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Die Berufung der Beklagten ist nach alledem unbegründet und war zurückzuweisen.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert wird entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats für eine durchschnittliche wettbewerbsrechtliche Streitigkeit im Rahmen eines Klageverfahrens für beide Instanzen auf 20.000,00 € festgesetzt (9 W 567/10).

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