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eBay – Account-Missbrauch – bei Autokaufvertrag

Oberlandesgericht Köln

Az.: 19 U 120/05

Urteil vom 13.01.2006

Vorinstanz: Landgericht Aachen, Az.: 12 O 55/05


Die Berufung des Klägers gegen das am 02.06.2005 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen (12 0 55/05) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises für einen PKW Porsche 996 Carrera 4 S Coupe, Baujahr xxx.

Der Kläger tritt unter der Bezeichnung „T“ im Internet als Verkäufer auf. Unter dem 14.10.2004 stellte er den o.g. PKW in die Verkaufsplattform „ebay“ unter Bezugnahme auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma „E N GmbH“ (seiner Arbeitgeberin) ein. Am 20.10.2004 erhielt der Kläger die Nachricht, dass unter dem Benutzernamen „C“ die Option „sofort kaufen“ zum Kaufpreis von 74.900 EUR genutzt worden war. Der Benutzername „C“ war für die Beklagte von einer Freundin, der Zeugin D, bei „ebay“ angemeldet worden. Die Beklagte selbst verfügt über keinen PC. Sie hat jedoch über den Internetanschluss der genannten Zeugin unter der Bezeichnung „C“ mehrfach kleinere Geschäfte abgewickelt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm die Beklagte aufgrund eines wirksam zustande gekommenen Kaufvertrages zur Zahlung des Kaufpreises von 74.900 EUR Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeuges verpflichtet sei. Die Beklagte, die aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Prozesskostenhilfe beansprucht, hat bestritten, das Gebot vom 20. Oktober 2004 abgegeben zu haben und verweigert den Vollzug des Geschäfts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 02.06.2005, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zwischen den Parteien sei kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Bereits das Angebot des Klägers sei nicht bindend gewesen, weil er sich auf die von „ebay“ abweichenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen seiner Arbeitgeberin bezogen habe, wonach die Annahme eines eventuellen Gebotes für ihn freibleibend sein sollte. Das unter dem Benutzernamen der Beklagten abgegebene Angebot sei den Umständen nach durch den Kläger aber nicht rechtzeitig angenommen worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Schlussanträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, das angefochtene Urteil verstoße gegen materielles Recht. Bei sachgerechter und den Grundsätzen des § 133 BGB entsprechender Auslegung sei das von ihm eingestellte Angebot sehr wohl bereits im Sinne einer bindenden Verkaufsofferte zu verstehen gewesen. Die Kammer habe nicht allein auf den Wortlaut der in Bezug genommenen AGB abstellen dürfen. Bei einer Gesamtschau ergebe sich insbesondere aufgrund des Hinweises „sofort kaufen“ vielmehr, dass das Verkaufsangebot verbindlich gemeint gewesen sei. Es sei mittlerweile „Allgemeingut und zwischenzeitlich in allen Bevölkerungskreisen bekannt“, dass über „ebay“ ausschließlich rechtlich verbindliche Geschäfte abgewickelt würden.

Im Übrigen sei bereits durch E-Mail vom 20.10.2004 der Beklagten auch mitgeteilt worden, dass deren Gebot angenommen werde.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Köln vom 02. Juni 2005 (12 O 55/05) aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 74.900 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05. November 2004 Zug um Zug gegen Übergabe des PKW Marke Porsche 996 Carrera 4 S Coupe, Fahrgestellnummer-Nr. ###1 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 928,00 EUR zu zahlen.

Hilfsweise beantragt der Kläger, die Streitsache zur weiteren Entscheidung insbesondere einer gegebenenfalls weiteren notwendigen Beweisaufnahme an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte, die das angefochtene Urteil verteidigt, beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von 74.900 EUR verneint, denn zwischen den Parteien ist kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Dies folgt allerdings nicht aus einer verspäteten Annahmeerklärung des Klägers, sondern bereits daraus, dass das unter dem Benutzernamen „C1“ unter dem 20.10.2004 abgegebene Gebot nicht von der Beklagten stammte und es ihr entgegen der Auffassung des Klägers auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuzurechnen ist. Die Beklagte verfügt nicht ansatzweise über die finanziellen Mittel zur Anschaffung eines Luxussportwagens.

Sie hat, was der Kläger selbst nicht in Abrede gestellt hat, auch weder Interesse an einem solchen Fahrzeug noch hat sie Verwendung dafür.

Im geschäftlichen Verkehr über Internet-Verkaufsplattformen gelten hinsichtlich des Zustandekommens von Verträgen die allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB. Die Besonderheit, dass die Beteiligten dort unter Mitgliedsnamen oder anderen Bezeichnungen in Erscheinung treten, die ihre wahre Identität nicht erkennen lassen, ändert nichts daran, dass derjenige, der sich auf einen wirksamen Vertragsschluss beruft, darlegen und beweisen muss, dass die hinter der jeweiligen Bezeichnung stehende Person tatsächlich Vertragspartner geworden ist. Diesen Nachweis hat der Kläger bezüglich der Beklagten nicht geführt. Es fehlt somit bereits an einer die Beklagte bindenden Willenserklärung.

a) Ausgehend vom Empfängerhorizont des Klägers wollte er zwar mit der hinter der Bezeichnung „C“ stehenden tatsächlichen Namensträgerin abschließen. Die Beklagte hat indes bereits in erster Instanz unter Darlegung von Einzelheiten bestritten, von dem Gebot gewusst, geschweige denn, dieses abgegeben zu haben. Dem ist der Kläger bereits in erster Instanz nicht substantiiert entgegengetreten, sondern hat gemeint, die Beklagte hafte ihm nach Rechtsscheinsgrundsätzen. Seinen Vortrag, die Beklagte habe persönlich gehandelt, hat er in der Berufungsinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, nicht weiterverfolgt.

b) Die Beklagte haftet auch nicht für das Handeln eines Dritten. Die unter ihrem Benutzernamen abgegebene Erklärung kann ihr nicht zugerechnet werden. In Betracht kommt allein ein Handeln unter ihrem Namen, worauf – auch im Internetverkehr (vgl. OLG München NJW 2004, 1328, 1329) – die §§ 164 ff. BGB entsprechende Anwendung finden. Erfolgt danach eine Willenserklärung mit Einwilligung des wahren Inhabers der verwendeten Kennung, kommt ein Geschäft mit dem Namensträger zustande. Ansonsten haftet der Handelnde dem anderen Vertragsteil entsprechend § 179 BGB auf Erfüllung oder Schadensersatz.

Es steht bereits nicht fest, wer unter der Bezeichnung „C“ gehandelt hat. Die Zeugin D hat bei ihrer Vernehmung in dem vom Senat beigezogenen Ermittlungsverfahren in Abrede gestellt, das Gebot vom 20.10.2004 abgegeben zu haben. Ob diese Einlassung zutreffend ist, tatsächlich also eine unbekannt gebliebene dritte Person gehandelt hat, braucht der Senat nicht aufzuklären, denn es fehlt jedenfalls an einem hinreichenden Anknüpfungstatbestand für eine mögliche Haftung der Beklagten nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Duldungs- oder Anscheinsvollmacht (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 173 Rdnr. 11 ff. m.w.N.). Dafür genügt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass die Beklagte sich als Nutzerin der Internet-Plattform „ebay“ hat registrieren lassen. Die Einrichtung eines E-Mail-Kontos und eines Benutzerkennworts vermag angesichts der – nach wie vor unvermindert gegebenen (vgl. Borges in NJW 2005, 3313, 3315) – Missbrauchsmöglichkeiten keinen schützenswerten Vertrauenstatbestand zu begründen. Der Geschäftspartner kann im anonymen Internetverkehr daher allein aufgrund eines verwendeten Passworts nicht berechtigterweise davon ausgehen, einen Vertragspartner zu erhalten (vgl. Senatsurteil vom 06.09.2002, CR 2003, 55 f.).

Vielmehr muss das Handeln des „Vertreters“ im Einzelfall dem Namensträger aufgrund konkreter Umstände zugerechnet werden können.

Dafür hat der Kläger aber hinreichende Tatsachen nicht vorgetragen. Selbst wenn die Zeugin D unter dem Namen der Beklagten als Bieterin aufgetreten wäre, könnte er die Beklagte nicht als Vertragspartnerin in Anspruch nehmen. Die Zeugin hatte für die Beklagte zuvor lediglich einige kleinere Geschäfte über „ebay“ abgewickelt. Durch die wenigen Beauftragungen hat die Beklagte für den Rechtsverkehr aber nicht das berechtigte Vertrauen darauf begründet, die Zeugin sei auch zur Abgabe eines Gebotes zum Kaufe eines Luxusfahrzeuges zu einem Kaufpreis von 74.900 EUR berechtigt. Von solchen Geschäften war gegenüber der Zeugin unbestritten niemals die Rede gewesen. Diese überschritten – auch für einen Dritten ersichtlich – den möglichen Umfang geduldeten Handelns. Auch die Grundsätze der Anscheinsvollmacht finden keine Anwendung. Dies würde voraussetzen, dass die Beklagte das (konkrete) Handeln der Zeugin D zwar nicht kannte, bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt aber hätte erkennen können. Auch dafür hat der Kläger nicht ansatzweise Tatsachen vorgetragen.

2.

Ist nach dem Vorgesagten von einem wirksamen Vertragsschluss zwischen den Parteien nicht auszugehen, so hat der Kläger auch keine Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich entstanden Anwaltkosten.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

5.

Streitwert des Berufungsverfahrens und zugleich Beschwer des Klägers: 74.900 EUR.

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