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Ebay-Bewertung: Löschung einer negativen Bewertung

AG Erlangen

Az: 1 C 457/04

Urteil vom 26.05.2004


In dem Rechtsstreit erläßt das Amtsgericht – Zivilgericht – Erlangen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2004 folgendes Endurteil:

1. Der Beklagte wird verurteilt, der Zurücknahme der von ihm als Käufer in der von der eBay International AG durchgeführten Transaktion mit der Artikelnummer abgegebenen negativen Bewertung über die in der Auktion als Verkäuferin aufgetretene Klägerin auf dem von der eBay International AG gestellten Fomular „Antrag auf Bewertungslöschung“ zuzustimmen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.000,– EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zustimmung zur Löschung einer negativen Bewertung beim Internetauktionshaus eBay International AG.

Die Klägerin bot unter ihrem Mitgliedsnamen „…“ am 15.10.2003 bei der Internetplattform eBay ein Buch zur Versteigerung an. Der Beklagte gab unter seinem Mitgliedsnamen „…“ das Höchstgebot ab, sodass am 22.10.2003 ein wirksamer Kaufvertrag über das Buch zu einem Preis von 3,– EUR zustande gekommen ist. Beide Parteien waren unter Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay zuvor als Nutzer angemeldet.

Die Bezahlung erfolgte erst mehrere Wochen nach Vertragsschluss nach mehrmaliger Aufforderung durch die Klägerin, das Buch wurde sodann übersandt. Alle zur Zahlung erforderlichen Daten waren bei eBay hinterlegt. Der Beklagte bewertete noch vor Bezahlung die Klägerin mit negativ und dem Kommentar

„Also ich und ein Freund würden hier ganz bestimmt nichts mehr kaufen, sorry!!“, was bei der Klägerin zu einem Gesamtbewertungsprofil von damals 98,5 % positiv führte, im übrigen wies das Bewertungsprofil der Klägerin nur positive Bewertungen auf. Mit Schreiben vom 25.12.2003 forderte die Klägerin auf, sein Einverständnis mit der Löschung der Eintragung zu erklären, die dieser jedoch verweigerte. Die Klägerin meint, dass der Beklagte mit der negativen Bewertung, die falsch und sachlich nicht gerechtfertigt sei, seine vertraglichen Pflichten zur  wahrheitsgemäßen Bewertung der Leistung der Klägerin als Verkäuferin schuldhaft verletzt habe. Somit sei der Klägerin in voller Kenntnis der Tatsachen Schaden zugefügt worden, weil diese nun mit einer negativen Bewertung bei ihrer zukünftigen Teilnahme an Online-Versteigerungen bei eBay belastet sei und ihr der erfolgreiche Verkauf von Waren dadurch erschwert werden würde.

Die Klägerin beantragt daher: Der Beklagte wird verurteilt, der Zurücknahme der von ihm als Käufer in der von der eBay International AG durchgeführten Transaktion mit der Artikelnummer … abgegebenen negativen Bewertung über die in der Auktion als Verkäuferin aufgetretene Klägerin auf dem von der eBay International AG gestellten Formular „Antrag auf Bewertungslöschung“ zuzustimmen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er erwidert, dass Ursache für die negative Bewertung der unfreundliche Kontakt mit der Klägerin gewesen sei. Aufgrund seiner Unerfahrenheit mit eBay und der Tatsache, dass sein PC defekt gewesen sei und er deswegen von einem fremden PC agieren habe müssen, habe sich die Transaktion über einen erheblichen Zeitraum hingezogen. Er habe aber einen anderen, gleichwertigen Weg gewählt, indem er per e-mail Kontodaten und den richtigen Namen der Klägerin erfragt habe. Bezüglich des Inhalts der Bewertung legt der Beklagte dar, dass diese weder beleidigend sei noch das Kundtun falscher Tatsache darstelle. Er meint, er habe das Recht, die Transaktion nach seinem Empfinden zu bewerten, was er bezüglich der Kaufabwicklung auch getan habe. Er behauptet, dass der rege Handel der Klägerin bei eBay durch ihn nicht eingeschränkt sei und die Klägerin weniger verkaufe. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und übergebenen Anlagen Bezug genommen.

Beweis wurde nicht erhoben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

I.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zur Zurücknahme der negativen Bewertung gem. §§ 280, 241 Abs 2 BGB.

1.
Schuldverhältnis im Sinne dieser Vorschriften ist der zwischen beiden Parteien geschlossene Kaufvertrag. Die nach Meinung des Gerichts sachlich nicht gerechtfertigte negative Bewertung stellt eine Nebenpflichtverletzung dar. Mit der Registrierung als eBay-Nutzer haben sich beide Parteien sowohl den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay als auch sich einem aus dem Umgang mit eBay ergebenden allgemeinen Nutzungsverhalten unterworfen. Die Abgabe von Bewertungen nach einer erfolgten Transaktion ist ein signifikantes Merkmal der Internetplattform eBay, da dies eine wichtige Informationsmöglichkeit über den ansonsten nicht greifbaren Vertragspartner darstellt. Die Bewertung setzt sich zusammen einmal aus einer Beurteilung positiv-neutral-negativ und zum anderen aus einem knappen Bewertungskommentar. Anhand dieser Bewertung kann die Zuverlässigkeit des Handelspartners abgelesen werden, dessen Ruf hängt davon im wesentlichen ab. Die Bewertungen können jederzeit abgerufen werden, das Bewertungsprofil und der Prozentsatz der positiven Bewertungen ist bei jeder Transaktion deutlich sichtbar gemacht.

Auf der Internetseite von eBay kann unter der Rubrik „Fragen und Antworten“ zum Thema Bewertungen nachgelesen werden, dass nur faire und sachliche Kommentare abgegeben werden sollen, wie auch in § 6 der AGB von eBay geregelt ist, denen sich die Nutzer bei der Anmeldung unterwerfen. Dann aber stellt die Abgabe der beschriebenen Bewertung eine vertragliche Nebenpflicht des Geschäftes dar, deren Verletzung als Folge Schadensersatz nach § 280 BGB nach sich zieht. Die Vorschrift betrifft sämtliche Nebenpflichten, sowohl Leistungs- als auch Verhaltenspflichten (Palandt BGB 62.Auflage 2003, § 280 Rn.24). Ein Rückgriff auf die §§ 823, 824 BGB bedarf es daher nicht.

2.
Dagegen hat der Beklagte jedoch verstoßen.
Unbestritten ist das Verhalten und die empfundene Freundlichkeit/Nichtfreundlichkeit des Vertragspartners, hier der Klägerin als Anbieterin, ein wichtiges Beurteilungskriterium. Sicherlich hätte die Klägerin als Service auf die e-mail des Beklagten hin ihre Daten diesem sofort zur Verfügung stellen können, ohne sich auf die bei eBay hinterlegten Daten zu berufen. Dass damit eine negative Bewertung einhergehen kann, da aus Sicht Bieters unfreundlich, vermag das Gericht nicht anzugreifen. Dies ist jedoch nur die eine Seite. Die Bewertung besteht nämlich, wie angeführt, auch noch aus einem Kommentar, der eine inhaltliche Darstellung der Bewertung beinhalten, mithin fair und sachlich sein soll, was vorliegend jedoch gerade nicht der Fall ist. Die Äußerung

„Also ich und ein Freund würden hier ganz bestimmt nichts mehr kaufen, sorry!!“

ist dermaßen allgemein gehalten und lässt für fast jede Interpretationsmöglichkeit Raum, so z. B. dass schlechte Ware übersendet worden wäre bis sogar anzunehmenden quasibetrügerischen Verhalten, und zwar aus Sicht des objektiven eBay-Nutzers. Mit der bei eBay geforderten sachlichen Bewertung hat diese streitgegenständliche nichts gemein, da jeglicher Bezug zur Transaktion und den damit einhergehenden Problemen fehlt. Die Beurteilung ist allein abwertend ohne jegliche sachliche Begründung oder Bezug – ein „unfreundlich“ nach einem Gedankenstrich hätte schon genügt -, sodass die Klägerin einen Anspruch hat, dass sie aus ihrem Bewertüngsprofil herausgenommen wird.

Der Ansicht des AG Koblenz in seinem Urteil vom 07.04.04 (Aktenzeichen 142 C 330/04), dass es sich bei der Bewertungsplattform bei eBay ausschließlich um ein Meinungsforum handelt, kann in diesem weitgehenden Maße nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, dass hier hauptsächlich subjektive Meinungen zu der Abwicklung des Geschäftes und zum Geschäftspartner abgegeben werden, jedoch ergänzt um die von eBay bestimmte und vorgegebene Sachlichkeit. Erst diese gewährleistet nämlich die von allen Nutzern gewünschte Funktion, sich über seinen Vertragspartner ein angemessenes Bild machen zu können.

Nach Meinung des erkennenden Gerichtes kann sich deshalb der Löschungsanspruch nicht nur auf offensichtlich unwahre Tatsachen oder auf eine Schmähkritik beschränken, vielmehr müssen auch solche alleinigen Meinungsäußerungen umfasst sein, die so allgemein, überspitzt und schlagwörtlich gehalten sind, dass eine Sinnrichtung in der gerade beschriebenen Weise und in Richtung entstellende Tatsachen möglich ist. Liegt eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug vor, die durch das dem Geschäft zugrunde liegenden Verhalten nicht gerechtfertigt ist, so stellt dies eine vertragliche Nebenpflichtverletzung nach den §§ 241 Abs. 2, 280 BGB dar. Einzuschränken ist der Löschungsanspruch allerdings auf evidente Fälle der Zuwiderhandlung gegen das Gebot der Sachlichkeit, wovon das Gericht im streitgegenständlichen Fall ausgeht.

Ob auch die Anforderungen der §§ 823, 824 BGB erfüllt sind, brauchte aufgrund des Vorliegens des vertraglichen Anspruches nicht entschieden werden. Die von der Beklagtenvertreterin weiter zitierte Entscheidung des LG Düsseldorf vom 18.02.04 (12 0 6/02) betraf ein einstweiliges Verfügungsverfahren als summarisches Verfahren mit abweichenden Anforderungen, im übrigen ist dort in der Bewertung ein wirklicher sachlicher Bezug zu dem konkreten Geschäft wie hier gefordert – hergestellt. Mangels Trennbarkeit von Einstufung und Kommentar ist die komplette Bewertung zu löschen.

3.
Der Löschungsanspruch ist im vorliegenden Fall auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Klägerin die Möglichkeit der Gegendarstellung zur Verfügung steht. Eine solche setzt nämlich gerade regelmäßig voraus, dass man sich gegen einen konkreten sachlichen Vorwurf in der Beurteilung wehren kann, was jedoch mangels Vorhandensein nicht möglich war. Dass die Klägerin von der Gegendarstellung Gebrauch und den Beklagten als „Spaßbieter“ bezeichnet hat, zeigt gerade, dass mangels bestimmten Vorwurfs ebenfalls nur eine Pauschalbeurteilung abgegeben wurde und werden konnte. Das von eBay propagierte Bewertungssystem kann eben nur dann funktionieren, wenn die Vorgaben, denen sich alle Nutzer unterworfen haben, eingehalten werden. Unsachliche, überspitzte und mehrdeutige Meinungsäußerungen müssen der Sachlichkeit weichen, da sonst die von allen Seiten gewünschte Funktion des Beurteilungssystems nicht gewährleistet werden kann.

4.
Der Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten, eine Entlastung im Sinne von § 280 Abs. l Satz 2 BGB gelang ihm nicht. Er hat diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein derartiges Geschäft erfordert. Dies wäre für ihn auch erkennbar gewesen, hätte er sich mit den Bestimmungen und den Hinweisen, die sich aus der Internetseite von eBay ergeben, auseinandergesetzt.

5.
Der durch die Pflichtverletzung entstandene Schaden liegt hier in den negativen Auswirkungen der Bewertungen der Klägerin bei anderen eBay-Nutzern. Schaden im Sinne von § 249 Abs. l BGB ist nämlich jede unfreiwillige Einbuße, die jemand infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen Rechtsgütern erleidet. Gerade aber das Bewertungsprofil eines Nutzers trägt erheblich dazu bei, ob und wie viele andere Teilnehmer mitbieten (was wiederum sich auch auf den Preis auswirkt) und Verträge abschließen oder nicht. Wird dieses Profil durch eine negative Bewertung beeinflusst, ist darin selbst schon der Schaden zu sehen. Es leuchtet ein, dass bei Vorhandensein mehrerer Anbieter der gleichen Ware derjenige einen Nachteil hat, der mit einer (ungerechtfertigten) negativen Beurteilung, die auch noch die benannten Interpretationsmöglichkeiten enthält, belastet ist im Verhältnis zu nicht oder weniger belasteten Konkurrenten.

6.
eBay löscht regelmäßig Bewertungen nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die AGB oder geltendes Recht vorliegen oder wenn beide Vertragsparteien dem zustimmen, ein entsprechendes Formular ist online bereitgestellt. Weigert sich der andere Vertragspartner, so ist er auf Zustimmung zu verklagen.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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