Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Darf der Chef nach der Kündigung meine Arbeits-Mails lesen?
- Streit um ein E-Mail-Postfach: Wie kam es zum Gerichtsverfahren?
- Die Kernfrage für das Gericht: Ein Arbeitgeber als Telekommunikationsanbieter?
- Die Entscheidung des Gerichts: Das Unternehmen darf auf die E-Mails zugreifen
- Warum das Telekommunikationsgesetz hier nicht gilt
- Warum auch andere Gesetze dem ehemaligen Vorstand nicht halfen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Dürfen Arbeitgeber nach einer Kündigung meine dienstlichen E-Mails lesen?
- Welche Rolle spielt es, wenn private E-Mails über den Firmen-Account erlaubt waren?
- Welche Rechte schützen meine Kommunikation im dienstlichen E-Mail-Postfach?
- Dürfen Arbeitgeber die Inhalte meiner dienstlichen E-Mails gegen mich verwenden?
- Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber unrechtmäßig auf meine E-Mails zugreift oder diese verwertet?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 1 HK O 43/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Erfurt
- Datum: 28.04.2021
- Aktenzeichen: 1 HK O 43/20
- Verfahrensart: Einstweiliges Verfügungsverfahren
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Datenschutzrecht, Telekommunikationsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Das frühere Vorstandsmitglied des Unternehmens, das eine Einstweilige Verfügung zum Schutz seines E-Mail-Postfachs erwirkt hatte und deren Aufrechterhaltung begehrte.
- Beklagte: Das Unternehmen, bei dem der Kläger tätig war und das nach seiner Kündigung auf sein dienstliches E-Mail-Postfach zugegriffen hatte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Das frühere Vorstandsmitglied wurde außerordentlich gekündigt. Danach griff das Unternehmen ohne dessen Zustimmung auf das dienstliche E-Mail-Postfach zu, da es Pflichtverletzungen vermutete. Der Kläger hatte eine einstweilige Verfügung erwirkt, die diesen Zugriff untersagte.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob das Unternehmen nach der Kündigung berechtigt war, auf das E-Mail-Postfach des früheren Vorstandsmitglieds zuzugreifen und dessen Daten auszuwerten. Zentral war auch die Frage, ob die zuvor erlassene einstweilige Verfügung, die den Zugriff untersagte, aufrechterhalten bleibt.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht hob die ursprünglich erlassene einstweilige Verfügung auf und wies den Antrag des Klägers auf deren Erlass zurück. Die Kosten des Rechtsstreits muss das frühere Vorstandsmitglied tragen.
- Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass dem Kläger kein entsprechender Anspruch zustand. Das Unternehmen sei nicht als „Diensteanbieter“ im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zu qualifizieren, da es keine geschäftsmäßigen Telekommunikationsdienste für Dritte erbrachte. Auch Ansprüche aus anderen Rechtsvorschriften, wie dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder dem Strafgesetzbuch, griffen nicht.
- Folgen: Als Folge der Entscheidung ist der frühere Arbeitgeber nun berechtigt, auf das E-Mail-Postfach des ehemaligen Vorstandsmitglieds zuzugreifen und dessen Daten auszuwerten. Das frühere Vorstandsmitglied trägt die Prozesskosten.
Der Fall vor Gericht
Darf der Chef nach der Kündigung meine Arbeits-Mails lesen?
Viele Arbeitnehmer kennen die Situation: Der dienstliche E-Mail-Account darf auch für private Nachrichten genutzt werden. Doch was passiert mit diesem Postfach nach einer Kündigung? Darf der Arbeitgeber einfach hineinschauen, um nach wichtigen geschäftlichen Informationen zu suchen? Genau diese Frage führte zu einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Erfurt, bei dem ein ehemaliges Vorstandsmitglied und sein früheres Unternehmen um den Zugriff auf ein E-Mail-Postfach kämpften.

Die Ausgangslage war brisant: Das Unternehmen hatte seinem Vorstandsmitglied gekündigt und sich danach, ohne dessen Zustimmung, Zugang zu seinem dienstlichen E-Mail-Konto verschafft. Die Informationen, die das Unternehmen dort fand, nutzte es, um die Kündigung weiter zu begründen. Der Gekündigte wehrte sich und warf dem Unternehmen vor, seine Rechte massiv verletzt zu haben.
Streit um ein E-Mail-Postfach: Wie kam es zum Gerichtsverfahren?
Der Mann, den wir hier als „den ehemaligen Vorstand“ bezeichnen, war viele Jahre für ein IT-Unternehmen tätig. In seinem Vertrag war ausdrücklich geregelt, dass er den Firmen-E-Mail-Account auch für private Zwecke nutzen durfte. Im Februar 2020 kam es zum Bruch: Das Unternehmen sprach eine außerordentliche Kündigung aus, also eine fristlose Entlassung, und enthob ihn seiner Position als Vorstand. Kurze Zeit später wiederholte das Unternehmen die Kündigung.
Was war das Problem? Nach der Kündigung verschaffte sich das Unternehmen Zugang zum E-Mail-Postfach des ehemaligen Vorstands. In einem Schreiben der Firmenanwälte wurden dem Mann dann schwere Pflichtverletzungen vorgeworfen, wie etwa die Weiterleitung dienstlicher E-Mails an sich selbst und seine Ehefrau. Woher wussten die Anwälte das? Sie wussten es, weil das Unternehmen die E-Mails gelesen hatte. Der ehemalige Vorstand sah darin einen unzulässigen Eingriff in seine Privatsphäre und verlangte, dass das Unternehmen alle so erlangten Daten löscht und zukünftig den Zugriff unterlässt.
Da das Unternehmen dies nicht freiwillig tat, wandte sich der Mann an das Gericht und beantragte eine einstweilige Verfügung. Das ist eine Art gerichtliche Notfall-Anordnung, die sehr schnell erlassen werden kann, um eine akute Rechtsverletzung zu stoppen, bevor in einem langen Hauptverfahren endgültig darüber entschieden wird. Das Gericht gab ihm zunächst recht und erließ die Verfügung: Dem Unternehmen wurde vorläufig verboten, weiter auf das Postfach zuzugreifen und die bereits gefundenen Informationen zu verwenden. Gegen diesen Beschluss legte das Unternehmen Widerspruch ein, weshalb der Fall nun erneut und ausführlicher vor Gericht verhandelt wurde.
Die Kernfrage für das Gericht: Ein Arbeitgeber als Telekommunikationsanbieter?
Im Zentrum des Streits stand eine auf den ersten Blick seltsam anmutende Frage: Ist ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern einen E-Mail-Account zur Verfügung stellt, eine Art Telekommunikationsfirma wie die Telekom oder GMX? Diese Frage ist juristisch von enormer Bedeutung. Wäre die Antwort „Ja“, würde für das Unternehmen das strenge Telekommunikationsgesetz (TKG) gelten.
Dieses Gesetz schützt das sogenannte Fernmeldegeheimnis, also die Vertraulichkeit von Kommunikation. Es verbietet Anbietern von Telekommunikationsdiensten grundsätzlich, sich Kenntnis vom Inhalt der Kommunikation ihrer Kunden zu verschaffen. Hätte dieses Gesetz hier gegolten, wäre der Zugriff des Unternehmens auf die E-Mails klar rechtswidrig gewesen. Der ehemalige Vorstand argumentierte genau so: Da ihm die private Nutzung erlaubt war, sei das Unternehmen für ihn wie ein öffentlicher E-Mail-Anbieter aufgetreten und müsse sich an dessen strenge Regeln halten. Das Unternehmen sah das komplett anders.
Die Entscheidung des Gerichts: Das Unternehmen darf auf die E-Mails zugreifen
Nach eingehender Prüfung kam das Gericht zu einem klaren Ergebnis: Es hob seine ursprüngliche einstweilige Verfügung wieder auf. Der Antrag des ehemaligen Vorstands wurde abgewiesen. Das bedeutet konkret: Das Verbot für das Unternehmen, auf die E-Mails zuzugreifen und sie zu verwerten, wurde gekippt. Der ehemalige Vorstand verlor diesen Rechtsstreit und musste die Kosten des Verfahrens tragen. Doch wie kam das Gericht zu dieser Kehrtwende?
Warum das Telekommunikationsgesetz hier nicht gilt
Die Richter begründeten ihre Entscheidung Schritt für Schritt. Der wichtigste Punkt war, dass der ehemalige Vorstand keinen Verfügungsanspruch hatte. Das bedeutet in einfacher Sprache: Er hatte rechtlich keine Grundlage, um dem Unternehmen den Zugriff zu verbieten.
Was ist ein „Diensteanbieter“?
Das Gericht stellte klar, dass das Telekommunikationsgesetz (TKG) hier nicht anwendbar ist. Der Grund: Das Unternehmen sei kein „Diensteanbieter“ im Sinne dieses Gesetzes. Ein Diensteanbieter ist laut Gesetz jemand, der „geschäftsmäßig“ Telekommunikationsdienste für andere erbringt. Das entscheidende Wort ist „geschäftsmäßig“. Es bedeutet, dass eine Leistung zielgerichtet und auf eine gewisse Dauer angelegt am Markt für Dritte angeboten wird. Ein typisches Beispiel ist ein Mobilfunkanbieter, der Verträge mit unzähligen Kunden abschließt.
Der Unterschied zwischen internem und externem Angebot
Genau das tue ein Arbeitgeber aber nicht, so das Gericht. Ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern E-Mail-Adressen gibt, tritt nicht als Konkurrent zu GMX oder Web.de am freien Markt auf. Es bietet diese Leistung nicht extern für beliebige Dritte an, sondern intern für seine eigenen Beschäftigten – und das in erster Linie, damit diese ihre Arbeit erledigen können. Der Arbeitgeber ist in dieser Konstellation nicht der Anbieter, sondern selbst nur der Nutzer eines Dienstes, den er von einem echten Telekommunikationsunternehmen einkauft und an seine Mitarbeiter weiterreicht.
Um das mit einem Alltagsbeispiel zu vergleichen: Wenn Eltern für ihr Kind einen Handyvertrag abschließen und ihm das Handy zur Verfügung stellen, werden die Eltern dadurch nicht selbst zu einem Telekommunikationsunternehmen wie Vodafone oder O2. Sie bleiben Kunden, die eine Leistung nutzen und einem anderen die Mitbenutzung erlauben.
Der Zweck des Gesetzes: Wettbewerb, nicht Arbeitsrecht
Die Richter schauten sich auch den Sinn und Zweck des Telekommunikationsgesetzes an. Es wurde geschaffen, um den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt zu fördern und eine gute Infrastruktur sicherzustellen. Es ist also ein Gesetz, das den Markt reguliert, und nicht dazu gedacht, die internen Rechtsbeziehungen zwischen einem Arbeitgeber und seinen Mitarbeitern zu regeln.
Warum auch andere Gesetze dem ehemaligen Vorstand nicht halfen
Der ehemalige Vorstand hatte seine Forderung aber nicht nur auf das Telekommunikationsgesetz gestützt. Er berief sich auch auf andere rechtliche Grundlagen – doch auch hier folgte ihm das Gericht nicht.
Das Strafgesetzbuch: Kein Ausspähen von Firmendaten
Der Mann argumentierte, das Unternehmen habe sich durch das „Ausspähen von Daten“ strafbar gemacht. Das Gericht sah das anders. Zwar hat sich das Unternehmen Zugang zu den E-Mails verschafft. Es ging dabei aber um dienstliche E-Mails auf einem Firmenserver. Der Vorwurf des Ausspähens setzt voraus, dass man sich Zugang zu Daten verschafft, die nicht für einen selbst bestimmt sind. Dienstliche E-Mails sind aber grundsätzlich für das Unternehmen bestimmt. Der ehemalige Vorstand konnte zudem nicht beweisen, dass das Unternehmen gezielt seine privaten Mails gelesen hatte.
Das Persönlichkeitsrecht: Die Interessen des Unternehmens überwiegen
Jeder Mensch hat ein Allgemeines Persönlichkeitsrecht, das durch das Grundgesetz geschützt wird und auch die private Kommunikation umfasst. Ein Zugriff auf persönliche Daten ist ein Eingriff in dieses Recht. Ein solcher Eingriff ist aber nicht automatisch verboten. Er ist nur dann unzulässig, wenn er „rechtswidrig“ ist. Um das zu beurteilen, muss man eine Interessenabwägung durchführen: Wessen Interesse wiegt schwerer? Das Interesse des ehemaligen Vorstands an der Geheimhaltung seiner E-Mails oder das Interesse des Unternehmens, auf seine eigenen Geschäftsdaten zuzugreifen?
Hier entschied das Gericht zugunsten des Unternehmens. Dienstliche E-Mails sind Teil der Geschäftsabläufe. Ein Unternehmen muss auch nach dem Ausscheiden eines Mitarbeiters, insbesondere eines Vorstands, die Möglichkeit haben, auf geschäftliche Korrespondenz zuzugreifen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, Projekte weiterzuführen oder Sachverhalte aufzuklären. Dieses betriebliche Interesse wog für das Gericht schwerer als das Geheimhaltungsinteresse des ehemaligen Mitarbeiters an den auf dem Firmenserver gespeicherten E-Mails.
Das Grundgesetz: Schutz für die Kommunikation, nicht für gespeicherte Geschäftsdaten
Zuletzt berief sich der Gekündigte auf das im Grundgesetz verankerte Fernmeldegeheimnis. Dieses schützt die Kommunikation vor dem Zugriff durch den Staat. Das Gericht bestätigte zwar, dass auch E-Mails, die auf einem Server gespeichert sind, grundsätzlich unter diesen Schutz fallen. Es schränkte aber ein: Der besondere Schutz des Fernmeldegeheimnisses zielt vor allem auf die Gefahren ab, die bei der Übermittlung von Nachrichten über eine räumliche Distanz entstehen. Sobald eine dienstliche E-Mail aber auf dem Server des Unternehmens eingegangen ist, ist sie Teil der internen betrieblichen Sphäre. Sie ist dann nicht mehr nur eine „Nachricht unterwegs“, sondern eine gespeicherte Geschäftsunterlage, auf die das Unternehmen ein berechtigtes Zugriffsinteresse haben kann.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Gericht entschied, dass Arbeitgeber grundsätzlich auf dienstliche E-Mail-Postfächer zugreifen dürfen, auch wenn private Nutzung erlaubt war – selbst nach einer Kündigung. Unternehmen gelten nicht als Telekommunikationsanbieter wie GMX oder die Telekom, sondern stellen E-Mails nur intern für ihre Mitarbeiter zur Verfügung, weshalb die strengen Schutzregeln des Telekommunikationsgesetzes nicht greifen. Das berechtigte Geschäftsinteresse des Arbeitgebers, auf wichtige Firmendaten und Korrespondenz zuzugreifen, wiegt schwerer als das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters auf Geheimhaltung seiner auf dem Firmenserver gespeicherten Nachrichten. Für Arbeitnehmer bedeutet dies: Wer private Inhalte per Firmen-E-Mail versendet, muss damit rechnen, dass der Chef diese nach einer Kündigung einsehen kann – eine private E-Mail-Adresse bietet deutlich besseren Schutz.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Dürfen Arbeitgeber nach einer Kündigung meine dienstlichen E-Mails lesen?
Ob Arbeitgeber nach einer Kündigung dienstliche E-Mails lesen dürfen, hängt von mehreren entscheidenden Faktoren ab, die vor allem den Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers schützen. Es ist eine Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitgebers und den Persönlichkeitsrechten des ehemaligen Mitarbeiters.
Entscheidend ist die Nutzung von E-Mails im Arbeitsverhältnis
Der zentrale Punkt ist, ob der Arbeitgeber die private Nutzung von E-Mails über die dienstlichen Systeme erlaubt oder zumindest stillschweigend geduldet hat.
- Keine private Nutzung erlaubt oder explizit verboten: Wenn die private Nutzung von E-Mails am Arbeitsplatz oder über die dienstlichen E-Mail-Accounts klar untersagt war, darf der Arbeitgeber grundsätzlich auf rein geschäftliche E-Mails zugreifen. Dies dient dazu, betriebliche Abläufe aufrechtzuerhalten, Kundendaten zu sichern oder offene Projekte zu klären. Es wird vermutet, dass sich auf diesen Accounts keine privaten Inhalte befinden sollten. Sollten dennoch private Nachrichten gefunden werden, ist der Zugriff darauf in der Regel unzulässig.
- Private Nutzung erlaubt oder stillschweigend geduldet: Erlaubt der Arbeitgeber die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts oder duldet er diese ohne ausdrückliches Verbot, entsteht ein Telekommunikationsgeheimnis. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber in Bezug auf die privaten E-Mails wie ein Telekommunikationsanbieter behandelt wird. Er darf diese E-Mails dann grundsätzlich nicht lesen oder speichern, da dies gegen das Telekommunikation-Digitale-Dienste-Gesetz (TTDSG) und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen würde. Dies gilt auch für private Nachrichten, die versehentlich über den dienstlichen Account versendet oder empfangen wurden.
Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an geschäftlichen Daten
Auch wenn ein Arbeitgeber grundsätzlich auf geschäftliche E-Mails zugreifen darf, muss ein berechtigtes Interesse vorliegen. Typische Gründe dafür sind:
- Sicherung von Geschäftsdaten: Um sicherzustellen, dass wichtige Informationen für den Betrieb nicht verloren gehen.
- Aufrechterhaltung des Betriebsablaufs: Damit Kollegen oder Nachfolger die Kommunikation mit Kunden oder Partnern nahtlos fortsetzen können.
- Nachweis von Pflichtverletzungen: In Ausnahmefällen, wenn ein konkreter Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung besteht, die durch E-Mails belegt werden könnte. Hier sind die Hürden jedoch sehr hoch und die Maßnahme muss verhältnismäßig sein.
Der Zugriff auf die E-Mails muss dabei verhältnismäßig sein und darf nur die wirklich notwendigen Inhalte betreffen. Es ist oft erforderlich, dass der Arbeitnehmer über den Zugriff informiert wird oder sogar dabei anwesend sein darf, wenn private Nutzung erlaubt war. Die E-Mails sollten zudem möglichst nach geschäftlichen und privaten Inhalten getrennt werden, bevor der Arbeitgeber sie sichtet. Idealerweise erfolgt die Sichtung durch eine neutrale Person oder unter Beteiligung des Betriebsrats, sofern vorhanden.
Für Sie bedeutet das, dass der Schutz Ihrer Privatsphäre bei dienstlichen E-Mails stark davon abhängt, welche Regeln zur privaten Nutzung in Ihrem Unternehmen gelten.
Welche Rolle spielt es, wenn private E-Mails über den Firmen-Account erlaubt waren?
Wenn ein Arbeitgeber die private Nutzung des Firmen-E-Mail-Accounts ausdrücklich erlaubt oder über einen längeren Zeitraum duldet, entsteht beim Arbeitnehmer eine legitime Erwartung an die Vertraulichkeit seiner privaten Kommunikation. Dies ist ein entscheidender Unterschied zu Fällen, in denen private E-Mails strikt verboten sind oder nur in Ausnahmefällen geduldet werden.
Die Erwartung an die Vertraulichkeit bei erlaubter Privatnutzung
Sobald die private E-Mail-Nutzung erlaubt ist, kann der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass seine privaten Nachrichten auf dem Firmen-Account denselben Schutz genießen wie andere private Kommunikation, etwa ein privater Brief oder ein Telefonat. Diese Erwartungshaltung ist rechtlich relevant, denn sie beeinflusst maßgeblich, welche Rechte der Arbeitgeber im Hinblick auf den Zugriff auf diese E-Mails hat. Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet dies, dass Ihre Privatsphäre einen besonders hohen Stellenwert einnimmt.
Grenzen des Zugriffs für den Arbeitgeber
Die Erlaubnis zur privaten Nutzung schränkt die Zugriffsmöglichkeiten des Arbeitgebers auf private E-Mails erheblich ein. Ein Arbeitgeber darf in der Regel nicht ohne Weiteres auf private E-Mails zugreifen. Dies gilt auch, wenn der E-Mail-Account technisch dem Unternehmen gehört. Der Inhalt der privaten Kommunikation ist durch verschiedene Gesetze geschützt:
- Persönlichkeitsrecht: Jeder Mensch hat ein Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und damit auch seiner privaten Kommunikation.
- Datenschutzrecht (DSGVO und BDSG): Private E-Mails enthalten personenbezogene Daten und unterliegen daher den strengen Regeln des Datenschutzes. Ein Zugriff ohne Rechtsgrundlage ist unzulässig.
- Fernmeldegeheimnis: Wenn der Arbeitgeber die private E-Mail-Nutzung erlaubt, kann er in Bezug auf diese private Kommunikation als „Diensteanbieter“ im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) behandelt werden. Dies bedeutet, dass er das Fernmeldegeheimnis wahren muss, das den Inhalt der Kommunikation schützt. Das ist vergleichbar mit der Pflicht eines Telefonanbieters, Ihre Gespräche nicht abzuhören. Der Arbeitgeber wird zwar nicht automatisch zu einem Telekommunikationsanbieter im klassischen Sinne, aber die Duldung der Privatnutzung führt dazu, dass die strengen Schutzvorschriften des Telekommunikationsrechts auf diese privaten Inhalte angewendet werden können.
Ein Zugriff durch den Arbeitgeber auf private E-Mails ist selbst bei erlaubter Nutzung nur unter sehr engen Voraussetzungen denkbar, beispielsweise bei einem konkreten und schwerwiegenden Verdacht einer Straftat, einer erheblichen Pflichtverletzung oder zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr, und oft nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Arbeitnehmers oder einer richterlichen Anordnung. Die Hürden für einen zulässigen Zugriff sind sehr hoch.
Auswirkungen auf den Arbeitnehmer
Für den Arbeitnehmer bedeutet die erlaubte private Nutzung, dass seine Privatsphäre auch im digitalen Raum des Firmen-Accounts geschützt ist. Ein unbefugter Zugriff des Arbeitgebers auf solche E-Mails kann nicht nur zu Schadensersatzansprüchen führen, sondern die so erlangten Informationen dürfen oft auch nicht als Beweismittel in einem Arbeitsgerichtsprozess verwendet werden.
Welche Rechte schützen meine Kommunikation im dienstlichen E-Mail-Postfach?
Ihre Kommunikation im dienstlichen E-Mail-Postfach steht grundsätzlich unter Schutz, allerdings mit wichtigen Einschränkungen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis und den berechtigten Interessen des Arbeitgebers ergeben. Für juristische Laien ist es wichtig zu verstehen, dass der Grad des Schutzes stark davon abhängt, ob eine private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Postfachs erlaubt oder verboten ist.
Grundlegende Schutzrechte
Der Schutz Ihrer Kommunikation basiert auf mehreren Säulen des deutschen Rechts:
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Dieses Recht schützt Ihre private Lebensgestaltung und die Vertraulichkeit Ihrer persönlichen Daten. Es bedeutet, dass Sie grundsätzlich selbst bestimmen dürfen, was mit Ihren persönlichen Informationen geschieht. Wenn Sie ein dienstliches E-Mail-Postfach für private Zwecke nutzen dürfen – sei es durch eine ausdrückliche Erlaubnis oder weil der Arbeitgeber dies duldet – dann erstreckt sich Ihr Persönlichkeitsrecht auch auf private Nachrichten in diesem Postfach.
- Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 Grundgesetz): Dieses Grundrecht sichert die Vertraulichkeit der Kommunikation über Telekommunikationsmittel wie E-Mails. Es schützt nicht nur den Inhalt Ihrer Nachrichten, sondern auch die Umstände der Kommunikation, wie zum Beispiel die Tatsache, wer wann mit wem kommuniziert hat. Sobald private E-Mails über ein dienstliches Postfach verschickt oder empfangen werden dürfen, greift das Fernmeldegeheimnis. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber diese privaten Nachrichten nicht einfach einsehen oder überwachen darf.
- Datenschutzrecht (insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO – und das Bundesdatenschutzgesetz – BDSG): Diese Gesetze regeln den Umgang mit personenbezogenen Daten. E-Mails, die persönliche Informationen enthalten, sind personenbezogene Daten. Der Arbeitgeber darf diese Daten nur verarbeiten (also zum Beispiel speichern, einsehen oder nutzen), wenn eine klare gesetzliche Grundlage oder eine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt.
Einschränkungen der Schutzrechte
Die genannten Schutzrechte sind nicht absolut und können durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers eingeschränkt sein. Die entscheidende Frage ist hier die Erlaubnis der privaten Nutzung:
- Wenn private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Postfachs erlaubt oder geduldet ist: In diesem Fall ist der Schutz Ihrer Kommunikation im dienstlichen Postfach sehr stark. Der Arbeitgeber darf private E-Mails dann grundsätzlich nicht einsehen, überwachen oder speichern. Eine Überwachung wäre nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig, beispielsweise wenn ein konkreter Verdacht auf eine schwere Straftat besteht und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, oder wenn eine ausdrückliche, freiwillige Einwilligung der Arbeitnehmer vorliegt. Auch eine Betriebsvereinbarung kann hier Regelungen treffen, die jedoch die Grundrechte der Arbeitnehmer nicht unangemessen einschränken dürfen. Für Sie bedeutet das: Erlaubte Privatnutzung führt zu einem hohen Schutz Ihrer Privatsphäre.
- Wenn private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Postfachs ausdrücklich verboten ist und dies auch kontrolliert wird: Ist die private Nutzung in einer Dienstanweisung oder Betriebsvereinbarung klar untersagt und dies wird auch technisch oder organisatorisch durchgesetzt, dann können Sie in der Regel keine Privatsphäre für Ihre Kommunikation über dieses Postfach erwarten. Der Arbeitgeber hat dann ein deutlich größeres Recht, das dienstliche Postfach zu kontrollieren, um betriebliche Abläufe zu gewährleisten oder Missbrauch zu verhindern. Er kann beispielsweise auf geschäftliche Korrespondenz zugreifen. Selbst in diesem Fall darf der Arbeitgeber aber nicht willkürlich persönliche Daten sammeln oder private Inhalte einsehen, die nicht geschäftlich sind. Der Zugriff muss immer verhältnismäßig sein und auf die betrieblichen Erfordernisse beschränkt bleiben. Für Sie bedeutet das: Ist die Privatnutzung verboten, ist Ihr Schutz geringer.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Schutz Ihrer Kommunikation in einem dienstlichen E-Mail-Postfach in erster Linie davon abhängt, welche Regelungen zur privaten Nutzung in Ihrem Unternehmen bestehen und ob diese auch tatsächlich angewendet werden.
Dürfen Arbeitgeber die Inhalte meiner dienstlichen E-Mails gegen mich verwenden?
Ob ein Arbeitgeber die Inhalte Ihrer dienstlichen E-Mails gegen Sie verwenden darf, zum Beispiel um eine Kündigung zu begründen, hängt entscheidend davon ab, wie der Arbeitgeber an diese E-Mails gelangt ist und ob der Zugriff rechtmäßig war.
Wann eine Verwendung grundsätzlich möglich ist
Wenn der Arbeitgeber auf die E-Mails rechtmäßig zugegriffen hat, ist die Verwendung der darin enthaltenen Informationen in der Regel zulässig. Ein solcher rechtmäßiger Zugriff liegt meist vor, wenn:
- Der Arbeitgeber die E-Mail-Kommunikation rein dienstlich überwacht und Sie als Arbeitnehmer wissen, dass eine private Nutzung des Dienst-E-Mail-Kontos untersagt ist und dies auch kontrolliert wird.
- Es eine klare Unternehmensrichtlinie gibt, die den dienstlichen Charakter der E-Mail-Konten festlegt und deren Kontrolle transparent regelt.
- Ein berechtigter Anlass vorliegt, wie der konkrete Verdacht einer Straftat oder einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, und der Zugriff verhältnismäßig war.
- Sie als Arbeitnehmer ausdrücklich eingewilligt haben oder der Zugriff aufgrund einer gesetzlichen Erlaubnis erfolgte.
In diesen Fällen können geschäftliche Informationen, die der Arbeitgeber rechtmäßig erhalten hat, zur Aufklärung von Sachverhalten, zur Beweisführung von Pflichtverletzungen oder als Grundlage für arbeitsrechtliche Maßnahmen wie eine Kündigung genutzt werden.
Wann eine Verwendung schwierig oder ausgeschlossen ist
Ganz anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber unrechtmäßig auf Ihre E-Mails zugegriffen hat. Dies ist oft der Fall, wenn:
- Der Arbeitgeber Ihre E-Mails heimlich oder ohne konkreten Anlass ausspäht.
- Ihnen die private Nutzung des Dienst-E-Mail-Kontos erlaubt oder stillschweigend geduldet wird und der Arbeitgeber dann auf private Inhalte zugreift. Dies stellt einen besonders schweren Eingriff in Ihr Persönlichkeitsrecht dar.
Wenn der Zugriff unrechtmäßig erfolgte und dabei Ihre Persönlichkeitsrechte massiv verletzt wurden, kann dies zu einem sogenannten Beweisverwertungsverbot führen. Ein Beweisverwertungsverbot bedeutet, dass ein Gericht die so gewonnenen Informationen nicht zur Entscheidungsfindung heranziehen darf. Sie dürfen dann nicht als Beweis gegen Sie verwendet werden, selbst wenn sie einen Sachverhalt belegen könnten. Für Sie bedeutet das, dass der Arbeitgeber sich im Streitfall nicht auf solche E-Mails berufen kann.
Es ist also entscheidend, ob der Zugriff auf die E-Mails im Einklang mit den Datenschutzbestimmungen und Ihren Persönlichkeitsrechten erfolgte.
Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber unrechtmäßig auf meine E-Mails zugreift oder diese verwertet?
Wenn ein Arbeitgeber unrechtmäßig auf private E-Mails zugreift oder deren Inhalte verwertet, stellt dies eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dies betrifft auch das Recht auf den Schutz der eigenen Daten.
Schutz der E-Mail-Kommunikation im Arbeitsverhältnis
Grundsätzlich gilt: E-Mails sind im Arbeitsverhältnis privat und vor dem Zugriff des Arbeitgebers geschützt, sofern private E-Mail-Nutzung nicht ausdrücklich verboten und dieses Verbot auch durchgesetzt wird. Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung von E-Mails über seine Systeme erlaubt oder duldet, entsteht ein Vertrauensverhältnis. In diesem Fall sind diese E-Mails besonders geschützt, ähnlich dem Briefgeheimnis. Selbst wenn private Nutzung verboten ist, darf der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres auf private Inhalte zugreifen. Ein solcher Zugriff ist nur unter sehr engen Voraussetzungen denkbar, etwa bei einem konkreten und nachweisbaren Verdacht einer Straftat, und muss verhältnismäßig sein.
Handlungsoptionen bei unrechtmäßigem Zugriff
Sollten Sie Anhaltspunkte dafür haben, dass Ihr Arbeitgeber unrechtmäßig auf Ihre E-Mails zugreift oder diese nutzt, gibt es verschiedene allgemeine Schritte, die in solchen Situationen relevant sein können:
- Aufforderung zur Unterlassung und Löschung: Sie können den Arbeitgeber schriftlich auffordern, den unberechtigten Zugriff sofort einzustellen und alle unrechtmäßig erlangten Daten zu löschen. Dokumentieren Sie dabei, wann und wie Sie von dem Zugriff erfahren haben.
- Beschwerde bei internen Stellen: Existiert in Ihrem Unternehmen ein Datenschutzbeauftragter oder ein Betriebsrat, können diese als erste Ansprechpartner dienen. Sie können die Angelegenheit intern prüfen und gegebenenfalls vermitteln.
- Information der Datenschutz-Aufsichtsbehörde: Bei Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen (wie der Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO oder dem Bundesdatenschutzgesetz – BDSG) kann die zuständige Datenschutz-Aufsichtsbehörde informiert werden. Diese Behörden sind für die Einhaltung des Datenschutzes zuständig und können eine Prüfung einleiten.
- Gerichtliche Maßnahmen: Um eine akute Rechtsverletzung zu stoppen, besteht die Möglichkeit, rechtliche Schritte einzuleiten. Dazu gehört beispielsweise das Beantragen einer einstweiligen Verfügung, einer Art gerichtliche Anordnung, die den Arbeitgeber verpflichtet, den Zugriff oder die Verwertung der Daten sofort zu unterlassen. Auch Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld können im Raum stehen, wenn durch den unrechtmäßigen Zugriff ein Schaden entstanden ist.
Präventive Maßnahmen
Um solche Situationen von vornherein zu vermeiden, können folgende Maßnahmen hilfreich sein:
- Klare Vereinbarungen zur E-Mail-Nutzung: Klären Sie mit Ihrem Arbeitgeber schriftlich, ob und in welchem Umfang die private Nutzung der geschäftlichen E-Mail-Systeme erlaubt ist. Eine Betriebsvereinbarung oder eine Einzelvereinbarung kann hier Klarheit schaffen. Ist die private Nutzung untersagt, halten Sie sich unbedingt daran, um keine Angriffsflächen zu bieten.
- Trennung von privaten und beruflichen Accounts: Nutzen Sie für private Kommunikation ausschließlich private E-Mail-Konten und –Geräte. Dies ist die sicherste Methode, um den Schutz Ihrer privaten Daten zu gewährleisten.
- Regelmäßige Information: Informieren Sie sich über die Datenschutzrichtlinien in Ihrem Unternehmen und Ihre Rechte als Arbeitnehmer.
Der Schutz der Kommunikation am Arbeitsplatz ist ein wichtiges Thema, das sowohl die Rechte der Arbeitnehmer als auch die berechtigten Interessen der Arbeitgeber berücksichtigt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Einstweilige Verfügung
Eine einstweilige Verfügung ist eine schnelle gerichtliche Anordnung, die dazu dient, eine akute Rechtsverletzung vorläufig zu stoppen, noch bevor ein vollständiges Hauptverfahren abgeschlossen ist. Sie wird häufig eingesetzt, wenn eine Partei befürchtet, dass ohne sofortiges Eingreifen ein nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht. Im vorliegenden Fall beantragte der ehemalige Vorstand eine solche Verfügung, um das Unternehmen daran zu hindern, weiter auf sein E-Mail-Postfach zuzugreifen und die bereits entnommenen Informationen zu verwenden. Die einstweilige Verfügung schützt also vorläufig Rechte, bis das Gericht endgültig über den Streitfall entscheidet.
Fernmeldegeheimnis
Das Fernmeldegeheimnis schützt die Vertraulichkeit der Telekommunikation und ist in Artikel 10 des Grundgesetzes sowie im Telekommunikationsgesetz (TKG) geregelt. Es verbietet Telekommunikationsanbietern grundsätzlich, den Inhalt der Kommunikation ihrer Kunden einzusehen oder zu überwachen. Im Fall der privaten Nutzung eines dienstlichen E-Mail-Postfachs kann das Fernmeldegeheimnis relevant werden, wenn der Arbeitgeber dadurch zum sogenannten „Diensteanbieter“ wird. Dann darf er private E-Mails nicht ohne Weiteres lesen oder speichern, um die Privatsphäre der Nutzer zu schützen.
Beispiel: Ist die private Nutzung des Firmen-E-Mail-Kontos erlaubt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ähnlich dem Telefonanbieter, die privaten Nachrichten vertraulich zu behandeln und vor unbefugtem Zugriff zu schützen.
Diensteanbieter
Ein Diensteanbieter im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) ist jemand, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste für Dritte erbringt. „Geschäftsmäßig“ bedeutet, die Leistung wird dauerhaft und mit Gewinnerzielungsabsicht am Markt angeboten, etwa ein E-Mail-Dienst wie GMX oder eine Telefongesellschaft. Im beschriebenen Fall stellte das Gericht fest, dass das Unternehmen kein Diensteanbieter ist, weil es den E-Mail-Account nur intern seinen Mitarbeitern zur Verfügung stellt und diesen Dienst nicht Dritten am freien Markt anbietet. Dies hat zur Folge, dass das Telekommunikationsgesetz nicht greift und strenge Schutzregeln des Fernmeldegeheimnisses nicht automatisch angewendet werden.
Beispiel: Eltern, die für ihr Kind einen Handytarif abschließen, werden dadurch nicht selbst zu einem Diensteanbieter, obwohl sie den Vertrag für jemand anderen nutzen lassen.
Verfügungsanspruch
Ein Verfügungsanspruch ist das rechtliche Befugnis, über eine Sache oder ein Recht zu verfügen, also beispielsweise den Zugang dazu zu kontrollieren oder zu verhindern. Im Fall des ehemaligen Vorstands lag das Problem darin, dass er keinen Verfügungsanspruch an dem Firmen-E-Mail-Postfach hatte. Weil das Postfach Eigentum oder (Mit-)Verfügungsrecht des Arbeitgebers war, konnte er dem Unternehmen nicht rechtlich verbieten, auf das Konto zuzugreifen. Das Fehlen dieses Anspruchs bedeutet, dass der Arbeitnehmer keine rechtliche Handhabe gegen den Zugriff hatte, auch wenn er die private Nutzung erlaubt oder geduldet hatte.
Beweisverwertungsverbot
Ein Beweisverwertungsverbot bedeutet, dass von einem Gericht bestimmte Beweise nicht zur Entscheidung herangezogen werden dürfen, weil sie auf rechtswidrige Weise erlangt wurden. Im Kontext des Zugriffs auf dienstliche E-Mails ist das Beweisverwertungsverbot relevant, wenn ein Arbeitgeber unrechtmäßig und ohne rechtliche Grundlage private E-Mails liest oder speichert und diese Informationen gegen den Arbeitnehmer verwendet. Das Gericht kann dann entscheiden, dass diese Beweise nicht verwendet werden dürfen, um den Arbeitnehmer zu benachteiligen, um seine Persönlichkeitsrechte und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen.
Beispiel: Werden private E-Mails heimlich und ohne Erlaubnis durch den Arbeitgeber ausgelesen, darf ein Arbeitsgericht diese E-Mails nicht als Beweismittel gegen den Arbeitnehmer zulassen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Telekommunikationsgesetz (TKG), insbesondere § 88 TKG (Fernmeldegeheimnis): Das TKG schützt die Vertraulichkeit der Telekommunikation und verbietet Diensteanbietern, ohne Zustimmung der Nutzer auf deren Kommunikation zuzugreifen. Ein Diensteanbieter im TKG-Sinne bietet Telekommunikationsdienste „geschäftsmäßig“ Dritten an. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Unternehmen ist kein Diensteanbieter, da es den E-Mail-Account nur intern für eigene Mitarbeiter bereitstellt, somit greift das strenge Fernmeldegeheimnis des TKG hier nicht.
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG: Dieses Grundrecht schützt die persönliche E-Mail-Kommunikation vor unzulässigen Eingriffen, steht aber nicht absolut über betrieblichen Interessen. Es erfordert eine Interessenabwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und berechtigten Unternehmensinteressen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht sah das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, auf dienstliche E-Mails zuzugreifen, als schwerwiegender als das Geheimhaltungsinteresse des ehemaligen Vorstands an den auf dem Firmen-Server gespeicherten E-Mails.
- Strafgesetzbuch (StGB), § 202a StGB (Ausspähen von Daten): Dieses Delikt schützt Daten, die gegen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind und nicht für den Täter bestimmt sind. Ein Zugang zu eigenen oder dienstlich zustehenden Daten stellt keine strafbare Tat dar. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Zugriff auf das dienstliche E-Mail-Konto erfolgte auf einem firmeninternen Server, die E-Mails waren dem Unternehmen zuzuordnen, weshalb kein strafbares Ausspähen vorlag.
- Arbeitsrechtliche Grundsätze des Zugriffs auf dienstliche Daten: Arbeitgeber dürfen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf dienstliche E-Mails zugreifen, um betriebliche Interessen, beispielsweise Aufklärung von Pflichtverletzungen oder Sicherung von Geschäftsunterlagen, zu wahren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Unternehmen durfte die E-Mails lesen, um mögliche Pflichtverletzungen aufzuklären und den Geschäftsbetrieb trotz Ausscheidens des Mitarbeiters weiterzuführen.
- Grundgesetz (GG), Art. 10 GG (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis): Dieses schützt die Vertraulichkeit der Kommunikation vor Eingriffen insbesondere durch den Staat, gilt aber nicht uneingeschränkt gegenüber privaten Unternehmen bei gespeicherten dateninternen Nachrichten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Schutzinteresse des Art. 10 GG ist beim Zugriff auf auf dem Firmenserver gespeicherte dienstliche E-Mails begrenzt, da diese bereits Teil der internen Betriebsabläufe sind.
- Datenschutzrechtliche Grundsätze (insb. DSGVO, Art. 5 DSGVO – Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten): Die Verarbeitung personenbezogener Daten muss rechtmäßig, zweckgebunden und transparent erfolgen; Mitarbeiterdaten dürfen nur im Rahmen berechtigter Unternehmensinteressen verarbeitet werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verarbeitung der E-Mails durch das Unternehmen muss verhältnismäßig und mit Zugriffsrechten des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, was das Gericht bejahte, insbesondere bei dienstlichen Mails trotz privater Nutzungsoption.
Das vorliegende Urteil
LG Erfurt – Az.: 1 HK O 43/20 – Urteil vom 28.04.2021
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz