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EC-Karte – Preisgabe der Karte und PIN durch schwere räuberische Erpressung (hier Fahrlässigkeit?)


AMTSGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az: 30 C 1391/98-75

Verkündet am 19.10.1998


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Frankfurt am Main – Abteilung 30 – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.09.1998 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt; an den Kläger DM 1.010,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 21.07.1998 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 495 a ZPO abgesehen.)

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Der Kläger hat gem, Ziff. III 2.4 der Bedingungen für ec-Karten einen vertraglicher Anspruch auf Zahlung des beanspruchten Betrages. Dort heißt es:

„Die Bank haftet für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem ec-Kartenvertrag

Sobald der Bank oder dem zentralen Sperrannahmedienst der Verlust der ec-Karte angezeigt wurde, übernimmt die Bank alle danach durch Verfügungen an Geldautomaten und automatisierten Kassen entstehenden Schäden.

Sie übernimmt auch die bis zum Eingang der Verlustanzeige entstehenden Schäden, wenn (]er Karteninhaber die ihm nach diesen Bedingungen obliegenden Pflichten erfüllt hat.

Hat der Karteninhaber durch ein schuldhaftes Verhalten zur Entstehung des Schadens beigetragen, bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, in welchem Umfang Bank und Kontoinhaber den Schaden zu tragen haben.

Hat der Karteninhaber seine Pflichten lediglich leicht fahrlässig verletzt, so stellt die Bank den Kontoinhaber von seiner Verpflichtung, einen Teil des Schadens zu übernehmen, in jedem Fall in Höhe von 90% des Gesamtschadens frei.

Hat die Bank ihre Verpflichtungen erfüllt und der Karteninhaber seine Pflichten grob fahrlässig verletzt, trägt der Kontoinhaber den entstandenen Schaden in vollem Umfang Grobe Fahrlässigkeit des Karteninhabers kann insbesondere dann vorliegen, wenn

– er den Kartenverlust der Bank oder dem Zentralen Sperrannahmedienst schuldhaft nicht unverzüglich mitgeteilt hat,

– die persönliche Geheimzahl auf der Karte vermerkt oder zusammen mit der ec-Karte verwahrt war (zum Beispiel im Originalbrief, in dem sie dem Karteninhaber mitgeteilt wurde),

– die persönliche Geheimzahl einer anderen Person mitgeteilt wurde.

Die Haftung für Schäden, die innerhalb des Zeitraums, für den der Verfügungsrahmen gilt, verursacht werden, beschränkt sich jeweils auf den mitgeteilten Verfügungsrahmen.“

Vorliegend hat der Kläger weder grob fahrlässig noch sonst schuldhaft zum Entstehen des Schadens beigetragen.

Grob fahrlässig handelt nicht nur derjenige, der die oben exemplarisch aufgeführten Tatbestände erfüllt, sondern auch jener, der die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzt, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte ( BGH 10,16; 89, 1354 ). Während bei der einfachen Fahrlässigkeit der Maßstab ein rein objektiver ist, sind bei der groben Fahrlässigkeit auch subjektive, in der Individualität des Handelnden begründete Umstände zu berücksichtigen ( BGH 119, 149 ).

Hier wurde die ec-Karte dem Kläger durch schweren Raub entwendet; die Preisgabe der Geheimnummer erreichten die Schädiger durch schwere räuberische Erpressung. Die Parteien sind sich darüber einig, daß hierin ein Fehlverhalten des Klägers jedenfalls nicht unmittelbar gesehen werden kann, was angesichts der drastischen Situation, in der sich der Kläger befunden hat, auch keiner weiteren Erörterung bedarf.

Ein rechtlich relevantes Fehlverhalten ist aber auch nicht dadurch gegeben, daß der Kläger die ihn später angreifenden und schädigenden Täter zuvor mit in seine Wohnung genommen hat. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es irgendwelche Anzeichen für das Ansinnen der Täter, den Kläger in seiner Wohnung zu berauben, gegeben hätte. Solche Anzeichen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Für den Kläger war nicht zu erkennen, daß die beiden Männer, denen er lediglich helfen wollte, gewalttätig werden würden. Allein die Tatsache, daß sie einen hilflosen und hilfsbedürftigen Eindruck hinterließen, läßt den Schluß auf die Gewaltbereitschaft schon objektiv nicht zu. Zudem ist dem Kläger auch in subjektiver Hinsicht kein Vorwurf zu machen. Der Kläger, ein Pfarrer, ist in der Straßensozialarbeit tätig und erfahren. Er trifft tagtäglich im Rahmen seiner Straßensozialarbeit auf Leute, die aus problematischen

Verhältnissen kommen oder in solchen leben, ohne daß diese in der wie hier geschehenen Art und Weise gewalttätig werden. Der Umstand, daß der Kläger die beiden Männer zu sich nach Hause eingeladen hat, zeigt, daß der Kläger in der Vergangenheit im Umgang mit seinem Klientel Erfahrungen gemacht hat, die ihn auf ein friedliches Gespräch vertrauen ließen und auch vertrauen lassen durften.

Soweit die Beklagte ein Indiz für die Gewaltbereitschaft darin sieht, daß es sich bei den Tätern um solche handelt, die sich selbst dem „Strichjungenmilieu“ zurechnen, vermag das Gericht dieser Einschätzung nicht zu folgen. Ungeachtet dessen, daß der Vortrag der Parteien nicht ergibt, daß der Kläger vor Ausspruch der Einladung von der „Milieuzugehörigkeit“ Kenntnis hatte, ist doch die Annahme zu weitgehend, daß das Einladen von „Strichjungen“ in die Wohnung, um dort ein begonnenes Gespräch fortzusetzen, die naheliegende Gefahr überfallen zu werden, in sich birgt. Schon der Umstand, daß der Kläger sich tagtäglich berufsbedingt mit Personen aus schwierigen Verhältnissen und auch solchen aus dem sog. „Milieu“ umgibt, ohne überfallen zu werden, widerlegt die von der Beklagten vorgebrachte Vermutung der Gewaltbereitschaft von „Straßenjungens“ in Situationen, wie der vorliegenden.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus den §§ 288 BGB, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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